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Breslau [* 2] 17 und Danzig [* 3] 12°. Der Unterschied zwischen den äußersten Wärme- und Kältegraden beträgt etwa 72°, da eine größte Wärme [* 4] von +36° und eine größte Kälte von -36° C. beobachtet worden ist. Der Januar ist überall der kälteste Monat, der Juli in der Regel der wärmste; jedoch ist der August wärmer an einigen Punkten der Küste und in Süddeutschland. Die mittlere Temperatur des Januars sinkt in fast allen Teilen des Reichs unter Null, in seltenen Fällen aber (mit Ausnahme der höchsten Bergspitzen) unter -4° (Tilsit [* 5] -4,7, Klaußen bei Arys -5,6, Schönberg bei Danzig -4,1, Wang -4,6, Reizenhain im Erzgebirge -4,6, Brocken -5,4° etc.); über Null bleibt sie dagegen an der Nordseeküste und in der Ebene des nordwestlichen Deutschland [* 6] überhaupt sowie am Rhein von Koblenz [* 7] bis Mannheim [* 8] hinauf.
Der wärmste Monat hat im allgemeinen eine Durchschnittstemperatur von 16-19°, weniger auf den Gebirgen (Wang 13,57, Reizenhain 13,65, Brocken 10,7, Hoher Peißenberg 14,6°), mehr, selbst über 20°, in den begünstigtern Gegenden im S. Der Unterschied zwischen den wärmsten und kältesten Monaten ist bedeutender im O. als im W.: 23° in Arys, 22 in Tilsit, 21 in Königsberg, [* 9] 19,6 in Stettin [* 10] und Berlin, [* 11] 21,7 in Ratibor, [* 12] 20,7 in Breslau, 19,4 in Halle, [* 13] 16° C. auf dem Brocken, in Münster, [* 14] Koblenz und Trier. [* 15] Rhein-, Mosel-, Main- und Neckarthal besitzen das glücklichste Klima [* 16] im Reich.
Der Winter bringt die Vegetation in Deutschland vollständig zum Stillstand, und die Entfaltung derselben beginnt erst wieder, wenn das Tagesmittel 6° erreicht. Durch jeden wärmern Tag wird sie gefördert, durch jeden kältern zurückgedrängt, durch Frost gefährdet. Tage über 6° Tagesmittel sind in Ostpreußen [* 17] im Januar und Februar gar nicht vorhanden, im März selten, im April durchschnittlich 10-11, im Mai 25-26. In der Rheinprovinz [* 18] dagegen sind Tage über 6° Tagesmittel im Januar und Februar schon gar nicht selten, durchschnittlich 3-6; der März zählt deren 8-11, der April 19-23, der Mai 29-30. Im Mai haben daher die östlichen Gegenden nahezu ebenso viele Tage mit einem Tagesmittel von mehr als 6° wie die westlichen. Höchst nachteilig für die Vegetation der westlichen Gegenden sind auch die häufigen Frostwechsel (der Wechsel von Tauen und Frieren) im Februar und März, in welchen Monaten sie, obwohl ebenso häufig, in den östlichen Landesteilen noch gar keinen Schaden anrichten. Der Beginn der frostfreien Zeit zeigt zwischen Ostpreußen und der Rheinprovinz nur einen Unterschied von wenig über 14 Tagen.
Die Vegetation des deutschen Flach- und Berglandes und der Waldregion der Alpen [* 19] ist die mitteleuropäische mit ihren saftigen Wiesen, den im Winter blattlosen Laubwaldungen von Buchen, Eichen, Birken, den lichten Kiefern- und dunkeln Tannen- und Fichtenwäldern, mit ihren Heiden und ihren Ackergründen. Nur dem aufmerksamen Auge [* 20] des Botanikers entgehen die leisen Unterschiede nicht, welche die Flora von S. nach N. und von O. nach W. zeigt; er sieht manche nordische Form, die in Mitteldeutschland fehlt, auf der Hochebene Süddeutschlands wiederkehren, beobachtet am Rhein das Eindringen westlicher Formen, selbst Bäume, bis in die Gegend von Halle das Eindringen östlicher Kräuter unter den gewöhnlichen.
Nur die Alpen erheben sich über die Grenze des Pflanzenwuchses, dagegen erreicht das mitteldeutsche Gebirge kaum die von der absoluten Höhe gebotene obere Grenze der Buche, wenn auch in den höhern Teilen vieler Gebirge, des Böhmerwaldes, des Schwarzwaldes, des größern Teils des Thüringer Waldes, des Oberharzes, die Tanne [* 21] und Fichte [* 22] die herrschenden Waldbäume sind. Nur von den höchsten Höhen der Sudeten, des Riesengebirges, des Schwarzwaldes und des Brockens weicht der hochstämmige Wald zurück; hier deckt die Krummholzkiefer den Boden, zusammengesellt auf dem Brocken und Schwarzwald mit einzelnen subalpinen Pflanzen. Die granitischen Gebirge des Brockens, Fichtelgebirges und der Sudeten in weiterm Sinn beherbergen zahlreiche Moose [* 23] und Flechten [* 24] auch auf den Urgesteinen.
Das über die Flora Mitgeteilte gilt auch von der Tierwelt des Deutschen Reichs, nur daß im Lauf der Zeit zahlreiche größere Tiere, insbesondere Raub- und jagdbare Tiere, ganz oder zum größten Teil ausgerottet worden sind. Das Elentier war ehedem sehr häufig; gegenwärtig lebt es nur noch in einigen Waldungen in Ostpreußen, dem Ibenhorster Forst [* 25] am Kurischen Haff, in den Oberförstereien Fritzen im Samland, Tapiau und Gauleden (Waldung Frischung südlich vom Pregel), [* 26] wo es sorgfältig gepflegt wird.
Gänzlich verdrängt sind der Auerochs und der Bär; jener hielt sich noch bis 1755 im Baumwald in den Kreisen Wehlau und Labiau in Ostpreußen auf. Einen Bären erlegte man 1801 noch an der Rossoga im südlichen Ostpreußen, 1833 im Bayrischen Wald und 1835 in den Bayrischen Alpen bei Ruhpolding, während dieses Tier im Odenwald bereits seit 1678 und im Thüringer Wald seit 1782 ausgerottet ist. Der Wolf ist noch häufig in den Waldungen von Lothringen und auf dem Hunsrücken auf der linken Rheinseite sowie in den größten Waldungen der Provinzen Ost- und Westpreußen (Johannisburger und Tuchelsche Heide); zwischen Oder und Rhein fehlt er gänzlich.
Sehr selten läßt sich noch der Luchs sehen, z. B. in den Waldungen an der Rominte in Ostpreußen und selbst in neuester Zeit auf der Insel Wollin. Häufiger ist noch die wilde Katze [* 27] in den dichten, zusammenhängenden Waldungen Mitteldeutschlands, vom Spessart und Fichtelgebirge bis zum Harz; sie verläuft sich von da wohl auch einmal in die Ebene. Nur in wenigen Waldungen hat sich das Wildschwein erhalten. Der einst an allen größern Flüssen Deutschlands [* 28] wohnende Biber findet sich nur noch einzeln an der Donau und ihren südlichen Zuflüssen und an der Elbe im Dessauischen.
Die Flußschildkröte kommt nur noch an der Havel in der Mark vor. Mit Ausnahme der süddeutschen Hochalpen gehört ganz Deutschland zur mitteleuropäischen Fauna; nur die Schneespornammer auf den Höhen des Riesengebirges erinnert noch an die alpin-boreale. Dagegen verbreiten sich manche Tiere der Nachbarfaunen über die Grenzen, [* 29] so der Ziesel aus O. bis in die getreidereichen Ebenen Schlesiens, der Nörz selbst bis in die Gewässer Holsteins. Isoliert ist das Auftreten der südlichen Äskulapsnatter im Taunus sowie das von Käfern der Meeresküste am Strande des Salzigen Sees in Mansfeld. Erwähnung verdient das Vorkommen der echten Flußperlmuschel in den Gebirgsbächen des Fichtelgebirges und Bayrischen Waldes.
V. Bevölkerung.
Die Einwohnerzahl des Deutschen Reichs belief sich nach der Zählung vom (die Ergebnisse derjenigen von 1885 sind noch nicht veröffentlicht) auf 45,234,061 (ihre Verteilung auf die einzelnen Staaten ist aus der Tabelle, S. 800, ersichtlich), während sie 1875: 42,727,360, 1871: 41,058,792, 1867: 40,093,154 u. nach einer Berechnung 1852:35,929,691, 1834: 30,608,698 und 1816: 24,831,396 betrug.
Das Wachstum der Bevölkerung, [* 30] im wesentlichen durch den Geburtenüberschuß bewirkt, war bis gegen 1840 in allen Teilen des Reichs ziemlich ¶
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gleichmäßig; dasselbe gilt für Stadt und Land. Dann aber trat durch die Eisenbahnen und die sich ausdehnende Industrie eine Änderung ein, zunächst eine allmähliche. Die Stürme des Jahrs 1848 mit ihren Folgen sowie ungünstige Wirtschaftsverhältnisse im Inland gegenüber dem Auftauchen neuer verlockender Erwerbsquellen im Ausland bewirkten eine steigende Auswanderung, die im Anfang der 50er Jahre in den südwestlichen Staaten und auch in einigen Teilen der preußischen Monarchie eine Bevölkerungsabnahme herbeiführte.
Diese hörte zwar sogleich wieder auf, aber die Erweiterung des Eisenbahnnetzes und die Konzentration der Industrien hatten bei einer im ganzen ziemlich gleichbleibenden Zunahme für bestimmte Gegenden und Städte eine auffallende Vermehrung, dagegen für ausgedehnte Landstriche eine gleichmäßige, andauernd schwache Zunahme, zum Teil sogar eine Abnahme im Gefolge. Wenn schon die Zählungen von 1867 diese Entwickelung andeuteten, so trat dieselbe bei den nachfolgenden Zählungen von 1871, 1875 und 1880 in gesteigertem Grad hervor.
In größern Zeiträumen betrachtet, kommen Gebiete (Regierungsbezirke und ähnliche Flächengrößen) mit Volksabnahme in der Periode 1816-34 nicht vor; eine nur schwache Zunahme zeigen das Königreich Hannover [* 32] und der württembergische Jagstkreis, eine starke dagegen die Gebiete nördlich der Warthe und rechts der Oder, wo die Bezirke Gumbinnen, [* 33] Bromberg, [* 34] Köslin [* 35] sogar um mehr als 2 Proz. jährlich wuchsen; auch der Regierungsbezirk Oppeln, [* 36] das Königreich Sachsen, [* 37] das obere Moselgebiet der Rheinprovinz und die hessische Provinz Starkenburg nahmen stark zu.
In der nächsten Periode, 1834-52, trifft man im allgemeinen ein geringeres Wachstum der Bevölkerung an. So liegt eine breite Fläche schwacher Zunahme von der Wesermündung bis zum Bodensee: Herzogtum Oldenburg, [* 38] Regierungsbezirke Hannover und Hildesheim, [* 39] Herzogtum Braunschweig, [* 40] Kurhessen, Waldeck [* 41] und das ganze rechtsrheinische Bayern [* 42] (ausschließlich Oberbayern) sowie auch wiederum der Jagstkreis, ferner der Donaukreis und Hohenzollern, [* 43] Lothringen und Unterelsaß. Im NW. schließt sich mit gleich schwacher Vermehrung der Regierungsbezirk Münster an. Die Landdrostei Osnabrück [* 44] zeigt sogar eine Abnahme (um 0,05 Proz. jährlich). Die starke Zunahme im NO. beschränkt sich in dieser Periode auf die Bezirke Stettin, Köslin, Marienwerder; [* 45] ferner bleibt Oppeln stark zunehmend, und als neues Gebiet starken Wachstums tritt der gleichfalls montanindustrielle Bezirk Düsseldorf [* 46] hinzu.
In dem Zeitraum 1852 bis 1867 bleiben die Gebiete schwachen Zuwachses mit Ausnahme der Landdrostei Hannover und des Regierungsbezirks Mittelfranken zunächst dieselben; zu ihnen tritt aber nicht nur eine Anzahl benachbarter Gebiete (Aurich, [* 47] Minden, [* 48] Lippe, [* 49] ganz Württemberg, mehrere badische Kreise), [* 50] sondern es finden sich unter jenen Gebieten und neben ihnen noch eine Anzahl Landstriche mit geradezu abnehmender Bevölkerung (Waldeck, Kurhessen, Oberhessen, Lothringen, Hohenzollern, badischer Kreis [* 51] Waldshut sowie Mecklenburg-Strelitz). Mecklenburg-Schwerin zeigt nur noch einen schwachen Zuwachs. Ferner befindet sich kein Teil des Nordostens mehr in starker Zunahme, selbst der Bezirk Oppeln ist auf 1½ Proz. zurückgegangen, während dem westlichen Bezirk Düsseldorf sich Arnsberg [* 52] mit rascher Volksvermehrung anschließt. Von Sachsen kommt die Amtshauptmannschaft Leipzig [* 53] hinzu, außerdem Hamburg [* 54] und Bremen. [* 55]
Von 1867 bis 1875 bewegt sich die Bevölkerungszunahme in der eingeschlagenen Richtung weiter. Unter den abnehmenden Teilen treten nun beide Mecklenburg [* 56] und ganz Elsaß-Lothringen [* 57] auf, und zu dem bereits in voriger Periode abnehmenden badischen Kreis Waldshut tritt Mosbach hinzu. Der ganze Nordosten des Reichs nimmt schwächer zu, aber im Königreich Sachsen treten die Kreishauptmannschaften Dresden [* 58] und Zwickau [* 59] zu den Gebieten starken Wachstums.
Sonach hat die Bevölkerungszunahme des Nordostens von ihrer anfänglichen Stärke [* 60] von Periode zu Periode nachgelassen. Im SW. des Reichs befindet sich ein ausgedehntes geographisches Gebiet, das in Bezug auf Bevölkerungszuwachs fast gar keine Fortschritte aufzuweisen hat. Der Bezirk Oppeln erhält sich in starker Vermehrung. Die andauernd stärkste Vermehrung findet von vornherein im Königreich Sachsen statt, wo nur die Kreishauptmannschaft Bautzen [* 61] zurückbleibt; sodann folgt der Regierungsbezirk Düsseldorf, dem sich dann Arnsberg anschließt.
Durch mäßige, aber konstante Zunahme zeichnen sich besonders Oberbayern und die Provinzen Sachsen und Schleswig-Holstein [* 62] aus, auch Thüringen, welches jedoch einen allmählich abnehmenden Prozentsatz aufweist. Besondere Hervorhebung verdient die kürzere Periode 1875-80, in der noch mehr als 1871-75 eine allgemein steigende Zunahme auftritt. Sogar Elsaß-Lothringen, welches 1871-75 noch im jährlichen Durchschnitt um 0,29 Proz. (der mittlern Bevölkerung) abnahm, vermehrte sich um 34,866 Seelen oder 0,45 Proz. durchschnittlich jährlich. Doch liegen in den weiter unten mitgeteilten Angaben über die Bevölkerungsbewegung und Auswanderung der letzten Jahre die sichern Anzeichen, daß die eben abgelaufene Periode 1880-85 (nach Ausweis der Volkszählung vom Jahr 1885, deren Ergebnisse zur Zeit noch nicht veröffentlicht sind) einen Rückschlag ergeben wird.
In den altpreußischen Provinzen stieg die Bevölkerung von 1816 bis 1880 um mehr als das Doppelte (von 100 auf 215), in den neuen nur von 100 auf 147; am größten war die Zunahme in den Regierungsbezirken Oppeln (100:275), Arnsberg und Düsseldorf (100:275) sowie in Danzig, Marienwerder, Köslin, Bromberg (100:247), am geringsten in Minden und Münster (100:141). Berlin hatte 1819: 200,867, 1880: 1,122,330;
Breslau 1819: 78,135, 1880: 272,912;
Görlitz [* 63] 1819: 9901, 1880: 50,307;
Dortmund [* 64] 1819: 4453, 1880: 66,544;
Essen [* 65] 1819: 4721, 1880: 56,944;
der ehemalige Kreis Beuthen [* 66] im oberschlesischen Steinkohlengebiet 1819: 28,171, 1880: 305,378;
Stadt- und Landkreis Dortmund (im Ruhrkohlengebiet) 1819: 31,243, 1880: 183,729;
Stadt- und Landkreis Bochum [* 67] 1819: 28,801, 1880: 236,828;
die Kreise Essen, Duisburg [* 68] und Mülheim [* 69] a. d. Ruhr 1819: 66,916, 1880: 348,789 Einw. Im Königreich Sachsen vermehrten sich (im Zeitraum 1816-80) 100 Einw. auf 249, in Bayern 100 auf 147, in Württemberg 100 auf 140, in Baden [* 70] 100 auf 156, in Hessen [* 71] 100 auf 167, in Thüringen 100 auf 166, in Mecklenburg 100 auf 178.
Auswanderung.
Wenngleich Deutschland in der Volkszahl den zweiten Platz unter den europäischen Staaten einnimmt, bildet es doch nur einen Teil des alten Deutschen Reichs. Gegenüber den nichtdeutschen Stämmen im O. Deutschlands wohnt jenseit seiner Grenzen eine bedeutende Volksmenge deutschen Stammes auf einstmals deutschem Gebiet, namentlich in Österreich-Ungarn, [* 72] wo 1880 noch 10 Mill. die deutsche als Muttersprache angaben; dann schließen sich die Schweiz [* 73] mit 2 Mill., Belgien [* 74] zu mehr als der Hälfte, die Niederlande [* 75] fast ¶