mehr
Tafeln. Mannigfache Verbesserungen erfuhren in dieser Zeit die astronomischen Instrumente und die Beobachtungsmethoden. Besonders sind die Erfindungen des Transversalmaßstabs, des Nonius [* 2] und des Proportionalzirkels hervorzuheben. Auf der vom Landgrafen Wilhelm IV. zu Kassel [* 3] errichteten Sternwarte [* 4] arbeiteten Christ. Rothmann und Justus Byrg mit außerordentlicher Thätigkeit. Sie bestimmten 900 Sterne, suchten eifrig nach der Sonnenparallaxe, gelangten aber zu der Überzeugung, sie sei für ihre Instrumente unmeßbar. Auch befolgten sie bereits die in neuerer Zeit von Bessel wieder zur Anwendung gebrachte Methode, das Passageinstrument im ersten Vertikal zu gebrauchen. In die zweite Hälfte des 16. Jahrh. gehört auch die Kalenderverbesserung Gregors XIII. (s. Kalender). Der größte Astronom des Jahrhunderts nächst Kopernikus ist aber Tycho Brahe.
Tycho Brahe (1546-1601) ist der Reformator der Beobachtungskunst, wie Kopernikus der des Weltsystems. Er war der erste, der die Breite [* 5] seines Beobachtungsorts durch Zirkumpolarsterne bestimmte und zur Berichtigung seiner Instrumente anwendete, der erste, der die Refraktion bei seinen Beobachtungen in Rechnung brachte, obwohl er in Erklärung dieser Erscheinung nicht glücklich war. Er entdeckte die Variation und die jährliche Ungleichheit der Mondbahn. Auch zeigte er, besonders durch Beobachtungen an dem Kometen [* 6] von 1577, daß diese Körper sich weit jenseit des Mondes befinden.
Brahe ist auch der erste seit Hipparch, der eine Berichtigung sämtlicher Elemente unternahm und durchführte; er hat 777 Sterne mit Sorgfalt und einer mindestens sechsmal so großen Genauigkeit als Hipparch beobachtet. In Prag, [* 7] das dem in seinem Vaterland in Ungnade gefallenen Astronomen eine Freistätte bot, fand der große Meister seinen noch größern Schüler. Johann Kepler (1571 bis 1630) benutzte Brahes und seine eignen Beobachtungen, um die wahre Gestalt der Planetenbahnen zu erforschen, und fand nach langen vergeblichen Versuchen das Rechte.
Namentlich war es der Planet Mars, [* 8] dessen Bewegung er mit der noch von Kopernikus festgehaltenen Theorie eines exzentrischen Kreises unvereinbar fand. In seinem Hauptwerk: »Astronomia nova de motibus stellae Martis« (Prag 1609),
legte er seine mühsam, fast nur durch Versuche gewonnenen beiden ersten Gesetze nieder;
neun Jahre später folgte in der »Harmonia mundi« das dritte.
Die von ihm gefertigten sogen. Rudolfinischen Tafeln übertrafen alles in diesem Fach bisher Geleistete. Kepler erlebte noch die Anwendung des neuerfundenen Fernglases und machte selbst Vorschläge zu dessen Verbesserung. Die 1608 in Holland von Hans Lippershey zu Middelburg gemachte Erfindung verbreitete sich rasch im ganzen gebildeten Europa, [* 9] und die wichtigsten Entdeckungen am Himmel [* 10] folgten nun rasch aufeinander. Simon Marius fand die Jupitertrabanten, Scheiner die Sonnenflecke, Galilei die Sichelgestalten der Venus und die ersten Spuren des Saturnrings, die Ringgebirge des Mondes u. a. In wenigen Jahrzehnten hatten sich die Objekte der Astronomie [* 11] nach allen Seiten hin mehr als verdoppelt, und das bewaffnete leibliche Auge [* 12] durchschaute Fernen, welche vorher selbst das geistige nicht geahnt hatte; dieses aber erhob sich erst jetzt zu einer einigermaßen würdigen Vorstellung vom Weltall.
Galilei (1564 bis 1642) war der größte Naturforscher seiner Zeit, durch physikalische, mechanische und astronomische Entdeckungen gleich ausgezeichnet. Seine ersten großen, freilich erst später in ihrer wahren Bedeutung für die Astronomie erkannten Entdeckungen waren die Gesetze der Pendelschwingungen und des freien Falles der Körper. Er zeigte ferner, daß das Gewicht der Körper keinen Einfluß auf die Gesetze des Falles habe, sondern nur der Widerstand der Luft.
Als Astronom war er einer der unermüdlichsten Beobachter, aber viele seiner Entdeckungen sind nur in vertrauten Briefen an Freunde enthalten. Er schlug zuerst die Trabanten des Jupiter zu Längenbestimmungen vor, beobachtete und beschrieb drei Kometen und entdeckte mit dem letzten Rest seines Augenlichts noch 1637 die Libration des Mondes. René Descartes (Cartesius, 1596-1650) versuchte, die Natur und Bewegung der Himmelskörper durch seine berühmt gewordene, aber unhaltbare Wirbeltheorie zu erklären.
Verdienter hat sich Cartesius um die Physik und auch um die Astronomie durch seine Untersuchungen über das Licht [* 13] gemacht. Was er über Strahlenbrechung [* 14] und Reflexion [* 15] sowie über Fern- und Vergrößerungsgläser gesagt hat, sichert ihm einen ehrenwerten Platz auch unter den Astronomen. Schon in Galileis Zeit fallen die ersten Versuche, die Mondoberfläche darzustellen: Galilei selbst, Scheiner, Rheita versuchten sich darin ohne sonderlichen Erfolg. Hevel in Danzig [* 16] ist der erste, der 1643 ein Mondbild zu stande brachte; sein Sternkatalog wurde bald durch andre verdrängt, aber mehrere Sternbilder tragen bis heute die Namen, welche er ihnen gab. Riccioli, der Verfasser eines neuen »Almagest«, gab wenige Jahre später eine neue, von Grimaldi verzeichnete Mondkarte heraus, die aber der Hevelschen nachstand.
In die zweite Hälfte des 17. Jahrh. fallen die Entdeckung der Geschwindigkeit des Lichts durch Olaf Römer [* 17] 1675; die Wahrnehmung und Erklärung der Abnahme der Länge des Sekundenpendels mit abnehmender geographischer Breite durch Richer; die wichtigen Arbeiten des ältern Cassini an der 1667 erbauten Pariser Sternwarte, der mit seinen bis über 62 m langen Fernrohren hauptsächlich die Planetenoberflächen untersuchte, ihre Flecke, ihre Rotationszeit, ihre Trabanten, ihre Abplattung etc. bestimmte, auch die genauere Form des Librationsgesetzes entdeckte und überhaupt der thätigste Astronom seiner Zeit war;
ferner die Entdeckung der wahren Gestalt des Saturnrings und des ersten (in der Reihenfolge der Abstände vom Saturn sechsten) Saturntrabanten durch den großen Physiker Huygens;
die Erkennung der wahren Gestalt der Kometenbahnen durch Dörfel;
endlich die größte aller physischen Entdeckungen: das Newtonsche Gravitationsgesetz.
Der Entdeckung des Gesetzes der Schwere war bereits mehrfach vorgearbeitet. So suchte der Italiener Borelli in seiner »Theorie der Mediceischen Planeten« [* 18] (Flor. 1666) die Bewegungen der Himmelskörper von der gegenseitigen Anziehung abzuleiten und verglich diese Anziehung mit der des Magnets. In England hatte schon zu Anfang des 17. Jahrh. Gilbert an die gegenseitige Anziehung des Mondes und der Erde, der Planeten und der Sonne [* 19] etc. geglaubt und diese Ansicht in der Schrift »De mundo nostro sublunari philosophia nova«, welche erst nach seinem Tod 1651 erschien, ausgesprochen. Auch Kepler hatte schon ziemlich richtige Ansichten von der Anziehung der Himmelskörper. Als ein rein mechanisches Problem faßten dieselbe zuerst Wren und Hooke auf, Newtons [* 20] ältere ¶
mehr
Zeitgenossen. Newtons Verdienst bezüglich des allgemeinen Gravitationsgesetzes besteht zunächst darin, mit Zahlen nachgewiesen zu haben, daß die irdische Schwerkraft, wenn sie abnimmt im umgekehrten Verhältnis des Quadrats der Entfernung, gerade ausreicht, den Mond [* 22] in seiner Bahn zu erhalten. Bekanntlich hat er diesen Nachweis schon 1666 versucht; er scheiterte aber an der ungenauen Kenntnis des Erdradius. Erst als er 1682 den genauern, aus der Picardschen Gradmessung [* 23] abgeleiteten Wert dieser Größe erfuhr, zeigte die Rechnung die gewünschte Übereinstimmung.
Neben jener unsterblichen Entdeckung des Gravitationsgesetzes verdienen aber auch andre Arbeiten Newtons im Fach der Physik und Mechanik eine ausgezeichnete Stelle in der Geschichte der Astronomie, wie seine Theorie des Lichts, seine Verbesserung der Teleskope etc. Er war nicht selbst Beobachter, aber Zeitgenosse des großen Astronomen Flamsteed. Halley (1656-1742) beobachtete um dieselbe Zeit die Kometen genauer und benutzte seinen Aufenthalt auf St. Helena zur Anfertigung eines »Catalogus stellarum australium«.
Die Observatorien zu Greenwich und Paris [* 24] wurden um diese Zeit gegründet, und ihre großartige Ausrüstung und regelmäßige Thätigkeit ließ alles, was sonst in Europa für astronomische Beobachtungen geschah, weit hinter sich zurück. Erst um die Mitte des 18. Jahrh. begann man auch an andern Orten zweckmäßige Sternwarten [* 25] zu errichten. Dagegen beginnt mit Flamsteed in England und mit der Astronomenfamilie Cassini in Frankreich eine Reihe thätiger Astronomen, unter denen mehrere die Beobachtungskunst bedeutend förderten. Der größte und sorgfältigste Beobachter des 18. Jahrh. ist Bradley in Greenwich (1692-1762), dessen Arbeiten erst in diesem Jahrhundert durch Bessel ihre volle Würdigung erfahren haben. Er ist der Entdecker der Nutation und der Aberration des Lichts. [* 26] Sein Nachfolger ward der unermüdet thätige Maskelyne, der fast 100,000 Sterndurchgänge beobachtete.
Für die beobachtende Astronomie eröffnete um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Erfindung der achromatischen Ferngläser durch Dollond (der theoretische Erfinder ist Euler) eine neue Periode; die unbequemen langen Fernrohre, durch welche die ältern Beobachter den Übelstand der Farbenzerstreuung [* 27] der Objektive auf ein unschädliches Maß zu reduzieren suchten, wurden nun beiseite gelegt, denn ein Dollondscher Achromat von 3 m Länge übertraf an optischer Kraft [* 28] die alten von einigen Hundert Fuß Brennweite.
Von fast noch größerer Wichtigkeit war die Vervollkommnung der Spiegelteleskope durch William Herschel und die zu gleicher Zeit eingeführte Vereinfachung der mechanischen Hilfsmittel der Beobachtung. Man kam zu der Überzeugung, daß es nur weniger Arten von Instrumenten bedürfe, die nach Gebrauch und Einrichtung in zwei Klassen zerfallen: in solche, die nur in einem Vertikalkreis (Meridian) beweglich sind, und in solche, die nach allen Seiten hin gewendet werden können.
Mit erstern bearbeitete man die großen Sternverzeichnisse und die darauf gegründeten Sternkarten. Auch hierin waren die Briten Vorgänger, welche überhaupt seit Newtons Zeit bis gegen Ende des 18. Jahrh. den unbestrittenen Primat in dem Astronomenstaat behaupteten. Die berühmten Herschelschen Arbeiten gehören nicht in die Reihe der Ortsbestimmungen, sie sind Betrachtungen der Himmelskörper und können in mancher Beziehung als Fortsetzungen der Cassinischen angesehen werden, übertreffen diese aber an Genauigkeit und Ausdehnung. [* 29] So entdeckte Herschel zu den fünf Cassinischen Monden des Saturn noch zwei, sah zuerst die Teilung des Ringes, bestimmte seine und des Planeten Umdrehungszeit, entdeckte den Uranus u. a. Noch weit erfolgreicher waren seine Forschungen am Fixsternhimmel. Er fand gegen 700 Doppelsterne, maß sie nach ihrem gegenseitigen Abstand und Richtungswinkel und bestimmte ihre Farben, untersuchte ferner 2500 Nebelflecke [* 30] (man hatte bis auf Messier nur etwa 20 gekannt, und dieser hatte sie bis auf 102 vermehrt), löste die Milchstraße und mehrere Nebelflecke in Sterne auf, untersuchte die Zahl und Verteilung der sichtbaren Fixsterne [* 31] etc. Bei seinen Arbeiten unterstützte ihn seine Schwester Karoline; sein einziger Sohn, John Herschel, wurde Erbe seines Ruhms und Talents.
Durch des letztern Beobachtungen der Doppelsterne mit James South, durch seine Revision der von seinem Vater entdeckten Nebel und durch seine Entdeckungen am südlichen Himmel, zu welchem Zweck er sich mehrere Jahre am Vorgebirge der Guten Hoffnung aufhielt, hat er sich dem Vater ebenbürtig gezeigt. Auch in Frankreich herrschte das 18. Jahrh. hindurch und namentlich gegen Ende desselben eine rege, die astronomische Wissenschaft fördernde Thätigkeit. Clairaut hatte zuerst die ungeheure Arbeit, die Wiederkehr eines Kometen voraus zu berechnen, nach den Andeutungen Halleys glücklich gelöst; die Vorhersagung traf bis auf einen Monat ein.
Messiers unermüdeter Thätigkeit verdanken wir die Auffindung von nicht weniger als 19 Kometen. Lagrange (1736-1813) und Laplace (der Verfasser der »Mécanique céleste«, 1749-1827) verfeinerten die Analysis und machten sie zur Lösung der schwierigsten und verwickeltsten Probleme geschickt, während Lalande und sein Neffe Lefrançais durch genaue Ortsbestimmung [* 32] der Sterne sich den Dank der künftigen Beobachter gesichert haben. Franzosen waren es ferner, welche zuerst durch Gradmessungen die [* 21] Figur der Erde bestimmten und den Grund zu einer genauern Erforschung des südlichen Himmels legten. Die Bestimmung der Sonnenparallaxe durch die Venusdurchgänge 1761 und 1769 muß als ein Resultat des Zusammenwirkens fast aller zivilisierten Nationen Europas angesehen werden. Das Verdienst, zuerst darauf aufmerksam gemacht zu haben, wie dieses wichtige Element gefunden werden konnte, gebührt aber dem weit blickenden Halley. - In Deutschland [* 33] treffen wir in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. nur auf vereinzelte Bestrebungen; die Sternwarten zu Wien, [* 34] Berlin, [* 35] Göttingen [* 36] konnten nicht mit denen von Greenwich und Paris wetteifern, und die Kirch und Hell mochten sich ebensowenig mit den Messier und Bradley messen.
Höher steht Tobias Mayer (1723-62), und der größte Analytiker seiner Zeit, Leonhard Euler, gehört wesentlich Deutschland an. Bodes (1747-1826) langjähriges folgenreiches Wirken war mehr ein schriftstellerisch verarbeitendes als ein schaffendes und selbst beobachtendes; aber seine Sternverzeichnisse und Sternkarten, vor allem jedoch seine Ephemeriden haben der Wissenschaft viel genützt. Gegen Ende des Jahrhunderts machte Zach seine zahlreichen Ortsbestimmungen, indem er zuerst den Sextanten zu diesem Zweck im großen benutzte. Bürg, Olbers u. a. bereicherten die theoretische und praktische Astronomie durch wichtige ¶