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Rideau-Navigation (203 km) stellt eine Verbindung zwischen Kingston (am Ontario) und Ottawa her, und die Trent Navigation (306 km) verbindet die Quintébai (Ontariosee) mit dem Scugogsee. Ein Kanal [* 2] von den Schnellen [* 3] bei Des Joachims am obern Ottawa nach Brissons (188 km) ist im Bau. Die Kanäle Kanadas haben bis 1885 über 28 Mill. Doll. gekostet.
Die Eisenbahnen sind teilweise von der Regierung, großenteils aber von Privaten zum Teil unter staatlicher Garantie gebaut worden. Die erste Linie wurde 1844 eröffnet, und Ende 1885 hatten sämtliche Eisenbahnen eine Länge von 17,337 km, 1886 von etwa 20,800 km. Die Kanadische Pacificbahn (von Montreal [* 4] bis Port Moody, 3070 km lang) wurde eröffnet. Eine 31 km lange Schiffseisenbahn führt seit 1886 über die Chignectolandenge, welche die Halbinsel Neuschottland mit dem Festland vereinigt. Im Juni 1885 belief sich das in Eisenbahnen angelegte Kapital auf 625,754,704 Doll. (inkl. von 171,672,200 Doll. von den Regierungen und Munizipalitäten geleisteter Unterstützungen), die Züge legten 1885: 49 Mill. km zurück, beförderten 9,672,599 Reisende und 13,298,682 metr. Ton. Güter und warfen bei einer Bruttoeinnahme von 32,227,469 Doll. einen Gewinn von 8,212,148 Doll. ab. Die meist Privatgesellschaften gehörigen Telegraphen [* 5] hatten 1885 eine Länge von 32,744 km, und 5,243,500 Depeschen wurden befördert.
Außerdem bestehen in etwa 200 Städten Fernsprecher. [* 6] Die Postanstalten beförderten 1885: 82 Mill. Briefe etc. und 600,000 Pakete. Das Bankwesen ist hoch entwickelt. Im J. 1885 belief sich das eingezahlte Kapital der inkorporierten (chartered) Banken auf 61,636,424 Doll.; die Passiva betrugen 141,713,644 Doll. (Depositen 106,752,992 Doll.), die Aktiva 222,091,270 Doll. und der Notenumlauf 31,334,621 Doll. (außer 17,836,378 Doll. Noten der Regierung). In den Sparkassen waren zur selben Zeit 107,623,833 Doll. deponiert (davon 50 Mill. in Chartered banks).
Münzeinheit ist der Dollar zu 100 Cents wie in den Vereinigten Staaten, [* 7] und man rechnet offiziell 4 Doll. 86 ⅔ Cents = 1 Pfd. Sterl. Gewichte und Maße sind die englischen, doch hat der Zentner seit 1878 nur 100 Pfd. und die Tonne 2000 Pfd. Getreide [* 8] etc. wird nominell nach dem Bushel, in der That aber nach dem Gewicht verkauft, wobei 1 Bushel Weizen, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln, Rüben oder Kleesamen = 60 Pfd., 1 Bushel Mais oder Roggen = 56 Pfd., 1 Bushel Gerste [* 9] oder Buchweizen = 48 Pfd., 1 Bushel Hanf = 44 Pfd., 1 Bushel Kastorbohnen = 40 Pfd., 1 Bushel Malz = 36 Pfd. und 1 Bushel Hafer [* 10] = 34 Pfd. angenommen werden.
[Staatliche Verhältnisse.]
Kanada bildet nach Bestimmung der Unionsakte von 1867 einen Bundesstaat, dessen Exekutive in den Händen eines von der Krone ernannten Governor general ruht. Ihm zur Seite steht ein Geheimer Rat (Queen's Privy Council), dessen Mitglieder vom Governor general im Namen der Krone ernannt werden. 13 der Geheimräte bilden ein dem Parlament verantwortliches Ministerium. Die gesetzgebende Gewalt wird ausgeübt durch ein Bundesparlament, bestehend aus zwei Häusern, einem Senat und einem Haus der Gemeinen.
Senatoren müssen 30 Jahre alt sein und in derjenigen Provinz, welche sie vertreten, für 4000 Doll. Eigentum haben. Sie werden vom Governor general (natürlich mit Zuziehung seiner Minister) auf Lebenszeit ernannt und beziehen dieselben Diäten wie Mitglieder des Unterhauses (als Maximum 1000 Doll. pro Jahr). Die Zahl der Senatoren ist 78. Die 215 Unterhausmitglieder werden vom Volk auf fünf Jahre gewählt. Stimmrecht hat jeder männliche Bürger, der 21 Jahre alt ist und entweder 20 Doll. jährliche Miete zahlt, ein Jahreseinkommen von 300 Doll. hat, oder Eigentümer oder Nutznießer einer Liegenschaft im Wert von 150-300 Doll. ist.
Der Vorsitzende des Unterhauses bezieht einen Gehalt von 4000 Doll.; die Mitglieder erhalten 30 Doll. täglich, doch nie über 1000 Doll. im Jahr, nebst Reisegebühren. Als gemeinsame Angelegenheiten gelten die Verwaltung der Bundesländereien (im Nordwesten), Bundesschuld, Handels- und Verkehrsangelegenheiten (einschließlich Post), Fischereien, Erhebung indirekter Steuern, die oberste Justizverwaltung und Kriminalgesetzgebung, Münz- und Währungsfragen und Miliz.
Jede der Provinzen steht unter einem von der Bundesregierung ernannten Lieutenant-Governor und hat ihr eignes Parlament. Für Lokalzwecke werden die Provinzen (mit Ausnahme der Prinz Edward-Insel) in Grafschaften und diese in Townships eingeteilt, deren jede aus einer oder mehreren städtischen oder ländlichen Munizipalitäten besteht. Sämtliche Richter (mit Ausnahme der Polizeirichter und der unsalarierten Magistrates oder Friedensrichter) werden vom Governor general auf Lebensdauer ernannt. Sitz des obersten Gerichtshofs ist Ottawa.
Die Bundesfinanzen befinden sich in befriedigendem Zustand. Die Einnahmen des Consolidated Fund beliefen sich 1884-85 auf 32,797,001 Doll. (Zölle 18,935,428 Doll.; Accise 6,449,101 Doll.; Postamt 1,841,372 Doll.; Staatsbahnen [* 11] und Kanäle 1,141,140 Doll.; Zinsen von angelegtem Kapital etc. 1,364,457 Doll.). Diesen Einnahmen standen Ausgaben im Betrag von 35,037,060 Doll. gegenüber (Zinsen der Bundesschuld 9,419,482 Doll.; Verwaltung der Staatsbahnen und Kanäle 3,268,222 Doll.; Postamt 2,488,315 Doll.; Landesverteidigung 2,707,757 Doll.; öffentliche Bauten 2,302,363 Doll.; Indianer 1,109,604 Doll.; Subsidien an die Provinzen 3,959,327 Doll.). Die gesamten Einnahmen, mit Einschluß von Anleihen, beliefen sich während desselben Zeitraums auf 78,418,844 Doll. Die Bundesschuld betrug im Juli 1886: 273 Mill. Doll. oder abzüglich der Aktiva 223,160,000 Doll. Für den Bau von Eisenbahnen und andern produktiven Anlagen sind bis 1885: 211 Mill. Doll. verausgabt worden, und außerdem wurden verzinsliche Anleihen im Betrag von über 34 Mill. Doll. an Eisenbahngesellschaften bewilligt. Was das Verhältnis der Bundesregierung den Provinzen gegenüber betrifft, so ist zu bemerken, daß dieselbe im J. 1867 sämtliche Provinzialschulden im Betrag von 106,311,392 Doll. übernahm und außerdem 80 Cents pro Kopf und andre Subsidien als Entschädigung für die indirekten Steuern an die Provinzialregierungen zahlt.
Die britische Truppenmacht beschränkt sich seit 1871 auf 2000 Mann, welche einen Teil der Besatzung der Reichsfestung Halifax [* 12] bilden. Kanada unterhält auf eigne Kosten eine wohlorganisierte Miliz, deren Offiziere in der Militärakademie von Kingston und in den Kriegsschulen ebendort, in Quebec, Ontario, Fredericton und Winnipeg ausgebildet werden. Dienstpflichtig ist jeder Bürger zwischen 18 und 60 Jahren, doch zählt die aktive Miliz (neben einer stehenden Truppe von 1200 Mann) nur 37,350 Mann, welche jährlich 12 Tage gedrillt werden. Die Reserve soll 655,000 Mann zählen. Bei Unterdrückung der Rebellion im Nordwesten leistete die Miliz vorzügliche Dienste. [* 13] Die Kriegsmarine beschränkt sich auf 8 bewaffnete Dampfer; Das Wappen [* 14] der ¶
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Dominion ist aus den Wappen der sieben vereinigten Provinzen zusammengestellt. Die Flagge ist die englische (s. Tafel »Flaggen [* 16] I«). [* 17]
Vgl. außer den zahlreichen offiziellen Veröffentlichungen: Hunt, Canada, a geographical, agricultural and mineralogical sketch (Toronto 1865);
Russell, Canada, its defences, condition and resources (Lond. 1865);
Marshall, The Canadian Dominion (das. 1871);
Silver, Handbook to Canada (das. 1881);
J. ^[John] Carling, Canada, its history, productions and natural resources (Ottawa 1886);
Lovell, Gazetteer of British North America (Montreal 1881);
Wiedersheim, Kanada, Reichsbeschreibung und Bericht über die dortigen land- und volkswirtschaftlichen Verhältnisse (Stuttg. 1882);
Grant, Picturesque Canada (Toronto 1884, 2 Bde.);
Dawson, Handbook for the Dominion of Canada (Montreal 1884);
Lemcke, Kanada, das Land und seine Leute (Leipz. 1886);
»Canadian Almanac« (Toronto, jährlich);
Hurlbert, Physical Atlas [* 18] of the Dominion of Canada (Ottawa 1880);
Selwyn, Berichte über das Geological and natural history survey of Canada (Montreal, seit 1878);
Derselbe, Geologische Karte von Kanada (das. 1885).
Geschichte.
Die ersten Europäer, welche Kanada besuchten, waren wohl die Venezianer Giovanni und Sebastiano Caboto, welche 1497 mit sechs englischen Schiffen hierher kamen;
aber sie sowohl als die bald darauf nach Kanada gelangenden Spanier legten keinen Wert auf dieses rauhe Land. 1506 nahm der Italiener Giovanni Verrazani, der mit einigen französischen Schiffen dahinkam, das Land für Frankreich in Besitz;
doch machte der Franzose Jacques Cartier, der den St. Lorenzstrom hinauffuhr und das umliegende Land Neufrankreich nannte, noch 1534 auf die Bedeutung dieses Landes vergebens aufmerksam;
erst 1608 nahm Frankreich die Kolonisation Kanadas in Angriff.
Der erste Gouverneur war Samuel Champlain, der 1608 Quebec anlegte, worauf die Kolonie zum französischen Vizekönigreich erklärt wurde. 1628 ging auf Richelieus Betrieb eine Handelsgesellschaft nach Kanada, welche das Handelsmonopol daselbst erhielt, sich aber anheischig machen mußte, bis 1643: 16,000 Handwerker und Ackerbauer dahin überzusiedeln. Indes wurde die Ansiedelung längere Zeit gehemmt durch stete Kämpfe mit den Indianern. Noch mißlicher gestalteten sich die dortigen Verhältnisse, als die jesuitische Intoleranz den Reformierten gegenüber auch jenseit des Meers diesen die Zuflucht abschnitt.
Seit 1664 stand Kanada unter der Verwaltung der französisch-westindischen Kolonie; 1674 aber erhielt es durch Colbert eine eigne Regierung, das Conseil souverain, welches aus einem Gouverneur, einem apostolischen Vikar und vier Edelleuten als Räten zusammengesetzt war. Die Verwaltung des Landes wurde von Kavalieren und Geistlichen, besonders Jesuiten, in streng kirchlicher und feudalistischer Richtung geführt; die katholische Religion herrschte ausschließlich, und Grund und Boden war im Alleinbesitz der Seigneurs, welche ihn an Pachter vergaben.
Nach wiederholten Reibungen mit den benachbarten Engländern, welche schon 1629 und 1711 einen Versuch gemacht haben, Kanada zu erobern, rief das Unternehmen der Franzosen, von Kanada bis nach Louisiana eine Reihe von Blockhäusern und Forts im Rücken der englischen Niederlassung zu errichten, den Krieg von 1754 hervor, welcher nach dem Sieg Wolfes bei Quebec durch den Pariser Frieden 1763 das Land ganz in die Hände der Briten brachte. Von der englischen Regierung wurden nun ganz neue Ordnungen eingeführt: die Katholiken sollten von allen Ämtern ausgeschlossen sein, die französischen Kavaliere aus den hohen Ämtern verdrängt, die englische Jury eingeführt, überhaupt die alten Traditionen des Landes umgestürzt werden.
Doch wurde infolge der dadurch hervorgerufenen Unzufriedenheit in der Quebec-Akte von 1774 allgemeine Religionsfreiheit gewährt, der Klerus wieder in seine Einkünfte eingesetzt und die alte Zivilgesetzgebung wiederhergestellt. Überdies wurde die Habeaskorpusakte auf Kanada ausgedehnt, die drückendsten Steuern abgeschafft und nach dem Friedensschluß mit den Vereinigten Staaten noch weitere Verbesserungen in der Verwaltung der Kolonie durchgeführt. Hierdurch wurde bewirkt, daß die französisch-katholische Bevölkerung [* 19] beim Ausbruch der Revolution in den südlichen Kolonien (1775) trotz der Aufrufe an sie seitens der Neuenglandstaaten und verschiedener Einfälle der Amerikaner in Kanada sich dem Aufstand der englisch-protestantischen Staaten nicht anschloß, sondern der britischen Herrschaft treu blieb.
Durch die Konstitution von 1791 wurde in zwei Provinzen, Ober- und Niederkanada, eingeteilt. Die Grenzlinie der beiden Bezirke wurde so gezogen, daß Nieder- oder Unterkanada den größten Teil der französischen Bevölkerung, Oberkanada aber vorwiegend die englischen Kolonisten in sich schloß. Die gesetzgebende Gewalt wurde einem Ober- und einem Unterhaus (Council and Assembly), die vollziehende Gewalt in jeder Provinz einem Gouverneur übertragen. Dem Gouverneur war ein Vollziehungsrat beigegeben, welcher nur der Regierung in England verantwortlich war.
Die Gouverneure wechselten häufig; in der kurzen Zeit von 1810 bis zum Ausbruch des großen Aufstandes von 1837 waren nicht weniger als elf Gouverneure im Amte. Die Verwaltung war aber eine sehr mangelhafte und willkürliche. Die französischen Einwohner wurden gegenüber den englischen hintangesetzt, die Finanzen nachlässig und oft gewissenlos verwaltet, die liberale Opposition unterdrückt und alle noch so berechtigten Beschwerden vom Gouverneur oder dem englischen Parlament unbeachtet gelassen.
Die Folge davon war, daß die Opposition nur noch energischer wurde. Unter der Führung Papineaus beschloß 1836 die Assembly von Niederkanada die Steuerverweigerung, wenn nicht den vorgebrachten Beschwerden abgeholfen würde, und als das Parlament nicht darauf einging, kam es zum Aufstand. Der Verein der »Söhne der Freiheit«, welcher seinen Zentralausschuß in Montreal hatte, verkündigte die Trennung Kanadas von England und erließ Aufrufe an die jungen Männer des freien Nordamerika. [* 20]
Auf der andern Seite traten die Loyalen im Dorischen Klub zusammen und erregten die ersten Unruhen in Montreal. Ein Kampf in der Stadt Montreal, der sich zwischen Loyalen und Söhnen der Freiheit entspann, war das Zeichen zum allgemeinen Aufstand. Brown, Nelson und O'Callaghan stellten sich an die Spitze von bewaffneten Insurgentenhaufen. Aber obwohl sie den englischen Truppen bei dem Dorf St.-Denis und bei St.-Charles siegreiche Treffen lieferten, so gaben doch die Anführer ihre Sache bald verloren und flohen nach den Vereinigten Staaten, worauf die ihrer Führer beraubten Insurgenten bei St.-Eustach und Grand-Brulé geschlagen und zersprengt wurden. Nicht glücklicher waren die Aufständischen in Oberkanada. Unter Mackenzie und van Egmont, einem ehemaligen Napoleonischen Offizier, wurden sie 7. Dez. von dem Obersten Mac Nab geschlagen. So war zu Anfang 1838 der ¶