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Gottesdienst wird im Temple du Bas, in der Chapelle des Terreaux und in der Chaumontkapelle gehalten. Aus 1806, d. h. der Zeit der französischen Okkupation, datiert die Wiedereinführung des katholischen Kultus, für den 1828 die Kirche zu Gibraltar erbaut worden ist und dem auch eine Kapelle im Spital de la Providence dient. Gegenwärtig erstellen sich die Katholiken nahe dem Crêt eine neue Kirche. Seit 1864 hatte Neuenburg einen von der Colonial and Continental Church Society in London eingerichteten und im Sommer von einem Kaplan versehenen englischen Gottesdienst, der dann von 1887 an über das ganze Jahr ausgedehnt wurde und seit 1897 über eine eigene Kapelle verfügt, zu welcher ein Nebengebäude des Hôtel Du Peyrou umgestaltet worden ist.
Eigene Kapellen und Bethäuser haben auch die ursprünglich vom Kanton Waadt ausgegangene freikirchliche Gemeinschaft und die Baptistengemeinde (an der Place d'Armes), die deutsche bischöfliche Methodistenkirche (an der Rue des Beaux Arts), die Heilsarmee (in der Écluse). Religiöse Bestrebungen pflegen die Bibelgesellschaft;
die Missionsgesellschaft, die die Missionsanstalten in Paris und Basel sowie die Mission romande reichlich unterstützt;
die Pastoralgesellschaft, die die Geistlichen der freien und der Staatskirche sich näher bringt und über einen Pensionsfonds für Pfarrerswitwen verfügt;
die Société d'études théologiques, der Hilfsverein für die reformierte Diaspora, die christlichen Vereine junger Männer und Jungfrauen beider Sprachen, katechetische Vereinigungen, Vereine zur Sonntagsheiligung, Vereine zur Verbreitung und Unterstützung der Reformation in Frankreich und Spanien, Schutzaufsichtsvereine für junge Neuenburger in der Fremde, Gesellschaft zur Bekämpfung der unsittlichen Literatur.
Mehrere Abstinenzvereine, eine Guttemplerloge, eine deutsche Stadtmission, Sektionen der evangelischen Allianz und der Fédération Britannique Continentale etc.
Verwaltung und städtische Unternehmungen.
Gesetzgebende Behörde ist der vom Volk gewählte und aus 40 Mitgliedern bestehende Grosse Stadtrat (Conseil Général) und Verwaltungsbehörde der 5 Mitglieder zählende Gemeinderat (Armen- und Polizeiwesen, Bauwesen, städtische Werke, Schul- und Finanzwesen, Wald- und Domänenverwaltung). Der Gemeinderat hat alle Anträge dem Grossen Stadtrat zur Genehmigung vorzulegen, der auch die nötigen Kredite bewilligt, das Budget bereinigt, den Gemeinderat und die verschiedenen ständigen oder zeitweiligen Kommissionen bestellt.
Die bedeutendsten städtischen Unternehmungen sind das Wasser-, das Gas- und das Elektrizitätswerk. Trinkwasser liefern der Stadt die in der Areuseschlucht über dem Champ du Moulin in 630 m Höhe gefassten Quellen, deren an der Fassungsstelle 7-8° C. betragende Temperatur in der etwa 16 km entfernten Stadt nicht über 9-10° C. steigt. 1903 haben die Quellen bei Niedrigwasser 9930 Minutenliter, d. h. 650 Liter pro Tag und pro Kopf der Bevölkerung geliefert. Das Gaswerk hat 1903 im Ganzen 1149376 m3 Gas geliefert; die öffentliche Gasbeleuchtung hat im selben Jahr für 1324 Flammen und 755100 Brennstunden 14800 Fr. gekostet.
Das ebenfalls in der Areuseschlucht stehende städtische Elektrizitätswerk von Les Clées sendet der Stadt einen hoch gespannten Strom, der dann für Beleuchtungs- und Kraftzwecke in Transformatoren zu Strömen niederer Spannung umgewandelt wird. Die Spannung beträgt im Werk selbst 4000 und bei der Ankunft in der Stadt noch 3800 Volt. Einphasiger Wechselstrom für die Beleuchtung und dreiphasiger Wechselstrom für Kraftzwecke. Am wurden für die öffentliche elektrische Beleuchtung 874 Lampen unterhalten, wozu noch etwa 15370 Privatlampen von 728 Abonnenten kamen. Kraftstrom von zusammen 1344,48 PS bezogen 66 Abonnenten, deren bedeutendste die Schokoladenfabrik Suchard mit 250 PS und die Strassenbahngesellschaft mit 775 PS sind. Der Strom kann für Licht und Kraft zusammen bis auf 115 Ampère gebracht werden. Die Einnahmen und Ausgaben der drei Unternehmungen stellten sich 1903 folgender massen:
Einnahmen Fr. | Ausgaben Fr. | Einnahmenüberschuss Fr. | |
---|---|---|---|
Wasserwerk | 204533 | 31238 | 173295 |
Gaswerk | 83825 | 1129 | 82696 |
Elektrizitätswerk | 329803 | 94588 | 235215 |
Am beliefen sich die städtische konsolidierte Schuld auf 14092200 Fr. und die laufenden Schulden auf 1460506 Fr. Das Budget sah 2165263 Fr. Einnahmen und 2160225 Fr. Ausgaben vor. Das Bürgergut mit 473983 Fr. wird besonders verwaltet und darf seiner ursprünglichen Bestimmung nicht entzogen werden, während ein allfälliger Ueberschuss der zu wohltätigen Zwecken verwendeten Zinsen in die allgemeine Stadtkasse fällt. Der Fonds des Consistoire de Charité beträgt 190463 Fr., das Kapital des Waisenhauses 1279333 Fr. und die Stiftung David de Purry, von der blos die Zinsen zu Gunsten städtischer Unternehmungen verwendet werden dürfen, 5046428 Fr.
Geschichte.
Da vor beinahe jedem Dorf am Ufer des Neuenburgersees eine Pfalbaustation sich gefunden hat, darf man wohl annehmen, dass eine solche auch gegenüber Neuenburg vorhanden gewesen war. Doch hat man nur w. und ö. der Stadt vereinzelte Reste einer solchen Ansiedelung entdeckt, da der geschiebereiche Seyon wohl längst schon alle andern Ueberreste unter seinem Delta vergraben hat. Ohne Zweifel bestand in der Gegend von Neuenburg auch eine Niederlassung der Helvetier, doch beginnt eine eigentliche Geschichte erst seit der Zeit der Römer, die hier einzelne zerstreute Siedelungen und am ¶
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Berghang vielleicht auch eine befestigte Anlage erbauten. Zweifelhaft ist die von einigen Forschern aufgestellte Behauptung von der Existenz einer eigentlichen Römerstadt Noidenolex. Sicher ist dagegen dass die Könige des transjuranischen Burgunderreiches an dieser Stelle ein Schloss besassen, das in einer Urkunde vom (Schenkung der Burg durch Rudolf III. an seine Gemahlin Irmingard) als regalissima sedes zum erstenmal genannt wird. Eine eigentliche Stadt entwickelte sich im Schutze dieser festen Anlage erst dann, als Ulrich II. und Bertha eine Pfarrkirche mit Chorherrenstift errichten liessen und als die Grafen von Neuenburg hier ihre Residenz nahmen und dem Ort 1214 einen besonderen Freibrief verliehen.
Dieser letztere gab der Bürgerschaft verschiedene für jene Zeit sehr bedeutende Rechte mit Bezug auf Gerichtsbarkeit, Sicherheit der Person und des Eigentums und Verfügungsrecht über das Grundeigentum, und bestellte zugleich eine regelrechte städtische Behörde. In der Folge kamen dann noch manche anderen Privilegien dazu. Alle diese geschriebenen oder blos überlieferten Vorrechte und Freiheiten wurden 1454 in einem besonderen Kodex zusammengefasst, den der Graf bestätigte und der sich auch toutes autres bonnes Coutumes anciennes, écrites et non écrites, dont les bourgeois auraient usé et joui notoirement au temps passé vorbehielt. Es ist dies die Grundlage, auf der später die Bürgerschaften allen Versuche der Landesherren, die alten Rechte einzuschränken, aufs entschiedenste sich widersetzten und sogar alle Vorschläge zu gütlicher Bereinigung zurückwiesen, indem sie den Vermittlern einfach folgendes antworteten: nos franchises nous autorisent à ne pas donner de renseignements sur leur nature et elles sont si nombreuses que si le lac était un encrier, il ne contiendrait pas assez d'encre pour les écrire toutes.
Nach der Urkunde von 1214 standen der Bürgerschaft ein vom Grafen bestellter Richter (maire) und zugleich Bürgermeister und zwei (später vier) «Ministraux» vor; die Machtbefugnisse dieser letztern steigerten sich dann mit der Zeit derart, dass der Maire blos noch die Gerichtsbarkeit ausüben durfte, während die Stadtverwaltung ausschliesslich in den Händen der Ministerialen und eines 24gliedrigen Rates (Conseil des Vingt Quatre) lag, der grosse Rechte besass, indem er z. B. sich selbst ergänzte, die 4 Ministerialen und alle zivilen und militärischen Beamten ernannte und die Bürgerschaft nur selten über irgend eine Angelegenheit entscheiden liess.
Diese Machtbefugnisse erschienen allmählig den Bürgern doch als zu ausschliesslich, so dass sie den Vorschlägen der eidgenössischen Landvögte, der Stadt eine den übrigen schweizerischen Orten analoge Verfassung zu geben, gerne Gehör schenkten und 1522 die Einsetzung eines zweiten Rates (Conseil des Quarante) erzwangen, der aber nur eine sehr beschränkte Anzahl von Fällen von sich aus behandeln konnte. Der Kleine Rat und der Grosse Rat bildeten zusammen den Generalrat (Conseil général de la bourgeoisie), dem die Entscheidung über alle Fragen des Bauwesens, über Ankäufe und Verkäufe, Aufnahme von Anleihen, Pacht- und Eigentumsverhältnisse etc. zustand.
Wie früher, behielt auch jetzt noch der Kleine Rat das Recht zum Bestellen der Beamten. Er war zugleich auch der Gerichtshof, der alle Zivilstreitigkeiten seines Gerichtsbannes in erster Instanz und alle Strafsachen sowie solche Fälle, die einen Stadtbürger betrafen, in letzter Instanz entschied. Den Kleinen Rat präsidierten in seinen Verwaltungssitzungen der erste oder zweite Bürgermeister und in seinen Sitzungen als Gerichtshof der Maire oder sog. Lieutenant de Justice.
Eine der Hauptaufgaben dieser obersten Behörde bestehend in der Gesetzgebung und genauen Ueberwachung aller geschriebenen und nicht geschriebenen Rechte und Freiheiten der Stadt. Die Exekutive lag in den Händen der Quatre Ministraux, die auch dann noch diesen Namen beibehielten, als ihre Zahl längst auf sieben gestiegen war und sie sich aus den vier Bürgermeistern, den beiden Vorsitzenden des Grosses Rates (den sog. Maîtres des Clefs) und dem Pannerherrn zusammensetzten. Dieser letztere wurde direkt vom Volke erwählt, vertrat im Speziellen dessen Interessen und war zugleich Oberbefehlshaber der städtischen Milizen.
Als 1406 Graf Konrad von Freiburg die Rechte der Bürgerschaft anzutasten drohte, schloss die Stadt Neuenburg ein Burgrecht mit Bern, das diesen Ort zum Schiedsrichter in allen Streitigkeiten zwischen der Bürgerschaft und dem Grafen bestellte und zugleich die Neuenburger verpflichtete, Truppen unter die Fahnen Berns zu stellen. Diese Verpflichtung, die bis 1712 sehr oft in Anspruch genommen wurde, veranlasste die Schaffung einer eigenen, von der Grafschaftsmiliz unabhängigen Bürgermiliz, die bis ins 19. Jahrhundert hinein bestehen blieb.
Das Burgrecht mit Bern trug mächtig dazu bei, die Stellung der Bürgerschaft gegenüber den Landesherren zu kräftigen. Es erlaubte diese Stütze den Quatre Ministraux fest aufzutreten und die finanziellen Verlegenheiten des Hauses Orléans zur Erlangung von neuen Vorrechten auszunutzen. Auch die Reformation hätte in Neuenburg 1530 wohl kaum festen Boden fassen können ohne diese nun einmal bestehenden gemeinsamen Anschauungen und Interessen der beiden Verbündeten.
Die Einkünfte der Grafen wurden zweimal auf je neun Jahre unter günstigen Bedingungen den Quatre Ministraux verpfändet, die als sog. Tiers État nun auch im obersten Landesgericht sassen und das Recht erhalten hatten, Lehen zu besitzen, das allerdings nur auf dem Papier blieb. Ohne den Grafen um Erlaubnis zu fragen, bemächtigten sie sich mit Hilfe der ihnen verbündeten Leute von Les Fourgs und Les Verrières de Joux ums Jahr 1500 der festen Burg Joux und wollten sie auch mit Biel ein Burgrecht schliessen, was ihnen aber noch im letzten Augenblick misslang.
Alle diese Unternehmungen und Bestrebungen zielten deutlich darauf hin, Neuenburg zu einer unabhängigen Stadt zu machen. Dem immer stärker wachsenden Ehrgeiz der Quatre Ministraux wusste einzig die Landesherrin Marie von Bourbon dadurch zu steuern, dass sie unter der Bürgerschaft Unfrieden stiftete. Als nämlich die Ausburger sich darüber beklagten, dass ihnen ein Teil ihrer Rechte vorenthalten werde und als daraufhin die Quatre Ministraux sich weigerten, auf diese Klagen einzutreten, und auch die angetragene Vermittlung des landesherrlichen Gerichtes ausschlugen, fanden die Unzufriedenen bei Marie von Bourbon Unterstützung und beschlossen 1599, auf die Heeresfolge der Bürgerschaft zu verzichten und wieder unter die Fahnen des Fürsten zu treten, dem sie auch ihre Ansprüche auf ihre Freiheiten und Rechte abtraten.
Diese Angelegenheit der «bourgeois renoncés» stak in der Folge lange Zeit als schmerzender Dorn im Fleisch der städtischen Bürgerschaft. Die letzten dieser «renoncés» wurden zwar 1826 wieder ins volle Bürgerrecht aufgenommen, doch kam ein aus diesem Zwiespalt hervorgeganger Prozess erst 1887 zum völligen Austrag. Die «renoncés» von 1599 hatten nämlich Anspruch auf den Besitz des Waldes der Grande Côte am Chaumont erhoben, der ihnen dann auch nach langen Streitigkeiten 1733 durch ein Schiedsgericht zugesprochen wurde. Nachdem dann die Ausburger ihre Rechte an die Burgschaft Thièle abgetreten hatten, sah auch diese den Wald als ihr Eigentum an, woraus der genannte Prozess entstand, der endlich zu Gunsten der Rechtsnachfolger dieser einstigen Burgschaft entschieden wurde.
Der eben geschilderte Abfall der Ausburger schwächte natürlich die Macht der städtischen Behörde erheblich, ¶