nur Dürer ausgenommen, überflügelte: Die «Madonna des Bürgermeisters Meyer» (in Darmstadt, eine Nachbildung in Dresden). Es ist mehr ein Bildniswerk, als ein kirchliches, da der Stifter natürlich das Hauptgewicht auf die Darstellung seiner Familie legte; immerhin haben wir aber in demselben das schönste Madonnenbild, welches die deutsche Kunst geschaffen hat. Wir begegnen hier derselben Auffassung, wie bei den italienischen Renaissancemeistern, denn auch Holbein giebt die Mutter des Heilands als ein zum urbildlich Schönen verklärtes Weib, und zwar wie es der deutschen Vorstellung von edelster weiblicher Würde entspricht.
Milde und sinnig, unendlicher Liebe voll und frei von allen irdischen Regungen blickt Maria auf die Familie, die sie in ihren Schutz genommen hat; das Christuskind auf ihren Armen ist von höchstem Liebreiz in seiner natürlich unbefangenen Bewegung. Die Bildnisse der Familie sind mit einer Lebenswahrheit ausgeführt, welche kaum übertroffen werden kann. Der Bürgermeister selbst in frommer Haltung, mit dem Ausdruck gläubigen Vertrauens und doch auch selbstbewußter Thatkraft in den markigen Zügen, sieht zur Madonna auf, während die eine der Frauen auch in diesem feierlichen Augenblicke ihrer mütterlichen Pflicht nicht vergißt und auf die frohgestimmten Kinder achtet, von welchen das Kleinste ein Gegenstück zu dem Christuskinde bildet; auch die Tochter an der Seite der Mutter wird durch den Anblick dieser Gruppe von den frommen Gedanken abgezogen, obwohl sie die dem Ernste der Handlung entsprechende würdige Haltung bewahrt.
Die vollste Naturwahrheit herrscht im ganzen, wie in den einzelnen Zügen, es ist nichts Gesuchtes und Gezwungenes in der Darstellung des Vorganges, Ernst und Schalkhaftigkeit paaren sich in ihm, und dennoch liegt in derselben eine über das Gewöhnliche erhobene Stimmung, welche das Gefühl inniger Andacht erweckt. Die ebenmäßig schöne Anordnung ist in diesem Bilde ebenso bemerkenswert, wie der sanfte Glanz der Farben. - Den ganzen Unterschied zwischen dem italienischen und deutschen Wesen und Kunstgeiste läßt ein Vergleich der Holbeinschen Madonna mit Tizians Madonna des Hauses Pesaro erkennen.
Bald nach Vollendung dieses Bildes (1526) begab sich Holbein nach England, da bei den Wirrnissen, welche die Reformationsbewegung hervorrief, an eine halbwegs lohnende Thätigkeit nicht zu denken war. Sein treuer Erasmus v. Rotterdam hatte ihn dem englischen Schatzmeister Thomas Morus warm empfohlen und Holbein durfte hoffen, in England zahlreiche Aufträge zu erhalten. In der That täuschte er sich darin nicht, und er konnte während des zweijährigen Aufenthaltes in London eine ziemliche Anzahl von Bildnissen ausführen, die ihm hohes Ansehen verschafften.
Dennoch kehrte Holbein 1528 wieder nach Basel zurück, wo sich die Verhältnisse inzwischen aber nur verschlimmert hatten und eine geradezu bilderfeindliche Richtung aufgekommen war. Der Stadtrat betraute ihn wohl mit der Ausführung eines Wandgemäldes im Ratssaale, aber sonst fehlte es an Aufträgen. Holbein wandte sich daher abermals nach England, wo er jedoch seine früheren Gönner gestürzt und vom Hofe verbannt fand. Fehlten ihm nun auch zunächst die Be-
^[Abb.: Fig. 579. Grünewald: Der hl. Mauritius und der hl. Erasmus.
München. Pinakothek.] ¶
ziehungen zu den höfischen und vornehmen Kreisen, so boten ihm die Landsleute, die deutschen Kaufleute des Hansahofes, Ersatz. Er hatte nicht nur eine Reihe von Ebenbildnissen derselben zu schaffen, sondern erhielt auch den Auftrag, zwei Gemälde für die Halle des deutschen Kaufhauses anzufertigen.
Bei der vorwiegenden Beschäftigung mit Bildnissen hatte Holbein seine Kunst in diesem Fache zur vollendeten Meisterschaft ausgebildet und stand unübertroffen da. Die vornehmen Kreise Englands gaben denn auch bald ihre Zurückhaltung auf und überhäuften ihn mit Aufträgen; auch König Heinrich VIII. wandte ihm seine Gunst zu und nahm ihn 1538 förmlich in seine Dienste. Aus dieser Zeit stammt eine große Reihe von Bildnissen, die zu den besten Schöpfungen des Meisters zählen. Im Auftrage des Königs malte er dessen verschiedene Gemahlinnen und deren Hofdamen, wie er überhaupt der bevorzugte Maler des Hochadels blieb, bis er 1547 der Pest zum Opfer fiel.
Holbeins Eigenart. Holbein hatte unter glücklicheren Verhältnissen seine Laufbahn begonnen als Dürer, der sich den Weg zu der neuen höheren Kunst selbst bahnen mußte,
^[Abb.: Fig. 580. Altdorfer: Landschaft mit dem hl. Georg.
München. Pinakothek.] ¶