mehr
diese Steine kommt der Hanf zu liegen. Man wendet aber auch Pochwerke oder den Hanfbrechstock an, mit welchem das in dem halbkreisförmigen Einschnitt eines aufrecht stehenden Auflagebretts aufliegende Hanfbündel derart bearbeitet wird, daß die holzige Substanz der Stengel [* 2] durch fortwährendes Vorschieben des Bündels in viele kleine Stückchen geknickt wird. Nach dieser Arbeit kommt der unter die Handbreche oder die Brechmaschine, worauf er mitunter nur noch oberflächlich von den anhängenden Holzstückchen gereinigt wird, um dann, wie in Rußland, gleich unsortiert, in Bündel von 10-20 kg eingebunden in den Handel gebracht zu werden.
Der Spinnhanf dagegen wird, weil er feiner und schwächer ist als der Seilerhanf, meist gar nicht unter die Reibe gebracht, sondern nur mit einem hölzernen Hammer [* 3] geschlagen (gebottet), dann gebrochen und schließlich noch geschwungen und gehechelt. In Belgien [* 4] pflegt man den Hanf zu schälen oder zu »pellen«. Dabei bricht man von dem gerösteten Hanf das untere Wurzelende zuerst ab, ergreift darauf die gelöste Faser mit der einen Hand [* 5] und läßt, indem man den Bast [* 6] abzieht, den holzigen Stengel durch die Finger der andern Hand gleiten.
Der so gewonnene Pellhanf erscheint dann ohne weitere Bearbeitung im Handel. Da der frische Hanf sich zwar besser als der alte verarbeiten läßt, besonders auf Stricke, sich aber nicht so fein und gut hecheln läßt wie mehrjähriger, so läßt man ihn nicht selten längere Zeit an einem trocknen, luftigen Ort lagern. Beim Austrocknen an der Luft verliert der Hanfstengel 45-60 Proz. seines Gewichts, und von dem lufttrocknen männlichen Hanf erhält man im Durchschnitt 26 Proz. Brechhanf, während die weiblichen Pflanzen im Mittel nur 16-22 Proz. liefern. An wirklich spinnbarer Faser erhält man von dem lufttrocknen Brechhanf ungefähr 60-65 Proz. Beim Hecheln gewinnt man aus 100 kg geschwungenem Hanf 44-66 kg reinen Spinnhanf; 1-6 kg sind unbrauchbare Substanzen, und der Rest besteht aus Hede. Es können mithin aus 100 Teilen grünem Hanf höchstens 5-8 Teile spinnbare Faser gewonnen werden.
Die Hanffaser hat im allgemeinen eine größere Länge (1-2 m und mehr) als die Faser des Flachses, sie ist weißlich oder grau; minder wertvoll sind die grünlichen und gelblichen Sorten. Wie die Farbe, so läßt der Glanz auf die Güte der Hanffaser schließen. Die reine Hanffaser ist in der Regel weit grober als die rein ausgearbeitete Flachsfaser. Die Feinheit hängt jedoch nicht von der Glätte des Fadens ab, vielmehr wird dieselbe von der Größe des Querschnitts der Faser bedungen.
Der gebrochene Hanf präsentiert sich fast immer als ein bandartiger, breiter, zusammengesetzter Streifen; wird er gehechelt, so zeigt er verschiedene Grade der Feinheit. Die Bastzellen des Hanfes zeigen eine Länge von einem bis mehreren Zentimetern. Im Querschnitt erscheint die Hanfbastzelle rund; von der Fläche gesehen, ist sie aber nicht so regelmäßig cylindrisch wie die Flachsbastzelle. Die natürlichen Enden der Zellen laufen in der Regel stumpf aus, hier und da sind sie wohl auch elliptisch abgerundet.
Nach Schacht kommen die Zellenden in der Regel verzweigt vor, wodurch sich die Hanffaser wesentlich von der Leinenfaser unterscheidet. Die Hanffaser, welche die sämtlichen Prozesse des Brechens, Schwingens etc. durchgemacht, erscheint stets parallel gestreift. Die Hygroskopizität der Hanffaser ist sehr bedeutend und beträgt ungefähr 33 Proz. ihres Gewichts. Im Handel unterscheidet man Basthanf, der nur gebrochen wurde, von dem gebrochenen, geschwungenen und gehechelten oder wenigstens gebrochenen und geschwungenen Reinhanf.
Nur geschwungener, aber nicht gehechelter Hanf heißt Strähnhanf, wogegen er im fertigen, gehechelten Zustand Spinnhanf genannt wird. Das beim Schwingen und Hecheln abfallende Produkt bildet Hanfwerg, Hanfhede oder Tors. Zur Seilerarbeit, wozu vorzüglich der weibliche Hanf Verwendung findet, wird derselbe vorerst auf einer groben Hechel bearbeitet; hierauf werden die Fasern glatt gelegt und ausgeglichen. Der Hanf heißt dann eingeklärt und dient so zu grobem, dickem Tauwerk.
Wird er auf einer Abzugshechel ausgespitzt und rein abgezogen, so werden hierdurch sowie durch das Feinhecheln beim Ausmachen die längern von den kürzern Fasern getrennt und die einzelnen Faserbündel gespalten. Ein solcher ausgespitzter Hanf dient zu Seilen und Leinen, der ganz rein abgezogene und ausgemachte Hanf zu Bindfaden und Schnüren. Während der feinste, beste Hanf ähnlich wie der Flachs versponnen und zur Anfertigung von feinen Geweben benutzt wird, dient die gröbere Sorte zur Darstellung von groben Geweben, wie Segeltuch und Packleinwand.
Nicht selten werden Hanf- und Flachsgarne gemischt verwendet zur Darstellung halbhänfener Gewebe, [* 7] oder es dient der Hanf bei der Papierfabrikation [* 8] sowie zum Anfertigen von Lunten, Dochten etc. Der beste Hanf, wie der bolognesische, ist schön silberweiß, von seidenartigem Glanz und flachsartiger Milde und Weichheit. Diesem zunächst stehen die Sorten mit perlgrauer und grünlicher Farbe, während die gelblichen, braunen oder dunkelbraunen den geringsten Wert besitzen.
Letztere haben entweder bei der Röste schon gelitten, oder waren feucht eingepackt oder an einem feuchten Ort gelagert worden. Ein solcher mehr oder weniger verdorbener Hanf riecht in der Regel auch dumpf, faulig, während der unverdorbene Hanf einen eigentümlichen, starken Geruch besitzen muß. Im Badischen und Elsaß unterscheidet man Schuster-, Spinn- und Schleißhanf. Ersterer ist die wertvollste Qualität; der Spinnhanf ist weniger weiß, und es wird aus diesem noch der Schleißhanf aussortiert.
Auf dem Königsberger Markt bildet der Reinband die beste Sorte, sehr rein, aber etwas stark von Faden. [* 9] Minder fein und rein ist der Schnitthanf, immerhin aber noch ziemlich gleichwertig dem Rigaer Reinhanf. Der Schocken- oder Schuckenhanf bildet die dritte Sorte, und es ist von dieser der russische (Mohilewer) besonders schön weich, rein und schwer, aber nicht sehr lang, während der litauische Schuckenhanf, wenn auch lang und schönfarbig, doch schwach und von geringerer innerer Güte ist.
Der ordinäre litauische Basthanf ist gemischt, unrein und schwach. In Petersburg [* 10] macht man drei Sorten: reinen, halbreinen und Ausschußhanf. Letzterer ist wegen seiner großen Stärke [* 11] und Dauerhaftigkeit sehr geschätzt. Auf ähnliche Weise wird der Hanf in Archangel gewrackt. Auf dem Rigaer Markte dagegen macht man einen Unterschied zwischen dem polnischen und Ukrainer Hanf, der als Reinhanf fein gehechelt, von schöner weißer oder grauer Farbe und bedeutender Länge ist und viel begehrt wird. Dasselbe gilt von dem drujanischen Reinhanf. Der polnische und Ukrainer Ausschußhanf, zwar unrein, aber von starkem Faden, sowie der polnische, Ukrainer und der Livländer Basthanf sind die weitern Sorten auf dem Rigaer Markte. Die beiden Märkte in Pernau und Libau [* 12] liefern vornehmlich den sogen. Paßhanf. Die in Österreich [* 13] erzeugten Hanfsorten erscheinen auf dem Markt unter dem Namen Apatiner, slawonischer und slowakischer Hanf Erstgenannter ¶
mehr
ist die beste Qualität; beim slowakischen Hanf bezeichnet man die feinere Sorte als Börling, die gröbere, für Seilerarbeit geeignete als Sämling.
Nach Herodot bauten die Skythen am Kaspischen Meer und am Aralsee Hanf zur Gewinnung des Samens und des hieraus dargestellten berauschenden Genußmittels, die Thraker und die alten Griechen dagegen, um die Faser zu gewinnen, aus welcher sie Kleiderstoffe wehten und Taue darstellten. Zur Zeit der Römer [* 15] fand Hanfkultur in den Niederungsdistrikten Siziliens, Italiens [* 16] und der Rhônemündung größere Verbreitung. In den nördlichen und westlichen Ländern Europas verbreitete sich die Hanfkultur erst in den spätern Jahren teils von Asien, [* 17] teils von Italien [* 18] aus und blieb immer strichweise auf humusreichen, etwas feuchten Boden in mildem Klima [* 19] beschränkt.
Auch in Asien, Nordafrika und Amerika [* 20] wird Hanf häufig angebaut. In Italien produziert man sehr schönen und wertvollen Hanf, jährlich etwa 91 Mill. kg, besonders in den Provinzen Bologna und Ferrara. [* 21] In Österreich-Ungarn [* 22] werden jährlich 68 Mill. kg Hanf produziert, wovon etwa 43 Mill. kg auf Ungarn [* 23] und Siebenbürgen entfallen. Rußland produziert von allen europäischen Staaten die größte Masse Hanf, besonders in der Ukraine, in Weißrußland, Wolhynien und Polen. Der russische Hanf ist aber nur von mittelfeiner Qualität, dabei ist seine Zubereitung in der Regel sehr primitiv.
Die Jahresproduktion an Hanf in den europäischen Provinzen Rußlands schätzt man auf 100-120 Mill. kg Brechhanf. In Deutschland [* 24] wird Hanf hauptsächlich im Elsaß, in Baden, [* 25] Hessen-Darmstadt, Westfalen, [* 26] Hannover [* 27] und Thüringen gebaut; die Produktion beträgt 11-17 Mill. kg, doch genügt die inländische Produktion noch lange nicht, um den Bedarf zu decken. Versponnen wird der Hanf hauptsächlich in Schwaben und Baden, während in Westfalen, im Kasseler Bezirk, im Hannöverschen im Kreis [* 28] Osterholz, im Osnabrückschen sowie in den Hansestädten Seilerwaren und Segeltücher dargestellt werden. In Frankreich wird vorwiegend Hanf gebaut in den Departements Sarthe, Maine-et-Loire und Puy de Dôme; doch liefern die bessern Sorten die Picardie und Champagne und vor allem das Departement Isère, woselbst in der Gegend von Grenoble [* 29] ein dem bolognesischen Hanf ähnliches Produkt erzeugt wird.
Die Hanfproduktion, welche man auf 42 Mill. kg schätzt, bleibt jedoch weit hinter dem Bedarf zurück. Holland betreibt die Hanfkultur gegenüber dem Flachsbau in einer sehr geringen Ausdehnung [* 30] und nur für den eignen Bedarf. Die in Holland angefertigten Segeltücher zeichnen sich durch ihre Güte und Dauerhaftigkeit aus. In Belgien wird in den Provinzen Flandern und Brabant zwar schöner Hanf gebaut, doch ist derselbe zu kurz und weniger geeignet für Tauwerk und Seile als der russische.
Meist wird derselbe im Inland selbst verarbeitet, oder er erscheint im gehechelten Zustand im Handel. Auch in England ist die Hanfkultur gering, und der Bedarf wird vorwiegend aus eingeführtem Rohmaterial gedeckt. Von den erzeugten Hanfgarnen und Webwaren wird ein großer Teil wieder ausgeführt. Die nordamerikanische Union erzeugt Hanf in immer größern Quantitäten. Die Jahresproduktion beträgt etwa 12 Mill. kg, und vorzugsweise beteiligen sich daran die Staaten Kentucky, Missouri, Tennessee, ferner Maryland, Ohio, Virginia und Pennsylvanien.
Der amerikanische Hanf ist dem russischen ziemlich gleich; er ist stark, kräftig und für Segeltücher und Tauwerk sehr geeignet. Die Gesamtproduktion von Hanf wird auf 333-395 Mill. kg geschätzt. Das Kraut des indischen Hanfes kommt als Bhang oder Guaza (Spitzen der blühenden oder im Beginn der Fruchtreife stehenden Äste oder deren Zweiglein) und als Gunjah (bis 1 m lange Stengel, von den größern Blättern befreit, nur die stark verharzten Blüten- und jungen Fruchtstände tragend) in den Handel und ist bei uns offizinell. Wirksamer Bestandteil des Krauts ist ein Harz, welches wieder giftiges Tetanokannabin, schlafmachendes Kannabin (Haschischin) und ätherisches Öl enthält; man bereitet aus dem Kraut ein alkoholisches Extrakt und eine Tinktur und benutzt beide als schlafmachende Mittel oder in den Fällen, wo man eine mildere Opiumwirkung beabsichtigt. Auch gerbsaures Kannabin wird als schlafmachendes Mittel angewandt.
Vgl. Th. Marceau, Die Kultur und Zubereitung des Flachses und Hanfes in Frankreich, England etc. (deutsch, 2. Aufl., Weim. 1866);
F. Campbell, A treatise on the cultivation of flax and hemp (3. Aufl., Sydney [* 31] 1868);
Carcenac, Du coton, du chauvre, du lin et des laines en Italie (Par. 1869);
Lobe, Anbau der Handelsgewächse, Teil 3 (Stuttg. 1868);
Brinckmeier, Der Hanf (2. Aufl., Ilmenau 1886).