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wichtigste Schule dieser Zeit ist die von Pergamon, [* 2] wo Isigonos, Phyromachos, Stratonikos und Antigonos thätig waren. Werke dieser Schule waren die umfangreichen Statuengruppen, die König Attalos zur Erinnerung an die Besiegung der Gallier auf der Burg von Athen [* 3] aufstellte, Darstellungen mythischer Kämpfe (gegen Giganten und Amazonen), der Schlacht von Marathon und der Besiegung der Gallier selber, von welchen eine Anzahl Einzelfiguren in Venedig, [* 4] Neapel, [* 5] Rom [* 6] etc. erhalten sind. Dasselbe historische Ereignis gab der Schule auch Gelegenheit zur Schöpfung der Galliergruppe in Villa Ludovisi (s. Tafel II, [* 1] Fig. 10) und des sogen. sterbenden Fechters im Museum des Kapitols, während der Kampf der Götter gegen die Giganten von ihr nochmals in einem figurenreichen Fries behandelt wurde, der den kolossalen, würfelförmigen Unterbau eines auf der Burg von Pergamon errichteten großen Altars schmückte, und dessen gegenwärtig dem Berliner [* 7] Museum einverleibte Überreste von den Leistungen der Künstler von Pergamon den höchsten Begriff geben (s. Tafel III, [* 1] Fig. 5 u. 6). Auch auf Rhodus entwickelte sich eine treffliche Schule, welche durch zahlreiche Künstler vertreten war. Von den Werken derselben sind nur zwei auf uns gekommen. Das bedeutendere ist die herrliche Laokoongruppe im Vatikan [* 8] (s. Tafel II, [* 1] Fig. 8), von den Rhodiern Agesandros, Polydoros und Athenodoros gefertigt; das andre die Gruppe des sogen. Farnesischen Stiers in Neapel von Tauriskos und Apollonios aus Tralles in Karien (s. Tafel II, [* 1] Fig. 9). In dieser Zeit entstand auch das Original des berühmten Apollon [* 9] von Belvedere (s. Tafel III, [* 1] Fig. 6) und einzelner uns nur durch römische Kopien bekannter Meisterwerke.
Mit dem allmählichen Untergang der griechischen Freiheit verfiel auch die Kunst im eigentlichen Griechenland. [* 10] Um die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. sammeln sich eine Reihe griechischer, zumeist aus Athen gebürtiger Künstler in Rom, welche eine Renaissance der griechischen Kunst herbeiführten. Die daselbst sich bildende sogen. neuattische Schule brachte noch manches herrliche Werk hervor, so die Mediceische Venus zu Florenz [* 11] von Kleomenes (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 5), den Torso des Herakles [* 12] im Belvedere des Vatikans von Apollonios, den Farnesischen Herakles zu Neapel von Glykon (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 8). Alle diese Werke sind mehr oder weniger freie Reproduktionen von Werken früherer Meister. Selbständiger tritt die kleinasiatische Kunst in Rom auf, wo besonders Agasias aus Ephesos [* 13] mit dem Borghesischen Fechter (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 7) zu nennen ist.
Kleinasiate ist auch Archelaos von Priene, der Künstler der Apotheose des Homer. Eine eigentümliche Richtung, welche in akademischem Eklektizismus Formen der altertümlichen Kunst mit den mehr eleganten der römischen Zeit verquickte, verfolgte Pasiteles und seine Schule, aus welcher gleichwohl noch ein Werk von der Bedeutung der Gruppe des Menelaos [* 14] in Villa Ludovisi hervorging. Noch sind Arkesilaos, der Künstler der Venus Genetrix, zu erwähnen und Zenodoros, der den Koloß des Nero fertigte. Zu Augustus' Zeiten lebte der Steinschneider Dioskurides.
Den Übergang von der griechischen zur römischen Kunst bildete die der Etrusker. Sind auch die uns von ihnen erhaltenen Werke, namentlich die der Bildhauerkunst, [* 15] nicht frei von griechischem Einfluß, so finden wir doch das griechische Element auf so besondere Weise modifiziert und begegnen einzelnen Motiven so eigentümlicher Auffassung, daß wir die ursprüngliche Anlage es etruskischen Kunstgeistes zu erkennen vermögen. Der Stil gleicht im allgemeinen dem altgriechischen, ist aber häufig mehr oder weniger von orientalischen Elementen durchsetzt (s. Tafel I, [* 1] Fig. 15, Elfenbeinrelief aus Corneto).
Die umfassendste Thätigkeit der etruskischen Bildner gehört der Arbeit in Thon (namentlich der Fabrikation der verschiedenartigsten Gefäße) sowie dem damit in unmittelbarer Verbindung stehenden Erzguß und der Metallarbeit überhaupt an (s. Etrurien). Eherne Standbilder erfüllten die etruskischen Städte; das einzige Volsinii zählte deren an 2000, als es 265 v. Chr. von den Römern erobert ward. An den Statuen von menschlicher Bildung bemerkt man nur selten ein sorgfältiges Eingehen auf den natürlichen Organismus; es ist vielmehr meist etwas Befangenes, Ängstliches in der Gesamterscheinung dieser Statuen, was mehrfach noch die Nachwirkung altertümlicher Auffassungsweise erkennen läßt. Von größern plastischen Werken kennt man die in Arezzo ausgegrabene Chimära in Florenz, die kapitolinische Wölfin, zu welcher die säugenden Knaben jedoch erst im 15. Jahrh. zugefügt worden sind, den Mars [* 16] von Todi, den Knaben mit der Gans (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 1), die Statue des Aulus Metellus u. a.
Die römische Bildhauerkunst.
Die Römer [* 17] waren von Haus aus kein künstlerisches Volk; aus ihrer Mitte sind auch nur wenige namhafte Künstler hervorgegangen. Dennoch erforderten die großen Städteanlagen, Tempel, [* 18] öffentlichen Plätze wie Privatbauten zur angemessenen Ausstattung bildnerischen Schmuck. Diesen lieferten zuerst die etruskischen Meister (Volcanius aus Veji wurde z. B. zur Anfertigung der Statue des kapitolinischen Jupiter nach Rom berufen) und ihre Zöglinge, später aber die griechischen Künstler.
Von der Nachblüte der griechischen Kunst in Rom war oben die Rede. Neben der griechischen Kunstrichtung und der Nachahmung derselben bildete sich aber auch eine eigentümlich römische Auffassung und Behandlungsweise der Bildhauerkunst. Dies römische Element besteht in einer unmittelbaren, frischen, derben Aufnahme der Erscheinungen und Verhältnisse des äußern Lebens; es faßt die Gestalten des Lebens, wie sie sind, mit scharfer Naturwahrheit und mit feiner und sorglicher Individualisierung auf, aber es ist zugleich eine eigentümliche Größe darin, ein gemessener Ernst, eine männliche Würde, so daß sie vor dem Ausdruck der Gemeinheit bewahrt bleiben.
Die römische Kunst im engern Sinn hat nicht jenen idealen Hauch, der die Gebilde der griechischen Kunst erfüllt; sie führt den Beschauer auf die Erde und ihre vergänglichen Interessen zurück. Ihr eigentliches Feld ist die historische Darstellung und das Porträt. Die historische Darstellung entwickelte sich besonders in der Unterordnung unter die Architektur, so an Triumphbogen, Säulen [* 19] etc. Am bedeutendsten sind durch ihren Bilderschmuck die Bogen [* 20] des Titus (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 14) und Konstantin (s. Tafel »Baukunst [* 21] VI«, [* 22] Fig. 7) und die Trajans- und Mark Aurels-Säule. Die höchste Blüte [* 23] der römischen historischen Bildnerei fällt unter Trajan; die Seele seiner Kunstunternehmungen war Apollodoros von Damaskus. Im Porträtfach wurde Vorzügliches geleistet. Zu dem Besten gehören die Augustusstatue des Vatikans (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 10), die Statue des Balbus in Neapel (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 11), die der ältern Agrippina (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 12) des Kapitols und die schönen Frauenstatuen aus Herculaneum in Dresden. [* 24] Auch im Typus von Gottheiten stellte man Personen dar; ein schönes Beispiel davon ist die porträtartige Junostatue (s. Tafel IV, [* 1] Fig. 13) des Kapitols. Für das Privatleben wurden auch viele ¶
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griechische Werke kopiert, so daß uns manches untergegangene griechische Werk in römischer Kopie erhalten ist. In den Darstellungen der Sarkophage hat sich der griechische Einfluß am längsten erhalten. Eine rein griechische Reaktion trat unter Hadrian (117-138 n. Chr.) ein. Noch ein Ideal bildete die griechische Kunst, das des Antinoos [* 26] (s. d.), des Lieblings des Hadrian. Die schönsten uns erhaltenen Darstellungen desselben sind die Statuen des Vatikans und Laterans und das Hochrelief der Villa Albani. Charakteristisch für diese Zeit ist die Vorliebe für altertümliche Werke, deren Stil man gern für Gegenstände des Kultus verwendete, ohne imstande zu sein, die naive Ursprünglichkeit desselben zu erfassen und wiederzugeben. Infolge der Einführung fremder Religionen wurden auch die Typen fremder Gottheiten in römisch-griechische umgebildet, wie z. B. die Isisstatue des Kapitols (s. Tafel IV, [* 25] Fig. 15) zeigt. Um diese Zeit arbeiteten Aristeas und Papias die beiden Centauren des Kapitols in schwarzem Marmor (s. Tafel IV, [* 25] Fig. 9). Nach der Zeit der Antonine trat wieder die spezifisch römische Kunst in den Vordergrund, erreichte aber nie wieder die frühere Blüte, bis sie schließlich ganz in Verfall geriet, wovon uns der Bogen des Septimius Severus (193-211) u. ein Teil der Reliefs am Konstantinsbogen Beispiele geben. Das beste wurde immer noch im Porträt geleistet.
Die Bildhauerkunst des Mittelalters und der Renaissance.
Die altchristliche Kunst hat sich aus der antiken entwickelt, was besonders die Sarkophage nachweisen, von denen einer der schönsten der des Junius Bassus (s. Tafel V, [* 25] Fig. 2) ist. Derselbe Einfluß zeigt sich auch in den wenigen statuarischen Werken, von denen das wichtigste die große eherne Statue des heil. Petrus in der Peterskirche zu Rom (s. Tafel V, [* 25] Fig. 1) ist. Der byzantinische Stil, anfangs ebenfalls von der Antike ausgehend, wurde bald von orientalischen Einflüssen durchdrungen, erlangte aber keinen selbständigen Charakter und artete wegen Mangels an Ideengehalt in einen trocknen, starren Formalismus aus, welcher sich, getragen durch eine vorzügliche Technik, über das ganze Abendland verbreitete und lange Zeit die Herrschaft behauptete, bis die Innigkeit des germanischen Geistes und ein lebhafteres Naturgefühl zum Durchbruch kamen.
Die Bildnerei der romanischen Epoche wurde anfangs von der Malerei in den Hintergrund gedrängt, so daß sie bis in die Mitte des 12. Jahrh. sich fast nur auf die Kleinkunst beschränkte. Besonders sind die Elfenbeinreliefs zu beachten (Diptychon Ottos II. zu Paris). [* 27] Neben den Arbeiten in edlen Metallen tritt auch der Erzguß hervor (Domthüren zu Hildesheim [* 28] und Augsburg, [* 29] der eherne Löwe Heinrichs des Löwen zu Braunschweig). [* 30] Im 12. Jahrh. nimmt die Steinskulptur einen bedeutenden Aufschwung, indem sie mit der Architektur in Verbindung tritt. Der Einfluß der Antike erlosch fast ganz, aber es zeigen diese Werke trotz mancher Roheit und Plumpheit Lebensfrische und Naivität (Reliefs der Externsteine, s. Tafel V, [* 25] Fig. 3, in Westfalen; [* 31] Portale zu Hildesheim, Regensburg, [* 32] Chartres, Bourges, Le Mans, [* 33] St. Denis; Fassaden verschiedener italienischer Dome, z. B. Ferrara, [* 34] Verona). [* 35] Die Skulpturen zu Wechselburg und die der goldenen Pforte des Doms zu Freiberg [* 36] (s. Tafel V, [* 25] Fig. 4 u. 5) bezeichnen den Übergang zur gotischen Epoche. In dieser drängt sich in der Auffassung die Empfindung in den Vordergrund, welche sich allmählich bis zur Sentimentalität steigert.
Der Marienkultus und die Frauenverehrung führten besonders zur Darstellung weiblicher Anmut, welche auch häufig auf die Männer übertragen ist. In der äußern Erscheinung haben auch die Werke dieser Epoche die Unterordnung unter das Architektonische mit denen der vorigen gemein. Voran schreitet Frankreich mit seinen trefflichen Skulpturen an und in den Kathedralen zu Reims, [* 37] Paris, Amiens [* 38] und Chartres. Um 1400 treten besonders zwei Schulen aus den Niederlanden herbeigerufener Künstler in den Vordergrund: die Schule von Tournai und diejenige von Dijon [* 39] (Mosesbrunnen daselbst, s. Tafel V, [* 25] Fig. 7). In Deutschland [* 40] sind die Ausschmückungen der Dome zu Freiburg, [* 41] Straßburg [* 42] (s. Tafel V, [* 25] Fig. 6), Köln, [* 43] Bamberg [* 44] zu nennen.
Eine besonders reiche Thätigkeit entwickelte Nürnberg [* 45] (St. Lorenz, Frauenkirche, s. Tafel VI, [* 25] Fig. 1; der Schöne Brunnen [* 46] von Heinrich dem Balier, Tafel VI, [* 25] Fig. 2). Auch in England entstehen eine Reihe tüchtiger kirchlicher Skulpturen; weit wichtiger aber sind die dieser Zeit entstandenen Grabdenkmäler (Grabmal zu Chichester, s. Tafel V, [* 25] Fig. 8), von denen auch verschiedene sehr bedeutende Deutschland angehören (Peter v. Aspelt zu Mainz). [* 47] Erzguß, Elfenbein- und Holzschnitzerei waren ebenfalls in Übung. Unter den Werken der letztern Technik ist besonders der Hochaltar der Stiftskirche zu Oberwesel zu nennen.
In Italien [* 48] war die Bildhauerkunst im 11. und 12. Jahrh. sehr herabgekommen. Sie beschränkte sich auf eine rohe Nachahmung der Antike, bis Nicola Pisano (um 1205 geboren) wieder mit tiefem Verständnis in den Geist und die Formensprache der Antike eindrang. Seine Werke gehören zu den bedeutendsten Erscheinungen, welche die Kunstgeschichte aufzuweisen hat, und mit Recht kann man von ihm die Entwickelung der neuern Bildhauerkunst datieren. Angeregt durch die Antiken des Campo santo zu Pisa, [* 49] führte er den gewaltigen Umschwung herbei, welcher aber noch nicht gleich allgemein fortwirkte, wie groß auch die Wirkung auf seine Zeitgenossen gewesen sein mußte. Seine bedeutendsten Werke sind: das Relief der Kreuzabnahme im Dom zu Lucca, [* 50] 1233 (s. Tafel V, [* 25] Fig. 9), Figuren und Reliefs an der Kanzel im Baptisterium zu Pisa (1260) und an der Kanzel im Dom zu Siena (1266). Seine namhaftesten Schüler sind Fra Guglielmo d' Agnello und Arnolfo di Cambio, welche in seinem Stil weiterarbeiteten. Sein Sohn Giovanni (ca. 1250 bis ca. 1328) legte der mehr formalen Richtung des Vaters gegenüber den Hauptnachdruck auf den geistigen Inhalt und seelischen Ausdruck (Fassade des Doms zu Orvieto, Madonna del Fiore zu Florenz, s. Tafel VI, [* 25] Fig. 11). Seiner Richtung schloß sich eine große Anzahl von Nachfolgern an, deren Mittelpunkt Florenz bildete, wo der vielseitige Meister Giotto (1276-1336) wirkte.
Unter seinem Einfluß stand Andrea Pisano, dessen Hauptwerk die südliche Erzthür des Baptisteriums von Florenz ist. Sohn und Schüler des Andrea war Nino Pisano, ein Künstler, der sich durch anmutig zarte und feine Durchbildung auszeichnet. Andre namhafte toscanische Bildhauer des 14. Jahrh. sind: Cinello, Alberto di Arnoldo (um 1360), Niccolò Piero de Lamberti aus Arezzo, Andrea di Cione, genannt Orcagna (1329-1368). In Oberitalien [* 51] legte sich die Bildhauerkunst des 15. Jahrh. meist auf die Grabdenkmäler, und hierin weisen Ravenna, Venedig, Ferrara viele namhafte Künstler auf, darunter Pietro Lombardo und seine Söhne Antonio und Tullio, Lorenzo und Antonio Bregno u. a. Auch Unteritalien, besonders Neapel, nimmt am neuen Aufschwung teil (Andrea Ciccione). Die lombardische Kunst im 15. und 16. Jahrh. zeigt sich am besten an den Statuen und Reliefs der Kartause in ¶