mehr
Typen schweizerischer Bauart.
.
Brustfleck, sowie das schwarze Brüchli werden mit Flitterplättchen etwas bestickt. Solch' einer schwarzen Tracht sind besonders junge Leute bald überdrüssig, die abwechslungsreiche Mode gefällt besser und die so viel Geld kostende Tracht wird nicht mehr angeschafft. Die schwarze Tracht ist die letzte Stufe vor dem gänzlichen Abgang. Die bunte «alte» Tracht ist blos Festtracht. Wir haben also in den Volkstrachten eine Erscheinung, die durchaus nicht, wie die allgemeine Auffassung meint, eine Jahrhunderte lang unverändert getragene Kleidung war, sondern eine ziemlich rasch vorüberziehende Mode.
Die Männertrachten zeigten in der ganzen Schweiz eine grosse Uniformität. Nur wenige Gegenden behaupteten eine typische Tracht. Das Hemd hatte schon am Ende des 18. Jahrhunderts seinen Kranzkragen oder «Kröss» verloren und statt dessen ein «Brisli» oder einen hohen Kragen, den «Vatermörder», erhalten. Leinene «gekratzte» (feingefältelte) «Flotter- oder Pluderhosen» wurden vorherrschend. Das waren Abkommen der Landsknechthosen des 16. Jahrhunderts. Sie reichten bis zu den Knien herab und nur knapp über die Hüften herauf.
Ihr Festsitzen war oft mit Schwierigkeiten verbunden, da es damals noch keine Hosenträger gab. Sie besassen auch keine Knöpfe; Bändel oder Schnüre hielten sie zusammen. Das Schweizerische Landesmuseum besitzt aus dem Kanton Bern, wo die Leute bekanntlich meist gross und stattlich sind, Originale solcher Kniehosen, die eine Höhe, resp. eine Länge von nur 60 cm haben. Erst die breiten «Latzhosen» bekamen Knöpfe und waren aus Leder, Samt oder Wollenstoff, allenfalls auch aus Leinen hergestellt.
Rote Westen wurden überall getragen, zuerst lange, dann kurze. Bis heute haben sich die letztern bei den Sennen im Toggenburg und in Appenzell I. R. erhalten. Die «Röcke» erhielten um etwa 1700 die Form mit langen Schössen. Vielfach dienten Metallknöpfe als Verzierung. Vorherrschend waren die Röcke aus grober Leinwand oder Zwilch verfertigt, aber auch in hellerem oder dunklerem Wollenstoff - grau, blau oder rostigrot - beliebt. Sehr oft vertrat der «Lender» die Stelle des Rockes.
Das war eine Art Weste mit oder ohne Aermel. Ein anderes merkwürdiges Kleidungsstück hatte sich im Aargau als Tracht kurze Zeit festgesetzt. L. Vogel bezeichnet es in einer Skizze als «ältere Tracht», Reinhardt bildet es ebenfalls ab, und das Historische Museum in Bern besitzt ein Original, das mit der Jahreszahl 1733 bestickt ist. Diese Form stammt, wie die Flotterhosen, von den Landsknechten her, also aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Der Kittel war aus grober, ungebleichter Leinwand, der Rücken mass nur 16 cm in der Höhe. Die Schuhe, auch die Frauenschuhe, waren ausgeschnitten und hatten auf dem Fussrist einen mit Löchlein verzierten Ueberschlag, die «Lasche», von rotem oder schwarzem Leder. An diese Stelle setzten sich später die Schnallen. Als Kopfbedeckung dienten breitrandige hohe oder kleine flache Filzhüte, später Dreispitze, Zipfelmützen und verschiedene Arten von Kappen.
Leinene Flotterhosen mit angesetzten Strümpfen aus gleichem Stoff, weissleinene «Schossröcke» und rote Westen wurden im Wehnthal am längsten, bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus getragen. Dieser Anzug war so stabil geblieben, dass er zur typischen Wehnthalertracht geworden ist. Typisch waren auch die Hallauer gekleidet. Sie gingen vorherrschend in schwarzen gekratzten Zwilchhosen und Kittel, dessen Schnitt denjenigen der Pfarrer und Prädikanten aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts nachahmte, wie wir es bei Reinhardt sehen.
Eigentümlich sind die Hosenträger, welche über die Weste lagen. Im Jahr 1854 soll der letzte Mann, der den Pluderhosen treu geblieben, gestorben sein. Während sich die Toggenburger mit einer gestickten roten Weste und einem bunten Strauss am Hut begnügen, kleiden sich die Sennen Innerrodens in einen schmucken Anzug. Ihre Tracht, wenn sie zur Alpfahrt ausziehen, besteht aus einem Hemd, auf dessen Brust weiss gestickte Kühe zu sehen sind, und aus gelben, eng-anschliessenden ledernen Kniehosen, deren Träger mit Kuhfiguren aus blankem Messing verziert sind. Dazu wird ein buntes Tuch umgegürtet. Die Weste ist rotwollen und mit silbernen Knöpfen besetzt. Auf dem Hut befinden sich Blumen und Silberschnalle. Im Ohr hängt das Sennenzeichen, der vergoldete Sennenschöpflöffel, und im Mund steckt die silberbeschlagene Tabakpfeife.
Im Kanton Bern und in Freiburg haben sich allmählich kurze Puffärmel an den Lender der Sennen festgesetzt; dieser selbst ist zu einem schwarzen Samttschoppen geworden. Kniehosen werden keine mehr getragen.
In den Urkantonen und in Glarus bedienen sich auch heute noch die Heuer eines weissen Hemdes, das mit einer Kapuze versehen ist. Sie schützen die Füsse durch sog. «Holzböden», d. h. mit sehr grossen Nägeln besetzte Sandalen aus Holz. Lederriemen dienen zur Befestigung.
In Unterwalden wurden die enganschliessenden «Latzhosen» getragen, ebenfalls sehr kurz. Der breite Latz war auf beiden Seiten bestickt. Die breiten Ledergürtel scheinen mehr als Leibschmuck, als gerade zum Halten der Hosen gedient zu haben, denn gewöhnlich ist das Hemd zwischen beiden handbreit sichtbar. Ob die Männer nur bei gewissen Anlässen, wie das im Lötschenthal vorkommt, Frauenhüte aufsetzten, oder ob das allgemeine Tracht war, ist noch nicht festgestellt. Die heute so beliebten bestickten Blusen sind eine erst seit kurzer Zeit aufgekommene Mode. Dass die Burschen stets ein künstlich gemachtes Edelweiss auf den Hut stecken, ist merkwürdig. Jeder hat doch auf seinen Bergen schon echte gepflückt, die, wenn sie gepresst sind, sich jahrelang halten.
Ueberall trugen die Männer zu den Leichenbegängnissen grosse schwarze Mäntel; auch die Frauen bedienten sich, z. B. in Freiburg, einer eigenen Trauerkleidung, während die Frauen anderwärts nur gewisse Abzeichen trugen, so in Appenzell I. R. die «Stuche», ein langes weisses Tuch, das in die Flügelhaube («Schlappe») eingeheftet wurde und über den Rücken hing.
Im Gegensatz zu der Uebereinstimmung der Männertrachten bieten die ¶
mehr
Frauentrachten eine überaus grosse Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit. Meistens genügt ein einzelnes Stück, um die ganze Tracht zu bestimmen, so sehr ist ihnen der Stempel der Originalität aufgeprägt.
Jede Tracht hat z. B. ihr ganz bestimmtes «Schappel» d. h. Hochzeitskrone. Die höchste ist diejenige von Hallau, sie misst in der Höhe bis 28 cm; die kleinste gehört ins Haslethal und misst 3 cm im Umfang, sowie 8 cm in der Höhe.
Ebenso ausgeprägt ist der Schmuck. Nur zur Freiamttracht gehörten Gürtel aus versilbertem Kupferdraht, mit farbigen Glassteinen besetzt; nur zur Freiburgertracht das riesige silberne «Agnus Dei», d. h. der Anhänger, u. s. w. «Gekratzte Jüppen» hiessen die Röcke, welche in ganz enge, kleine Falten gepresst und an das Mieder festgenäht waren. Solche wurden im Wehnthal und Knonaueramt, in Hallau, im Freiamt, in Appenzell, Solothurn, Freiburg, Guggisberg und Basel getragen.
Aber jede Jüppe ist ihrer Herkunft nach leicht zu bestimmen. Im Wehnthal waren sie aus schwarzem, im Knonauer Amt aus blauem Zwilch verfertigt. In Hallau hatte man erst ausschliesslich grüne Jüppen, an denen man unten im Saum die roten breiten «Endi» sichtbar werden liess. Im Freiamt waren die Jüppen ans zwei verschiedenen Farben quer durch zusammengesetzt. Die spätern schwarzen Röcke hatten oben an der Taille rote Wollenbänder aufgesetzt. In Appenzell bestehen sie seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts aus feinem Wollenstoff und sind nie am Mieder angenäht.
Die Freiburgerjüppen sind aus feinem roten oder schwarzen Wollenstoff ohne Saum verfertigt; die roten haben gelbseidene Bänder aufgesetzt. Die Basellandschäftlerinnen legten den schon gefältelten Stoff nochmals in tiefe Falten. Sogar viele «Fürtücher» oder Schürzen sind sofort zu kennen, ebenso die Brusttücher und Göller. Schwarz war die Farbe der Mädchen, weiss die der Frauen. Schwarze oder farbige Göller trugen die Ledigen im Wehnthal, weisse die Verheirateten schwarze Flügelhauben die Mädchen in Schwyz, weisse die Frauen.
Die Kantonsgrenzen sind nicht massgebend für die Verbreitung der Trachten, sondern die Bodengestaltung, die für sich abgeschlossene Gegend. So haben wir bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine Luzerner- oder Zugertracht, sondern die des Freiamtes, welche das ganze Thal der Reuss beherrschte, also einen Teil des Aargaues, dann ein Stück von Zug und über Luzern hinauf noch das Entlebuch umfasste. Die Wehnthalertracht reichte von der Mündung der Limmat bis gegen Zürich hinauf.
Eine andere Zürchertracht breitete sich über das Rafzerfeld aus, während die dritte nur im Knonaueramt zu finden war. Im Thurgau, St. Gallen und Appenzell wurden die Trachten nur von der katholischen Bevölkerung festgehalten, während die Reformierten dieselben früh ablegten. Aehnlich war es in Freiburg, wo nur die deutschsprechenden Katholiken ihre typische Tracht hatten, die Welschen aber, die Haarfrisur und den Hut abgerechnet, mit der herrschenden Mode schritten.
Im Kanton Bern weisen das Simmenthal und das Haslethal mit dem Hasleberg zusammen ihre speziellen Trachten auf. Die Gegend um Guggisberg herum hatte ihre eigene Tracht, ebenso auch das Seeland; der Aare entlang bis zu ihrer Mündung im Aargau hinunter herrschte wieder eine andere Tracht.
Die interessanteste, wenn auch nicht die sich am schönsten präsentierende Tracht der Schweiz ist diejenige von Guggisberg. Die Jüppe reichte kaum bis auf die Knie herab, und die Strümpfe stiegen nur knapp über die Waden herauf, so dass die Knie nackt und sichtbar blieben. Dies mag der Grund dafür gewesen sein, dass die Tracht schon in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts gänzlich abgelegt wurde. Glücklicherweise besitzen das Schweizerische Landesmuseum, das Historische Museum in Bern etc., sehr gute und vollständige Originaltrachten.
Das Hemd ist auf der Brust handbreit sehr fein und dicht gefältelt, und um den Hals schmiegt sich ein sehr kleines, enges Göller. Die Jüppe ist aus zweierlei schwarzen Stoffen zusammengesetzt. Die obere Hälfte ist Zwilch, die untere grobe Wolle. Das Mieder ist kurz und klein und dennoch aus mehreren Teilen mittels hübscher gelbseidener Zierstiche zusammengesetzt. Die merkwürdige Schürze besteht aus glänzend gesteifter schwarzer Leinwand. Die obere Hälfte ist mit 40 durch den Stoff gezogenen Fäden zusammengezogen und erhält dadurch noch mehr Steifheit. Der Kürze des Mieders wegen wird sie direkt unter der Brust mit zwei Knöpfen an das Mieder angehängt. Da alle Stücke dieser Tracht aus dunkeln, meist schwarzen Stoffen angefertigt sind, hat sie ein unscheinbares Aussehen. Die Braut bekommt höchstens einen kleinen rotsamtenen Brustfleck, von welchem eine bunte Bandschleife herabhängt, die an einem schmalen Glasperlengürtel befestigt ist. Auf den Kopf wurde eine kleine Flitterkrone gesetzt.
Das Gegenstück zu dieser Tracht ist die farbenreiche Bauerntracht des Berner Seelandes: Blau der Rock mit rotem Saum, rot das Mieder, gelb der Vorstecker. Das Mieder bezeugt durch seine hohe, steife Form und den gestickten Vorstecker seine direkte Abkunft von den Patrizierkleidern. Wohl haben wir die reizenden Bilder von Freudenberger von dieser frischen Tracht, aber kein Originalstück scheint erhalten gehlieben zu sein. Die andere Tracht aus der Gegend von Bern, die mehr städtisch war, hat einen dunkeln Rock und ein Mieder aus schwarzem Samt, ferner eine Samtkappe, die von einer in die Höhe stehenden Rosshaarspitze umrandet ist. Diese Tracht wurde nach und nach reich mit silbernen Ketten und Rosetten behängt. Kostbare seidene, farbige Schürzen kamen dazu, und so ist die heutige Berner Festtracht entstanden.
Auf dem Lande zwischen Bern und Thun sah ich im Sommer 1905 die Frauen und Mädchen im Korsett, wie es die Städterinnen tragen, ihre Feldarbeit besorgen - wohl die letzte Erinnerung an das Mieder. Den Simmenthalerinnen verlieh ihre einfache Tracht eine gewisse Eleganz. Sie trugen einen langen, schwarzen Rock mit gleicher Jacke, den Halsausschnitt mit weissen Spitzen gefüllt. Schmuck fehlte. Das grosse schwarze Halstuch war mit breiten Fransen besetzt. Die Haube liess über die Stirne und seitlich bis auf die Schultern eine breite schwarze Spitze hängen.
Im Haslethal und auf dem Hasleberg finden wir heute noch bei ältern Frauen die letzten Stadien einer ganz typischen Tracht. Diese arbeiten heute, wie ehemals, nur mit einem Rock und Hemd bekleidet auf dem Felde; der Rock wird von Trägern, sog. «Bretscheln», gehalten. Höchstens wird bei den Achseln ein gewürfeltes Tuch unter die Träger gesteckt, damit dasselbe über die Brust falle. Dieser Rock ist heute dunkelblau, wie auch der Sonntagsrock, der in eigenartiger Weise aufgeschürzt wird, wobei der rote Saum zu hübscher Geltung kommt. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts bestand der Rock aus weisslichem Wollenstoff und reichte in breiten Falten bis auf den Boden.
Der Saum war schwarz wie das Mieder und das enganschliessende Göller, das den richtigen Namen «Würgetli» führt. Sehr interessant ist das Filzkäppli, das zwischen den Zöpfen sass. Die Patrizierinnen trugen im 17. Jahrhundert die gleiche Form über weisse Hauben aufgesetzt. Ein ähnliches Hütli muss auch laut Bildern bei der Freiburgertracht und ein verwandtes in Hallau üblich gewesen sein; leider findet sich aber, so viel mir bekannt, kein einziges Original mehr vor. Zur Hochzeit oder als Taufpatin steckte man auf dieses Hütli, «Hirzi» genannt, das «Kränzli», d. h. die kleine Flitterkrone. Nicht unerwähnt darf der noch hie und da getragene Strohhut bleiben, der mit seiner breiten und gerade aufsteigenden Kopfform von den übrigen Hutformen mit breitem Rand abweicht.
Die katholischen Freiburgerinnen liebten neben schwarzen noch vorzugsweise rote «Jüppen». Das Mieder besteht ebenfalls aus rotem Tuch. Statt der Hemdärmel sind enge rote Aermel einer Unterjacke sichtbar. Ueber dem buntfarbigen Brusttuch hängt an silberner Kette, wie wir gesehen, ein riesiges silbernes Medaillon. Das Göller ist von schwarzem Samt, und darüber liegt ein dreifacher blauer Radkragen, wie ihn die Patrizier bis Ende des 17. Jahrhunderts getragen haben. Diese Tracht hat keine grossen Veränderungen erlitten, wird aber nur noch bei Prozessionen oder Kirchenfesten angezogen.
Im benachbarten Pays d'Enhaut wurden einfache Mieder getragen, auf dem Kopf eine schwarze Haube, auf welcher wiederum ein Hut sass, der auf der runden ¶