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Grossindustrien wird man sich heute etwa folgendermassen zu denken haben:
Im Ganzen dürfte der industrielle Export der Schweiz im Jahr 1906 nahe an die 800 Mill. Franken ausmachen. Noch weit höher steht natürlich die industrielle Gesamtproduktion für das In- und das Ausland. Die Schweiz ist damit zur Zeit auf einem Höhepunkt ihrer industriellen Entwicklung angelangt. So hohe Ziffern werden vielleicht in manchen Fällen nicht so bald wiederkehren. Gründlich verfehlt wäre es aber, dem industriellen Fortschritt und der starken industriellen Expansion der Schweiz entgegentreten zu wollen.
Denn auf keinem Gebiete gilt heute so sehr, dass Stillstand gleichbedeutend ist mit Rückschritt. Was die Schweiz von den ihr erreichbaren industriellen Absatzmöglichkeiten im In- und Ausland nicht für sich gewinnt, dessen bemächtigt sich die ausländische Industrie, um es nicht mehr loszulassen. Für die Schweiz gilt es vielmehr, ihre starke industrielle und Exportstellung auf jede Weise auszunutzen und unaufhörlich zu mehren nach dem grossen Gesetz alles Fortschritts: Wer da hat, dem wird gegeben.
[Dr T. Geering.]
B. Mineralprodukte, Steine, Erden und Erze.
Die Schweiz gilt als eines der an Schätzen des Mineralreiches am besten ausgestatteten Länder, und zwar sowohl mit Bezug auf den rein wissenschaftlichen Standpunkt als auch mit Hinsicht auf die industrielle Verwertung dieser Schätze. Trotzdem muss betont werden, dass der Abbau von Erzen bisher in den meisten Fällen nur wenig ermutigende Ergebnisse gezeitigt hat. Unsere Aufgabe besteht an dieser Stelle darin, zunächst einen Gesamtüberblick über die Mineralien der Schweiz zu geben und dann die Art und Weise zu erörtern, wie dieselben für Gewerbe und Industrie nutzbar gemacht werden.
1. Mineralien der Schweiz.
Eine vollständige Beschreibung und Aufzählung aller Mineralien der Schweiz würde einem eigentlichen Grundriss der Mineralogie gleichkommen und kann daher an dieser Stelle nicht in Betracht fallen. Wir beschränken uns vielmehr auf die unerlässlichsten Angaben über die wichtigsten Mineralien unseres Landes und einige historische Notizen über ihre erste Auffindung.
Von sehr alter Zeit her sind verschiedene Gebiete der Schweiz, namentlich die Alpen, durch das häufige Vorkommen von anderwärts seltenen Mineralien oder durch die ausserordentlichen Grössenverhältnisse der Kristalle berühmt gewesen. Der hauptsächlichste Wert der Mineralien als solcher liegt eben gerade in den auffälligen Kristallformen, ihrem Glanz und den grossen Dimensionen einiger derselben. Fundstellen von Edelsteinen (z. B. für wertvolle Schmucksachen) gibt es in der Schweiz kaum; so findet man weder Smaragden, noch Türkisen, noch edlen Opal etc. Dagegen verfügen wir über einige sog. Halbedelsteine, die in ziemlich grossen Mengen auftreten, während wieder andere Mineralien dadurch Anlass zu einem ziemlich intensiven Handel geben, dass sie von den unsere Berge besuchenden fremden Touristen als Andenken angekauft werden.
Endlich sind verschiedene Teile der Alpen auch durch ihren Reichtum an Mineralien, die in wissenschaftlicher Hinsicht grosses Interesse bieten, zu Weltruf gelangt, so z. B. das Gotthardmassiv, das Saas- und Nikolaithal, das Simplongebiet und das Binnenthal. Die Funde dieser Kategorie geben ebenfalls zur Entwicklung eines ziemlich lebhaften Handels Anlass, und gewisse Mineralien von besonderer Kristallform oder eigenartiger chemischer Zusammensetzung erzielen sogar ziemlich hohe Preise.
Bei der nachfolgenden Zusammenstellung der für unsere Zwecke hauptsächlich in Betracht kommenden Mineralien hat uns in erster Linie das ausgezeichnete Werk von Prof. Kenngott (Die Minerale der Schweiz, nach ihren Eigenschaften und Fundorten ausführlich beschrieben. Leipzig 1866) als Führer gedient.
a) Quarz. Der Quarz verdient sowohl wegen seines häufigen Vorkommens, als wegen der Schönheit und der oft gewaltigen Dimensionen seiner Kristalle an erster Stelle genannt zu werden. Der Ruhm der Quarzkristalle der Alpen geht bis ins Altertum zurück, indem sie schon von Plinius erwähnt werden. Der Reiz dieses Minerales liegt hauptsächlich in der Kristallform, die ein oben zu einer Pyramide zugespitztes, regelmässiges hexagonales Prisma darstellt, sowie in der an Abwechslung reichen Färbung der Kristalle.
Dazu gesellt sich das grosse Interesse an den zahllosen Variationen, denen die äussere Gestalt der Kristalle unterworfen sein kann. Der gewöhnliche Quarz ist eine milchig-trüb durchscheinende, glasige Masse, die als Füllmittel von Klüften und zwar oft in der Form von mehreren Meter mächtigen Adern und Gängen in den allerverschiedensten Gesteinsformationen auftritt. Kristallisiert, durchsichtig und wasserhell heisst er Bergkristall, der das bemerkenswerteste und in der Tat auch am meisten beachtete Mineral der Alpen darstellt.
Ist er farblos, so heisst er Bergkristall (im engern Sinn), erscheint er mehr oder weniger braun gefärbt, so trägt er den Namen Rauchtopas (oder Rauchquarz), ist er schwarz, so nennt man ihn Morion, und zeigt er violettblaue Farbe, so kennt man ihn als Amethyst. Alle diese Abarten des Bergkristalles umschliessen oft eine ganze Reihe von weiteren Mineralien, wie namentlich Rutil (Piz Aul in Graubünden), Glimmer, Eisenoxyd (Hämatit), Hornblende, Turmalin, Eisenglanz, verschiedene Feldspäte etc. Hauptfundstellen von Bergkristall sind das Oberwallis (Binnenthal), sowie das Gotthard- und das Aarmassiv. Hier hat man die zahlreichsten und grössten Quarzkristalle aufgefunden, so namentlich 1719 am Zinkenstock, 1868 am Galenstock und über dem Tiefengletscher, von welch' letzterer Stelle die grössten bekannten Rauchtopasindividuen der Welt (Gewicht des grössten Kristalls 127 kg) stammen (vergl. den ¶
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Art. Kristallhöhle). Quarzkristalle von geringeren Dimensionen sind aber auch in den übrigen Teilen der Alpen keineswegs selten, so dass eine Aufzählung aller Fundorte hier nicht möglich ist. Im Altertum und noch bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts führte man die Entstehung des Bergkristalls auf eine Umwandlung des Eises zurück, indem man diese Hypothese auf die Lage der «Kristallhöhlen» in den höchsten, d. h. den Eisregionen der Alpen gründete. Man darf den Bergkristall mit Rücksicht auf die in der Schweiz gemachten bemerkenswerten Funde als unser «Nationalmineral» bezeichnen, von dem die schönsten Fundstücke ebenfalls in unsern schweizerischen Museen und Sammlungen (Bern, Basel, Zürich, Genf etc.) aufbewahrt werden. Die Bergkristalle fallen besonders durch ihre nadel- oder strahlenförmige Gestalt auf, und die Kristallsucher oder «Strahler» richten ihr Augenmerk hauptsächlich auf Exemplare von besonderem Glanz oder von intensiver Färbung. Der Name «Strahlen» wird in der deutschen Schweiz auch noch anderen gut kristallisierten Mineralien beigelegt.
b) In zweiter Linie nennen wir die Feldspäte, die weder an häufigem Auftreten noch an Grösse sich mit den Quarzkristallen messen können. Doch ist das wissenschaftliche Interesse an den zahlreich gemachten Funden gross. Die Feldspatkristalle haben schon seit sehr langer Zeit die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich gezogen, was z. B. daraus hervorgeht, dass die Adular genannte Abänderung schon 1781 beschrieben worden ist. Neben dem farblosen, durchsichtigen oder durchscheinenden Adular, der sich in aufgewachsenen Kristallen in Drusenräumen (Geoden) findet, tritt auch der mattweisse, rosarote oder grünliche Orthoklas (die gewöhnlichste Form des Feldspates) auf, der als Gemengteil von Graniten und Gneisen wichtig ist. Dem Orthoklas sehr nahe verwandt ist der namentlich aus dem Walliser Binnenthal bekannte hyalophane Feldspat. Aus der Gruppe der Plagioklase verdient an dieser Stelle bloss der Albit (oder Natronfeldspat) eine Erwähnung, weil er sich sowohl in seiner normalen Ausbildung als Albit, wie auch in seiner Periklas genannten Abänderung in verschiedenen Teilen Graubündens, des Tessins, Uri's und im Oberwallis oft in Form von schönen Kristallen vorfindet.
c) Der Epidot (oder Pistacit) ist ein Mineral von hellgrüner oder gelblicher Farbe, dessen Kristalle prismatische oder tafelförmige Gestalt aufweisen. Die bekanntesten Fundstellen sind die Umgebung von Guttannen, das Sustenhorn, das Goms über Fiesch im Oberwallis, das Binnenthal, Nikolai- und Saasthal, die Vallée d'Entremont, der St. Gotthard, das Maderanerthal und verschiedene Gebiete der Bündner Alpen. Seltener finden sich der dem Epidot nahe verwandte Zoisit und der Escherit, der eine weitere Abänderung des Epidotes bildet, jener besonders im Saas- und Nikolaithal.
d) Eines der bemerkenswertesten Minerale der Schweiz ist ferner der Turmalin, dessen prismatisch-hexagonale Kristalle sich durch eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit der Farben auszeichnen und von Hellgrün bis Dunkelgrün, Braun und fast völligem Schwarz variieren. Die bedeutendsten Lagerstätten dieses Minerals finden wir sowohl in verschiedenen metamorphen Sedimentschichten (z. B. den kristallinen Dolomiten der Südflanke des St. Gotthard und des Binnenthales), als auch in den Gneisen und Glimmerschiefern, wo es immer in Form von langen Nadeln erscheint. Während in den Dolomiten die grüne Abart vorherrscht, überwiegen in den kristallinen Schiefern die braunen und schwarzen Farben.
e) Hornblende (Amphibol). Nach der Häufigkeit ihres Vorkommens und einer gewissen Formenanalogie reiht sich dem Turmalin die Hornblende an, die in ihrer bekanntesten Abart als Aktinolith (oder Strahlstein) mit der mehr oder weniger dunkelgrünen Farbe und der büschelartigen Anordnung der prismatischen Kristallstrahlen eines der schönsten Minerale der Alpen darstellt. Der Strahlstein findet sich in den verschiedensten Felsarten, besonders den Amphibolschiefern, den Talkschiefern, dem Serpentin etc. Werden die Aktinolithkristalle sehr fein- und zartfaserig, biegsam und seidenglänzend, so erhält das Mineral die Namen Tremolit, Byssolit und Asbest oder Amianth.
Dieser letztere ist von gewisser praktischer Bedeutung und wird später beim Kapitel Bergbau noch erwähnt werden. Erscheinen die Fasern des Amianth filzartig ineinander verwoben, so bilden sie den sog. «Bergkork». Die genannten Mineralien leiten sich alle vermittels einfacher Abänderungen der Kristallform und der Art der Aggregation ihrer Kristalle, sowie der verschiedenen Menge des in ihnen enthaltenen Eisens von der Hornblende ab und finden sich an denselben Lagerstätten oder doch zum mindesten in der nämlichen Region fast stets zusammen vor. Am häufigsten findet man den Strahlstein und seine Abänderungen im Gotthardmassiv, an der Grimsel, im Haslethal und Maderanerthal, in der Umgebung des Binnenthales, am Simplon und im Saas- und Nikolaithal (Zermatt).
f) Talk. Obwohl vom Strahlstein gänzlich verschieden, findet sich der Talk dennoch oft mit diesem Mineral vergesellschaftet vor, und zwar deshalb, weil sich beide hauptsächlich in den nämlichen Felsarten ausgebildet haben. Der Talk begleitet namentlich den Serpentin und den Ofenstein (Lavezstein) in Gestalt von meist wenig umfangreichen Gängen oder Nestern.
g) Sehr verbreitet sind die Granaten, die aber doch nirgends den Abbau lohnen würden. Wir erwähnen sie daher an dieser Stelle nur aus rein wissenschaftlichem Interesse. Sehr abwechslungsreich ist ihre Färbung, die durch alle Nüancen vom schwach angehauchten Rosarot (in den Glimmerschiefern und glimmerigen Gneisen) bis zum dunkeln Rubinrot (sog. Grossular) und Rotbraun geht. Einige Granaten, die mit Vorliebe in den metamorphen Tonschiefern auftreten, sind beinahe schwarz und erreichen ziemlich grosse Dimensionen.
Die Granaten sind durchsichtig bis undurchsichtig und umschliessen oft auch andere Mineralien. Ihre Farbe wird bestimmt durch das Vorhandensein und die Art der Verteilung von Eisen, sowie hie und da auch von einer gewissen Menge von Mangan. Granaten enthalten fast alle kristallinen Schiefer der Alpen (z. B. die Glimmerschiefer und Gneise der Seitenzonen des Gotthardmassives, diejenigen des Simplon und der Penninischen Alpen) und sämtliche metamorphen Schiefer der zwischen die massigen oder schiefrigen Gneise des Tessin, Graubündens und des Wallis eingeklemmten Sedimentzonen, sowie auch zahlreiche Hornblendegesteine.
h) In den nämlichen Felsarten wie der Granat findet sich auch der Staurolith, der oft kreuzförmig verwachsene Kristallgruppen oder dann einfache Prismen von brauner Farbe bildet, während der seiner blauen Farbe wegen auch Cyanit geheissene Disthen seltener ist und von den Sammlern sehr gesucht wird. Reich an Staurolith und Disthen ist namentlich die Südflanke des Gotthard zwischen dem Nufenenpass und dem Lukmanier. Von weniger häufigen und deswegen sehr gesuchten Mineralien nennen wir noch den Axinit des St. Gotthard mit seinen gelblich-braunen (nelkenbraunen), durchsichtigen Kristallen, den Idokras (oder Vesuvian) des Saas- und Nikolaithales, den Andalusit Graubündens, den Korund und Diaspor von Campolongo (am St. Gotthard) und das Chloritoid des Saasthales.
i) Der Chlorit ist eines der verbreitetsten Minerale und an seiner grünen Farbe, sowie seinen hexagonalen Blättern leicht zu erkennen. Oft bildet er auch einen pulverigen Ueberzug auf anderen Mineralien oder Spaltenausfüllungen und wird dann als «Sammeterde» bezeichnet. Man findet den Chlorit in beiden genannten Abarten überall in den kristallinen Alpen.
k) Weit häufiger tritt im ganzen Gebiet der kristallinen Alpen die Gruppe der Glimmer auf, welche Mineralien wie der Chlorit in hexagonalen Blättern kristallisieren, sich jedoch durch ihren Silberglanz oder ihr glänzendes Goldbraun davon auf den ersten Blick unterscheiden. Leicht kenntlich sind der farblose oder weisse Kaliglimmer (Muskovit und Helvetan) und der braune oder braun-schwarze Magnesiaglimmer (Biotit und Phlogopit). Beide bilden selten Kristalle von grossen Dimensionen. Blätter von der Grösse, dass sie (wie dies in Sibirien der Fall ist) zu Fensterscheiben verwendet werden könnten, sind bei uns noch nicht gefunden worden, doch nennt man vom Gotthard und aus dem Binnenthal Muskovitblätter von bis zu 15 cm Durchmesser.
l) Der Titanit (oder Sphen), ein honiggelbes oder grünliches, durchsichtiges und glasglänzendes Mineral mit ¶