Stück des weiblichen
Putzes, besteht gewöhnlich aus einem feinen, florartigen
Gewebe
[* 7] und ist dazu bestimmt,
das
Gesicht
[* 8] und den
Kopf oder auch noch andre Teile des
Körpers zu verhüllen. Der
Gebrauch des Schleiers
ist im
Orient seit uralter Zeit heimisch, und noch gegenwärtig legt die herrschende
Sitte den dortigen
Frauen die strenge Verpflichtung
auf, sowohl auf der
Straße als auch im
Haus in Gegenwart von
Fremden das
Gesicht verschleiert zu tragen. Bei
den griechischen und namentlich bei den römischen
Frauen der Kaiserzeit war der S. mehr ein Putzstück.
Ihre Art, ihn zu tragen, ähnelte der heutigen der
Nonnen, für deren
Stand er symbolische Bedeutung hat, daher den S. nehmen,
s. v. w. ins
Kloster gehen. Im
Mittelalter gewann er besonders seit dem 14. Jahrh. an Bedeutung und
wurde seitdem bald länger, bald kürzer getragen, am meisten und am elegantesten ausgestattet von den Italienerinnen, so
namentlich noch jetzt in
Genua.
[* 9] Die flandrischen
Frauen des 14. Jahrh. trugen lange S., die von den
Spitzen ihrer zuckerhutförmigen
Hauben herabfielen (s. Tafel
»Kostüme
[* 10] II«,
[* 1]
Fig. 3). AlsSymbol des Unerforschlichen galt er in den
Mysterien
der Alten.
Schon in
Berlin war er, durch die beiden
Schlegel und
HenrietteHerz in die romantischen
Kreise
[* 19] hereingezogen,
als Schriftsteller aufgetreten in den berühmten
»Reden über die
Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern« (Berl. 1799 u.
öfter; Neueste Ausg. von
Lommatzsch, Gotha
[* 20] 1888) und den
»Monologen« (Leipz. 1800, 7. Aufl. 1868). Seine
Freundschaft mit
Fr.
Schlegel verschuldete die
»VertrautenBriefe über
Schlegels Lucinde« (Berl. 1801; mit einem
Vorwort von
Gutzkow
wieder herausgegeben, Hamb. 1835). Auch vereinigte er sich mit demselben zur Übersetzung des
Platon, die er dann allein unternahm (Berl. 1804-10, 5 Bde.; 3. Aufl.
1855-61; Bd. 6, 1828; 2. Aufl. 1855-62),
und die besonders durch dieEinleitungen zu den
PlatonischenDialogen
für das
Studium der betreffenden
Philosophie
epochemachend geworden ist. An seine
»Grundlinien einer
Kritik der bisherigen
Sittenlehre« (Berl. 1803, 2. Aufl. 1834) schlossen
sich später die in den
Denkschriften der
Berliner
[* 21]
Akademie erschienenen Abhandlungen über die wissenschaftliche Behandlung
des Tugendbegriffs, des Pflichtbegriffs, über den
Begriff des
Erlaubten, über den Unterschied zwischen
Natur- und
Sittengesetz und den
Begriff des höchsten
Gutes an. Nachdem die
Katastrophe von 1806 den zeitweiligen
Schluß der
UniversitätHalle herbeigeführt, hatte sich S. nach
Berlin begeben, wo er, von
Stein und
Humboldt herangezogen, vorzüglich bei
Gründung
der neuen
Friedrich Wilhelms-Universität thätig war, an welcher er auch 1810 als ordentlicher
Professor
der
Theologie angestellt wurde, nachdem er 1809
Prediger an der Trinitatiskirche geworden war.
Damals veröffentlichte er: »Die Weihnachtsfeier, ein Gespräch«
(Halle 1806; 4. Aufl., Berl. 1850);
die kritische
Schrift
Ȇber den sogen. ersten
Brief des
Paulus an den Timotheus« (das. 1807);
In der bewunderungswürdigen Vielseitigkeit seiner nach den verschiedensten
Richtungen eingreifenden
Thätigkeiten war er eine der bedeutendsten geistigen
Größen während der ersten glänzenden
Periode der
BerlinerUniversität.
Die
Fülle der
Gedanken, die Form, die in schönster Vollendung ihm zu
Gebote stand, und vor allem die seltenste
Vereinigung der zartesten
Religiosität mit der schärfsten
Dialektik und der freiesten, an kein Herkommen gebundenen
Kritik
führten ihm begeisterte
Schüler zu. Seine Kollegia umfaßten nicht bloß fast den ganzen
Kreis
[* 22] des theologischen
Wissens,
sondern er trug auch seit 1811
Dialektik vor, welche er als
Einheit derLogik und
Metaphysik faßte.
Damals erschien seine
»KurzeDarstellung des theologischen
Studiums« (Berl. 1811, 2. Aufl. 1830). Aber der reifste
Ausdruck seiner
religiösen Überzeugungen ist: »Der christliche
Glaube nach den
Grundsätzen der evangelischen
Kirche im Zusammenhang dargestellt«
(Berl. 1821-22, 2 Bde.; 6. Aufl.
1884),
der erste
Versuch, den überlieferten
Inhalt mit der Innerlichkeit und
Freiheit des
Subjekts auszusöhnen
und zu erfüllen. Nachdem schon seine
»Reden« die
Religion vor jeder
Verwechselung mit
Metaphysik oder
Ethik sichergestellt und
ihre originell sprudelnde
Quelle
[* 23] im menschlichen Gefühlsleben, wo nach romantischer Voraussetzung der absolute sich mit dem
endlichen
Geist berührt, nachgewiesen hatten, führte die
»Glaubenslehre« dieReligion auf das
Gefühl absoluter
(»schlechthinniger«) Abhängigkeit zurück. Da nämlich der
Welt gegenüber selbst im äußersten
Fall noch ein
Minimum von
Freiheitsgefühl wirksam sein soll, baute S. auf
Grund der freilich selbst wieder fraglichen
Thatsache eines Abhängigkeitsgefühls,
welches, weil totale Abhängigkeit bedeutend, seinen Gegenstand nicht in der
Welt haben kann, ein Gottesbewußtsein
auf, mit dessen
Beschreibung und Analysierung seine
Glaubenslehre es zu thun hat.
Von der weitern Voraussetzung aus, daß in dem geschichtlichen
Christus dieses Gottesgefühl in absoluter Kräftigkeit gelabt
und durch ihn in der
Christenheit angeregt worden sei, werden dann die einzelnen Dogmen kritisch beleuchtet und auf ihren
religiösenGehalt zurückgeführt. Das ergänzende Seitenstück zu dieser
Dogmatik ist das aus seinem
Nachlaß von
Jonas herausgegebene Werk »Die christliche
Sitte« (Berl. 1843, 2. Aufl. 1884). Als die
Akademie der
Wissenschaften,
¶
mehr
deren Mitglied S. seit 1811 war, ihn 1814 zum Sekretär
[* 25] der philosophischen Abteilung erwählte, ließ er sich von seiner
Beschäftigung im Ministerien entbinden, wie er denn überhaupt wachsende Ungunst seitens der Regierung zu erfahren hatte
und eine Zeitlang in Gefahr stand, wegen angeblicher Demagogie in Untersuchung gezogen oder abgesetzt zu
werden. Die Schriften der königlichen Akademie bereicherte er durch eine große Anzahl von Reden und Abhandlungen, namentlich
über einzelne schwierige Punkte der Geschichte der alten Philosophie.
Seine Teilnahme an dem allgemeinen kirchlichen Leben und eine klare Einsicht in die Bedürfnisse desselben hatte er schon bekundet
durch die 1804 anonym erschienenen »Zwei unvorgreiflichen
Gutachten in Sachen des protestantischen Kirchenwesens in Beziehung auf den preußischen Staat«, worin er namentlich auf die
Nachteile der Trennung der protestantischen Kirchen hinwies. Als nun 1817 die Union auf einer von ihm präsidierten Synode zu
stande gebracht wurde und die Ausschreiben zur Bildung einer Presbyterial- und Synodalverfassung erschienen
waren, suchte er das Werk mit Rat und That, wenngleich ohne Erfolg, zu fördern.
Ebensowenig richtete er aus im Kampf gegen die lediglich im königlichen Kabinett entstandene Agende. Unter dem Namen »Pacificus
Sincerus« schrieb er 1824 ein »Theologisches Bedenken über das liturgische Recht evangelischer Landesherren«, das den alten
Streit über die Rechtsprinzipien in dem Verhältnis zwischen Kirche und Staat wieder anregte. Als Prediger
übte S. fortgehend, namentlich auf den gebildeten Teil des Publikums, einen bedeutenden Einfluß aus.
Nach seinem erfolgten Tod vereinigten sich seine Freunde und Anhänger zur Herausgabe seiner Werke, welche in drei
Abteilungen (Berl. 1836-65) erschienen. Die erste Abteilung: »Zur Theologie« (11 Bde.) enthält außer
den oben erwähnten: »Die christliche Sitte« und »Der christliche Glaube« folgende Werke: »Einleitung in das NeueTestament« (hrsg.
von Lücke, 1845);
Schleiermachers »PädagogischeSchriften« wurden besonders herausgegeben
von Platz (2. Aufl., Langens. 1876); auch sind seine »Rätsel und Charaden« (3. Aufl., Berl. 1883) zu erwähnen.