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halachischen Midrasch zum 2. Buch Mosis, der Mechilta, anregend, Elasar aus Modim, Josua der Galiläer, Chananja ben Teradjon, Elisa ben Abuja, wegen seiner Abtrünnigkeit Acher (der andre) genannt, Ben Soma und Ben Assai. Den Gelehrten, welche unter Hadrian den Märtyrertod erlitten, folgten Meir, Juda ben Ilai, aus dessen Schule der halachische Midrasch zum 3. Buch Mosis, Sifra oder Torat Kohanim genannt, hervorging, Simon ben Jochai (s. d.), der die Grundlage zu dem halachischen Midrasch zum 4. und 5. Buch Mosis (Sifre) gab, Jose ben Chalafta, dem man eine biblische Chronologie, »Seder olam«, zuschreibt, und Elasar ben Schammua.
Die endgültige Richtung und Feststellung der Halacha unternahm Juda hanassi (der Patriarch), Sohn Simons III. Seine Arbeit, sechsteilige Mischna (s. Talmud), verdrängte die frühern Sammlungen und gelangte zu unbedingter Autorität, gegen welche spätere Kompendien, wie die Tossifta (Zusätze) und Boraila (äußere Mischna), nicht aufkamen. Kaum war die Mischna abgeschlossen, so bedurfte auch sie der Auslegung, welcher sich in den Lehrhäusern, zuvörderst denen Palästinas, die Amoraim (Sprecher: Erklärer) widmeten, so Jochanan ben Napacha (199-279), Simon resch Lekisch (275), Josua ben Levi, Simlai u. a., und im 4. Jahrh. ist in den Akademien Palästinas das Auslegungsmaterial der Mischna, die Gemara (vollständige Erklärung), gesammelt worden und aus Mischna und Gemara der jerusalemische oder palästinensische Talmud (s. d.) entstanden. In Palästina [* 2] brachte um 360 n. Chr. Hillel II. die Kalenderbestimmung in feste Regeln, die heute noch gelten.
Reger als in Palästina entwickelte sich der geistige Verkehr in den Euphratländern. Hier versammelten die tiefgelehrten Abba Arecha, gewöhnlich Rab (Lehrer) genannt, welcher die Kenntnis der Mischna in Palästina erworben hatte, und Samuel zahlreiche Schüler um sich, mit denen die halachischen Studien eifrig betrieben wurden. In den babylonischen Hochschulen wurde die Erklärung zur Mischna redigiert, revidiert und durch die Schrift fixiert, welcher Arbeit, neben R. Aschi Maremar, Mar bar Aschi und besonders R. Abina sich unterzogen. So entstand der babylonische Talmud (s. d.), jene Riesenarbeit, die für alle Folgezeit die vorzüglichste Religionsquelle des rabbinischen Judentums blieb.
Die Redaktion des Talmuds bezeichnet den Höhepunkt der babylonischen Gelehrsamkeit. Die angestrengte Schaffenskraft erlahmt und ruht mehrere Jahrhunderte, bis sie unter den Geonim (s. unten) neu auflebt. Die von 500 bis 600 thätigen Schulvorsteher, »Saboraim« (Meinung Abgebende), leiden unter politischem Druck und können zu dem Überlieferten nur Zusätze machen; der Talmud ist in heutiger Gestalt uns von ihnen überliefert worden. Nachzügler dieser Zeit sind einzelne Halacha- und Hagaddasammlungen, auch ward die von den Soferim und Talmudisten begonnene Regelung des Gottesdienstes durch Gebete in reiner hebräischer Sprache [* 3] ohne Reim und Metrum fortgesetzt und die Grundlage zur Massora (s. d.) gelegt.
Vierter Abschnitt (8. bis 15. Jahrhundert).
Im vierten Abschnitt, der sich vom Beginn der arabischen Wissenschaft bis zur Vertreibung der Juden aus Spanien, [* 4] also vom 8. Jahrh. bis 1492, erstreckt, nehmen die Juden an dem unter den Arabern neu erwachenden, eifrig gepflegten wissenschaftlichen Leben einen hervorragenden Anteil. Vorderasien, Nordafrika, Spanien, Italien [* 5] und Deutschland [* 6] sind hauptsächlich der Schauplatz der neuen gesteigerten Kulturentfaltung des geistigen Lebens; die Sprache der Gelehrten ist teils die arabische, teils die neuhebräische.
Von Babylonien und Irak aus folgte die jüdische Bildung den Zügen der Araber nach Nordafrika (Ägypten, [* 7] Kyrene, Fes), Spanien und dem südlichen Frankreich. Schon zuvor hatte sie sich von Palästina aus über Kleinasien, Griechenland, [* 8] Italien (Bari, Otranto) nach Frankreich und Deutschland (Mainz) [* 9] verbreitet, während sie im Orient die letzten Blüten trieb. Denn noch einmal hatte sich Babylon durch seine gefeierten Schulhäupter, die den Titel Gaon (Plural Geonim, »Exzellenz«) führen, zu Sura und Pumbedita in der Mitte des 8. Jahrh. erhoben und sicherte sich bis in die Mitte des 11. Jahrh. die geistige Hegemonie. Die Thätigkeit der Geonim Jehudai der Blinde (um 750), Simon Kahira, Achai, Amram, Zemach ben Paltoi, Nachschon, Saadja ben Joseph, Scherira, Hai, Samuel ben Chofni (gest. 1034) bestand vorwiegend in sprachlicher und sachlicher Erläuterung des Talmuds, Erteilung von Gutachten oft bis nach Spanien und Frankreich hin und der Abfassung von Monographien über verschiedene Gegenstände der Praxis, zum Teil in arabischer Sprache.
In Kyrene (Kairowan) hatte um die Mitte des 10. Jahrh. die j. L. in dem philosophisch gebildeten Arzt Isak Israeli einen hervorragenden Vertreter gefunden, wie dessen arabisch geschriebene Werke über Medizin und Philosophie bezeugen. Chananel ben Chuschiel kommentierte talmudische Traktate und den Pentateuch, der blinde Chefez ben Jazliach schrieb in arabischer Sprache das Buch der Gebote (»Sefer mizwot«),
Nissim, Sohn des Jakob ben Nissim, Erklärer des Buches Jezira, einen Schlüssel zum babylonischen Talmud und angeblich eine kleine Legendensammlung u. a. Das Studium der hebräischen Sprache suchten um 900 Juda ibn Koraisch aus Tahrat durch Vergleichung verwandter Dialekte und Dunasch ben Labrat durch scharfe Polemik gegen Saadja Gaon zu fördern. Über die diesem Zeitraum zuzuweisende Entwickelung der Haggada s. Midrasch; über die Geheimlehre s. Kabbala; über die Litteratur der Karäer s. Karäer. Um diese Zeit entwickelte sich im Anschluß an die bereits feststehenden, zur Zeit der Geonim verfaßten Gebetordnungen (Siddurim) unter Anwendung des Metrums und Reims [* 10] auch die synagogale poetanische (s. Paitan) Dichtung, als deren würdigster und einflußreichster Vertreter Elasar berabbi Kalir (um 800) zu nennen ist.
Vom 10. Jahrh. an dringt in das jüdische Geistesleben in Spanien ein frischer Zug, welcher die Glanzzeit der jüdischen Litteratur eröffnet. Der Beamte der Kalifen Abd ur Rahmân III. und Alhakim II., Chisdai ben Isak (950) in Cordova, begeisterte seine Glaubensgenossen für Wissen und Poesie. Selbst wissenschaftlich thätig (wie dies seine arabische Übertragung einzelner Teile eines medizinischen Werkes des Dioskorides zeigt), lieh er gelehrter Arbeit willig seinen Beistand. Er berief Menachem ben Saruk, Verfasser des ersten hebräischen Wörterbuchs in hebräischer Sprache, des »Machberet«, von Tortosa nach Cordova.
Für die Bibliothek Alhakims übersetzte Josef ibn Abitur, auch als synagogaler Dichter bekannt, die Mischna ins Arabische. Im 11. Jahrh. förderten Juda Chajudsch, der Vater der hebräischen Grammatik, der Entdecker des Dreiwurzelbuchstabensystems, und Jona ibn Dschannah (Abulwalid Merwan), Verfasser einer hebräischen Grammatik und eines Lexikons, das Sprachstudium. Der Wesir des Kalifen, Oberrabbiner Samuel Hanagid zu Cordova, war für Grammatik und Exegese ¶
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thätig und dichtete nach dem Vorbild der Psalmen, der Sprüche und des Predigers Salomo »Ben Thillim«, »Ben Mischle« und »Ben Kohelet«. Während noch Samuel den Spuren althebräischer Dichter folgt, tritt Salomo ihn Gabirol, der tiefe Denker, als selbständiger Dichter auf (s. Gabirol),
und wie er auf dem Grunde des Neuplatonismus philosophiert, so hat nach arabischem Vorbild sein Zeitgenosse Bachja ibn Bakoda in arabischer Sprache eine Moralphilosophie: »Chobot ha-lebabot« (»Pflichten der Herzen«),
geschrieben. Der Dichter Joseph ben Chisdai und der Bibelkritiker Jizchaki gehören seiner Zeit an. Dichtung, Exegese und Philosophie drängten die talmudischen Studien nicht zurück, und diese nahmen einen Aufschwung durch fünf Gelehrte, Namens Isak, so durch den Astronomen Isak ben Baruch Albalia (1035-94), den poetischen, 1089 gestorbenen Isak ben Juda ibn Giat, Isak ben Reuben aus Barcelona, [* 12] Isak ben Moses ibn Sakni, den spätern Gaon von Pumbedita, vorzüglich aber durch Isak ben Jakob Alfasi (aus Fes, gest. 1133), dessen unter dem Titel: »Halachot« bekanntes Talmudkompendium nach ihm »Alfasi« oder »Rif« genannt wird und in hohem Ansehen steht.
Der von 1065 bis 1136 lebende Polizeimeister Abraham bar Chija in Barcelona zeigte in einem großen Werk über Mathematik, Optik und Astronomie [* 13] bedeutendes Wissen. Talmudische Gelehrsamkeit verbreiteten auch Juda ben Barsillai, der Rabbiner in Lucena, Joseph ibn Migasch, und Joseph ibn Zaddik (gest. 1049). Das Lied, das Gabirol angestimmt, verhallte nicht mit dem Tode des Meisters, der scharfsinnige Moses ibn Esra (gest. 1138), der in einem Buch über jüdische Dichter und jüdische Dichtkunst sich verewigte, schuf neue religiöse und weltliche Poesien, bis Juda ha Levi (s. d.) den Preis religiösen Gesanges erwarb. Der kühne Forscher und scharfsinnige Kritiker Ibn Esra (s. d.) übertrifft beide durch ein eminentes Wissen in Philosophie, Philologie, Exegese und Mathematik.
Auch der Geschichte und Geographie wenden spanische Gelehrte ihren Eifer zu, so: Abraham ben David (gest. 1180), bekannt durch sein arabisch geschriebenes philosophisches Werk »Emuna rama«, welcher in dem »Sefer (oder Seder) ha-Kabbala« die Kette der prophetischen Überlieferung bis auf seine Zeit nachwies;
Benjamin ben Jona aus Tudela (gestorben um 1175),
Verfasser eines Itinerariums (»Massaot«).
Ihren Höhepunkt erreicht die j. L. in Moses ben Maimon (gest. 1204, s. Maimonides). Der Kampf zwischen dem an der Halacha festhaltenden Glauben und der freiern philosophischen Richtung kam zuerst in der Provence, wo sich gegen das bedeutende Werk der jüdischen Religionsphilosophie des Maimonides, »Moreh hanebuchim« (»Führer der Verirrten«),
Widerspruch erhob, zum Ausbruch. Es entspann sich ein heftiger Gelehrtenstreit, der zu einem größern Kampf gegen die Philosophie überhaupt Veranlassung gab, und in welchen hinein später auch die Kabbala (s. d.) spielte. Unter dem Druck der Almohaden ging das geistige Leben in Südspanien zurück, während von Kastilien und Katalonien aus ein reger litterarischer Verkehr mit der Provence unterhalten wurde. In Narbonne hatte schon im 10. Jahrh. Machir aus Babylonien eine talmudische Akademie gegründet, an welcher um 1140 Abraham ben Isak, Verfasser des »Eschkol«, lehrte, während in Lunel Meschullam, Jonathan Hakohen (ca. 1200),
Serachja ben Isak Halevi (gest. 1185),
Verfasser des »Maor«, die Übersetzerfamilie Tibbon, Abraham ben Natan, Verfasser des Ritualwerkes »Manhig«, in Marseille [* 14] Isak ben Abba Mari, der über talmudisches Recht schrieb (»Ittur«),
und in Narbonne die Familie Kimchi (s. d.),
welche sich vorwiegend der Grammatik, Lexikographie und Exegese zuwandte, wirkten.
David Kimchi nahm noch im hohen Alter für Maimonides, wie später Abraham ben Chisdai aus Barcelona, der Dichter von »Ben hamelech we hanasir« (»Prinz und Derwisch«),
gegen dessen Gegner, den Talmudisten und Masoreten Meir ben Todros Halevi Abulasia aus Toledo [* 15] und den Arzt Juda ibn Alfakar, Salomo ben Abraham aus Montpellier, [* 16] David ben Saul und Jona aus Gerona, eifrig Partei. Dieser ernsten Zeit fehlte es nicht an Gelehrten, welche in satirischer Dichtung der Mitwelt einen Spiegel [* 17] vorhielten: Juda ibn Sabbatai dichtete einen »Wettstreit zwischen Weisheit und Reichtum«, Joseph ibn Sahara »Das Buch der Tändeleien« (»Sefer schaaschuim«),
Juda ben Salomo Charisi (Alcharisi) das witzsprudelnde »Tachkemoni«. In dem Kampf um die Philosophie nahm Moses ben Nachman (s. Nachmanides), der geistvolle Bibelerklärer und Talmudist, einen vermittelnden Standpunkt ein. Sein Schüler Salomo ben Abraham ben Aderet (geboren um 1235) in Barcelona erfreute sich hohen Ansehens als rabbinische Autorität. Die in seinem Buch über die Ritualgesetze (»Torat habajit«) ausgesprochenen Ansichten versuchte Ahron Halevi, vielleicht Verfasser von »Sefer hachinnuch«, in seinem »Bedek habajit« zu widerlegen.
Mehr oder minder beteiligten sich in dem Kampf zwischen Glauben und Philosophie: Jakob Anatoli aus der Provence (»Malmad hatalmidim«),
der Arzt und Philosoph Jakob ben Machir, Menachem ben Jakob Meiri oder Vidal Salomo (Kommentare zu Talmudtraktaten und zu den Sprüchen Salomos) in Perpignan, Levi ben Abraham aus Villefranche, Isak Albalag, Schemtob ben Joseph Falaquera, Abba Mari ben Moses ben Joseph Hajarchi, d. h. aus Lunel (»Minchat kenaot«),
Jedaja ben Abraham Bedarschi, d. h. aus Béziers, Verfasser des »Bechinat Olam«, Eftori Haparchi (»Kaftor wapherach«) und Ahron Kohen aus Lunel, dessen Ritualwerk »Orchot chajim« in seiner Überarbeitung als »Kol bo« weit verbreitet ist. Um 1300 stellte Isak Aboab in seinem »Menorot hamaor« Haggadas zum Zweck der Erbauung zusammen, schrieb ein Ritualwerk u. a. Wissenschaftlicher Streit zerstört nicht, sondern baut auf, und so rief die durch Maimonides' Schriften erregte Bewegung von neuem die Kräfte wach.
Der aus Deutschland eingewanderte wissensreiche Oberrabbiner von Toledo, Ascher ben Jechiel, Rosch genannt (1306-27 blühend), faßte ein Kompendium zum Talmud (»Ascheri«) ab, regte Isak Israeli (1300) an, Geometrie und Kalenderwesen zu bearbeiten, und sah den Samen [* 18] seiner Lehre [* 19] bei Söhnen und Enkeln reifen, beteiligte sich aber als Feind der Philosophie nicht am Kampf. Aschers Sohn Jakob kodifizierte in »Arba Turim« das gesamte Rechtsgebiet der Israeliten, ein Enkel, Meir Aldabi aus Toledo, stellte »Schebile Emuna«, eine Encyklopädie des Wissenswertesten aus Theologie, Astronomie und Medizin, zusammen. Freund und Verteidiger der Philosophie war Gerson ben Salomos (schrieb »Schaar haschamajim« über Naturgeschichte) Sohn Levi ben Gerson Gersonides, Ralbag genannt, was sein »Milchamot adonai« und seine Bibelkommentare bezeugen. Moses Narboni und Joseph Kaspi wollten im Sinn Levis wirken, gelangten aber zu keiner größern Bedeutung. Der Provençale Jerucham ben ¶