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durch Erosion und Denudation zur Klippenbildung geführt hat. Th. Lorenz gab davon noch 1902 ungefähr folgende Erklärung: Vom Falknis bis zur Sulzfluh sind die Kalkberge von N. resp. NO. her überschoben. Ohne Unterbrechung biegt die Kette an der Scheienfluh nach S. um, nimmt ungefähr bei Klosters sw. Richtung an und streicht dann über die Strelakette bis Parpan-Churwalden fort, um so einen allerdings etwas unregelmässigen Bogen von etwa 180° zu beschreiben. Einen ähnlichen Bogen bildet die Glarner Doppelfalte, die man nach Lorenz ebenso gut als Glarner Bogenfalte bezeichnen kann, da sie von der Wiggis-Churfirsten-Alvierkette über den Fläscherberg zum Calanda und Ringelspitz streicht.
Die gemeinsame Ursache für die Bildung dieser zwei konzentrischen Bogenfalten, resp. Ueberschiebungen dürfte wohl im Einbruch der krystallinen Brücke zwischen Aarmassiv und Silvrettamassiv zu suchen sein. Dabei gehört aber die Glarner Bogenfalte der helvetischen Fazies, die Rätische Bogenfalte der vindelizischen und der ostalpinen Fazies an. Da im Rätikon die Ueberschiebung von NO. kam, so streichen die Schichten im allgemeinen nach SO. In diesem Verlauf zeigen sich aber gewisse Störungen. Am Tristel (NO.-Seite von Jes) und am Tschingel z. B. biegen die SO. streichenden Schichten scharf zu NO. streichenden Synklinalen um, der geradlinige Verlauf der Schichten ist öfters gestört, die Streichrichtung der Transversalschieferung verläuft senkrecht zur Schichtung.
Diese Erscheinungen sind Folgen einer zweiten Faltung, deren Streichrichtung eine nordöstl. ist und die mit der Hauptalpenfaltung zusammenfällt. Die Rätische Bogenfaltung ist die frühere und stärkere, ihr Einfluss auf die Physiognomie des Gebirges von fundamentalerer Wirkung als die spätere Hauptalpenfaltung. Ein Blick auf die topographische Karte zeigt, dass die Hauptkämme das Streichen der Rätischen Bogenfaltung aufweisen. Auch die Thälchen von Radaufis, Jes und der Barthümelalp folgen dieser Richtung. Im westl. Teil des Gebirges, vom Falknis bis zum Tschingel, zeigt sich die rätische Schubmasse in Form dreier regelmässig gefalteter Schuppen, im östl. Teil, Kirchlispitzen bis Sulzfluh, ist sie in Klippen aufgelöst.
Diese sind Ueberdeckungsschollen, die dem oligozänen Flysch auflagern und in deren Gebiet eine chaotische Schichtenfolge herrscht. Neuerdings wird aber die Theorie der Bogenfalten zu gunsten von Lugeon's «Ueberfaltungsdecken» wieder aufgegeben (auch von Lorenz selber). Neben den Glarner Ueberfaltungsdecken spricht man auch von einer Falknis- und einer Rätikondecke, die wie jene von Süd nach Nord überschoben sind, aber viel weiter südlich wurzeln und aus Gesteinen ostalpiner Fazies in durch den Gebirgsdruck meist sehr reduzierter und veränderter Form bestehen.
Sie stehen zum Bündnerschiefer in derselben Beziehung wie die Glarnerfalten zum tertiären Flysch, d. h. diese Schiefermassen sind gleichsam das Füll- und Schmiermittel, in und auf welchem sich die Decken bewegten. Die Triasdecke des Rätikon ist die gewaltigste aller alpinen Ueberfaltungsdecken. Sie zieht sich vermutlich durch die ganze Länge der Alpen und ist gegen 100 km breit. In Graubünden legt sie sich fast überall auf den Bündnerschiefer oder auf die zerrissenen Rudimente und basischen Eruptivgesteinsbrocken der Falknisdecke, östl. des Rhein dagegen auf die hier abgesunkenen Glarnerdecken. (Heim, Arnold. Zur Kenntnis der Glarner Ueberfaltungsdecken. Berlin 1905).
II. Als Plessurgruppe
bezeichnet man das Gebirge, das vom Prätigau, dem Wolfgangpass (Klosters-Davos), Landwasser- oder Davoserthal, untern Albulathal, Domleschg und Churer Rheinthal (Reichenau-Landquart) eingeschlossen ist. Es zerfällt durch die Tiefenlinien Plessurthal-Strelapass und Churwalden-Lenzerheide, die hinter Chur rechtwinklig aufeinanderstossen, in drei natürliche Gruppen:
1) die Hochwangkette einschliesslich dem kleinen Totalp-Casannagebiet zwischen Schanfigg und Prätigau;
2) die Stätzerhornkette zwischen Churwalden-Lenzerheide und Domleschg;
3) das zentrale Plessurgebirge, alles übrige umfassend in dem Dreieck zwischen Schanfigg-Strela, Landwasser-Albula und Lenzerheide-Churwaldenthal. Die beiden ersten Gruppen sind, abgesehen von dem kleinen Totalp-Casannagebiet, geologisch und orographisch wenig gegliedert und zeigen die sanft geneigten, gerundeten Formen des Flysch, ähnlich den südl. Vorbergen des Rätikon. Im zentralen Plessurgebirge dagegen finden wir die grösste Mannigfaltigkeit der geologischen Verhältnisse (in Gesteinsmaterial und Tektonik) und der äussern Formen. Es herrschen da die jäh und steil aufragenden, kahlen, zerrissenen Wände des Kalk- und Dolomitgebirges oder die zwar ruhigern, aber imposanten Formen krystalliner Massen.
Die Hochwangkette im engern Sinn reicht östl. nur bis ans Fondeithal und den Duranna-, resp. Casannapass (2124 und etwa 2240 m), welch' letztere Langwies im Schanfigg mit Konters, resp. mit Serneus oder Klosters im Prätigau verbinden. Das Stammstück dieses Gebirges vom Hochwang (2535 m) bis zum Mattlishorn (2464 m), zwei ausgezeichneten Aussichtspunkten, ist nur etwa 8 km lang. Es fällt mit steilen, terrassierten und von zahlreichen engen Tobeln durchschnittenen Rasenhängen nach S. ab, ¶
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während nach N. einige Seitenketten abzweigen, zwischen welchen das Fiderisertobel, das Jenazertobel und das Valzeinathal eingegraben sind, die als enge Schluchten ins Hauptthal münden, weiter hinten zum Teil sich verzweigen und schöne Alpweiden enthalten, wie die Fideriser Heuberge und die Alpen hinter Furna. Die westlichste und längste Seitenkette reicht vom Hochwang bis zur Prätigauer Klus, wo sie mit glatter Wand steil abbricht. Auch dem Rheinthal wendet sie meist steile und von engen Tobeln durchschluchtete Hänge zu. Die südl. Fortsetzung davon bildet der vom Hochwang gegen Chur vorspringende kurze Zweig des Montalin (2263 m). Der zweite der nördl. Seitenzweige ist an seiner Wurzel ganz schmal, verbreitert sich aber nach N. allmählig so sehr, dass er zwischen den Mündungen des Schranken- und des Furnerbaches mit einer etwa 8 km breiten Stirn, dem Landquartberg, abbricht.
Die zwei noch übrigen Zweige sind kürzer, enthalten aber die weit gegen das Prätigau vorspringenden Gipfelpunkte des Glattwang (2380 m) und Kistenstein (2478 m). Die ganze Hochwangkette ist ein typisches Flyschgebirge mit all' den guten und schlimmen Seiten eines solchen: den sanften, breiten, fast durchweg in grüne Alp weiden gekleideten Formen in der Höhe, den glatten Schieferwänden, steilen Waldhängen und zahllosen Tobeln, Schluchten und Runsen, aus welchen oft verderbliche Rüfen hervorbrechen, in den untern Sockelpartien.
Der Hochwangkette völlig gleichgeartet ist die Stätzerhornkette, die sich in südl. Richtung in einer Länge von etwa 18 km und einer grössten Breite von 9 km von Chur bis zur Schynschlucht zieht. Vom übrigen Plessurgebiet wird sie getrennt durch das Thal von Parpan (Churwalden-Lenzerheide), einen abgestorbenen Teil des alten Ostrheinthales aus der Zeit, da der aus dem Oberhalbstein kommende Ostrhein noch hier durchfloss, bis ihn ein Seitenbach des Westrhein durch den nun umso rascher sich vertiefenden Schyn ablenkte.
Bei Parpan haben wir also eine Thalwasserscheide, von der einerseits die Rabiusa nach N. zur Plessur, andererseits der Heidbach nach S. zur Albula abfliesst. Gegen diesen Thaltorso fällt die Stätzerhornkette mit mässiger Steilheit ab, steiler dagegen nach W. gegen das Domleschg. Doch finden sich auch hier zwischen der Gipfelregion und den untern Steilhängen sanfter geneigte Partien mit weitausgebreiteten Alpweiden, die wie im Hochwanggebiet bis auf die Kämme und Gipfel reichen.
Auf hohen Terrassen liegen die Dörfer Feldis, Scheid, Trans und mehrere kleinere Weiler. Im nördl. Abschnitt dieses Bergzuges stösst der Fuss des Steilabsturzes unmittelbar an den Hinterrhein, weiter südl. dagegen legt sich dazwischen die dörferbesäte, wohlangebaute Terrassenlandschaft des Domleschg. Als Gipfel, die jedoch nur wenig über den Hauptkamm sich erheben, sind zu nennen die Spontisköpfe (1839 m), der Dreibündenstein (2176 m), der Faulenberg (2578 m), das Stätzerhorn (2576 m), der Piz Danis (2508 m), der Piz Scalottas (2328 m) und der Crap la Pala (2152 m).
Wesentlich von diesen zwei Schiefergebirgen verschieden ist die kleine Totalp-Casannagruppe, die nur ihrer Lage wegen mit der Hochwanggruppe vereinigt wird, ihrem ganzen Charakter nach aber besser zum zentralen Plessurgebirge gehört. Ihr geologischer Bau ist ein äusserst verwickelter, und es beteiligen sich daran die verschiedenartigsten Gesteine. Den grössten Raum nehmen Triasgesteine (Kalke und Dolomite) und Serpentin ein. Aus jenen vor allen sind Casanna (2561 m), Weissfluh (2836 und 2818 m) und Schiahorn (2713 m) aufgebaut, aus Serpentin dagegen besteht die düstere Totalp und das Totalp-Schwarzhorn (2672 m). Zu diesen Hauptgesteinen kommen Granit, Gneis, Verrucano, Rauhwacke, Gips, Sandsteine, Quarzite etc. aus verschiedenen Formationen.
Auch mancherlei Mineralien finden sich darin, wie Kupfer- und Schwefelkies, Eisenoxyd etc. Arn N.-Hang der Casanna und des von ihr über die Cotschna nach O. streichen, den Rückens finden sich noch die Mündungen von Bergwerksstollen, aus denen einst wahrscheinlich Eisen und Blei gefördert wurden. Die Sage erzählt auch von reicher Goldausbeute. Eigentümlich ist diesem Gebirgsabschnitt eine auch in der Strelakette wiederkehrende Längsdepression, durch welche die Gipfelregion in zwei Züge geteilt wird.
Der längere Zug streicht von der Casanna über das Schwarzhorn zum Schiahorn, der kürzere bildet die Weissfluh und das Haupterhorn (2580 m), vom erstern getrennt durch die Depression zwischen Weissfluh und Schwarzhorn, die nach S. ins Haupterthäli, nach N. ins Obersässthäli übergeht. Von der Weissfluh springt ein langer Sporn über Zähnjefluh (2688 m) und Stelli (2628 m) nach W. gegen Langwies vor. Weissfluh, Casanna und Schiahorn sind viel besuchte Aussichtsberge.
Das zentrale Plessurgebirge zerfällt selber wieder in drei orographisch gut unterschiedene Glieder: 1. Die Gruppe des Aroser Rothorns, zum Teil aus zentralmassivischen, zum Teil aus Sedimentgesteinen zusammengesetzt. Sie bildet einen schöngeschwungenen, nach W. geöffneten Bogen um die Alp Sanaspans und umfasst die Gipfel Parpaner Rothorn (2870 m), Aroser Rothorn (2985 m), Piz Naira (2872 m), Piz Musch (2694 m) und Lenzerhorn (2911 m). Von den zwei letztern springen noch der Piz Mulein (2579 m) und der Piz Linard (2770 m) nach SO. vor. Da ferner ein Kamm vom Lenzerhorn nach NW. und ebenso einer vom Parpaner Rothorn nach SW. streicht, so erscheint der ovale Zirkus von Sanaspans rings geschlossen. Nur eine enge Rinne erlaubt seinem Bach den Austritt nach W., ihn dabei zu einem hübschen Wasserfall zwingend. Ein Anhängsel an diesen Zirkusbogen ist die Kette des Erzhorns (2922 m), die vom Aroser Rothorn bis zum Schafrücken (2378 und 2493 m) nach NO. streicht. Von diesen Gipfeln sind namentlich das Aroser Rothorn und das Lenzerhorn bündnerische Aussichtspunkte ersten Ranges. 2. Die Strelakette verknüpft ¶