daß hier ein günstiger Boden für die Kunst war und sich eine eigene Bildhauerschule entwickeln konnte, welche im Allgemeinen der von Lysippos eingeschlagenen Richtung folgte.
Als «Weltwunder» berühmt war das Riesenstandbild (34 m hoch) des Sonnengottes aus Erz, der «Koloß von Rhodos», welches nach kaum 60jährigem Bestand durch ein Erdbeben umgestürzt wurde. Unserer Zeit ist nur ein Hauptwerk der rhodosischen Schule erhalten geblieben, die Gruppe des Laokoon. Die Darstellung körperlicher Qual ist wohl nirgends vollendeter als in diesem Gebilde.
Schule von Pergamon. Viel reichhaltiger sind die Zeugnisse für das Wirken der Kunstschule von Pergamon in Kleinasien, der Hauptstadt eines im 3. Jahrhundert gegründeten Reiches, dessen Könige, Attalos I. und Eumenes, das Entstehen einiger bedeutsamer Bauwerke und Bildhauerwerke veranlaßten.
Attalos hatte die in (277 v. Chr.) Kleinasien eingedrungenen Gallierstämme besiegt und unterworfen, und ließ zum Andenken dieses Sieges sowohl in Pergamon wie auf der Akropolis zu Athen Gruppen von Erzbildwerken aufstellen, von welchen uns Nachbildungen einiger Figuren in Marmor erhalten blieben. Sie zeigen, welche hohe Vollendung in der naturwahren Wiedergabe des Körpers und in Auffassung der persönlichen Eigenart die pergamenische Schule erreicht hatte.
Die Bildwerke vom Fries des von Eumenes errichteten Altarbaues gehören ebenfalls zu dem Besten, was die hellenistische Kunst geschaffen hatte. Der Fries enthielt die Darstellung des Kampfes der Götter mit den Riesen (Giganten) in Flachbildnerei; die Vorgänge sind ungemein lebendig und bewegt geschildert, die überreiche Fülle voll Gestalten gab den Künstlern Gelegenheit, eine erstaunliche Erfindungsgabe und Vielseitigkeit in der Kennzeichnung der Einzelnen, in den Stellungen und Bewegungen zu entfalten.
Das Hauptgewicht ist aber immer auf diese äußerliche Formgebung gelegt, und man sieht, wie auf «Wirkung» abgezielt wird, wozu auch das starke Herausarbeiten der Figuren aus dem Hintergrunde dienen sollte. Auch ragen bisweilen einzelne Glieder aus der Wandfläche heraus, was die ältere Flachbildnerei vermieden hatte.
Andere Schulen. Daß auch außerhalb der genannten Kunststätten Bedeutsames geschaffen wurde, ist zweifellos, wenn sich auch im einzelnen nichts Bestimmtes darüber nachweisen läßt, inwieweit der Einfluß der genannten Schulen reichte oder Selbständigkeit anzunehmen ist. Der «Farnesische Stier» wird beispielsweise von einigen der rhodosischen Schule, von anderen der pergamenischen zugeschrieben. Unter den Werken, welche von
^[Abb.: Fig. 120. Ruhender Ares.
Sog. Ares Ludovisi. Rom, Museo Boncompagni.] ¶
unbestimmbarer «Schule» sind, befinden sich mehrere, welche viel genannt werden, so auch die Aphrodite von Milo, welche übrigens deutlich zeigt, wie die hellenistische Kunst die einzelnen Züge aus Vorbildern entlehnte und mit großem Geschick zusammenstellte, so daß das Werk trotz des Mangels innerlicher Einheit einen starken Eindruck macht.
Griechische Kunst im Westen. Unteritalien. Sicilien. Einigermaßen auffallend erscheint es, daß seit dem 5. Jahrhundert das Griechentum des Westens - in Unteritalien und Sicilien - kein selbständiges Kunstleben mehr zeigt, wie ein solches in der Zeit des altertümlichen (archaischen) Stiles bestand. Die Ursachen dürften nicht blos in den politischen Wirren - Kämpfe mit den Karthagern und mit Athen - sondern auch in einer gewissen Erschlaffung des geistigen Lebens zu suchen sein. Reich und prunkliebend waren diese westlichen Griechenstädte zwar immer noch, aber man zog es vor, den Bedarf an Kunstwerken und Künstlern aus dem Mutterlande zu decken. Immerhin halte ich die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen, daß es auch dort eine eigene Kunstthätigkeit gab, von deren Werten wir nur keine nähere Kenntniß besitzen, weil die Römer sie verschleppt hatten.
Sicher ist jedoch, daß insbesonders Sicilien die Ausbreitung griechischer Kunst nach dem Westen vermittelte, zunächst im Herrschaftsgebiete Karthagos, wo der griechische Einfluß den «phönikischen Stil» fast völlig in den Hintergrund drängte, und sodann im römischen Italien.
Verpflanzung der griechischen Kunst nach Rom. Im Jahre 212 v. Chr. war Syracus, die führende Stadt des Westgriechentums, von den Römern erobert worden, welche dessen Kunstschätze heimführten. In den nächsten Jahren erlitten Capua und Tarent das gleiche Schicksal, und von da an wurde es zur Regel, daß die römischen Feldherren die Kunstwerke der eroberten Städte in Massen nach Rom sandten. Das war für die Betroffenen allerdings bedauerlich, die griechische Kunst gewann aber damit ein weiteres Herrschaftsgebiet. In erster Linie galt dies für die Bildnerei und Malerei, deren Werke ja eben nach Rom kamen, während jene der Baukunst nicht verschleppt werden konnten. Auf dem Gebiete der letzteren findet demnach mehr eine Vermischung der altitalischen Bauweise mit der griechischen statt, wobei die erstere ihre Eigenart auch zur Geltung bringt. Die römische Baukunst zeigt wesentliche Verschiedenheiten, eine Fort- und Umbildung, was bei der Bildnerei und Malerei nicht der Fall ist, diese erscheinen völlig im Banne der griechischen Richtung.
Es dürfte damit gerechtfertigt sein, daß ich die römische Bildnerei gleich im Anschlusse an die griechische behandle.
Die Bildnerei in Rom. Die Verpflanzung der griechischen Kunst nach dem Osten hatte, wie vorhin gezeigt wurde, das Aufkommen neuer Schulen zur Folge, die «hellenistische»
^[Abb.: Fig. 121. Eros von Centocelle.
Rom, Vatikan.] ¶