Reichsstempelabgaben,
s. Börsensteuer. ^[= nennt man die auf den Umsatz börsengängiger Wertpapiere gelegte Verkehrssteuer, welche teils ...]
s. Börsensteuer. ^[= nennt man die auf den Umsatz börsengängiger Wertpapiere gelegte Verkehrssteuer, welche teils ...]
s. Strafrecht. ^[= (Kriminalrecht, früher auch "peinliches Recht", lat. Jus poenale, franz. Droit criminel, ...]
s. Banner. ^[= # (unrichtig Panner, Pannier, verwandt mit dem franz. bannière, ital. bandiera, ursprünglich ...]
Stadt in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Böhmisch-Leipa, an der Eisenbahn Böhmisch-Leipa-Niemes, hat eine alte Dechanteikirche, ein kaiserliches Schloß mit Park, Rübenzuckerfabrik und (1880) 2044 Einw. -
Die gegenwärtig kaiserliche Herrschaft Reichstadt kam 1818, durch die toscanischen Besitzungen in Böhmen [* 2] vergrößert und zum Herzogtum erhoben, vorübergehend an Napoleons I. Sohn. In neuerer Zeit bildete Reichstadt die Sommerresidenz des ehemaligen Kaisers Ferdinand I. Im J. 1876 fand hier eine Zusammenkunft der Kaiser von Österreich [* 3] und Rußland statt.
Napoleon Franz Joseph Karl, Herzog von, von den Bonapartisten wegen des Verzichts seines Vaters zu seinen gunsten 1815 Napoleon II. genannt, einziger Sohn des Kaisers Napoleon I. aus der Ehe mit Maria Luise von Österreich, geb. im Tuilerienschloß zu Paris, [* 4] erhielt bei seiner Geburt den Titel eines Königs von Rom. [* 5] 1814 wurde er nach dem Schlosse Schönbrunn bei Wien [* 6] gebracht. Als Napoleon 1815 von Elba zurückkehrte, forderte er vergeblich Gattin und Kind vom Kaiser zurück.
Als Maria Luise im März 1816 die Regierung von Parma [* 7] übernahm, blieb der Prinz in Wien, und zwar nahm ihn der Kaiser Franz unter seine eigne Obhut. Sein Obersthofmeister war der Graf von Dietrichstein, sein Lehrer Matthäus von Collin. Ein zwischen den verbündeten Mächten 1817 abgeschlossener Vertrag beraubte ihn seines Erbrechts auf Parma, wofür ihm der Kaiser Franz die Herrschaft Reichstadt (s. d.) in Böhmen verlieh. Zugleich erteilte ihm der Großvater den Rang unmittelbar nach den Prinzen des österreichischen Hauses, das Prädikat »Durchlaucht« und ein eignes Wappen. [* 8] An seinem zwölften Geburtstag erhielt der Prinz das Fähnrichspatent, 1828 wurde er Hauptmann und 1830 Major.
Die Thaten und das Schicksal seines Vaters waren ihm wohlbekannt, und er widmete demselben die leidenschaftlichste Verehrung. Mit Eifer gab er sich dem Studium der Kriegswissenschaft hin und verzehrte sich in unbefriedigtem Ehrgeiz nach großen Thaten. Seinen Wünschen und Plänen, den französischen Thron [* 9] einzunehmen, setzte sich Metternich entgegen. Allzu rasch emporgewachsen, litt er an Blutmangel. Im April 1832 zeigten sich bei ihm die ersten Spuren der Lungenschwindsucht, die so reißende Fortschritte machte, daß er schon zu Schönbrunn in den Armen seiner Mutter starb. Er ward in der kaiserlichen Gruft zu Wien beigesetzt. Auf seinen Tod dichteten Barthélemy und Méry das berühmte »Le [* 10] fils de l'homme«.
Vgl. Montbel, Le duc de Reichstadt (Par. 1833);
Saint-Félix, Histoire de Napoléon II (das. 1853);
Graf v. Prokesch-Osten, Mein Verhältnis zum Herzog von Reichstadt (Stuttg. 1878).
Bezeichnung für die Ständeversammlung eines Reichs, wie sie im gegenwärtigen Deutschen Reich (s. unten), in Dänemark [* 11] (s. d., S. 506), Schweden [* 12] (s. d.) und Ungarn [* 13] (s. d.) üblich ist, während die Volksvertretung des cisleithanischen Teils der Österreichisch-Ungarischen Monarchie »Reichsrat« heißt. Reichstag hieß im frühern Deutschen Reich die Versammlung der Reichsstände, d. h. der reichsunmittelbaren Mitglieder des Reichs, und später ihrer Bevollmächtigten (s. unten), und auch die 1848 in Frankfurt [* 14] a. M. zusammenberufene deutsche Nationalversammlung wurde Reichstag genannt (s. Deutschland, [* 15] Geschichte, S. 889 ff.), eine Bezeichnung, die mit der Gründung des Norddeutschen Bundes auf die Gesamtvolksvertretung der verbündeten deutschen Staaten übertragen ward.
Der Ursprung der deutschen Reichstage ist auf die Versammlungen der geistlichen und weltlichen Großen zurückzuführen, welche im fränkischen Reich teils gleichzeitig mit den Volks- und Heerversammlungen der März- und Maifelder, teils von diesen gesondert zur Beratung wichtiger Reichsangelegenheiten stattfanden. Diese Versammlungen erlangten nach der Abtrennung Deutschlands [* 16] vom fränkischen Reich durch die Goldene Bulle, die Wahlkapitulationen und den Westfälischen Frieden eine geregelte Verfassung.
Der Reichstag versammelte sich auf Einladung des Kaisers an dem von ihm bestimmten, wechselnden Ort. Zu erscheinen berechtigt waren die Bischöfe, Reichsäbte, Herzöge, Grafen und andre edle Herren und Ministerialen, welche der Kaiser berief; später (zuerst 1255) erschienen auch Abgeordnete der Reichsstädte. Seit dem 15. Jahrh. traten die Kurfürsten vermöge ihrer bevorzugten Stellung zu abgesonderter Beratung zusammen; dem gegebenen Beispiel folgten die weltlichen und geistlichen Reichsfürsten, und so teilte sich der in die drei Kollegien der Kurfürsten, unter denen Kurmainz, der Reichsfürsten, unter denen abwechselnd Salzburg [* 17] und Österreich, und der Reichsstädte, unter denen diejenige Stadt den Vorsitz führte, in welcher der Reichstag stattfand. Im 17. Jahrh. stellte sich der Grundsatz fest, daß im Fürstenkollegium nur diejenigen, welche den Reichstag von 1582 besucht hatten, Virilstimmen haben, neu erhöhte fürstliche Häuser aber solche nur mit Bewilligung der Mitstände erlangen sollten, wonach nun zwischen alt- und neufürstlichen Häusern unterschieden ward; zugleich wurde bestimmt, daß die 1582 geführten Stimmen als am Territorium haftend angesehen werden sollten, so daß nach der Teilung eines Fürstentums die Teilhaber zusammen nur eine Stimme führten.
In der letzten Zeit des Reichs wurden im Fürstenrat, welcher in eine geistliche und eine weltliche Bank zerfiel, 94 Virilstimmen, 33 geistliche und 61 weltliche, letztere von 40 regierenden Herren, geführt. Daneben führten die Prälaten 2 Kuriatstimmen, nämlich die schwäbische und die rheinische Prälatenbank, jene mit 22, diese mit 18 Mitgliedern, je eine. Die Grafen und Herren hatten, in die wetterauische und schwäbische Bank geteilt, 2 Kuriatstimmen; eine dritte erhielt 1640 die fränkische und 1653 die westfälische Bank; alle 4 Körperschaften zusammen zählten zuletzt 103 Mitglieder.
Das reichsstädtische Kollegium teilte sich seit 1474 in die rheinische Bank mit 14 und in die schwäbische mit 37 Städten. Als der 1663 in Regensburg [* 18] zusammengetretene Reichstag sich in die Länge zog und zuletzt dortselbst permanent wurde, ließen sich die Stände insgesamt nur noch durch Gesandte vertreten. Der Kaiser sandte einen Fürsten als Prinzipalkommissar zu seiner persönlichen Vertretung mit einem staatsrechtskundigen Kommissar. Das allgemeine Direktorium führte Kurmainz als Reichserzkanzler, bez. dessen Gesandter.
Nur ein übereinstimmender Beschluß aller drei Kollegien konnte als Reichsgutachten (s. Reichsgesetze) an den Kaiser gebracht werden, welcher dasselbe durch ein Ratifikationsdekret zum Reichsschluß erhob, aber auch die Zustimmung verweigern konnte. Zu wichtigen Geschäften wurden vom Reichstag Reichsdeputationen (s. d.) eingesetzt, deren Beschlüsse teilweise die gleiche Geltung wie die des Reichstags selbst hatten. Je mehr die kaiserliche Macht abnahm und die staatliche Thätigkeit aus den Zentralorganen sich in die einzelnen Territorien ¶
zurückzog, desto mehr verlor der Reichstag selbst an Bedeutung und sank schließlich zu einer Gesandtenkonferenz mit ungemein schleppendem Geschäftsgang herab, so daß die Auflösung des Reichs (1806) wenig mehr als eine leere, bedeutungslose Form beseitigte.
Der Reichstag (397 Mitglieder) geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor. Die Reichstagsabgeordneten sind Vertreter des gesamten Volkes, also nicht etwa nur der Interessen ihres jeweiligen Wahlkreises, und an Aufträge und Instruktionen der Wähler nicht gebunden. (Reichsverfassung, Art. 20 ff.). Die früher dreijährige Wahl- und Legislaturperiode ist durch Reichsgesetz vom in eine fünfjährige umgewandelt. Das Wahlverfahren ist durch das Wahlgesetz vom und das Wahlreglement vom geregelt.
Der Reichstag übt mit dem Bundesrat (s. d.) zusammen die Reichsgesetzgebung aus, indem die Mitglieder und Kommissare des Bundesrats das Recht haben, im R. zu erscheinen und den Standpunkt der verbündeten Regierungen oder der betreffenden Einzelregierung darzulegen und zu vertreten. Der hat, ebenso wie der Bundesrat, das Recht der Initiative, d. h. die Befugnis, innerhalb der Kompetenz des Reichs Gesetze vorzuschlagen. Die Feststellung des Haushaltsetats des Reichs erfolgt unter Mitwirkung und Zustimmung des Reichstags durch Reichsgesetz.
Über die Verwendung aller Einnahmen des Reichs muß dem Reichstag, ebenso wie dem Bundesrat, alljährlich durch den Reichskanzler Rechnung gelegt werden. In dem Budgetrecht des Reichstags liegt auch das Recht der Zustimmung zur Erhebung von Zöllen und Verbrauchssteuern und zu der Aufnahme einer Anleihe oder der Übernahme einer Garantie. Staatsverträge, welche sich auf Gegenstände beziehen, welche in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören, bedürfen der Genehmigung des Reichstags, Die Beratungen des Reichstags werden entweder durch Vorlagen des Bundesrats oder durch Anträge der Mitglieder veranlaßt, auch durch Petitionen, welche der Reichstag verfassungsmäßig entgegennehmen und dem Reichskanzler oder dem Bundesrat überweisen kann. Der Reichstag kann Interpellationen an den Bundesrat und an den Reichskanzler und Adressen an den Kaiser richten. Die Zusammensetzung des Reichstags seit 1867 ist aus nachstehender Tabelle ersichtlich:
Übersicht der Fraktionen des Reichstags des Norddeutschen Bundes und des deutschen Reichstags.
Fraktionen | 1867 | 1868 | 1871 | 1874 | 1877 | 1878 | 1879 | 1880 | 1881 (Febr.) | 1881 (Nov.) | 1884 (März) | 1884 (Dez.) | 1887 | 1888 (März) | 1888 (Nov.) |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Nationalliberale | 79 | 82 | 116 | 150 | 126 | 97 | 85 | 85 | 62 | 45 | 45 | 50 | 98 | 100 | 97 |
Liberale Gruppe (Schauß-Völk) | - | - | - | - | - | - | - | 15 | 15 | - | - | - | - | - | - |
Freie liberale Vereinigung | 14 | 10 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
Linkes Zentrum | 27 | 16 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
Liberale Reichspartei | - | - | 29 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
Bundesstaatl.-konstitutionelle Verein. | 18 | 21 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
Deutsche Fortschrittspartei | 19 | 30 | 44 | 49 | 35 | 26 | 23 | 26 | 28 | 60 | - | - | - | - | - |
Liberale Vereinigung (Sezessionisten) | - | - | - | - | - | - | - | - | 21 | 47 | - | - | - | - | - |
Deutsche freisinnige Partei¹ - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | 100 | 64 | 32 | 36 | 36 | |
Volkspartei | - | - | - | - | - | - | - | - | - | 8 | 9 | 7 | - | - | 1 |
Freie konservative Vereinigung | 39 | 34 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
Konserv. (seit 1877 Deutschkonserv.) | 59 | 62 | 50 | 21 | 40 | 59 | 59 | 58 | 58 | 48 | 52 | 76 | 78 | 77 | 75 |
Deutsche Reichspartei | - | - | 38 | 31 | 38 | 56 | 54 | 48 | 49 | 26 | 24 | 28 | 41 | 39 | 39 |
Zentrum | - | - | 57 | 94 | 96 | 103 | 102 | 101 | 102 | 107 | 106 | 108 | 101 | 101 | 99 |
Polen | 13 | 11 | 13 | 13 | 14 | 14 | 14 | 14 | 14 | 18 | 18 | 16 | 13 | 13 | 13 |
Sozialdemokraten | 2 | 5 | 2 | 9 | 12 | 9 | 8 | 10 | 10 | 12 | 13 | 24 | 11 | 11 | 10 |
Bei keiner Fraktion² | 26 | 25 | 27 | 30 | 35 | 33 | 48 | 37 | 37 | 24 | 27 | 24 | 23 | 20 | 20 |
Erledigte Mandate | 1 | 1 | 6 | - | 1 | - | 4 | 3 | 1 | 2 | 3 | - | - | - | 7 |
Zusammen: | 297 | 297 | 382 | 397 | 397 | 397 | 397 | 397 | 397 | 397 | 397 | 397 | 397 | 397 | 397 |
¹ Im März 1884 durch die Fusion der Fortschrittspartei und der liberalen Vereinigung entstanden
² Mit Einschluß der Elsaß-Lothringer
Über die Wahl und die Rechte der Reichstagsabgeordneten s. Deutschland S. 837; die Geschäftsordnung des Reichstags s. in der Textbeilage.
Vgl. Wiermann, Der deutsche Reichstag (Leipz. 1886, 2 Bde.);
Freyer, Der deutsche Reichstag (Berl. 1888);
Frieß, Statistik der Wahlen zum deutschen Reichstag seit 1871 (Frankf. 1886);
Hirth, Deutscher Parlaments-Almanach (16. Ausg., Münch. 1887).