mehr
dieser Zeit können die Ekkeharde und Notkere gelten. Das Christentum im Volke erscheint dagegen noch sehr roh und vielfach rein äusserlich, indem viele Bauern neben dem christlichen Glauben immer noch den alten heidnischen Gebräuchen und Göttern huldigten. Die Konzile beschäftigten sich immer und immer wieder mit diesen Missbräuchen, vermochten aber trotzdem nicht, sie völlig auszurotten. Die Missionäre versuchten dagegen das Mittel, an Stelle der heidnischen Feste solche christlicher Art einzuführen.
Mancher im Mittelalter allgemein verehrte Brauch lässt sich auf die heidnischen Praktiken der alten Barbaren zurückführen, so z. B. der in allen Bevölkerungsschichten eingewurzelte Glaube an guten oder bösen Einfluss der Gestirne und Himmelserscheinungen. So charakterisieren sich jene Zeiten durch die Unregelmässigkeiten in der Wahl der kirchlichen Würdenträger und den daraus sich ergebenden Zerfall, durch die Uebergriffe der obern Klassen und durch das wirtschaftliche Elend als recht traurige.
Mitten in dieser allgemeinen Zersetzung äusserte sich das religiöse Gefühl durch die Stiftung eines neuen Mönchsordens, der dank seiner strengen Zucht im 10. und 11. Jahrhundert zu grosser Bedeutung kam. Wir meinen den Orden der Cluniacenser. Das im Jahr 909 zu Cluny bei Mâcon gestiftete Kloster suchte der damaligen Ausartung des Benediktinerordens dadurch zu steuern, dass es die strenge Disziplin, die einst auf dem Monte Cassino geübt ward, in ihrer ganzen Herbheit wieder einführte und damit eine wirkliche Kirchenreform in Angriff nahm, die bald auch in andern geistlichen Stiftungen Eingang fand.
5. Die Herrschaft derer von Rheinfelden in Schwaben und Burgund.
Das transjuranische Burgund und Schwaben (oder Alemannien) hatten natürlich bald unter den Wirren zu leiden, die durch das Wanken der deutschen Kaiserherrschaft in unserm Land zum Ausbruch kamen. Mit dem Tod Kaiser Heinrichs III. fiel die Krone im Jahr 1036 an seinen damals bloss sechsjährigen Sohn. Während der Unmündigkeit dieses Heinrich IV. glaubte die mit der Regentschaft betraute Kaiserin Agnes im Grafen Rudolf von Rheinfelden eine Stütze des Trones gefunden zu haben und übertrug ihm zugleich mit der Hand ihrer Tochter die Regierung über Schwaben und das transjuranische Burgund.
Nachdem Heinrich IV. mündig geworden, brach der berühmte sog. Investiturstreit aus. Die deutschen Fürsten sahen sich von der fränkischen Dynastie zurückgesetzt und übertrugen ihren Hass auf den tyrannischen König, gegen den sie sich verschworen. An der Spitze dieser Opposition finden wir Rudolf von Rheinfelden und seinen Schwiegersohn Berthold II. von Zäringen. Heinrich IV. wurde von der päpstlichen Partei seines Trones verlustig erklärt und ihm Rudolf von Rheinfelden als Gegenkönig gegenübergestellt (1077). «Jetzt begann ein Kampf auf Leben und Tod zwischen den beiden Parteien», deren jede in der Schweiz ihre eifrigen Anhänger hatte.
Geistliche und weltliche Herren stellten sich, nur ihren persönlichen Interessen Rechnung tragend, entweder auf die Seite Heinrichs IV. oder diejenige Rudolfs, je nachdem sie von der Herrschaft des einen oder des andern mehr zu befürchten oder zu erhoffen hatten. Die Bischöfe von Lausanne, Genf, Basel und Konstanz, der Abt von St. Gallen, sowie die Herren von Grandson und Neuenburg erklärten sich zu gunsten Heinrichs IV., während der Herr von Faucigny, die Grafen und Herren von Savoyen, Genf, Kiburg, Wülflingen, Regensberg, Toggenburg und Habsburg, sowie der Bischof von Sitten, der Abt der Reichenau und die Cluniacensermönche für den Papst Gregor VII. und seinen Schützling Rudolf von Rheinfelden Partei ergriffen.
«Furchtbar litt während dieser Zeit das Volk. Feindliche Scharen überfielen die Dörfer, plünderten und verbrannten die Hütten, führten das Vieh weg und verwüsteten die Saaten. Der wehrlose Bauer musste mit Weib und Kind in die Wälder fliehen und wurde durch Hunger und Krankheit hingerafft. Nicht einmal die steinernen Häuser der Edelleute boten Schutz vor den Schrecken des Krieges». Gerade in unsern Landen wurde der Gegenkönig Rudolf von Geistlichkeit und Volk verwünscht, und in Burgund verwüsteten die Bischöfe von Basel und Lausanne seine Besitzungen.
Der Kaiser stellte ihm in Friedrich von Staufen, dem er 1079 das Herzogtum Schwaben gab, einen gefährlichen Gegner gegenüber. Im folgenden Jahr fand Rudolf in der Schlacht zu Mölsen in Sachsen seinen Tod. Doch war damit der Kampf keineswegs zu Ende, indem Rudolfs Sohn Berthold mit Hilfe seines Freundes Welf von Baiern und seines Schwagers Berthold von Zäringen, sowie unterstützt von Mönchen und «Pfaffen», die Hetze gegen Heinrich IV. fortsetzte. Nachdem Berthold, der letzte derer von Rheinfelden, im Jahr 1090 gestorben war, fand die päpstliche Partei in Berthold II. von Zäringen einen neuen und tatkräftigen Führer. Des endlosen Kampfes müde, schlossen nun aber Kaiser und Papst im Jahr 1097 einen Vergleich ab, wonach der ¶
mehr
nördlich vom Bodensee gelegene Teil Schwabens den Staufern verbleiben sollte, während die Zäringer, die bereits Landgrafen des Thurgaues und auch im transjuranischen Burgund begütert waren, den Herzogtitel und die Oberhoheit über die Reichsvogtei Zürich erhielten. Dieser Vergleich führte zu einer dauernden Verschiebung der Machtverhältnisse: die helvetischen Lande wurden von Schwaben abgetrennt, die dieselben mit dem Reich verknüpfenden Bande lockerten sich, und als Folge davon ergab sich eine Steigerung der Macht der lokalen geistlichen und weltlichen Herren. Damit verloren in unserem Land auch die Bezeichnungen «Schwaben» (oder Alemannien) und «Burgund» alle und jegliche politische Bedeutung.
6. Die Zäringer.
Dieses Geschlecht hat seine Wiege in der etwa zwei Stunden nördlich von Freiburg im Breisgau am Fuss des Schwarzwaldes stehenden Burg, deren Ueberreste heute noch sichtbar sind. Die erste bedeutende Persönlichkeit des Geschlechtes ist Berthold I. (der Bärtige); er war ein einfacher freier Mann, wohnte auf dem Schloss Villingen (östlich von Freiburg), heiratete die reiche Erbin der Herzoge von Kärnten und nannte sich 1078 «von Zäringen». Einen zweiten wichtigen Markstein im Emporkommen des Geschlechtes bildete die Heirat Bertholds II. mit Agnes von Rheinfelden. Während des ganzen zwölften Jahrhunderts sollten die Zäringer dann eine durchaus vorherrschende Rolle spielen und eine Art von Königsmacht ausüben. Ihr Auftreten in unserm Land fiel in eine kritische Zeit. Sie gaben den erst schwachen Städten einen kräftigen Rückhalt, indem sie ihnen durch «Handfesten» ausgedehnte Freiheiten und Rechte verliehen. Zugleich gründeten sie eine beträchtliche Zahl von neuen Städten, die dazu bestimmt waren, den Uebergriffen der adeligen Herren vorzubeugen und ihrer eigenen Herrschaft selbst als feste Bollwerke zu dienen. Dem Beispiel Bertholds II., der Freiburg im Breisgau gegründet hatte, folgte Berthold IV. mit der Gründung von Freiburg im Uechtland auf einer festen Halbinsel der Saane (1178). Unter ihm und seinem Sohn Berthold V. entstanden die Mauern und Tore von Moudon, Yverdon, Laupen, Murten, Thun und Burgdorf.
Den würdigen Abschluss dieser Tätigkeit der Zäringer bildete die durch Berthold V. erfolgte Gründung von Bern im Jahr 1191. Konrad von Zäringen, Sohn Bertholds II., war vom Kaiser Lothar von Sachsen mit der Würde des «Rektors», d. h. des Statthalters beider Burgund beliehen worden. Als aber Rainald III., Graf des zisjuranischen Burgund, dem neuen Rektor seine Würde streitig machte, kam es zur Fehde, in welcher die vom Grafen von Savoyen befehligten Truppen Rainalds von Konrad von Zäringen 1133 bei Payerne geschlagen wurden.
Immerhin gelang es Rainald, das zisjuranische Burgund oder «Hochburgund» zu behaupten, das nun den Namen der Freigrafschaft (Franche-Comté) erhielt, während der Titel des Rektors von Burgund sich von Konrad von Zäringen auf seinen Sohn Berthold IV. und seinen Enkel Berthold V. forterbte. Dieser letztere erfreute sich einer so hohen Achtung, dass ihm in dem nach Heinrichs VI. Tod ausgebrochenen Kampf zwischen Ghibellinen und Welfen von diesen die Königswürde angetragen wurde, die er aber ablehnte.
Nun tritt mit den Grafen von Savoyen ein neues Geschlecht auf den Plan, das aus der Maurienne stammte und sich bereits das Chablais, das Unterwallis und das rechte Ufer des Genfersees bis zur Vevevse zu eigen gemacht hatte. Auf den Ruf des Grafen Thomas I. von Savoyen bemächtigten sich die welschen Edelherren des Schlosses Chillon, sowie der Städte Moudon und Romont, wo nun der zäringische Adler und Löwe dem ¶