bilden zu den hier notwendigerweise starken wagerechten Gliederungen das Gegengewicht. Die Entstehung des Rathauses fällt in die Jahre 1448 bis 1463, also in die Spätzeit des gotischen Stiles.
Hauptkirche zu Canterbury. Dieselbe Massigkeit, die den frühgotischen Bauten Frankreichs eigentümlich ist, finden wir auch an dem frühesten gotischen Bauwerk in England, der Hauptkirche zu Canterbury, über deren Entstehung und Bedeutung schon auf S. 300 Näheres gesagt wurde. Die Abbildung läßt die Ausgestaltung der Längsseiten, die hier sehr einfach ist, und die Anlage der Strebepfeiler und Bogen erkennen. Der englischen Gotik eigentümlich ist die Beibehaltung des Turmes über der Vierung bei diesem wie auch den anderen hier abgebildeten Beispielen.
Das Innere zeigt eine durch die lange Bauzeit begründete große Verschiedenheit der Formen, doch hat diese bei den älteren Teilen auch ihre Ursache in dem Festhalten an der örtlichen Geschmacksrichtung, die nicht gleich völlig überwunden werden konnte. Die Abbildung Fig. 290 bietet die Innenansicht des Chores, der um das Jahr 1175 von Wilhelm von Sens begonnen wurde. Als Stützen wechseln eckige und runde Pfeiler, auch wurden einzelne Pfeiler mit schlanken Säulen umstellt.
Hauptkirche zu Salisbury. Der frühenglische Stil erscheint am reinsten in der Hauptkirche zu Salisbury (Fig. 291). Wagerechte und senkrechte Gliederungen halten sich fast das Gleichgewicht und die gotischen Formen sind eigentlich ohne Beziehung zum Grundgedanken als bloßer Aufputz verwendet. Der Turm - wieder über der Vierung - steigt ohne Abstufung bis zum Beginn des sehr hohen Daches auf. An der Vorderseite erheben sich nur zwei etwas vorspringende Ecktürme (mit den Treppen im Innern), die nur wenig höher als der Giebel sind. Der allgemeine Eindruck läßt ziemlich kühl; die Absicht, die Gliederung möglichst klar zu gestalten, hinderte jeden höheren Schwung in der Ausführung.
Hauptkirche zu Lichfield. Auch bei dem Beispiel für den «verzierten Stil», der Hauptkirche zu Lichfield, kann der reiche Schmuck, der wie aufgeklebt und nicht organisch mit den Bauteilen verbunden erscheint, den Eindruck der Nüchternheit nicht ganz verwischen, der sich beim Vergleich mit französischen und deutschen Bauten unwillkürlich
^[Abb.: Fig. 316. Der Dom zu Orvieto.] ¶
einstellt; der Schmuck besteht hauptsächlich aus Standbildern unter echten und Scheinbogenstellungen, welche die Schauseite fast ganz bedecken und auch unter der Dachgalerie der Türme angeordnet sind. Die Türme sind massiv, doch in ihrem eigentlichen Körper nicht sehr hoch. Außer dem üblichen Turm über der Vierung erheben sich noch zwei von kleinen Ecktürmchen begleitete über der Schauseite. Doch erscheinen diese mehr als Auswüchse oder Aufsätze der letzteren, denn als selbständige Bauglieder. Das Innere (Fig. 292) mir seiner überaus reichen Gliederung der Bogen und Stützen wirkt durch das «Zuviel» derselben auch nicht so ernst und bedeutend, wie das der französischen und deutschen Bauten.
Schloß Windsor. Das folgende Bild (Fig. 293) zeigt die Sonderstellung der englischen Gotik noch deutlicher. An die Stelle des hohen Spitzbogens ist fast durchwegs der gedrückte oder Tudorbogen getreten. Die Gliederung der Längsseiten geschieht durch einfache Strebepfeiler und Bogen, die Schmalseite wird fast ganz durch ein großes Fenster zwischen zwei Ecktürmen eingenommen. Das Maßwerk der Fenster ist einfach und mit starker Betonung der Senkrechten durchgebildet, wie es im «Pendelstil» üblich war.
Die Gesamtansicht von Schloß Windsor (Fig. 294) trägt den wehrhaften Ausdruck, der den englischen Schloßbauten eigen ist, und hauptsächlich durch die mächtigen Turmbauten mit Zinnenkränzen hervorgerufen wird. Schloß Windsor wurde unter Eduard III. durch Wilhelm von Wykeham an Stelle eines alten Palastes erbaut; die Georgskapelle entstand 1351-1474.
Hauptkirche zu Burgos. Erscheint die Gotik in England frostig und trocken, so verfiel sie in Spanien und Portugal in den entgegengesetzten Fehler zu großer Bewegtheit und Lebendigkeit und fast abenteuerlich ausschweifender Zierfülle, wie sie dem Volksgeiste entsprach. Die Hauptkirche von Burgos ist, wie schon auf Seite 305 gesagt wurde, eine fast getreue Nachahmung französischer Vorbilder. Der Bau wurde 1221 begonnen und war 1238 bis auf die Ausgestaltung der Schauseite fertig. Die Türme wurden erst viel später aufgeführt und 1539 über der Vierung eine Kuppel an Stelle einer eingestürzten älteren errichtet.
Chor von S. Leon. Portal von Barcelona. Aus der Zeit, in welcher der gotische Stil in Spanien seine Eigenart entwickelte, gebe ich als Beispiel (Fig. 296) den
^[Abb.: Fig. 317. Der Dom zu Florenz.] ¶