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wieder erkaltende See ein gewisses Gegengewicht gegen die jurassischen Einflüsse bildet. Unter diesen ist besonders der als Fallwind von den Höhen herabwehende Joran zu nennen, der sich im Sommer ziemlich regelmässig gegen 4 Uhr Abends fühlbar macht, die über dem See lagernden Dunstmassen rasch auseinander treibt und meist kühle Nächte im Gefolge hat. Der Föhn erreicht Neuenburg nur selten und nur in recht abgeschwächter Gestalt; dagegen ist die Stadt der aus NO. kommenden Bise ausgesetzt, die oft heftig weht und im Winter (besonders im Februar und März) lange anzudauern pflegt.
Bevölkerung.
1353 zählte Neuenburg 256 Häuser und 430 Herdstätten, was einer Bevölkerung von etwa 2500 Köpfen entsprechen dürfte. Die erste regelrechte Volkszählung wurde 1750 vorgenommen und ergab eine Einwohnerzahl von 3666 Köpfen, die 1803 auf 4170 gestiegen war. Ueber das weitere Wachstum geben folgende Tabellen Auskunft:
Jahr | Ew. | ||
---|---|---|---|
1864 | 10933 | Zuwachs | % |
1874 | 13317 | 2414 | 22.08 |
1884 | 15423 | 2076 | 15.55 |
1894 | 17706 | 2283 | 14.80 |
1904 | 21985 | 4279 | 24.16 |
Auf die Herkunft der Bewohner verteilen sich diese Ziffern folgendermassen:
Jahr | Neuenburger | ||
---|---|---|---|
1864 | 4321 | Zuwachs | % |
1874 | 4962 | 611 | 14.83 |
1884 | 5469 | 507 | 10.21 |
1894 | 6976 | 1507 | 27.40 |
1904 | 8719 | 1743 | 24.98 |
: | Uebrige Schweizer | ||
1864 | 5042 | Zuwachs | % |
1874 | 6463 | 1421 | 28.18 |
1884 | 7891 | 1428 | 21.97 |
1894 | 8447 | 556 | 7.04 |
1904 | 10154 | 1707 | 22.07 |
: | Ausländer | ||
1864 | 1570 | Zuwachs | % |
1874 | 1922 | 352 | 22.48 |
1884 | 2063 | 141 | 7.33 |
1894 | 2283 | 220 | 16.76 |
1904 | 3112 | 829 | 36.31 |
.
Jahr | Reformierte | Katholiken | Juden | Andere |
---|---|---|---|---|
1874 | 11623 | 1685 | 89 | - |
1881 | 13389 | 1966 | 52 | 16 |
1894 | 14838 | 2784 | 70 | 14 |
1904 | 18214 | 3670 | 57 | 44 |
Aus diesen Ziffern geht hervor, dass der Zuwachs von 1874-1894 geringer ist, als im Zeitraum 1864-1874 und dass er von 1894-1904 am höchsten stieg. Bemerkenswert ist auch, dass der gegenüber den andern Schweizern nur schwache Zuwachs der Neuenburger 1864-1884 dann von 1884 bis 1904 beträchtlich anstieg, was zu einem guten Teil den durch das neue Gesetz wesentlich erleichterten Bestimmungen über die Einbürgerung zuzuschreiben ist. Die starke Vermehrung der nichtschweizerischen Bevölkerung im Zeitraum 1894-1904 dürfte dagegen wesentlich auf die Anziehungskraft der Neuenburger Schulen zurückzuführen sein. Grundbesitzer zählte man 1874: 470, 1884: 561, 1894: 636 und 1904: 719. Die Zahl der Häuser betrug 1874: 1045, 1884: 1289, 1894: 1442 u. 1904: 1852.
Handel, Gewerbe und Verkehr.
Im Jahr 1903 hat der Bahnhof Neuenburg 209995 Personenbillets und 55963 Scheine für Passagiergepäck ausgegeben, 7360 Stück Vieh expediert oder erhalten, 1691 Tonnen Eilgut und 17582 Tonnen Frachtgut versandt sowie 2243 Tonnen Eilgut und 58642 Tonnen Frachtgut erhalten. Dafür betrugen die Einnahmen 1429276 Fr. Im gleichen Jahr sind 79492 Diensttelegramme abgesandt worden. Die Art der Rechnungsführung der Dampfschiffahrtgesellschaft gestattet keine genaue Uebersicht über den Verkehr im Hafen von Neuenburg; immerhin kann man annehmen, dass von der im Jahr 1903 beförderten Gesamtzahl von 87743 Personen rund 30000 in Neuenburg eingestiegen sind, was einer Einnahme von etwa 20500 Fr. entsprechen dürfte.
Die fast ohne Ausnahme nach Neuenburg bestimmten Waren haben der Gesellschaft eine Summe von 24200 Fr. eingebracht. Die Compagnie des Tramways de Neuchâtel verfügt über das zweitlängste Schienennetz von allen Tramunternehmungen der Schweiz und betrieb am eine Strecke von 26,346 km Länge. 1903 sind 3071290 Personen befördert und dafür 441768 Fr. eingenommen worden, was auf einen Kilometer 16411 Fr. ausmacht. Neuenburg ist von jeher mehr eine Gelehrten- und Schulstadt, als eine Handels- und Industriestadt gewesen.
Dies schliesst aber eine blühende industrielle Tätigkeit auf einigen Spezialgebieten nicht aus. Lange Zeit beschränkten sich die Einwohner einzig auf den Weinhandel. Als dann im 18. Jahrhundert einige in der Umgebung eingerichtete Fabriken von Indiennestoffen ihre Besitzer zu reichen Leuten machten, mehrten sich diese Unternehmungen, bis schliesslich alle wieder eingingen (die Mehrzahl während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts). Dann zogen die jungen Leute in die Fremde und erwarben sich dort durch ihre Rührigkeit und Intelligenz so viel Vermögen, dass sie nach ihrer Rückkehr in die Heimat ein behagliches Leben führen konnten.
Ausschliesslich industriell ist der Vorort Serrières, dessen Papierfabrik aus dem 15. und dessen zwei Mühlen und eine Säge aus dem 16. Jahrhundert stammen. 1826 ist hier die weltbekannte Schokoladenfabrik Suchard gegründet worden. In Serrières befand sich einst auch eine Münzstätte. Neuenburg hat etwa 30 Uhrenfabrikanten und -händler, zwei Strohhutfabriken, zwei Bierbrauereien, eine Telegraphenbauwerkstätte und eine Schaumweinfabrik. Lebhaftes Baugewerbe; eine Backsteinfabrik, Steinbrüche. 15 Buchdruckereien, 4 Lithographenateliers, drei Anstalten für Photogravüre und eine kartographische Anstalt. Ein kunstgewerbliches Atelier, Glasmalerei. Den Geldverkehr ¶
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besorgen acht Privatbanken, deren Umsatz hier nicht bestimmt werden kann aber meist sehr beträchtlich ist, und 4 Kreditanstalten. Zwei von diesen, die Kantonalbank und die Handelsbank, sind Emissionsbanken und dürfen jede für 8 Mill. Fr. Banknoten ausgeben. Die staatliche Kantonalbank verfügte am über ein Stammkapital von 4 Mill. Fr. und einen Reservefonds von 820546 Fr.; ihr Geldumsatz belief sich 1903 auf 1151395053 Fr. Das Stammkapital der Handelsbank beträgt ebenfalls 4 Mill. Fr., ihr Reservefonds 200000 Fr. und ihr Umsatz 458521224 Fr. Die Hypothekarbank (Crédit foncier; 3 Mill. Fr. Stammkapital und 516000 Fr. Reservefonds) hat 1903 auf Liegenschaften eine Summe von 18191812 Fr. ausgeliehen und zugleich für 16308000 Fr. Liegenschaftenobligationen zum durchschnittlichen Zinsfuss von 3,971% ausgegeben.
Die 1812 als gemeinnütziges Unternehmen gegründete Sparkasse hat kein Stammkapital, dafür aber einen Reservefonds von 2350000 Fr.; die gleiche Person darf im Jahr (besondere von der Direktion gestattete Ausnahmefälle vorbehalten) nicht mehr als 700 Fr. einlegen und ein Sparheft nicht über 4000 Fr. anwachsen lassen. Ende 1903 verwaltete die Kasse für 44676497 Fr. Einlagen, die 64257 Einlegern gehörten. Wir wollen noch bemerken, dass 1903 in Neuenburg 154 dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellte Geschäfte mit 326 Lehrlingen bestanden.
Schule und Unterricht, geistiges Leben.
Neuenburg hat sich in erster Linie zu einer hervorragenden Schulstadt entwickelt, die jetzt eine grosse Anzahl von gut besuchten Schulanstalten und Pensionnaten aufweist. Aus allen Ländern kommen junge Leute beiderlei Geschlechtes hierher, um Französisch zu lernen. Wir geben hier zunächst eine Uebersicht über die von der Stadt unterhaltenen Gemeindeschulen: 1. Ge mischte Kleinkinderschulen (Fröbel'sche Kindergärten) mit zweijähriger Dauer des Unterrichtes;
16 Klassen und 661 Schüler im Alter von 5-7 Jahren. 2. Primarschulen mit obligatorischem 6 jährigem Unterricht und unentgeltlicher Verabfolgung der Schulmaterialien;
54 Klassen mit 2393 Schülern im Alter von 7-14 Jahren. 3. Sekundarschulen, als Ergänzung des Primarschulunterrichtes und zur Vorbereitung für den Uebertritt in die Berufslehre, an das Realgymnasium, das Lehrerseminar, die höhere Töchterschule und die Handelsschule;
dreijähriger Kursus, 12 Klassen mit 352 Schülern im Alter von 12-15 Jahren. 4. Lateinschule (Collège latin) als Vorbereitung zum Uebertritt an das humanistische Gymnasium;
5 Klassen mit 150 Schülern im Alter von 10-15 Jahren, 5jähriger Kursus. 5. Höhere Töchterschule mit fakultativem Unterricht;
2 Klassen mit 80 regulären Schülerinnen und 270 Hörerinnen. 6. Fremdenschule (Classe des étrangères) für Töchter, die das Französische erlernen wollen;
4 Klassen mit 172 Schülerinnen, ein in zwei Stufen gegliedertes Studienjahr. 7. Berufs- und Haushaltungsschule;
einjähriger Unterricht, 223 Schülerinnen.
Zusammen 93 Klassen mit 4025 Schülern (1768 Knaben und 2257 Mädchen), 94 Lehrern und 73 Lehrerinnen. Für 1903 ist dafür folgendes Budget aufgestellt worden:
Fr. | |
---|---|
Ausgaben | 349950 |
Einnahmen | 98390 |
Ueberschuss der Ausgaben: | 251560 |
Der beruflichen Ausbildung dienen: 1. Die für Lehrlinge und Arbeiter bestimmte Zeichen- und Modellierschule. 2. Die Uhrmacherschule mit 4jährigem theoretisch-praktischem Kursus; während der drei ersten Jahre muss jeder Schüler 6 vollständige Uhren und im vierten Jahre dazu noch einen Taschenchronometer und eine Repetieruhr verfertigen, deren Erlös ihm gehört. Der Schule ist eine Abteilung für Elektrotechnik, Kleinmechanik und für Herstellung von Pendeluhren angegliedert.
Von allen Schulanstalten Neuenburgs zieht die Handelsschule (die bedeutendste der Schweiz) die meisten Fremden an. Sie umfasst 4 Studienjahre und einen je vom April bis Juli dauernden Vorkurs. Während dieser Zeit zählte die Schule 1903: 610 Schüler (454 Schweizer und 156 Fremde), zu Ende des gleichen Jahres noch 506 Schüler (wovon 84 weibliche);
im Mai 1904 betrug die Anzahl der Schüler 642 (wovon 126 weibliche).
Im Sommer werden besondere Ferienkurse eingerichtet. Es ist ihr eine Spezialklasse für Französisch angegliedert. Ihr Budget belief sich 1903 auf 275775 Fr., welche Summe gedeckt wurde durch die Subvention der Gemeinde (43099 Fr.), des Kantons (76136 Fr.) und des Bundes (59315 Fr.), sowie durch die Schulgelder und verschiedene andere Einnahmen (97225 Fr.).
Kantonale Anstalten sind die Kantonsschule und die Akademie. Jene gliedert sich in ein Realgymnasium (Industrieschule) und ein humanistisches oder klassisches Gymnasium, die auf das Polytechnikum, die Universität oder die Akademie vorbereiten und 1903 von 68 bezw. 58 Schülern besucht wurden. Beigefügt ist der Kantonsschule das Lehrer- und Lehrerinnenseminar mit 2jähriger Dauer des Unterrichts und (1903) 11 männlichen und 28 weiblichen Seminaristen. Die Akademie ist 1840 gegründet und 1848 aufgehoben, 1866 wieder errichtet und 1894 neu organisiert worden. An der ersten Akademie lehrten u. a. Agassiz, Arnold Guyot, F. Aug. Matile, Ladame.
Nach 1848 kehrte man zum alten System der sog. «Auditoires» zurück, an denen Juste Olivier, Desor, Charles Secrétan lehrten. Heute umfasst die Akademie je eine philologisch-philosophisch-historische, naturwissenschaftliche, juristische und theologische Fakultät und unterscheidet sich von einer Universität nur durch das Fehlen einer medizinischen Fakultät. Es ist ihr ein für die Fremden bestimmtes Seminar für modernes Französisch beigefügt, und es werden ebenfalls Ferienkurse veranstaltet. Das Lehrpersonal zählt 46 Professoren. Im Wintersemester 1903/04 wurde die Akademie von 133 immatrikulierten Studenten und 123 Hörern besucht (189 Philosophen, 28 Naturwissenschafter, 13 Theologen ¶