Gipfelstationen, indem
oben eine
Umkehrung gegen unten beobachtet wurde. Während sich nämlich unten im
Mittel der 101
Tage
der bekannte
Gang
[* 2] mit einem
Minimum um Sonnenaufgang und einem
Maximum um 1
Uhr
[* 3] nachmittags zeigte, ergaben die Aufzeichnungen
des
Anemometersoben das
Minimum um 10
Uhr vormittags und das
Maximum um 11
Uhr abends. Am deutlichsten tritt
diese
Umkehrung in den Verhältniszahlen der Windgeschwindigkeit
oben und unten hervor. Zwischen
Mitternacht und 5
Uhr morgens
ist dieselbe ungefähr 5
(oben 5mal so groß als unten), sinkt dann schnell auf 2, behält diesen Wert zwischen 10
Uhr vormittags
und 2
Uhr nachmittags und steigt dann wieder regelmäßig bis
Mitternacht.
Eine etwanige Beeinflussung, welche die Erwärmung des
Turmes auf die Windgeschwindigkeit ausüben könnte, ist dabei entschieden
ausgeschlossen, weil sich dasselbe
Resultat ergibt, wenn man entweder nur die vollständig heitern oder die vollständig trüben
Tage betrachtet und für jede dieser
Gruppen besonders die mittlern Windgeschwindigkeiten berechnet. Aus
diesen
Beobachtungen ergibt sich das
Resultat, daß in 300 m
Höhe der
Gang der Windgeschwindigkeit in der freien
Atmosphäre
von dem in der
Nähe des Erdbodens wesentlich verschieden ist und sich dem der höchsten Gipfelstationen nähert. Außerdem
ist es auch von Wichtigkeit, daß die Windgeschwindigkeit in derHöhe von 300 m viel größer ist, als
man sie gewöhnlich angenommen hat. Im
Mittel übersteigt sie 7 m pro
Sekunde; 39 Proz. der
Beobachtungen ergeben über 8
m und 21 Proz.
über 10 m pro
Sekunde, ein
Resultat, dessen Kenntnis für die
Luftschiffahrt
[* 4] von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.
[* 9] In der
Frage nach der
Zusammensetzung des
Eises, welches sich in Salzlösungen oder in Meerwasser gebildet hat,
stehen zwei
Ansichten einander gegenüber. Auf experimentellem Wege kam man zu dem
Schlusse, daß Eis, welches
durch Gefrieren von schwachen Salzlösungen entsteht, reines Eis ist, und daß das
Salz,
[* 10] von welchem man unmöglich das Eis ganz
befreien kann, der
Mutterlauge angehört; durch Untersuchungen von Meerwassereis, welches aus hohen
Breiten stammte, ist
man zur entgegengesetzten
Ansicht gekommen. J. Y.
^[JohnYoung]
Buchanan glaubt
nun auf
Grund seiner Untersuchungen, welche er
während der
Reise des
Challenger anstellte, annehmen zu dürfen, daß Meerwassereis keine Mischung von reinem Eis und
Salzsole
ist, sondern daß es das darin enthaltene
Salz im festen Zustand enthält. Es sind vornehmlich zwei
Punkte,
von deren Bestimmung die
Entscheidung der
Frage abhängt:
1) bei welcher
Temperatur gefrieren Seewasser oder irgend welche andre Salzlösungen, und welches ist die chemische
Zusammensetzung
des fester und flüssigen Teiles, in den diese beim Gefrieren übergehen;
2) bei welcher
Temperatur schmilzt reines Eis in Seewasser oder in Salzlösungen von verschieden starker
Konzentration.
In Bezug auf den ersten
Punkt haben die
Experimente ergeben, daß bei schwachen
Lösungen der Prozentsatz an
Chlor die
Erniedrigung
des
Gefrierpunkts der
Lösungen in Zentigraden angibt. Infolge besonderer physikalischer
Eigenschaften ist es unmöglich, den
kristallinischen festen
Körper, welcher sich aus Seewasser oder analogen Salzlösungen ausscheidet, so
herzustellen, daß man die
Frage, ob das
Salz einen integrierenden
Bestandteil der festen kristallinischen
Materie bildet oder
nicht, direkt durch chemische
Analyse lösen könne.
Soweit diese sich anwenden läßt, kann man schließen, daß der sich bildende feste
Körper reines Eis ist. In der
Natur bildet
sich das Eis an der Oberfläche wahrscheinlich bei einer fast gleichförmigen
Temperatur, indem die lokale
Konzentrierung, welche durch die
Bildung eines Eiskristalls bedingt wird, sofort durch die darunter befindliche Wassermasse
ausgeglichen wird.
In den Zwischenräumen der
Kristalle
[* 11] wird nun eine
Menge leicht konzentrierten Seewassers zurückgehalten,
die mindestens so
groß ist wie die der Eiskristalle.
Diese halten die
Sole in einem
Netze von
Zellen, und in dem
Maße, wie die
Dicke des
Eises wächst und die Gefrierfläche sich
mehr und mehr entfernt, werden Eis und
Sole der atmosphärischen
Kälte des arktischen
Winters ausgesetzt. Die
Sole setzt fortwährend
Eis ab, in gleichem
Maße steigt aber der Prozentsatz an
Salz und erniedrigt sich der
Gefrierpunkt für die
übrigbleibende Salzlösung. Fortgesetzte Wärmeentziehung bewirkt endlich die Erstarrung der
Lösung als
Ganzes in der Gestalt
eines kristallinen Hydrats oder sogen.
Kryohydrats. So scheidet sich zuerst das
Kryohydrat von
Chlornatrium aus,
Chlorcalcium
und
Chlormagnesium behalten aber noch etwas
Wasser, das selbst bei der niedrigsten
Temperatur nicht gefriert.
Wahrscheinlich ist es ganz unmöglich, daß Seewasser bei irgend einer in der
Natur vorkommenden
Kälte ganz gefriert.
Schnee
[* 12] oder reines Eis, welches in reinem
Wasser unter gewöhnlichem
Luftdruck bei 0° schmilzt, verändert seinen
Schmelzpunkt,
wenn es in eine Salzlösung eingetaucht wird. Die Veränderung der Schmelztemperatur ist für
Lösungen
von gleicher
Zusammensetzung dieselbe und verschieden für
Lösungen von verschiedener
Zusammensetzung. Die
Temperatur, bei welcher
reines Eis in einer Salzlösung schmilzt, ist identisch mit derjenigen, bei welcher sich Eis aus derselben
Lösung bei genügender Abkühlung ausscheidet.
Wenn Salzlösungen hinreichend lange bei genügend niedriger
Temperatur abgekühlt sind, so tritt bei
einer gewissen
Temperatur eine bestimmte Konzentrierung ein, jede fernere Wärmeentziehung veranlaßt ein weiteres Gefrieren
der
Sole. Die Konzentrierung, welche nötig ist, um selbst
Kryohydrat von der höchsten Schmelztemperatur zum Festwerden zu
bringen, ist derart, daß beim primären Gefrieren des Seewassers kein solcher
Körper sich bilden kann.
Daraus
¶
mehr
allein folgt schon, daß das erste Eis, welches sich in der See in arktischen Gegenden bildet, reines Eis ist, und es ist ebenso
sicher, daß es eine große Menge des zurückbleibenden Seewassers in den Zwischenräumen hält. Während des Winters wird
diese eingeschlossene Flüssigkeit zu Eis und Kryohydrat, soweit die Temperatur und Beschaffenheit der Salze
in Lösung es zulassen. Das Vorhandensein von Sole, die schwer oder gar nicht gefriert, in neugebildetem Seewassereis erklärt
seine hohe Plastizität selbst bei sehr niedriger Temperatur.
Die zurückbleibende und nicht gefrierende Sole, welche in beträchtlicher Quantität flüssig bleibt,
wenn Seewasser gefriert, muß auch in größerer oder geringerer Menge vorhanden sein, wenn Süßwasser gefriert. Denn alles
natürliche Wasser, einschließlich Regenwasser, enthält einige fremde und gewöhnlich salzige Bestandteile. Bedenkt man nun,
daß die Gegenwart selbst der geringsten Quantität salziger Stoffe in Lösung die Bildung von Eis bei 0°
verhindert und das Schmelzen des Eises bei einer Temperatur unter 0° fördert, so sieht man, daß die Ausdehnung des Eises beim
Abkühlen wahrscheinlich daher rührt, daß wir es nicht mit homogenem festen Eis, sondern mit einer Mischung
von Eis und einer Salzlösung zu thun haben.
Fällt die Temperatur, so scheidet diese Lösung mehr und mehr Eis aus, das Volumen des Eises wächst. Aber
diese Volumenzunahme rührt von der Bildung von Eis aus Wasser her, nicht von der Ausdehnung eines bereits gebildeten kristallinischen
Körpers. Auch die sehr niedrige latente Wärme,
[* 15] welche bei Seewasser beobachtet wird, findet ihre Erklärung
durch die Thatsache, daß das Salz eine beträchtliche MengeWasser in flüssigem Zustand selbst bei einer Temperatur erhält,
die mehrere Grade unter dem Gefrierpunkt destillierten Wassers liegt.
Endlich hat die Plastizität des Eises und die Bewegung der Gletscher nichts Befremdendes, sobald man bedenkt, daß, wenn Wasser,
aus dem das Eis sich bildet, nicht mehr als 7 Teile Chlor auf 1 Mill. ccm enthält, das Eis beim Tauen, wenn
die Temperatur bis auf -0,07° gestiegen ist, bis zum Betrag von 1 Proz.
seiner Masse aus flüssiger Sole oder Wasser besteht. Solches Wasser ist aber sicher nicht weniger frei von fremden Bestandteilen
als Regen oder Schnee. Es folgt daher, daß ein Gletscher in einem Klima,
[* 16] wo die Temperatur für den größten Teil des Jahres
über 0° liegt, eine Tendenz zum Fließen haben muß infolge der Fähigkeit von Salzlösungen, bei Temperaturen unter 0°
C. zu bilden und aufzulösen.
Die Formen des atmosphärischen Niederschlags in fester Gestalt treten vielfach in kristallinischem Zustand
auf. Die dabei beobachteten Gestalten zeigen bei großer Mannigfaltigkeit als vorherrschende Form das gleichwinkelige Sechseck,
so daß bei ihnen nur Winkel
[* 17] von 60° und 120° auftreten. Die Schneekristalle
[* 18] treten vielfach als Eisnadeln, zuweilen als
Eisblättchen, am seltensten in körperlichen Gebilden auf, welche durch Verbindung mehrerer Schneesternchen
als kristallinische Zwillingsbildungen entstehen.
Nach den gewöhnlichen Vorstellungen gehen die
in der Luft schwebenden Wasserbläschen bei ihrem Erkalten unter 0° in Eiskristalle
über, welche sich in der freien Atmosphäre zu Schneeflocken vereinigen und beim Ansetzen an feste Gegenstände die Reif-
und Rauhreifbildungen hervorbringen. Untersuchungen unter dem Mikroskop
[* 19] haben nun aber gezeigt (dieselben
wurden von Aßmann auf dem Brocken ausgeführt), daß bei einer Temperatur von -10° keine Eiskristalle, sondern kleine Tröpfchen
flüssigen Wassers (nicht Hohlbläschen) in der Luft schweben, und daß diese bei Berührung mit einem festen Gegenstand, im
vorliegenden Falle mit einem ausgespannten Haar,
[* 20] momentan zu kleinen Eisklümpchen ohne jede kristallinische
Struktur erstarren.
Durch ein reihenweises Aneinandersetzen solcher Eisklümpchen entstehen dabei Bildungen, welche, mit bloßem Auge
[* 21] betrachtet,
den Eindruck von Kristallen hervorbringen. Ebenso zeigte es sich, daß auch der Reis unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht
kristallinisch ist, sondern aus einzelnen rundlichen Eisklümpchen zusammengesetzt wird. Bei Temperaturen, die
nur wenig unter dem Gefrierpunkt lagen, bildeten sich regelmäßige, abgerundete, blattartige Formen, die, im ganzen genommen,
den Eindruck eines Eiskristalls machten.
Außer diesen aneinander gewachsenen Eistropfen wurden aber auch wirkliche kristallinische Bildungen beobachtet, und zwar
erschienen dieselben an den Kanten trockner Holzbrettchen in Form von sechsseitigen Prismen und auf der
Erde in Form von feinen sechseckigen Platten und Säulen.
[* 22] Ferner wurden auch feine sechsseitige Blättchen, zuweilen auch Blättchen
von parallelepipedischer Form oder ganze hexagonale Säulen beobachtet, welche aus der Luft herabfielen und teils einzeln,
teils mit andern ähnlichen Blättchen sternförmig gruppiert waren.
Äußerlich machten sich diese kleinen Eiskristalle schon dadurch bemerkbar, daß sie im Sonnenlicht
ein intensives Glitzern verursachten, weshalb sie mit dem NamenDiamantstaub bezeichnet werden. Diese glitzernden Eiskristalle,
welche in der Luft schweben, treten namentlich in den nördlichern Gegenden jeden Winter einige Male auf und gewähren besonders
dann einen schönen Anblick, wenn sie sich in den untern Luftschichten befinden und der Himmel
[* 23] sonst wolkenlos
ist. Auch die Beobachtungen des Rauhreifs zeigten unter dem Mikroskop zuweilen Bildungen, welche nicht aus Eisklümpchen bestanden,
sondern kristallinische Struktur besaßen, bei welcher sich an einem Hauptstamm Seitenzweige unter einem Winkel von 60° ansetzten.
Den Schluß der Zweige bildete meist eine hexagonale Platte, die sich zuweilen auch schon auf die Zweige
selbst aufgesetzt fand.
Aus diesen Beobachtungen scheint sich zu ergeben, daß Reif und Rauhreif verschiedene Modifikationen desselben Vorganges sind.
Ist der Gehalt an Wasserdampf in der Atmosphäre gering, so wird sich derselbe nur in den untersten Luftschichten, welche mit
dem durch Ausstrahlung abgekühlten Erdboden in Berührung stehen, kondensieren und sich in Form von Reif
am Erdboden festsetzen, während der Rauhreif entsteht, wenn der Wassergehalt so reichlich vorhanden oder die Temperatur so
niedrig ist, daß seine Kondensation bis in die höhern Schichten heraufreicht. Die Wassertröpfchen befinden sich dabei in
überkältetem Zustand und werden sowohl bei der Reif- als auch bei der Rauhreifbildung infolge der Berührung
mit einem festen Gegenstand die Form von Eisklümpchen annehmen. Erst wenn die Temperatur so tief unter dem Gefrierpunkt liegt,
daß das Wasser aus dem gasförmigen Zustand unmittelbar in den festen
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