Der berühmteste und zuverlässigste unter den Traditionssammlern ist El
Bochári (810-870); seine Sammlung
ist zum größern Teil herausgegeben vonL.Krehl
(Leid. 1862-68, 3 Bde.; in
Bulak mehrfach gedruckt). Ebenfalls großes Ansehen
genießen
Málik (s.
oben) und Múslim (gest. 875). Unter den theologisch-juridischen
Disziplinen steht die Exegetik des
Korans
obenan, woran sich zahlreicheErklärungen der
Sunna und dogmatische Lehrbücher schließen, in denen auf
scholastische
Weise die positiven
Lehren
[* 2] verteidigt werden.
Die berühmtesten Exegeten sind: der das Überlieferungsmaterial sammelnde Et Tábarí (s.
oben, Geschichte), der rationalisierende
Samáchscharí (1075-1144; hrsg. von
Lees,
Kalk. 1856), der orthodoxe Beidháwi (gest. 1292; hrsg.
von
Fleischer, Leipz. 1846-48, 2
Tle.; Index 1878). Über
Dogmatik schrieben:
Al Ghasali (s.
oben);
Omar al
Nasafi (gest. 1142), nach dessen
Dogmatik noch heute die
Ulemas in allen hohen und niedern
Schulen vortragen;
Abdallah al Nasafi
(gest. 1310; »Pillar of the creed of the Sunnites«,
hrsg. von
Cureton, Lond. 1843). Nicht so sehr in der theoretischen
Theologie als mehr in praktischer Hinsicht
unterscheidet sich die mystisch-asketische
Sekte der Sufis, d. h. Enthaltsamen, welche besonders bei den spätern Persern
unter dem
Schein der
Rechtgläubigkeit sich stark nach der pantheistischen Seite entwickelten.
IhreSchriften sind teils prosaisch,
teils in
Versen abgefaßt, wie denn große Dichter unter ihnen waren, z. B.
Ibn al Faredh, unter den Persern
Hafis und
Dschami.
Die juridische Litteratur entwickelt sich auch späterhin nach den Grundprinzipien der vier
Sekten. Sie teilt sich hauptsächlich
in zwei
Gruppen, die Grundlagen (Uçúl) und die abgeleiteten
Sätze (Furú). Besondern
Ruhm haben erlangt: unter den Malikiten
Chalíl (gest. 1366;
»Précis de jurisprudence musulmane«, übersetzt von
Perron, Par. 1848-54, 6 Bde.);
unter den
Hanefiten Borhán ed-din
Ali al Marghináni (gest. 1197) mit seiner »Hidájeh«
(»Wegeleitung«,
Kalk. 1818, 2 Bde.; engl. von
Hamilton, Lond. 1791, 4 Bde.),
Ibrahim von
Aleppo (gest. 1549; sein Werk übersetzt von Mouradgea d'Ohsson in seinem
»Tableau général de
l'empire ottoman«, Par. 1787, 2 Bde.);
unter den Schafi'iten
Abu Schodschá (am Ende des 5. Jahrh.;
»Précis de jurisprudence musulmane«, hrsg. u.
übers. von Keijzer,
Leid. 1859) und
Abu Ishák al Schirási (gest. 1083; übersetzt von Keijzer als »Handboek
voor het Mohammedaansche recht«,
Haag
[* 3] 1853).
Auch das
Staatsrecht wurde in ein ziemlich ausgebildetes
System
gebracht, dessen musterhafte
Darstellung wir Mâwérdi (gest. 1058; hrsg. von
Enger,
Bonn
[* 4] 1853) verdanken. Über das Rechtswesen
des
Islam vgl. außer Mouradgea (s.
oben) besonders Tornauw, Das moslemische
Recht (Leipz. 1855); van den
Berg,
De beginselen
van het Mohammedaansche recht (Batav.
1874); Sautayra und Cherbonneau,Droit musulman (Par. 1873-74, 2
Tle.).
Über
Philologie bei den Arabern s.
Arabische Sprache.
Litteratur.Überarabische Litteratur im allgemeinen sind vor allem zu vergleichen: »Kitâb
al-Fihrist« (die erste encyklopädische Litteraturübersicht der Araber, um 1000 von
MohammedIbn Ishák verfaßt; hrsg. von
Flügel, Leipz. 1871-72, 2 Bde.);
das große bibliographischeLexikonHadschi Chalfas (hrsg. von
Flügel, Lond. 1835-58, 7 Bde.);
Hammer-Purgstalls »Geschichte der arabischen Litteratur«
(Wien
1850-56, 7 Bde.; bis 1258 reichend) ist unzuverlässig. Den besten
Überblick über die Hauptmomente ihrer innern
Entwickelung geben v.
Kremers
»Kulturgeschichte des
Orients«
(Wien 1875-77, 2 Bde.)
und »Geschichte der herrschenden
Ideen desIslams« (Leipz. 1868).
Das bisher Gedruckte wird aufgezählt in
Zenkers »Bibliotheca orientalis« (Leipz.
1846-61, 2 Bde.),
Trübners »American and oriental literary record« (Lond. 1865 ff.)
und de
Sacys »Bibliothèque« (Par. 1842-47, 3 Bde.).
Für die letzten Jahre vgl. Friedericis »Bibliotheca
orientalis« (Leipz. 1876-81, bisher 6 Hefte). C. H.
Herrmanns »Bibliotheca orientalis et linguistica«
(die Jahre 1850-68 umfassend,
Halle 1870) ist ganz ungenügend.
Sprache,
[* 20] eine der reichsten, gebildetsten, durch Verbreitung und Litteratur merkwürdigsten
Sprachen, bildet
mit dem Himjaritischen und dem nahe mit letzterm verwandten
Äthiopischen in Nordafrika zusammen den südlichen
Zweig des semitischen
Sprachstamms (s.
Semiten). In der ältesten Zeit scheint die
Sprache der dem
SüdenArabiens angehörigen
Dynastie der
Himjariten (s. d.) in einem großen Teil von
Arabien vorgeherrscht zu haben;
Mohammed erhob aber die
Sprache Zentralarabiens,
insbesondere des
Stammes der Koreischiten, zur herrschenden
SpracheArabiens und drückte ihr durch seine Religionsstiftung
den
Charakter der
Heiligkeit auf, wodurch sich die verhältnismäßig sehr geringen Veränderungen, die
das
Arabische seitdem erfahren hat, erklären. Man kann die Geschichte desselben in zwei
Perioden einteilen, von denen die
erste die vor dem Auftreten
Mohammeds entstandenem Gedichte, die
Moallakât, die
Hamâsa u. a., und den
Koran, wie er von dem
KalifenOthman (644-656) festgestellt wurde, umfaßt, die zweite von da ab bis auf die Gegenwart reicht.
Noch heutzutage sprechen
¶
mehr
die Beduinen der Wüste ein Arabisch, das so rein ist wie das des Korans; aber das gewöhnliche Arabisch, Vulgärarabisch genannt,
hat eine mehr oder minder starke Abschleifung der Laute erfahren, Fremdwörter aufgenommen und die Kasusendungen (Nunation)
verloren. So ist z. B. an die Stelle der drei alten Kasus des arabischen Worts für König: melikon im Nominativ,
melikin im Genitiv und Dativ, melikan im Akkusativ, jetzt das einförmige melik getreten. Man unterscheidet vier arabische Dialekte,
die der Berber und der Ägypter in Afrika
[* 22] und diejenigen der Syrer und der eigentlichen Araber in Vorderasien.
Außerdem ist auch das Maltesische, die Sprache der InselMalta, ein verdorbener arabischer Dialekt, nahe
mit dem ausgestorbenen Mozarabisch der Mauren in Spanien
[* 23] verwandt. Auch in Asien
[* 24] hatte die arabische Sprache früher eine größere Verbreitung
als heutzutage, wird jedoch noch immer in einem großen Teil des Orients von vielen Gebildeten verstanden, während sie in
Afrika mit dem Islam sogar im Vordringen begriffen ist und bis in das Herz von Afrika hinabreicht. Einen
redenden Beweis für die gebietende Stellung, die sie früher im ganzen Orient einnahm, liefert der Wortschatz der persischen
Sprache, der ungefähr zu einem Drittel aus arabischen Wörtern besteht, die dann großenteils auch in das Türkische und Hindostanische
übergegangen sind.
Kali, Kattun, Zenith, Ziffer u. a. In grammatischer Beziehung ist die arabische Sprache ungemein
reich, besonders was das Verbum betrifft, das 15 oder 16 Konjugationsarten aufzuweisen hat gegen die 5 der hebräischen Sprache.
Doch sind nur 9 dieser Konjugationsarten, welche die Art und Weise der Handlung ausdrücken: ob transitiv, oder kausativ, oder
iterativ (wiederholt) etc., in gewöhnlichem Gebrauch. Auch in betreff des Vokalismus überragt die arabische Sprache die
hebräische an Altertümlichkeit und ist in manchen Beziehungen sogar dem um mindestens zwei Jahrtausende ältern Assyrisch
der Keilschriften überlegen, daher für die vergleichende Grammatik und Etymologie der semitischen Sprachen von großer Wichtigkeit.
Die Satzbildung ist, wie in allen semitischen Sprachen, einfach. Der Wortschatz ist außerordentlich reich,
und besonders die Sprache der Dichtung hat eine Menge anderswo nicht gekannter Unterscheidungen aufzuweisen, so daß z. B. manche
arabische Grammatiker 1000 Namen für »Schwert«, 500 für »Löwe« sammeln konnten u. dgl. Die
Metrik zeigt sich im Koran noch wenig entwickelt, indem zwar der Reim, aber keine Zählung oder Messung
der Silben auftritt. Später entwickelten sich viele künstliche Versmaße, und der Reim wurde besonders in der Form der Paronomasie,
d. h. unmittelbaren Nebeneinanderstellung ähnlich klingender Wörter, beliebt (z. B. »halla wa balla«,
»schlecht und recht«),
die Rückert in den »Makamen des Hariri« so geschickt nachgebildet hat. Die Schrift
(Neschi) ist aus der altsyrischen (Estrangelo) wahrscheinlich erst kurz vor Mohammed zurechtgemacht worden; in ihrer ältesten
Form heißt sie Kufisch. Sie läuft wie alle semitischen Schriften von rechts nach links und besteht aus 29 sehr zierlichen
Zeichen, die je nach ihrem Auftreten im Anlaut, Auslaut oder Inlaut eine verschiedene Gestalt erhalten,
auch, wenn mehrere Konsonanten aufeinander
folgen, ineinander verschlungen werden.
Für die Vokale gibt es nur drei Zeichen, und auch diese werden, wenigstens im Inlaut und Auslaut, nur als eine Art Anhängsel
an die Konsonanten behandelt. Sehr viele alte arabische Handschriften sind ohne Bezeichnung der Vokale geschrieben, und noch
jetzt wird dieselbe von den Arabern gewöhnlich unterlassen. Die arabische Grammatik ist von den Arabern
selbst im Zusammenhang mit dem Studium ihrer Litteratur, besonders des Korans, sehr eifrig erforscht worden. Schon im 15. Jahrh.
konnte der arabische Schriftsteller Sujuti über 2500 Grammatiker und Philologen namhaft machen.
Vgl. Flügel, Die grammatischen
Schulen der Araber (Leipz. 1862).
An die vortrefflichen Vorarbeiten der einheimischen Grammatiker schloß sich die europäische Forschung eng an. Sie nahm in
Spanien ihren Anfang, ist aber in neuester Zeit besonders in Deutschland
[* 27] zu Hause. Grammatiken lieferten in neuerer Zeit unter
andern de Sacy (2. Aufl., Par. 1831, 2 Bde.),
Tychsen (Götting. 1823), Ewald (Leipz. 1831-33, 2 Bde.),
Petermann (2. Aufl., mit Chrestomathie und Glossar, Berl. 1867), Palmer (Lond. 1874) und besonders Caspari (4. Aufl., Halle 1876;
engl. Bearbeitung von Wright, Lond. 1874). Einzelne grammatische Fragen sind besonders von Fleischer, dem ersten lebenden Kenner
der arabischen Grammatik, eingehend erörtert worden.
Nofal (»Guide de conversation en Arabe et Français«, 3. Aufl., Beirut 1876) u. a. Die maltesische
Mundart erörterte Kosegarten (in Höfers »Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache«, Bd. 2, 1846). Die
wichtigsten Wörterbücher sind das große Wörterbuch von Freytag (arabisch-lateinisch, Halle 1830-1837, 4 Bde.; kürzer, das.
1837) und das noch umfangreichere von Lane (arabisch-englisch, Lond. 1863 ff.; noch unvollendet);
ein kürzeres arabisch-englisches Wörterbuch lieferte Badger (das. 1884), ein arabisch-französisches
Cherbonneau (Par. 1876, 2 Bde.), ein
neuarabisches Handwörterbuch Wahrmund (Gieß. 1876 ff.). Chrestomathien lieferten namentlich de Sacy (2. Aufl., Par. 1826, 3 Bde.;
ebenso eine »Anthologie grammaticale«, das. 1829), Kosegarten (Leipz. 1828), Freytag (Bonn 1834), Arnold (Halle 1853), Girgas und
Rosen (Petersb. 1875-76, in russ. Sprache), Wright (Lond. 1870); für das Vulgärarabische: Bresnier (2.
Aufl., Algier 1857) und Machuel (das. 1877). Die physiologische Natur der arabischen Laute, besonders der eigentümlichen Hauchlaute,
erforschte Brücke
[* 28] (»Physiologie der Sprachlaute«, 2. Aufl., Wien 1876). Die aus dem Arabischen stammenden Kunstausdrücke in der
Anatomie hat Hyrtl untersucht (Wien 1879). S. die »Schrifttafeln«.