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stellenweise ausgebildet, teils in Form von Kalken und Schiefern (Senon und Zenoman), teils als fossilreiche Sandsteine (Gault), welche das Albien repräsentieren. Das Urgon nimmt in der Gipfelregion der Kette einen grossen Raum ein; es zeichnet sich durch seine kompakte Beschaffenheit aus und bildet daher steile Abstürze, die sich oft auf grosse Länge dahinziehen. - Unter diesen Steilwänden erscheint das Neokom, das Hauterivien und Valangien umfasst und seiner teils mergeligkalkigen, teils schiefrigen Gesteine wegen weniger steile Böschungen bildet, die wegen der bedeutenden Mächtigkeit dieser Formation oft sehr ausgedehnt sind. Im Gebiet der Gemmi ist der obere Teil des Valangien kalkig ausgebildet.
Jura. Neben dem Urgon spielt der obere Jura oder Malm in der Orographie unserer Gruppe die wichtigste Rolle. Seine Schichten treten jedoch wie die darunter liegenden Gesteine nur selten in den gleichen Gebieten der Kette zu Tage wie das Neokom. Während letzteres auf die Gipfelregion und den N.-Abhang der Kette beschränkt ist, muss man die Juraformation auf ihrer S.-Abdachung suchen. Neben dem Malm, der den stärksten Einfluss auf das Relief ausübt, weil er oft eine Schichtfolge von mehrern hundert Metern darstellt, sind noch die Argovien- und Divesienschiefer (Oxfordien) vertreten, welche mit dem darunter liegenden, aus dunkeln schiefrigen Kalken bestehenden Dogger sanfter geneigte Abhänge aufbauen. - Der Lias oder untere Jura besteht zum Teil aus widerstandsfähigen Kalken, im obern Teil jedoch aus einem mächtigen Komplex von leicht verwitternden Schiefern.
Die Trias setzt sich aus mergeligen Kalken des Rhät, roten und grünen Schiefern, dolomitischen, oft brecciösen und zersetzten Kalken (Rauhwacke) und aus Gips oder Anhydrit zusammen. Diese Gesteine spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle im Gebirgsrelief und treten bloss auf der S.-Seite der Kette in Form von schmalen Bändern zu Tage. Am W.-Ende der Gruppe, im Gebiet von Outre Rhône, finden wir noch das Karbon, repräsentiert durch Schiefer und Konglomerate, das Perm in Form von roten Konglomeraten u. Schiefern, und endlich treten dort auch noch kristalline Schiefer zu Tage.
Die geschilderten Sedimente von der Trias an aufwärts bilden mehrere weit übereinandergreifende und zum Teil sich völlig überdeckende Ueberfaltungsdecken. Diese Struktur gibt der Wildhorngruppe das Aussehen eines grossen, breiten Gewölbes, das mit dem einen Fuss im Rhonethal, mit dem andern auf dem Rand der «Sattelzone» aufruht, welche sie von den Präalpen des Saane- und Simmengebietes trennt.
Die Artikel Wallis und Waadt enthalten bereits eine zusammenfassende orographische und geologische Beschreibung dieses Grenzgebietes zwischen Bern, Wallis und Waadt; wir verweisen darum den Leser für einen Teil der Angaben und der geologischen Profile auf jene Artikel.
Als Ausgangspunkt für das Studium der Tektonik unserer Gebirgsgruppe eignet sich am besten die zwischen dem Rhonethal und dem Pas de Cheville liegende Gruppe der Dents de Morcles. Sie ist die Fortsetzung des hohen Kammes der Dents du Midi und lässt ihre geologische Struktur aufs schönste auf dem natürlichen Durchschnitte erkennen, den das Rhonethal geschaffen hat. Die Dent de Morcles ist aus Neokomschichten aufgebaut, die auf den Flysch hinübergelegt sind und sich auf das Ende des kristallinen Massivs der Aiguilles Rouges stützen, das hier unter den Sedimentmantel untertaucht.
Die Juraschichten des normalen Schenkels der Falte haben nur geringe Mächtigkeit und bauen mit einer an ihrer Basis liegenden Rauhwackebank die Wand von Bellacrêtaz auf. Die das W.-Ende der Wildhorngruppe bildenden, im Rhoneknie auftretenden kristallinen Gesteine umfassen auch das ebenfalls untertauchende Ende des Montblancmassivs und den Arpille-Zweig des Massivs der Aiguilles Bouges. Zwischen den drei Gneiszonen liegen ziemlich mächtige Karbonschichten in Form von Sandsteinen, grauen Konglomeraten (Valorcinekonglomerat) und Schiefern, sowie Perm in Gestalt eines von roten Schiefern begleiteten Konglomerates (siehe den Artikel Dents de Morcles).
Schon im mittleren Teil dieser Gruppe sieht man in prachtvoller Weise die so charakteristische Struktur, die wir bis zur Gemmi überall wiederfinden werden. Im N. erheben sich in der Umgebung von Bex die Jura- und Kreideschichten bis in eine Höhe von rund 2000 m als normale Decke der kristallinen Grundlage und stellen das wenig intensiv gefaltete sog. autochthone Gebirge dar. Darüber legt sich auf eine Breite von mehr als 10 km die Ueberfaltungsdecke der Dent de Morcles. In ihrer Stirnregion zeigt sie eine sehr auffällige Abzweigung, welche den Grat der Argentine aufbaut.
Der Grat der Savolayres ist ein durch die Erosion von der Wurzel abgetrennter Lappen dieser Ueberfaltungsdecke; er ruht frei auf dem Flysch, der den Grund des Hochthales von Nant und Les Martinets aufbaut. Ein anderer, kleinerer Lappen der Dent de Morcles-Decke ist die Pointe des Perrisblancs. Infolge der Erosion, welche die Kreide in den höchsten Teilen des Gebietes abgetragen hat, erscheinen die Juraschichten auf das dreieckförmige Gebiet eingeschränkt, das zwischen dem Grand Chavalard, dem Kamm des Grand Muveran, dem Grat des Haut de Cry und dem Rhonethal liegt.
Diese Schichten sind deutlich dem verkehrt liegenden Neokom aufgelagert, das die Fortsetzung desjenigen des Dent de Morcles-Kammes bildet. Letzteres erscheint wieder, diesmal jedoch über dem Jura, auf dem Kamm des Haut de Cry und bedeckt den ganzen Ostabhang desselben bis hinunter in die Sohle der Lizerneschlucht. Der ganze Hochgebirgskamm, der sich wie eine Mauer auf der Grenze von Wallis und Waadt erhebt und die Gipfel der Dent Favre, Muveran, Pacheu bis zur Tête à Pierre Grept umfasst, besteht aus Juraschichten.
Die durch die Erosion zerschnittenen kompakten Bänke des obern Malm bilden ihre aufragenden Zacken, die von N. wie von S. gesehen durch die Kühnheit ihrer Formen auffallen, oder auch gewaltige Steilabstürze, wie denjenigen des Haut de Cry. Das geologische Profil durch dieses Gebiet zeigt deutlich, wie die Gesamtheit der Schichten ein einfaches Gewölbe zu bilden scheint; in Wirklichkeit aber ist die Schichtfolge doppelt und gehört einer lang ausgezogenen und über das Tertiär seiner N.-Seite hinübergelegten Falte an. Diese Deckfalte sitzt in der Nähe des Rhonethals zwischen Bex und Martinach sehr hoch auf den kristallinen Gesteinen; die ganze Juraformation fehlt hier, weil sie durch die Erosion abgetragen worden ist. In dem Masse jedoch, wie die kristalline Grundlage einsinkt, beginnen die obern Teile der Deckfalte, die ebenfalls ostwärts sich senkt, über ihrem Mittelschenkel zu erscheinen, der am Grat der Dent de Morcles noch allein vorhanden ist, und man sieht das Tertiär den N.-Rand bogenförmig umsäumen und in die Einsenkung des Pas de Cheville hineinbiegen.
Diese Abgrenzung der Dent de Morcles-Gruppe wegen diejenige der Diablerets hat also eine klare tektonische Ursache; sie fällt auf die Stelle, wo die Ueberschiebungsfläche einer neuen Ueberfaltungsdecke, der Diableretsdecke, ausstreicht, die sich über die in die Tiefe sinkende Morcles-Decke hinüberlegt. Diese neue Falte taucht am N.-Rand des Rhonethales auf; das Val Triqueut folgt der Berührungslinie der beiden Falten auf der Seite ihrer Wurzel, während das Thal des Avançon d'Anzeindaz ihre Stirnregion umschliesst. So erscheint das Massiv der Dent de Morcles als eine aufs klarste umgrenzte Gebirgsgruppe. Diese Tatsache ist ebenso eine Folge der Erosionsarbeit, die in ihre Abhänge nach allen Richtungen verlaufende Schluchten und Thäler eingeschnitten hat, während die Rhone, die Lizerne und der Avançon ihren Fuss als mächtige Sammelkanäle umsäumen.
Die Berührungslinie der beiden Ueberfaltungsdecken der Dent de Morcles und der Diablerets ist noch durch das Auftreten eines grossen Lappens von Neokom ausgezeichnet, dessen Fazies den in helvetischer Fazies ausgebildeten Hochalpen fremd ist. Er ist zwischen die beiden Decken längs des Avençonthales bis in die Nähe von Derborence jenseits des Pas de Cheville eingeschaltet. Es ist eine gewaltige präalpine Neokomschuppe, die buchstäblich zwischen die beiden Deckfalten eingeklemmt und mehr als 5 km weit von der Diableretsdecke überlagert ist. Man sieht also, dass die durch das Thal der Lizerne, den Pas de Cheville und das Thal von Triqueut gebildete Einsenkung durch tektonische Ursachen bedingt ist.
In dem zwischen den Diablerets und dem Sanetschpass liegenden Gebirgsabschnitt, wo eine dritte Ueberfaltungsdecke, diejenige des Wildhorn-Wildstrubel erscheint und ¶
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sich über die Diableretsdecke hinüberlegt, zeigt die Berner Hochalpenkette noch viel ausgesprochener den Bau eines flachen Gewölbes. Auf der Seite des Rhonethales sinken alle Schichten nach S., auf dem bernerischen Abhang hingegen im allgemeinen nach N., abgesehen von der Faltung, welche die Decke selbst erlitten und die auf ihrer Oberfläche viele kleinere Biegungen, Antiklinalen und Synklinalen erzeugt hat. Der weite Zanfleurongletscher bedeckt den Rücken des Urgonplateaus der Diableretsdecke, deren Stirnteil mit wellenförmigen Biegungen in den Grund des Felsenzirkus von Creux de Champ hinuntersteigt. Am O.-Rand dieses Zirkus nun zeigt sich, zunächst in Form eines blossen Stirnlappens, die Wildhorndecke, welche die Neokomgipfel des Oldenhorns und Sanetschhorns, sowie den ganzen N.-Abhang dieser Kette aufbaut.
Auf dem Sanetschpass geht dann dieser Stirnlappen in die Wurzelregion der Decke über; der Mont Gond, die Fava, der Sublage und der Sérac gehören dem Jurakern dieser Decke an. Ein Vergleich zwischen dem Profil der Morcles-Gruppe und demjenigen des Sanetsch (siehe den Artikel Wallis) oder mit dem Profil des Wildhorn zeigt einen ziemlich auffälligen Unterschied in der gegenseitigen Verteilung des Neokom und des Jura. Während in der Morclesdecke ein fast vollständiger Parallelismus der beiden Bildungen vorhanden ist, indem die jurassischen Faltenkerne in normaler Weise von der Kreide umhüllt werden, ist dies in der Wildhorndecke nicht mehr der Fall; das Neokom ist hier abgelöst vom Jurakern, der weit zurückgeblieben ist, während die Kreide und das Tertiär sich nach N. vorgeschoben haben und in das Schichtensystem der Sattelzone eingedrungen sind, wie dies schon das Nordende der Diableretsdecke getan hat. Wir beobachten also dem ganzen Nordrand der Hochgebirgskette entlang ein förmliches Abgleiten von Schichten, die sich von ihrer Unterlage losgelöst und in einer tiefern Lage zur Ruhe gekommen sind, wobei sie sich in Falten legten und sich gegenseitig überdeckten.
Der Sanetschpass ist ebenfalls durch eine tektonische Ursache, nämlich durch eine Einsenkung der Kreide in der Stirnregion der Wildhorndecke bedingt, deren höhere Teile überdies das Bestreben zeigen, sich über die tiefern hinüberzulegen. Beim Ueberschreiten dieses Passes sieht man auch deutlich, wie bedeutend der Abstand zwischen dem Stirnrand des jurassischen Kerns und demjenigen des Kreideteils der Decke infolge dieser Bewegungen ¶