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Sektion des internationalen Vereins der Freundinnen junger Mädchen zählt über 300 Mitglieder, unterhält mehrere Stellenvermittlungsbureaux und besorgt das Bahnhofwerk in Lausanne, wo sich eine Agentin der alleinreisenden Mädchen annimmt und sie in sichere Herbergen geleitet. In Lausanne und Montreux bestehen je ein Dienstbotenheim. Der Frauenverein Vevey (Association de patronage des dames de Vevey), eine Sektion des schweizerischen Verbandes für Mädchenschutz und zur Hebung gefallener Mädchen, entwickelt eine rege Tätigkeit und leitet eine Anstalt für Gefallene, eine Haushaltungs- und Dienstbotenschule, ein Stellenvermittlungsbureau für Dienstboten und Lehrerinnen, eine Nähschule, ein Marthahaus für stellen- und obdachlose Frauen und Mädchen.
Sie bestellt ferner eine Schutzaufsichtskommission für entlassene weibliche Sträflinge. Die Zentralkommission des Schutzaufsichtsvereins für entlassene Sträflinge, die ihren Sitz in Lausanne hat, arbeitet an der Hebung ihrer Schutzbefohlenen, verschafft ihnen Arbeit und sucht ihnen den Wiedereintritt in die Gesellschaft zu erleichtern. In Nyon besteht seit 1827 ein Asyl für junge Mädchen, in Échichens eine Erziehungsanstalt für sittlich verwahrloste Knaben.
f) Den Kampf gegen Trunksucht und Unsittlichkeit führen in der Waadt zahlreiche Vereine und Gesellschaften, von denen folgende genannt sein sollen: das Blaue Kreuz, die Gesellschaften, «Espoir» und «Avenir», der Guttemplerorden, die Waadtländer Sektionen des schweizerischen und des internationalen Alkoholgegnerbundes;
der Verein vom Weissen Kreuz und die Waadtländer Kommission zur Bekämpfung der unsittlichen Literatur.
g) Altersfürsorge; auf Gegenseitigkeit beruhende Fürsorge. Durch Gesetz vom ist eine kantonale Waadtländische Altersversicherungskasse gegründet worden, deren Mitgliedschaft fakultativ ist. Ferner besteht eine Versicherungskasse für Schulkinder, die sich durch regelmässige Einlagen eine Entschädigung im Fall von Krankheit sichern. Neben der kantonalen Sparkasse bestehen auch Schulsparkassen und zahlreiche andre Kassen privater Natur.
Hilfskassen haben die meisten der beruflichen Vereinigungen. Zahlreiche Kranken- und Unterstützungsvereine, Sterbekassen, Versicherungskassen gegen Unfall etc., besonders für Arbeiter und Angestellte der Bundesbahnen, der Strassenbahn- und der Dampfschiffahrtsgesellschaften, vieler grösserer und kleinerer Fabriken etc. Religiöse Vereine befassen sich mit der Unterstützung der Angehörigen, bestimmter Konfessionen u. s. w. Eine Aufzählung würde uns zu weit führen.
h) Allgemeines. Neben den Gesellschaften, die sich einem bestimmten philanthropischen Zweck widmen, besitzt die Waadt noch eine grosse Anzahl von solchen mit mehr allgemeinen Zielen, wie wissenschaftliche, Schiess-, Gesang-, Turn und Musikvereine, Militärvereinigungen u. s. f. In mancherlei Beziehung segensreich und hervorragend ist die Wirksamkeit der Waadtländer Gemeinnützigen Gesellschaft (Société vaudoise d'utilité publique). Ferner seien erwähnt der Friedensverein und der Tierschutzverein.
22. Geschichtliche Uebersicht.
In alten Urkunden wird das Waadtland als Pagus valdensis bezeichnet, was s. v. a. «Waldgau» bedeuten und sich auf die zu jener Zeit ohne Zweifel sehr ausgedehnten Waldungen beziehen soll. Nach einigen Forschern soll dieser Name eine von den neuen germanischen Ansiedlern aufgebrachte halb lateinische, halb deutsche Uebersetzung des keltischen Ausdruckes Joria = Wald sein und sich allmählich zu den Formen Vaud und Waadt abgeschliffen haben. Aus der prähistorischen Zeit besitzt der Kanton Waadt Ueberreste aus allen Epochen: ältere und jüngere Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, Hallstatt- und La Tène-Periode.
In den Seen hatten sich die Pfahlbauer angesiedelt. Im Waadtländer Mittelland wohnten die Tiguriner, deren Hauptort Avenches war. Die Rhoneebene von der Mündung des Flusses bis zum Engpass von Saint Maurice hinauf war von den Nantuaten und die Gegend um das W.-Ende des Lemansees von den Allobrogern besiedelt. Zahlreich sind die Ueberreste aus der Zeit der Römerherrschaft und ihrer Zivilisation. Die drei Städte Avenches, Nyon und Tarnajae haben Reste von Tempeln, Palästen und Säulenhallen, ferner Münzen, Kunst- und Haushaltungsgegenstände geliefert. Andere Altertümer verdankt man den Flecken Eburodunum (Yverdon), Lausonium (Lausanne), Vibisco (Vevey), Pennilocus (Villeneuve) und Minnodunum (Moudon). Alte Strassenstücke und römische Meilensteine sind so ziemlich überall zum Vorschein gekommen.
In der Folge haben sich dann zwei germanische Stämme, Alemannen und Burgunder, auf Boden des Waadtlandes niedergelassen. Die Burgunder hatten ihre Wohnsitze in der Sabaudia (Savoyen), d. h. im Gebiet um die mittlere Rhone aufgeschlagen, von wo sie sich nördl. vom Genfersee und über beide Flanken des Juragebirges ausbreiteten. Sie vermischten sich mit der schon vorhandenen gallisch-römischen Bevölkerung, indem sich nun jedes burgundische Familienhaupt mit einem gallisch-römischen Grundherrn in dessen Besitz teilte.
Auf diese Art gingen die schon vorher von der lateinischen Zivilisation ziemlich stark beeinflussten Burgunder auf unserm Boden nun vollständig im Römertum auf. Sie nahmen die gallisch-römische Sprache und Zivilisation an und verzichteten nach einem Jahrhundert auch auf ihr arianisches Christentum, um zum katholischen Glauben überzugehen. Dagegen behielten sie bei ihrer Niederlassung auf unserm Boden ihre politischen Einrichtungen und ihre Könige bei. Das Waadtland bildete nun den Hauptteil des transjuranischen Herzogtums Avenches, während sich von Aubonne bis Genf der Equestergau erstreckte.
Die mit den Burgundern beständig in Fehde liegenden Alemannen hatten sich endlich der Aarelinie zu bemächtigen vermocht. Von hier an fand dann eine allmählige Durchdringung des burgundischen Gebietes mit alemannischen Elementen statt, die sich bis zur Venoge hin geltend machte, aber mit zunehmender Entfernung von der Aarelinie immer schwächer ward. Im ganzen ist der Einfluss der Alemannen auf die Entstehung des Waadtländervolkes gering gewesen. Burgunder und Alemannen gerieten unter die Herrschaft der Franken. Unter den Merowingern und den Karolingern weist die Geschichte des Waadtlandes wenig bemerkenswerte Ereignisse auf. 839 wird der pagus valdensis, d. h. die Gaugrafschaft Waadt zum erstenmal urkundlich erwähnt. Im Jahr 888 liess sich der Weife Rudolf in Saint Maurice zum König des transjuranischen Burgund krönen. Dieses transjuranische Königreich hatte einen Bestand von etwa anderthalb Jahrhunderten (888-1032) und ¶
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in dieser Zeit vier Könige: Rudolf I. (888-912), Rudolf II. (912-937), Konrad (937-993) und Rudolf III. (993-1032). Nach Rudolfs III. Tod gelang dem deutschen Kaiser Konrad dem Salier die Unterwerfung der burgundischen Grossen und die Sicherung von Burgund, das nun dem deutschen Reich angegliedert ward.
Die romanischen Adelsgeschlechter, und zwar im besondern die des Waadtlandes waren stets unruhige und schlecht disziplinierte Untertanen gewesen. Sie hatten unter den ersten burgundischen Königen sich einer grossen Selbständigkeit erfreut, so dass sie dann unter Rudolf III. nur gehorchten, wenn sie es gerade für gut fanden, und sich jedesmal auflehnten, sobald ihnen der König seinen Willen aufzwingen wollte. Besondern Hass weihte dieser Adel deutschem Einfluss und deutscher Herrschaft. Es kam so weit, dass der Waadtländer Adel tatsächlich unabhängig wurde. Schon machte sich aber eine neue Macht, die des Hauses Savoyen geltend.
Die erste Grundlage zur savoyischen Herrschaft über das Waadtland legte Graf Thomas I. Zu dem schon in seinem Besitz befindlichen Chablais, d. h. der Rhoneebene bis Saint Maurice, und dem Schloss Chillon erwarb er 1207 noch Moudon. Seinem Sohn Peter II., dem sog. Kleinen Karl der Grosse, der 1263 Graf von Savoyen wurde, gelang es, sich einer grossen Anzahl von Waadtländer Herrschaften zu bemächtigen und deren Herren seine Oberhoheit aufzuzwingen. Seine Nachfolger setzten das Werk fort: die stolzen Feudalgeschlechter von Prangins, Grandson, Cossonay sahen sich der Reihe nach ihrer Macht entkleidet. So kam es, dass das Waadtland am Ende des 14. Jahrhunderts fast ganz in savoyischem Besitz war. Ein unabhängiges Fürstentum bildete einzig das Bistum Lausanne; Orbe und Échallens gehörten dem burgundischen Haus Châlons; Oron, Aubonne und Coppet standen der ebenfalls unter Savoyens Hoheit befindlichen Grafschaft Greierz zu.
Bald erstand den Grafen von Savoyen ein gefährlicher Gegner in dem mächtigen Geschlecht der Habsburger, dem Erben der Macht der Kiburger, die ihrerseits Erben der Zähringer gewesen. Die Thäler der Broye und Saane wurden nun öfters der Schauplatz blutiger Kämpfe und Verheerungen. Es sei hier die Reihe der auf Peter II. folgenden Grafen von Savoyen gegeben: Philipp I. (1268-1285), Amadeus V., der Grosse (1285-1323), Eduard der Freigebige (1323-1329), Aymo der Friedfertige (1329-1343), Amadeus VI., der sog. Grüne Graf (1343-1383), Amadeus VII., der sog. Rote Graf (1383-1391), Amadeus VIII. (Graf von 1391-1416, Herzog von 1416-1439, dann als Felix V. Papst von 1440-1449). Es folgen nun als Herzoge: Ludwig (1439-1465), Amadeus IX., der Glückselige (1465-1472), Philibert I., der Jäger (1472-1482), Karl I., der Kriegerische (1482-1490), Karl II. (1490-1496), Philipp II., gen. Sans Terre (1496-1497), Philibert II., der Schöne (1497-1504), Karl III., der Gute (1504-1553). Während die grossen Feudalherren der Waadt im 13. Jahrhundert dem Haus Savoyen direkt unterstanden, bildeten der niedere Adel und die Städte die Baronnie de Vaud, die ein Lehen der jüngern Linie des Hauses var. Die beiden Barone der Waadt waren Ludwig I. (1285-1302) und Ludwig II. (1302-1349), worauf das Land wieder an Savoyen zurückfiel. Im 15. Jahrhundert wurde es neuerdings davon abgetrennt und dem Jakob von Savoyen, Grafen von Romont und Baron der Waadt (1465-1476) verliehen. Zu dieser Zeit brachen die Burgunderkriege los, in welche sich das Waadtland mitverwickelt sah, weil sich Jakob von Romont und dann auch die Herzogin Jolanthe von Savoyen, Regentin im Namen ihres minderjährigen Sohnes Philibert I., mit Herzog Karl dem Kühnen verbündet hatten.
Nach den Schlachten von Grandson und Murten (1476) wurde das Waadtland schrecklich verwüstet. Infolge des Freiburger Vertrages und der daran sich anschliessenden Uebereinkünfte fielen Aigle, Bex, Ollon und das Thal der Ormonts der Stadt Bern zu, während Orbe, Échallens, Grandson, Montagny, Murten und (das schon 1423 erworbene) Schwarzenburg gemeinsame Untertanenlande von Bern und Freiburg wurden. Unter Herzog Karl III. (1504-1553) brachen zwischen Bern und Savoyen neuerdings Streitigkeiten aus, weil die mit Bern verbündete Stadt Genf sowohl vom Herzog als vom Waadtländer Adel (dem Bund der Löffelritter) beständig bedroht und belästigt wurde.
Freilich kam es zunächst zu einem Vergleich, der am im Vertrag von Saint Julien und am im Vertrag von Payerne seinen schriftlichen Ausdruck fand. Der Herzog verpflichtete sich für sich selbst und seine Vasallen, Genf von nun an in Ruhe lassen zu wollen. Als Unterpfand sollte das Waadtland gelten. Als aber die savoyische Ritterschaft bald nachher ihre Angriffe auf Genf erneuerte, rüstete Bern seine Truppen und bemächtigte sich im Januar, Februar und März des Jahres 1536 des Waadtlandes, des Pays de Gex, des Chablais bis Thonon, des Schlosses Chillon und der Ländereien des Bistums Lausanne. 1555 teilte Bern mit Freiburg die Grafschaft Greierz auf, von der es das Saanenland und das Pays d'Enhaut für sich behielt.
Bern führte im eroberten Gebiet die Reformation ein. Einzig zehn Gemeinden der Landvogtei Échallens vermochten ihren katholischen Glauben beizubehalten. Die sehr beträchtlichen Kirchengüter wurden von Bern teilweise verkauft und teilweise zu eigenem Nutzen verwendet. Dagegen übernahm der neue Landesherr die Kultuskosten. Savoyen versuchte zu wiederholten Malen, wieder in den Besitz der ihm entrissenen Länder zu gelangen. Karl III. hatte dem Zerfall seines Herzogtums untätig zugesehen.
Sein Nachfolger Emmanuel Philibert (1553-1580) trat in spanische Dienste, nahm Anteil am Siege von Saint Quentin und liess sich im Vertrag von Cateau-Cambrésis (1559) das Herzogtum Savoyen zurückerstatten, das seinem Vorgänger von Frankreich weggenommen worden war. Er benutzte den Anlass, um auch das von Bern eroberte Gebiet wieder zu beanspruchen. Zu dieser kritischen Zeit der Uebermacht der katholischen Restauration in Europa kam Bern seinen mächtigen Gegnern klug entgegen und gab im Vertrag von Lausanne 1564 Gex, Thonon, Ternier und Galliard zurück, wodurch ihm der Besitz des Waadtlandes verblieb.
Herzog Karl Emmanuel (1580-1630) machte noch einen Versuch. Er gewann den Bürgermeister von Lausanne und einige andre Notabilitäten für seine Sache und verpflichtete sie, die Stadt seinen Truppen in die Hand zu spielen. Die Verschwörung misslang jedoch (1588). Der Tod des französischen Königs Heinrich IV. veranlasste einen neuen, ebenfalls vergeblichen Vorstoss Savoyens, worauf dieser Staat endlich mit Bern sich verbündete (1617) und so gutwillig auf das Waadtland Verzicht leistete. Freilich konnten sich die Herzoge nie ohne Hintergedanken in den für sie so schmerzlichen Verlust fügen, indem sie im Verlauf des 17. und sogar noch des 18. Jahrhunderts mehrfach die Möglichkeit erwogen, auf welche Weise sie wieder in den Besitz des Waadtlandes gelangen könnten.
Sobald Bern seiner neuen Eroberung einigermassen sicher sein konnte, begann das Räderwerk einer regelmässigen Verwaltung seinen Umgang. Das Land zerfiel ¶