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überall die gewerblichen Vorrechte der Zünfte bestehen, wenngleich die veränderte Gestalt des technischen Betriebes, die Entstehung ganz neuer Gewerbe, welche demnach unzünftig blieben, die Ausbildung des Fabrikprincips und die Berührung der Handwerker mit Handel und Fabriken in der Praxis mannigfache Milderungen der alten Strenge erzeugten. In England hatte das Zunftwesen schon im vorigen Jahrhundert alle praktische Bedeutung verloren, wenn auch in den ältern Städten die Zünfte als bürgerliche Korporationen ohne gewerblichen Charakter noch beute bestehen.
In den rasch aufgeblühten neuern Fabrik- und Handelsstädten dagegen gab es von Anfang an keine Zünfte, sie sind zu nennenswerter Bedeutung da auch später nicht gelangt. In Frankreich machte Turgot 1776 einen ersten, jedoch unglücklichen Versuch zur Aufhebung der Zünfte, die erst mit einem Schlage 1791 erfolgte. An ihre Stelle trat die volle Gewerbefreiheit, und Gleiches geschah später auch in den von der Französischen Revolution unmittelbar berührten Ländern. In den deutschen Staaten verlief der Auflösungsprozeß der Zünfte langsamer und in gleichem Schritt mit Entfaltung der wirtschaftlichen Interessen. (S. Gewerbegesetzgebung.) Das Gesetz des Norddeutschen Bundes vom löste die Frage für sämtliche Bundesstaaten durchgreifend, indem hiermit die Zünfte und kaufmännischen Korporationen einfach das Recht verloren, andere vom Betriebe eines Gewerbes auszuschließen. Über die Bemühungen, die freien Innungen wieder in eine neue Form der Zünfte umzuwandeln und den Beitritt zu denselben zu erzwingen, s. Innungen.
Das für die Zünfte geltende Recht ist niedergelegt in den Zunftrollen, auch Zunftbriefe, Die wirtschaftliche Bedeutung des Zunftwesens war in seiner Blütezeit sehr groß. Die Zunft vertrat mit Nachdruck die Interessen der Produzenten und ließ sich angelegen sein, dem Einzelnen ein standesgemäßes Einkommen zu gewährleisten, aber sie erkannte auch die Bedürfnisse der Konsumenten an und hielt sich für verpflichtet, für tadellose, gute Waren und Leistungen Sorge zu tragen. Auch erfüllte sie polit. Funktionen und pflegte gesellige Beziehungen der Zunftgenossen. (S. Association, Freizügigkeit, Gewerbe, Gewerbegesetzgebung, Handwerk.)
Die auch jetzt noch von den Innungen geführten Zunft- und Gildenwappen sind keineswegs,wie zuweilen angenommen wird, einheitliche und überall in derselben Gestalt gültige Embleme, sondern zeigen wechselnde Formen an den verschiedenen Orten. Die auf den beifolgenden Tafeln: Zunftwappen I und II zusammengestellten Wappen [* 2] bilden gewissermaßen die Quintessenz aus der ungeheuren Menge des vorhandenen Materials.
Vgl. Hüllmann, Über das Städtewesen im Mittelalter (4 Bde., Bonn [* 3] 1825–29);
Maurer, Geschichte der Städteverfassung in Deutschland [* 4] (4 Bde., Erlangen [* 5] 1869–71);
Wehrmann, Die ältern Lübeckischen Zunftrollen (Lübeck [* 6] 1864);
Rüdiger, Die ältesten Hamburgischen Zunftrollen (Hamb. 1895);
Bodemann, Die ältern Zunfturkunden der Stadt Lüneburg [* 7] (Hannov. 1883);
Schönberg, Zur wirtschaftlichen Bedeutung des deutschen Zunftwesens im Mittelalter (Berl. 1868);
Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht, Bd. 1 (ebd. 1868);
Brentano, Die Arbeitergilden der Gegenwart, Bd. 1 (Lpz. 1871);
Stahl, Das deutsche Handwerk (Bd. 1, Gieß. 1874);
Stieda, Die Entstehung des deutschen Zunftwesens (Jena [* 8] 1876);
Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände (Lpz. 1877);
Schmoller, Die Straßburger Tucher- und Weberzunft (Straßb. 1879);
Neuburg, [* 9] Zunftgerichtsbarkeit und Zunftverfassung u. s. w. (Jena 1880);
Artikel «Zunftwesen» von Stieda im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften», Bd. 6 (ebd. 1894);
Brügel, Die Ansbacher Schneiderzunft.
Ein Beitrag zur Geschichte des Zunftwesens (Ansbach [* 10] 1897).