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bewegte
Körper, sondern auch solche, welche sich in völliger
Ruhe befinden, können
Energie besitzen. Wird z. B. ein in die
Höhe geworfener
Stein, wenn er sich im höchsten
Punkt seiner
Bahn befindet, von dem
Dach
[* 2] eines
Hauses aufgefangen, so bleibt
er daselbst liegen ohne
Bewegung, jedoch nicht ohne das
Vermögen,
Arbeit zu leisten, und demnach nicht
ohne
Energie. Denn läßt man ihn von dort wieder zum
Boden herabfallen, so erreicht er ihn mit der nämlichen
Geschwindigkeit
und sonach mit derselben lebendigen Kraft
,
[* 3] welche er beim Aufwärtswerfen besaß, und vermag daher jetzt eine
Arbeit zu verrichten
ebenso groß wie diejenige, welche zum Hinaufwerfen aufgewendet wurde.
Die
Energie, welche dem auf dem
Dach liegenden
Stein innewohnt und welche beim Herabfallen zum Vorschein kommt, verdankt derselbe
seiner erhöhten
Lage, d. h. dem Umstand, daß er vom Anziehungsmittelpunkt der
Erde weiter entfernt ist, als da er noch am
Boden lag. Man nennt diese im ruhenden
Körper gleichsam aufgespeicherte Arbeitsfähigkeit deswegen
Energie
der
Lage, ruhende oder potentielle
Energie und bezeichnet im
Gegensatz hierzu die lebendige Kraft
oder
Wucht eines bewegten
Körpers
als
Energie der
Bewegung, thätige, aktuelle oder kinetische
Energie.
Die zum Spannen einer Armbrust [* 4] verbrauchte Arbeit findet sich als potentielle Energie in der gespannten Sehne und verwandelt sich beim Abdrücken in die aktuelle Energie des fortgeschleuderten Pfeils. Die Arbeit, welche unsre Hand [* 5] beim Aufziehen einer Uhr [* 6] leistet, geht als potentielle Energie in die gespannte Feder oder das emporgehobene Gewicht über und verweilt in diesem Ruhezustand, solange das Uhrwerk gehemmt ist; wird es ausgelöst, so setzt sich diese potentielle Energie allmählich in die Bewegungsenergie der sich drehenden Räder um. Aus den letztern Beispielen erhellt zugleich, warum die potentielle Energie zuweilen auch Spannungsenergie genannt wird.
Wird ein Stein vertikal aufwärts geworfen, so vermindert sich seine Geschwindigkeit unter dem Einfluß der entgegenwirkenden Schwere; was er aber beim Emporsteigen an Bewegungsenergie verliert, gewinnt er an Energie der Lage, bis sich im höchsten Punkt seines Flugs, wo seine Geschwindigkeit erschöpft ist, seine ganze anfänglich vorhandene Bewegungsenergie in Energie der Lage verwandelt hat. Fällt er nun wieder herab, so beginnt er seinen Lauf nach unten mit diesem Betrag von potentieller Energie, und während er immer tiefer fällt, wird seine potentielle Energie geringer und seine Bewegungsenergie größer, und zwar so, daß die Summe beider immer die nämliche bleibt. In dem Augenblick endlich, in welchem er den Boden erreicht, hat sich seine Energie der Lage wieder völlig in Bewegungsenergie verwandelt, welche ebenso groß ist wie diejenige, mit welcher er anfänglich emporstieg. Die Gesamtenergie des geworfenen Steins bleibt also während seiner ganzen Bewegung unverändert, indem sich nur die eine Art Energie in die andre ohne Verlust und ohne Gewinn allmählich verwandelt.
Was wird nun aber aus der Energie des Steins, wenn er den Boden trifft und hier plötzlich zur Ruhe kommt? Die Energie seiner sichtbaren Bewegung wird im Moment des Stoßes allerdings vernichtet; wir wissen aber, daß, so oft Bewegungsenergie durch Stoß oder durch Reibung [* 7] scheinbar zerstört wird, eine Erwärmung der beteiligten Körper eintritt; eine Kanonenkugel z. B., gegen eine eiserne Panzerplatte geschossen, erhitzt sich bis zum Rotglühen, und wird ein Eisenbahnzug durch Bremsen [* 8] zum Stehen gebracht, so erwärmen sich Räder und Bremsen.
Nun haben Joule und Hirn durch genaue Versuche dargethan, daß durch je 424 Arbeitseinheiten (Meterkilogramme), welche beim Stoß oder bei der Reibung scheinbar verschwinden, eine Wärmemenge erzeugt wird, welche im stande ist, 1 kg Wasser um 1° C. zu erwärmen, und daß diese Wärmemenge (die Wärmeeinheit), wenn sie, z. B. in einer Dampfmaschine, [* 9] verbraucht wird, wiederum eine Arbeit von 424 Meterkilogrammen leistet. Man nennt daher diese Zahl von 424 Meterkilogrammen das mechanische Äquivalent der Wärme. [* 10]
Diese Thatsache der Äquivalenz von Arbeit und Wärme wird sofort verständlich, wenn wir im Sinn der mechanischen Wärmetheorie (s. Wärme) annehmen, daß die Wärme eine Art Bewegung sei und zwar eine schwingende Bewegung der kleinsten Teilchen (Moleküle) der Körper, welche wegen der Kleinheit dieser Teilchen unserm Auge [* 11] nicht sichtbar ist, dagegen auf unsern Gefühlssinn denjenigen Eindruck hervorbringt, welchen wir Wärme nennen. Wenn daher die Energie der sichtbaren Bewegung eines Körpers durch Stoß oder Reibung scheinbar zerstört wird, so verschwindet sie in der That nicht, sondern sie verwandelt sich bloß, ohne Verlust und ohne Gewinn, in die Energie der unsichtbaren Wärmebewegung.
Energie kann niemals vernichtet, und ebensowenig kann
Energie aus nichts erschaffen werden; alle Vorgänge
in der
Natur beruhen bloß auf der
Verwandlung der
Energie einer
Bewegungsart in die
Energie einer andern
Bewegungsart oder auf
der
Verwandlung von Bewegungsenergie in
Energie der
Lage und umgekehrt; die gesamte im Weltall vorhandene Energiemenge ist eine
unveränderliche
Größe. Dieses durch alle
Erfahrungen bestätigte
Grundgesetz der gesamten
Naturlehre wird
das
Prinzip der
Erhaltung der Energie oder auch, allerdings weniger angemessen, das
Prinzip der
Erhaltung der Kraft
genannt.
Indem dieses Gesetz die Umwandlung sämtlicher Energien der Natur (Schall, [* 12] Wärme, Licht, [* 13] Elektrizität, [* 14] chemische Trennung und Verbindung, mechanische Energie) ineinander beherrscht, so daß sich dieselben nur als verschiedene Erscheinungsformen einer und derselben Wesenheit darstellen, führt es zu der Erkenntnis ihres innern Zusammenhangs und berechtigt uns, in diesem Sinn von der Einheit der Naturkräfte zu sprechen. Zur Erläuterung dieser Begriffe mögen noch folgende Beispiele von Energieumwandlungen angeführt werden.
Durch Drehen einer magnetelektrischen Maschine [* 15] (s. d.) wird ein elektrischer Strom erzeugt, dessen Energie der aufgewendeten mechanischen Arbeit äquivalent ist. In einem metallischen Schließungskreis bringt dieser Strom eine entsprechende Wärmemenge hervor;
ist aber eine mit angesäuertem Wasser gefüllte Zersetzungszelle eingeschaltet, so entsteht eine geringere Wärmemenge, dafür wird aber chemische Arbeit geleistet, indem ein Teil des Wassers in seine Bestandteile, Sauerstoff und Wasserstoff, zerlegt wird;
diese Arbeit befindet sich als potentielle Energie in den beiden Bestandteilen und kommt als Wärme zum Vorschein, wenn sie sich wieder miteinander zu Wasser vereinigen, d. h. wenn der Wasserstoff verbrennt;
die Verbrennungswärme des entwickelten Wasserstoffs ist nämlich der im Schließungskreis vermißten Wärmemenge genau gleich.
Leitet man den elektrischen Strom durch die Drahtwindungen einer elektromagnetischen Kraftmaschine (s. d.), so leistet er mechanische Arbeit, wofür im Schließungskreis eine äquivalente Wärmemenge verschwindet. Endlich seien noch erwähnt die Umwandlungen der Energie, welche die Sonne [* 16] durch ¶
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Vermittelung der Wellenbewegung [* 18] des Äthers als Licht und strahlende Wärme unsrer Erdoberfläche zuführt. Indem die Erwärmung an verschiedenen Stellen der Erdoberfläche ungleich ausfällt, wird das Gleichgewicht [* 19] der Atmosphäre gestört und sucht sich durch Strömungen wiederherzustellen; die Bewegungsenergie der Winde [* 20] ist daher nichts andres als umgewandelte Energie der Sonnenstrahlung. Durch die Verdampfung, welche unter dem Einfluß der Sonnenwärme an der Meeresoberfläche vor sich geht, werden ungeheure Mengen Wasserdampf in die höhern Regionen der Atmosphäre emporgehoben, von wo sie, zu Wasser verdichtet, als Regen oder Schnee [* 21] herabfallen und, zu Bächen und Flüssen gesammelt, dem Meer wieder zuströmen.
Während des Herabsinkens gibt das Wasser die gesamte Energie, welche es beim Emporsteigen von der Sonne empfing, als Wärme (Freiwerden der sogen. latenten Wärme) und Bewegungsenergie wieder aus, wovon die letztere durch Wasserräder [* 22] für die Zwecke der menschlichen Industrie nutzbar gemacht werden kann. In den grünen Blättern der Pflanzen wird durch die Sonnenstrahlen die aus der Luft aufgenommene Kohlensäure zerlegt; der Sauerstoff kehrt gasförmig in die Atmosphäre zurück, der Kohlenstoff aber wird zum Aufbau des festen Pflanzenkörpers verwendet.
In dem Holz [* 23] eines Baumstammes findet sich nun die gesamte Energie der Sonnenstrahlen, welche zu seiner Bildung im Lauf des Jahrs verbraucht wurde, als potentielle Energie aufgespeichert und kommt als aktuelle Energie in Form von Licht und Wärme ungeschmälert zum Vorschein, wenn das Holz oder vielmehr der in ihm enthaltene Kohlenstoff durch Verbrennung wieder in den Zustand der Kohlensäure zurückkehrt. In den Steinkohlenlagern, umgewandelten Resten urweltlicher Pflanzen, ist ein reicher Sparpfennig gebundener Sonnenenergie niedergelegt, welcher in ferner geologischer Epoche durch die assimilierende Thätigkeit der damaligen Urwälder angesammelt wurde und durch den Verbrennungsprozeß jederzeit wieder in Freiheit gesetzt werden kann; demnach ist die Wärme unsrer Öfen, [* 24] das Licht unsrer Gasflammen, die Arbeit der Dampfmaschinen [* 25] Energie, die ursprünglich von der Sonne stammt.
Von den Tieren nähren sich die einen unmittelbar von Pflanzen, andre verzehren ihre pflanzenfressenden Mitgeschöpfe, in beiden Fällen erkennen wir die Pflanzenwelt als die alleinige Quelle [* 26] alles tierischen Lebens. Im tierischen Organismus verbindet sich der in der Nahrung eingenommene Kohlenstoff mit dem eingeatmeten Sauerstoff und wird in Form von Kohlensäure ausgehaucht, d. h. die Energie der Sonnenstrahlen, welche die Pflanze zur Abscheidung des Kohlenstoffs verbrauchte und als potentielle Energie in letzterm niederlegte, wird im tierischen Körper als Wärme und Bewegung wieder frei. Diese Reihe von Betrachtungen, welche sich noch weiter fortsetzen läßt, führt schließlich zu der Erkenntnis, daß die Sonne der alleinige Urquell aller Wärme, aller Bewegung, alles Lebens an unsrer Erdoberfläche ist.