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innern Angelegenheiten der Bundesstaaten, führte französische Institutionen ein und unterdrückte alle Regungen des beleidigten Nationalgefühls durch Gewaltthaten wie die Hinrichtung des Buchhändlers Palm in Braunau (27. Aug.).
Unersättlich in seiner Ruhmbegierde und Eroberungssucht, warf er sich nun auf Preußen, [* 2] das durch seine schwächliche Politik 1805 seine Verachtung und durch seine Schwankungen seinen Haß erweckt hatte, der sich in dem leidenschaftlichen, übermütigen Ton seiner Befehle und Bülletins, in den rohen Schmähungen der Königin Luise kundgab. Der Sieg von Jena [* 3] den Napoleon selbst erfocht, und die schmähliche Haltung der preußischen Heerführer lieferten ihm mit Einem Schlag Preußen in die Hände.
Nachdem Napoleon in Potsdam [* 4] vom Grab Friedrichs II. dessen Degen geraubt hatte, hielt er 27. Okt. seinen Einzug in Berlin, [* 5] von wo er 21. Nov. das Dekret über die Kontinentalsperre erließ. In Polen, wo ihm die Preußen zu Hilfe kommenden Russen entgegentraten, geriet sein Siegeszug im Winter von 1806 bis 1807 ins Stocken, und bei Preußisch-Eylau (7. u. 8. Febr.) erfocht Napoleon trotz ungeheurer Verluste keinen Sieg. Nach längerer Unthätigkeit in schwieriger Lage brachte er aber 14. Juni bei Friedland den Russen eine entscheidende Niederlage bei, worauf er mit Kaiser Alexander 25. Juni auf der Memel [* 6] die Zusammenkunft hatte, in welcher er Polen opferte und Alexander mit der Hoffnung auf die Herrschaft über Nord- und Osteuropa schmeichelte, dadurch aber ihn ganz für sich gewann und bewog, Preußen preiszugeben. Den Versuch der Königin Luise, für ihr Land günstigere Bedingungen zu erlangen, wies er in roher Weise zurück. Er konnte sich weder zu großmütiger Behandlung noch zur völligen Vernichtung Preußens [* 7] entschließen; indem er es zwang, die Hälfte seines Gebiets abzutreten, und drückende Lasten und Demütigungen ihm auferlegte, zog er sich selbst einen unversöhnlichen Feind groß.
Napoleon hatte in Tilsit [* 8] seinen Plan, eine Weltherrschaft zu begründen, der Verwirklichung näher gebracht; im mittlern und westlichen Kontinent von Europa [* 9] schaltete er als unbedingter Herr. Aber es lag sowohl im System des Cäsarismus als im Charakter Napoleons selbst, daß sein Ehrgeiz und seine gewaltthätige Herrschsucht keine Schranken in dem Recht und der Freiheit andrer anerkennen wollten und ihn zur Überschätzung seines eignen Könnens und zur Geringschätzung fremder Widerstandskraft verleiteten.
Nachdem er 1807 Portugal [* 10] hatte besetzen lassen, weil es England nicht seine Häfen sperrte, benutzte er 1808 den in der spanischen Königsfamilie ausgebrochenen Streit zwischen Karl IV. und seinem Sohn Ferdinand VII., um beide im Mai zu Bayonne zum Verzicht auf den Thron [* 11] zu bewegen, den er darauf seinem Bruder Joseph verlieh, während Murat König von Neapel [* 12] wurde. Aber in Spanien stieß er bei dem stolzen, streng katholischen Volk auf ungeahnte Schwierigkeiten, die mit der Kapitulation eines französischen Heers bei Baylen (21. Juli) begannen. Die Erhebung des spanischen Volkes und das Eingreifen der Engländer unter Wellington, die nach der Vernichtung der letzten französischen Flotte bei Trafalgar (1805) nun auch auf dem Kontinent Napoleon entgegenzutreten vermochten, rieben Napoleons Kräfte auf, ohne daß es ihm gelang, die Pyrenäenhalbinsel dauernd zu erobern.
Nachdem Joseph aus Madrid [* 13] geflohen war und Wellington die Franzosen aus Portugal vertrieben hatte, erneuerte Napoleon sein Bündnis mit Kaiser Alexander auf der Zusammenkunft in Erfurt [* 14] (27. Sept. bis auf der die Rheinbundsfürsten teils selbst erschienen, teils sich durch ihre Thronerben vertreten ließen, und auf welcher der Imperator seinen Mangel an Erziehung durch empörenden Übermut selbst gegen Alexander bewies. Darauf eilte er mit 80,000 Mann, meist Rheinbundstruppen, nach Spanien, setzte Joseph 4. Dez. in Madrid wieder als König ein und drängte die in Spanien eingefallenen Engländer nach Valladolid zurück, sah sich dann aber durch die Nachricht von Österreichs drohenden Rüstungen [* 15] genötigt, umzukehren.
Obwohl selbst die Vertrauten des Kaisers, wie Fouché und Talleyrand, Mißvergnügen über seinen maßlosen Ehrgeiz zeigten, auch in der Armee eine gewisse Kriegsmüdigkeit sichtbar wurde, die Bande der Sitte sich lockerten, roher Eigennutz, Raublust und Feigheit bereits in erschreckender Weise hervortraten, obwohl endlich die Geldmittel nicht mehr so reichlich flossen, führte Napoleon den Krieg gegen Österreich [* 16] 1809 wieder mit gewohnter Energie und Schnelligkeit, trieb die Österreicher bei Regensburg [* 17] in fünftägigen Kämpfen (19.-23. April) mit einem Verlust von 50,000 Mann nach Böhmen [* 18] zurück; zog 13. Mai zum zweitenmal in Wien [* 19] ein, und nachdem er nach der Niederlage bei Aspern [* 20] (21. u. 22. Mai) eine schwere Krisis infolge der Unthätigkeit seines Gegners glücklich überwunden hatte, brachte er durch den Sieg bei Wagram [* 21] (5. u. 6. Juli) den Krieg im Frieden von Wien zum günstigen Abschluß.
Der unglückliche Verlauf des Kriegs in Spanien, die Erhebung Tirols, die Aufstandsversuche in Deutschland, [* 22] endlich das Attentat von Staps (12. Okt.) hätten Napoleon auf die erwachenden nationalen Kräfte aufmerksam machen können; doch glaubte er durch rücksichtslose Gewalt der »Ideologie« Herr zu werden. Seine Selbstüberhebung und Menschenverachtung waren so hoch gestiegen, daß sich ihm die Grenzen [* 23] des Möglichen verwischten; was er wollte, mußte er auch können. Auch in seinem persönlichen Auftreten wurde er herrisch und gewaltthätig, und jeder Widerspruch reizte ihn zur leidenschaftlichen Wut. Über Völker und Länder schaltete er nach Willkür. Der Kirchenstaat wurde 1809 mit dem Kaiserreich vereinigt und der dagegen protestierende Papst nach Frankreich abgeführt. Nachdem 1810 auch Holland und die deutschen Nordseeküsten einverleibt worden waren, erstreckte sich das Kaiserreich bis zur Ostsee und den Ionischen Inseln, umfaßte 130 Departements, und, die Vasallenstaaten eingerechnet, verfügte Napoleon über 100 Mill. Menschen. Um dies ungeheure Reich an einen Sohn zu vererben und so seine Zukunft zu sichern, ließ er durch einen Senatsbeschluß vom seine kinderlose Ehe mit Josephine scheiden und vermählte sich mit der Erzherzogin Marie Luise, der Tochter des Kaisers Franz I., die ihm einen Sohn gebar, der bei seiner Geburt den Titel eines Königs von Rom [* 24] empfing. Napoleon glaubte das Reich Karls d. Gr. erneuert und für seine Dynastie gesichert zu haben. Die letzten Freiheiten der Revolution wurden beseitigt, die alte Hofetikette, der Erbadel, die Zensur, ja auch die »lettres de cachet« wiederhergestellt.
Das 1808 erneuerte Bündnis mit Rußland war bei Napoleons Herrschsucht nicht aufrecht zu erhalten. Rußland wollte sich die Kontinentalsperre nicht länger gefallen lassen und hob sie teilweise auf, Napoleon gönnte Rußland die Eroberung Finnlands und seine Erfolge im Türkenkrieg nicht und beleidigte Alexander durch die Annexion Oldenburgs, des Fürstentums seiner ¶
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Verwandten. Durch das Ungeheure, Ungewohnte seines Unternehmens, eines Zugs gegen Rußland, für den er in Frankreich neue Aushebungen veranstaltete, die Vasallenheere aufbot und Österreich sowie Preußen zur Stellung von Hilfstruppen zwang, gedachte Napoleon seinen Gegner einzuschüchtern und zur Unterwerfung zu zwingen. Mit 450,000 Mann, der Großen Armee, überschritt er den Niemen und drang in das Innere Rußlands ein. Da die Russen sich defensiv verhielten und nur Rückzugsgefechte lieferten, erreichte Napoleon Mitte August schon Smolensk, wo er den Russen 17. Aug. eine siegreiche Schlacht lieferte.
Aber die rasche Abnahme, ja Auflösung seiner Heeresmassen durch Entbehrungen, Krankheiten und Gefechtsverluste mußte ihn mit Besorgnis erfüllen. Dennoch riß ihn die Hoffnung, durch die Eroberung Moskaus Alexander zum Frieden zu bewegen, vorwärts, und nach dem blutigen Sieg bei Borodino an der Moßkwa (7. Sept.) zog er 14. Sept. in Moskau [* 26] ein. Der von den Russen selbst angelegte Brand der Stadt machte die Winterquartiere daselbst unmöglich, und nachdem er einen Monat vergeblich die Antwort auf seine Friedensanträge aus Petersburg [* 27] erwartet hatte, trat er 19. Okt. mit seinem erschöpften Heer von 100,000 Mann den Rückzug von Moskau an, der infolge des frühen Winters, des Mangels an Lebensmitteln und der energischen russischen Verfolgung mit dem Untergang der Großen Armee endete. Mit 40,000 Mann und wenig Geschützen erreichte Napoleon 9. Nov. Smolensk; die Kämpfe beim Übergang über die Beresina (25.-28. Nov.) vollendeten die Auflösung des Heers, von dem nur 15,000 Mann Wilna [* 28] erreichten. Von hier eilte Napoleon, der endlich im 29. Bülletin vom 3. Dez. einen Teil der Wahrheit enthüllt hatte, in einem Bauernschlitten über Warschau [* 29] und Dresden [* 30] nach Paris, [* 31] wo er, 19. Dez. angelangt, sofort neue Aushebungen befahl und nur einen ehrenvollen und Frankreichs Größe angemessenen Frieden zu schließen erklärte.
Der Abfall Yorks und die Erhebung Preußens nötigten die Trümmer der Großen Armee, bis hinter die Oder zurückzuweichen und Schlesien [* 32] sowie Brandenburg [* 33] zu räumen, worauf die verbündeten Russen und Preußen im April 1813 Sachsen [* 34] besetzten. Schon hier aber trat ihnen Napoleon wieder entgegen, der eine halbe Million Menschen unter die Waffen gerufen und sofort nach dem Kriegsschauplatz in Marsch gesetzt hatte. Indem er seine ganze Meisterschaft in der Schnelligkeit des Handelns bewährte, erreichte er es, daß er zuerst und mit Überlegenheit auf dem Kampfplatz erschien.
Durch die Schlachten [* 35] bei Großgörschen (2. Mai) und Bautzen [* 36] (20. u. 21. Mai) nötigte er die Verbündeten zum Rückzug nach Schlesien und um Waffenstillstand von Poischwitz (4. Juni). Aber nun versäumte er es aus Stolz und aus Rücksicht auf sein Ansehen bei den Franzosen, den vorteilhaften, ja ehrenvollen Frieden, den ihm Österreich anbot, und der ihm die Rheingrenze und Italien [* 37] gelassen hätte, anzunehmen. Aus denselben Beweggründen blieb er, als sich nun eine große europäische Koalition gegen ihn bildete, in Dresden stehen, indem er durch einen entscheidenden Schlag die gebietende Stellung wiederzugewinnen hoffte. Zwar siegte er noch einmal bei Dresden (26. u. 27. Aug.), aber die Niederlagen seiner Feldherren bei Großbeeren (23. Aug.), an der Katzbach (26. Aug.), bei Kulm (30. Aug.) und bei Dennewitz (6. Sept.) sowie der Übergang Blüchers über die Elbe (3. Okt.) veranlaßten ihn, nach Leipzig [* 38] zurückzuweichen und hier 16. Okt. eine Schlacht anzunehmen, in welcher er aber keinen entscheidenden Sieg zu erringen vermochte. Statt der drohenden Umgarnung durch feindliche Übermacht sich mittels schleunigen Rückzugs an den Rhein zu entziehen, knüpfte er in seiner hartnäckigen Zuversicht auf die Nachgiebigkeit der Verbündeten 17. Okt. Verhandlungen an und erlag am zweiten Schlachttag (18. Okt.) der Übermacht. Nur 100,000 Mann rettete er aus Leipzig an den Rhein, mit denen er sich 30. und 31. Okt. bei Hanau [* 39] durch ein bayrisch-österreichisches Heer unter Wrede durchschlug.
Napoleon kämpfte seitdem nur noch um seinen Thron und lehnte daher alle Friedensanträge, so günstig sie für Frankreich waren, ab, da er das Reich nicht kleiner hinterlassen zu dürfen glaubte, als er es 1799 übernommen hatte. Die Nation war des Kriegs überdrüssig, und der Gesetzgebende Körper wurde von Napoleon wegen seiner Opposition gegen die Erhöhung der Steuern und die neue Aushebung aufgelöst. Den zu Anfang 1814 in Frankreich eindringenden verbündeten Heeren vermochte Napoleon nur eine Feldarmee von 70,000 Mann entgegenzustellen und erlitt 1. Febr. bei La Rothière eine empfindliche Niederlage.
Dennoch gelang es ihm noch einmal durch großartige Entfaltung seines Genies und seiner Thatkraft, in den Gefechten von Champeaubert, Montmirail, Etoges und Vauchamps (11.-14. Febr.) über Blücher und bei Montereau (18. Febr.) über den Kronprinzen von Württemberg [* 40] unerwartete Erfolge zu erringen. Doch endlich mußte er der Übermacht erliegen. Nach den Schlachten bei Laon (9. und 10. März) und bei Arcis sur Aube (20. und 21. März) wollte er durch einen kühnen Zug an den Rhein den Krieg wieder in Feindesland spielen und war bis Vitry gelangt, als er hörte, daß die Verbündeten im Marsch auf Paris seien. In Gewaltmärschen eilte er zurück, erfuhr aber wenige Stunden von Paris, daß die Stadt 30. März kapituliert habe, und begab sich nach Fontainebleau, wo er auf die Kunde, daß der Senat ihn 1. April abgesetzt habe und die Behörden sowie die meisten Generale von ihm abgefallen seien, erst zu gunsten seines Sohns und, als dies von den Verbündeten zurückgewiesen wurde, 11. April für sich und seine Erben abdankte. Dafür ward ihm die Insel Elba als Fürstentum, die Beibehaltung des Kaisertitels und eine jährliche Rente von 2 Mill. Frank zugesprochen; auch durften ihm 400 Mann seiner Garde als Freiwillige folgen. Nachdem er 20. April von seiner Garde in Fontainebleau Abschied genommen, reiste er in Begleitung einiger Generale und mehrerer Offiziere der Verbündeten nach Südfrankreich, wo er bei den Bedrohungen durch rohe Pöbelhaufen wiederholt seine Fassung verlor, und langte auf einer britischem Fregatte 4. Mai Elba an.
Hier widmete er sich mit großem Eifer der Verwaltung der Insel und war der Gegenstand der Neugierde zahlreicher Reisenden. Den Verlauf der Dinge in Frankreich und auf dem Wiener Kongreß beobachtete er, von seinen zahlreichen Agenten wohl unterrichtet, mit Späherblick, und als er von dem steigenden Unwillen gegen die Bourbonen und der Anfang 1815 drohenden Differenz zwischen den Mächten vernahm, beschloß er, zumal er fürchtete, die Verbündeten könnten ihn der größern Sicherheit halber nach einem entlegenern Exil schaffen, einen Einfall in Frankreich zu wagen. Die Garde wurde auf mehreren gemieteten Fahrzeugen eingeschifft, er selber bestieg seine Brigg L'Innocent und landete, von den Engländern nicht bemerkt, 1. März im Golf Jouan. Er wandte sich durch das Gebirge nach ¶