Titel
Byron
(spr. beir'n), 1)
John, brit. Seefahrer, geb. zu
Newstead Abbey, litt bei der Weltumsegelung unter
Lord
Anson 1741 an einer wüsten
Insel an der Westküste von
Patagonien
Schiffbruch, kam endlich nach
Chiloe, fiel in
spanische Kriegsgefangenschaft und kehrte erst gegen Ende 1745 nach
Europa
[* 2] zurück. Seine Drangsale schilderte er in der »Narrative
of J. Byron«
(Lond. 1748; deutsch, Nürnb. 1769).
Im
Kriege gegen
Frankreich (1755-63) zeichnete sich Byron
erst im
Kanal,
[* 3] dann in
Amerika
[* 4] als Flottenführer aus. 1764 unternahm
er im Auftrag
Georgs III. eine Entdeckungsreise in die
Südsee, fand mehrere
Inseln daselbst auf und kehrte
im Mai 1766 über
Batavia
[* 5] und das
Kap nach
England zurück. Die
Beschreibung dieser Expedition gab einer seiner
Offiziere in
»Voyage
round the world« (Lond. 1766; deutsch,
Lemgo 1769) heraus. Im Juli 1779 erhielt er als Vizeadmiral während
des amerikanischen
Kriegs ein
Kommando in
Westindien.
[* 6] Er
starb in
London.
[* 7]
2) George Noel Gordon, Lord, der größte engl. Dichter des 19. Jahrhunderts, Enkel des vorigen, geb. zu London, durch seine Mutter, Miß Gordon, mit dem schottischen Königshaus verwandt. Sein Vater, Kapitän in der königlichen Garde, der »tolle Jack« genannt, verschwendete in kürzester Zeit fast das ganze Vermögen der Mutter, verließ sie und starb 1791 in Valenciennes. Letztere, eine stolze Frau von leidenschaftlicher Heftigkeit, zog sich 1790 nach Aberdeen [* 8] zurück, um hier in weiser Beschränkung nur der Erziehung ihres Sohns zu leben.
ein schwächliches Kind, besuchte die Grammar-School und wurde dann, acht Jahre alt, zur Stärkung seiner Gesundheit in die Hochlande geschickt. Während der ungebundene Aufenthalt in der romantischen Herrlichkeit der schottischen Berge den Knaben an Leib und Seele kräftigte, übte der schnelle Wechsel von mütterlicher, übertrieben ängstlicher Obhut und selbstüberlassener Ungebundenheit einen nachteiligen Einfluß auf seinen Charakter aus, insofern Eigensinn, Unlenksamkeit und Übermut in ihm geweckt wurden.
Zugleich aber erwachte dort auch jener
Sinn für wilde Naturschönheit, der aus allen seinen
Dichtungen widerklingt. Im
Alter
von zehn
Jahren erbte Byron
durch den
Tod des
Lords
William (1798) die Lordschaft, wurde nun der unmittelbaren
Leitung seiner
Mutter entzogen und unter die
Vormundschaft seines Großoheims, des
Grafen von
Carlisle, gebracht. Er erhielt
in Drury einen
Tutor und bezog nach einem kürzern Aufenthalt in
London, wo man vergeblich die
Heilung seines
Klumpfußes, mit
dem er von
Geburt an behaftet war, versucht hatte, die
Schule zu
Harrow, wo seine ersten poetischen
Versuche
entstanden.
Noch nicht 17 Jahre alt, bezog er die
Universität
Cambridge; doch steigerte der klösterliche
Zwang im
Trinity
College die revolutionäre
Reizbarkeit seines
Charakters. Nach zwei
Jahren verließ er die
Akademie und begab sich nach dem Sitz seiner Vorfahren, dem
Schloß
Newstead Abbey bei
Nottingham,
[* 9] wo er die erste Sammlung seiner Gedichte veranstaltete. Diese »Hours
of idleness«
(Newark 1807) waren allerdings der
Mehrzahl nach unreife
Produkte, lassen aber schon die
Funken eines originellen
Geistes erkennen. Byron
lebte darauf abwechselnd zu
Newstead Abbey und in der Hauptstadt.
Aber hier wie dort zeigte seine Lebensweise das Exzentrische, das ihm sein ganzes Leben hindurch anhing und alle seine Handlungen leitete. Einer geharnischten, sein poetisches Talent zuerst glänzend bekundenden Satire (»English bards and Scotch reviewers«, 1809, in vier Auflagen gedruckt) gegen die unter Jeffreys Leitung stehende »Edinburgh Review«, welche anonym eine scharfe Kritik seiner Gedichte gebracht hatte, folgten in demselben Jahr die »Imitations and translations from the ancient and modern classics together with original poems«.
Zur selben Zeit mündig geworden, übernahm er die Verwaltung seiner Stammgüter und trat in das Oberhaus, an dessen Sitzungen er jedoch nur geringen Anteil nahm. Vielmehr stürzte er sich in die verderblichsten Zerstreuungen und verließ endlich voll Überdruß im Juni 1809 London, um mit seinem Freund Hobhouse, seit 1851 Lord Broughton (vgl. Hobhouse, Journey through Albania, Lond. 1814, zuletzt 1855), ins Ausland zu gehen. Die Reise führte ihn durch Portugal [* 10] und Spanien nach Malta und Albanien, von wo aus er einen großen Teil von Griechenland [* 11] und die Küste von Kleinasien bereiste. Er besuchte Konstantinopel, [* 12] durchschwamm in 1 Stunde 10 Minuten den Hellespont und kehrte ¶
mehr
nach einem längern Aufenthalt in Athen [* 14] im Juli 1811 ins Vaterland zurück. Hier erschienen im folgenden Jahr die beiden ersten Gesänge seines »Childe Harold«, die ihn sofort als einen der glänzendsten Dichtersterne erscheinen ließen und zum Abgott der fashionabeln Welt Englands machten. Diesen Ruhm steigerte eine Reihe von Dichtungen, die zum Teil noch Früchte der Reise waren: »The Giaur«;
»The bride of Abydos« (1813);
»The Corsair«;
»Lara« (1814);
»The siege of Corinth«;
»Parisina« (1815) u. a. Auch die berühmte »Ode to Napoleon Buonaparte« und die vortrefflichen »Hebrew melodies« (alten Nationalmelodien angepaßt) entstanden um diese Zeit.
Seine mit Anna Isabella Milbanke,
der einzigen Tochter des reichen Baronets Sir Ralph Milbanke, geschlossene Ehe war bei der großen Verschiedenheit ihrer Naturen
nicht glücklich und wurde auch durch die Geburt einer Tochter, Ada, nicht befestigt, so daß es bald zu förmlicher Scheidung
kam. Die Folge davon war, daß die öffentliche Meinung mit größter Entrüstung sich gegen Byron
wandte.
(Über die sogen. Enthüllungen, welche Mrs. Beecher-Stowe 1869 über diese Trennung angeblich aus dem Munde der Lady Byron
veröffentlichte,
s. unten.) Byron
verließ daher zum zweitenmal England mit der Absicht, es nie wiederzusehen. Er zog durch Belgien
[* 15] und den Rhein entlang in die Schweiz
[* 16] und ließ sich im Juni 1816 an den Ufern des Genfer Sees in der Villa
Diodati nieder, wo der Verkehr mit dem Dichter Shelley und dessen Gattin begann.
Von hier aus machte er während des Sommers und Herbstes Reisen in die Gebirgsgegenden, wobei ihn meist nur Shelley begleitete. Die poetischen Arbeiten, welche er, wiederum als Früchte seiner Reisen, am Genfer See vollendete, gehören zum Teil zu dem Besten, was seinem Dichtergeist entsprang; wir nennen nur den dritten Gesang von »Childe Harold« (1816),
das dramatische Gedicht »Manfred« (1817) sowie die beiden kleinern Gedichte: »The prisoner of Chillon« (1816) und die »Monody of Sheridan«. Nachdem er eine geraume Zeit (bis gegen Ende 1819) in Venedig [* 17] verweilt hatte, von wo er auch einen Ausflug nach Rom [* 18] machte, zog ihn die Liebe zur schönen Gräfin Teresa Guiccioli (gestorben als Marquise de Boissy im März 1873 in Florenz) [* 19] nach Ravenna, wo er im Umgang mit ihr und ihrer Familie, den Grafen Gamba, ungefähr ein Jahr verlebte, das er selbst seine glücklichste Zeit nennt.
Von den poetischen Arbeiten, welche Byrons
Aufenthalt in Venedig ihre Entstehung verdanken, sind die wichtigsten: der vierte
Gesang des »Childe Harold«, der mit dem dritten das vollendete Werk zu dem gedankenreichsten des Dichters
macht;
»The lament of Tasso«;
das reizende Gedicht »Beppo« (1817);
die »Ode on Venice« und »Mazeppa« (1818);
auch der Entwurf und die ersten Gesänge des »Don Juan«, seines genialsten Werkes, fallen in jene Zeit. In Ravenna zogen ihn die Grafen Gamba und andre italienische Freisinnige in die revolutionäre Bewegung, die damals durch ganz Italien [* 20] die Patrioten zusammenführte.
Anfangs hatte der alte Graf Guiccioli nichts dagegen gehabt, daß seine junge Frau sich der Vorrechte bediente,
welche ihr die Sitten des Landes gaben; endlich aber machte er Einwendungen und brachte die Sache sogar vor den Papst, welcher
die Trennung der Gräfin von ihrem Gemahl gestattete unter der Bedingung, daß sie unter ihres Vaters Dach
[* 21] leben sollte. Zuletzt aber fand sich Byron
bewogen, sie aus Ravenna zu entfernen, da er ein Komplott, sie auf Lebenszeit in ein
Kloster zu sperren, entdeckt hatte.
Dies und das unglückliche Ende
der italienischen Revolution, das auch über die Gamba die Proskription
verhängte, bewog Byron
, im Herbst 1821 sich nach Pisa
[* 22] zu begeben, wo die beiden Gamba und die Gräfin bereits ihre Wohnung aufgeschlagen
hatten. Noch in Ravenna waren entstanden die »Prophecy of Dante«, die Dramen: »Marino Falieri«, »The two Foscari«, »Sardanapalus«
und »Cain« und einige weitere Gesänge des »Don Juan«. In Pisa beschränkte sich Byrons
täglicher Umgang
auf die Familie Gamba, den Dichter Shelley und Leigh Hunt, mit dem er das Journal »The Liberal« herausgab.
Aber auch hier sollte er sich des Glücks häuslicher Ruhe nicht lange erfreuen. Reibereien mit der Polizei hatten zur Folge, daß er noch im Sommer 1822 die Stadt verließ und mit den Gamba nach Genua [* 23] übersiedelte. Zuvor vollzog er noch eine Freundespflicht, indem er den Leichnam des im Juli 1822 auf einer Spazierfahrt zwischen Livorno [* 24] und Lerici ertrunkenen Shelley auf einem Holzstoß verbrennen ließ und seine Asche in einer antiken Urne [* 25] nach Rom schickte, um sie neben der Pyramide des Cestius beisetzen zu lassen.
Seinem Aufenhalt in Genua (vom Herbst 1822 bis zum Sommer 1823) verdanken das Mysterium »Heaven and earth«, das prächtige Gedicht
»The Island«,
[* 26] das Goethe gewidmete Drama »Werner«, die mißlungene Faustnachahmung »The deformed transformed«
und die Fortsetzung des »Don Juan« bis zum 16. Gesang ihre Entstehung. Begeistert für den Freiheitskampf
der Hellenen, beschloß Byron
endlich, seine Kräfte ihrer Sache zu widmen, und bestieg Ende Juli 1823 zu Livorno das englische
Schiff
[* 27] Herkules, welches ihn und mehrere Freunde (darunter den jungen Grafen Gamba) nach Kephalonia führte.
Außer vielen Waffen
[* 28] brachte Byron
einen bedeutenden Vorrat von Medikamenten und chirurgischen Utensilien mit; seine Kasse enthielt
10,000 span. Thlr. bar und etwa 40,000 Thlr.
in Wechseln. Seine Ankunft in Griechenland ward mit Jubel begrüßt, doch ließ er sich in keinerlei Verpflichtungen gegen
irgend eine Partei ein, sondern knüpfte unmittelbar mit der Regierung Verhandlungen an. Um vor allem das
schwer bedrohte Missolunghi zu retten, rüstete er zwei ionische Schiffe
[* 29] aus und kam im Hafen von Missolunghi an, wo
er als Retter aus tiefster Not begrüßt wurde.
Für den Abschluß der englischen Anleihe, für die Konstituierung der Gesellschaft der englischen Philhellenen war er rastlos thätig; die Härte der türkischen wie der griechischen Kriegführung suchte er durch Beispiele von Mäßigung und Großmut zu mildern und, wenn auch mit geringem Erfolg, die Zwistigkeiten zu beseitigen, welche die Häupter der Griechen trennten und ihre Kraft [* 30] zersplitterten. Die eifrigste Sorge aber widmete er kriegerischen Plänen. Er hatte vom an eine Schar von 500 Sulioten in Sold genommen, an deren Spitze er das Schloß von Lepanto, die einzige Festung [* 31] des westlichen Griechenland, welche noch in der Gewalt der Türken war, zu erobern gedachte; 2500 Griechen und eine Batterie der englischen Philhellenen sollten das Unternehmen unterstützen.
Inzwischen vergeudeten die griechischen Streiter die Zeit mit unnützen Streitigkeiten, und sogar in Missolunghi und unter
Byrons
Brigade brachen Uneinigkeiten und Meutereien aus, die des Dichters reizbares Gemüt mehr angriffen, als sein Körper ertragen
konnte. Er bekam zu wiederholten Malen konvulsivische Anfälle und wurde durch die ärztlichen Mittel nur
noch mehr geschwächt. Kaum so weit hergestellt, daß er seine gewohnten Spazierritte wieder unternehmen konnte, zog er sich
auf einem derselben
¶
mehr
ein Fieber zu, das bald einen gefährlichen Charakter annahm und nach zehn Tagen seinem Leben ein Ende machte. Die Kunde von seinem Tode drang wie ein Donnerschlag durch die Welt; ganz Griechenland trauerte um ihn 21 Tage. Sein Herz wurde in einer silbernen Kapsel in einem ihm geweihten Mausoleum zu Missolunghi aufbewahrt, ging aber bei dem letzten Versuch der Besatzung, sich durchzuschlagen verloren. Seine Leiche führte Graf Pietro Gamba nach England, wo sie, da ihr die Geistlichkeit ein Begräbnis in der Westminsterabtei verweigerte, in der Dorfkirche von Hucknall bei Newstead Abbey beigesetzt wurde. Seine von Thorwaldsen 1817 in Rom gefertigte (sitzende) Statue befindet sich zu Cambridge (in der Bibliothek des Trinity College); andre Standbilder wurden ihm zu Missolunghi und 1881 zu London errichtet.
Byrons
wunderbare Dichtungsweise, welche ihn neben Shakespeare als den größten Dichtergenius der englischen Litteratur erscheinen
läßt, ist das Ergebnis einer widerspruchsvollen Begabung und eines widerspruchsvollen Zeitalters. Seine
außerordentliche Begabung fand weder in England noch überhaupt in seinem Zeitalter entsprechende Aufgaben und stellte sich
daher falsche, an deren Lösung er die größte Leidenschaft und das zarteste Gefühl, die sinnigste Detailarbeit und riesenhafte
Gewalt setzte.
Aber obschon ein Riese, blieb er doch vor der Unlösbarkeit seiner Probleme verzweifelnd stehen; der furchtbare Riß, den er in allem sittlichen Leben beobachtete, durchzog als Zerrissenheit sein eignes Wesen; getäuschte Hoffnungen steigerten sich zum Weltschmerz, zur Weltverachtung, zur Verzweiflung, welcher Stimmungen gewaltigster Dolmetscher (Prometheus, Faust, Don Juan in Einem) und zugleich dichterisches Vorbild für das ganze Zeitalter ward. Zur Einheit und Harmonie der Weltanschauung und des dichterischen Schaffens sich durchzuarbeiten, vermochte er nicht, weil er niemals eine gewissenhafte Erziehung genossen hatte, weder von der Mutter, noch von den Menschen, noch von der Natur oder dem Glück oder dem Ruhm: er war dieser aller verzogenes Kind.
Als Erzeugnisse einer titanenhaft ringenden großen Seele haben seine Werke dauernden Wert. Sie erschienen als »Poetical works« London 1815, 6 Bde., u. öfter (auch in kontinentalen Nachdrucken); am vollständigsten, mit biographischen und kritischen Anmerkungen von verschiedenen Verfassern und mit Kupfern von William und Edward Finden, herausgegeben von Th. Moore, London 1832-33, 17 Bde.; sehr bequem und korrekt in einer Einbandausgabe bei Murray, das. 1850, zuletzt 1873 in 2 Bänden. Aus den deutschen Übersetzungen heben sich als die besten die von Böttger (7. Aufl., Leipz. 1861) und von Gildemeister (3. Aufl., Berl. 1877, 6 Bde.) hervor. »Childe Harold« übersetzten unter andern auch Zedlitz (Stuttg. 1836) und Jänert (Hildburgh. 1869); ausgewählte Dichtungen G. Pfizer (Stuttg. 1851) und Schäffer (Hildburgh. 1865 ff.); die Dramen Grüzmacher (das. 1870).
Vgl. Dallas, Recollections of Lord Byron (Lond. 1824);
C. Gordon, Life and genius of Lord Byron (das. 1824);
E. Brydges, Letters on the character etc. of Lord Byron (das. 1824);
Th. Medwin, Conversations of Lord Byron (das. 1824);
Marquis de Salvo, Lord en Italie et en Grèce, etc. (das. 1825);
»Lord Byron's private correspondence« (das. 1824; deutsch, Stuttg. 1825);
Gamba, Narrative of Lord Byron's last journey to Greece (Lond. 1825);
Parry, The last days of Lord Byron (das. 1828);
Leigh Hunt, Lord and some of his contemporaries (das. 1828);
Millingen, Memoir on the affairs of Greece (das. 1831);
Th. Moore, Letters and journals of Byron with notices of his life (das. 1833, neue Ausg. 1874; deutsch von Böttger, Leipz. 1842, 3 Bde.);
Kennedy, Conversations on religion with Lord Byron (Lond. 1830);
Lady Blessington, Conversations with Lord Byron (das. 1834, neue Ausg. 1850);
Trelawney, Recollections of the last days of Byron (das. 1858);
Gräfin Guiccioli, My recollections of Lord Byron (engl. von Jerningham, das. 1869, 2 Bde.; sichtlich nicht zuverlässig).
Vollständige Biographien des Dichters gaben Lake (Lond. 1827), John Galt (1837), Armstrong (1846), Eberty (2. Aufl., Leipz. 1879, 2 Bde.), Elze (2. Aufl., Berl. 1880; in engl. Übersetzung, Lond. 1872), Engel (Berl. 1876) und Nichol (Lond. 1879). Die autobiographischen Memoiren Byrons wurden vom Erben derselben, Thomas Moore, aus Familienrücksichten vernichtet. Gute Charakteristiken, soweit solche überhaupt Byrons Wesen zuläßt, haben Tuckerman in den »Charakterbildern englischer Dichter« (deutsch, Marburg [* 33] 1857),
Macaulay in seinen »Essays«, Bd. 1, und v. Treitschke in den »Historischen und politischen Aufsätzen« (4. Aufl., Leipz. 1871) gegeben.
Der Lordstitel Byrons ging auf seinen Vetter George Anson Byron, geb. über, der 1862 zum Admiral ernannt wurde und 1868 starb. Ihm folgte sein ältester Sohn, George Anson Byron, geb. und diesem, der kinderlos starb, sein Neffe George Frederick William, der jetzige Lord Byron. - Byrons Gattin, Lady Anna Isabella (s. oben), geb. zu London, brachte den Rest ihres Lebens in Zurückgezogenheit mit Ausübung einer großartigen Wohlthätigkeit zu und starb Auf Grund vertraulicher Mitteilungen, welche Lady in ihrer letzten Lebenszeit mehreren ihrer Freunde gemacht haben sollte, trat die mit ins Geheimnis gezogene amerikanische Schriftstellerin Beecher-Stowe (s. Beecher 2) 1869 in »Maxmillan's Magazine« mit Enthüllungen über die angeblich wirkliche Ursache der Byronschen Ehescheidung (»The true story of Lady Byron's life«) hervor, die ungeheures Aufsehen erregten.
Danach hätte dieselbe in der Entdeckung der Lady Byron ihren Grund gehabt, daß ihr Gemahl in einem blutschänderischen Umgang mit seiner verheirateten Halbschwester Augusta gestanden habe. Indessen erhoben sich sofort die gewichtigsten Stimmen gegen die Glaubwürdigkeit dieser mit allen Details gemachten Mitteilung. Nicht nur, daß grobe innere Widersprüche in der Geschichte der Mrs. Beecher-Stowe nachgewiesen wurden, man erbrachte von den verschiedensten Seiten her auch schlagende dokumentarische Gegenbeweise, so daß die völlige Grundlosigkeit der erhobenen Anklage sich bald als unzweifelhaft herausstellte. - Die einzige Tochter der Lady und des Dichters, Augusta Ada, geb. war seit 1835 mit William, Graf von Lovelace, vermählt und ging der Mutter bereits im Tod voraus.
Sie hinterließ zwei Söhne, von denen der ältere, Byron Noel, Viscount Ockham, geb. nachdem er kurze Zeit in der Marine gedient und beim Tod seiner Großmutter, Lady auch die Baronie Wentworth geerbt hatte, das Leben eines Abenteurers und Sonderlings führte und als freiwilliger gemeiner Arbeiter auf einer Londoner Schiffswerfte schon starb. Der zweite Sohn, Ralph Gordon Noel Milbanke, geb. folgte seinem Bruder bei dessen Tod als Lord Wentworth nach. ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Byron
(spr. beir’n), George Noel Gordon, Lord, Englands größter Dichter seit Shakespeare und Milton, Enkel des Admirals John Byron (s. d.), stammte aus einer altengl. Adelsfamilie, die bis in die Zeit Wilhelms des Eroberers hinaufreicht und deren Haupt 1643 wegen Anhänglichkeit an Karl I. den Titel Lord Byron von Rochdale erhielt. B.s Vater, John Byron, des Admirals ältester Sohn, Gardekapitän und wegen wilden Lebenswandels als toller Jack Byron berüchtigt, war zuerst mit der Marquise von Carmarthen, geborene Amelia D’Arcy, verheiratet, die von ihm entführt und von ihrem Gatten geschieden wurde, dann mit Katharina, Tochter und Erbin George Gordons von Gight, des Hauptes einer mit dem schott. Königshause verwandten hochländischen Familie. Aus seiner ersten Ehe entsprang Augusta Byron, später Mrs. Leigh, aus der zweiten in London Lord Byron. Die Ehe der Eltern B.s war ¶
mehr
unglücklich. Sein Vater verschwendete fast das ganze Vermögen der Mutter, verließ sie und den Sohn und starb 1791 in Valenciennes. Die Mutter, eine stolze Frau von leidenschaftlichem Temperament, ging 1790 mit ihrem Sohn nach Aberdeen, wo sie von dem Rest ihres Vermögens zurückgezogen lebte. Die Erziehung durch die launenhafte Mutter war wenig geeignet, in den Knabenjahren einen festen Grund für die spätere Entwicklung zu legen. Acht Jahre alt, wurde er zur Stärkung der Gesundheit in die Hochlande geschickt. In jenen romantischen Gegenden erwachte in ihm der Sinn für die Natur, der alle seine Dichtungen durchzieht. 1798 machte der Tod seines Großonkels Lord Byron dem Aufenthalt in Schottland ein Ende. Byron kam dadurch in Besitz des Titels und der Stammgüter seiner Familie und nahm Wohnsitz auf dem Schlosse Newstead-Abbey.
Nun wurde seine Erziehung durch seinen Vormund, den Grafen von Carlisle, geleitet. Nach einem kürzern Aufenthalt in London, wo man umsonst die Heilung seines Klumpfußes versuchte, und nach dem Besuch einer vorbereitenden Schule in Dulwich kam Byron 1801 auf die Schule zu Harrow. Noch während er den gewöhnlichen Kursus durchmachte, faßte er, in den Sommerferien 1803, eine glühende, unerwiderte Neigung für Mary Chaworth, deren Eltern ein Landgut in der Nähe von Newstead-Abbey besaßen.
Okt. 1805 bezog Byron die Universität Cambridge, wo er mit Unterbrechung bis 1808 blieb. Noch als Student gab er «Hours of idleness» (Newark 1807) heraus, die in der «Edinburgh Review » durch den nachmaligen Lord Brougham eine bittere Kritik erfuhren, gegen die Byron die geharnischte Satire «English bards and Scotch reviewers» richtete, in der sein Talent zuerst erglänzte, worin er aber Scotts «Marmion» einer unverdienten Kritik unterzog. 1809 volljährig, nahm er im März seinen Sitz im Oberhause ein, wo er sich der Opposition anschloß.
Doch besuchte er es nur selten, und seine drei Reden waren unbedeutend. Reich, schön, im Vollgenuß jugendlicher Kraft, stürzte er sich in Zerstreuungen und Ausschweifungen, die seine Gesundheit und sein Vermögen schwächten. Juni 1809 trat er mit seinem Freunde Hobhouse eine große Reise an. Über Portugal und Spanien fuhr er nach Malta, durchzog einen großen Teil Griechenlands und Kleinasiens, machte das Wagestück den Hellespont zu durchschwimmen, besuchte Konstantinopel und kehrte, nach längerm Aufenthalt in Athen, auf demselben Wege im Juli 1811 zurück. Im Febr. 1812 erschienen die auf der Reise vollendeten beiden ersten Gesänge von «Childe Harold’s pilgrimage», die ihn auf die Höhe des Dichterruhms hoben.
Die Bewunderung steigerte sich durch die Teilnahme für seine Persönlichkeit, deren Spiegelbild man in seinen Helden fand. Byron ließ schnell die erzählenden Gedichte «The Giaur», «The bride of Abydos» (frei verdeutscht von Kley, Halle [* 35] 1884),
«’The Corsair», «Lara», «Parisina», «The siege of Corinth» u. a. folgen, die seinen Ruhm erhöhten. Am vermählte er sich mit Anna Isabella Milbanke. Die Ehe war jedoch unglücklich und schon im Febr. 1816 verließ Lady Byron (s. unten) den Gatten. Die Folge war ein Umschwung der öffentlichen Meinung gegen Byron. Entrüstet über B.s Lebenswandel sprach die engl. Gesellschaft, ohne ihn gehört zu haben, das Verdammungsurteil über ihn aus, und Byron, der heimatlichen Zustände überdrüssig, verließ im April 1816 England, das er nicht wiedersah.
Durch die Niederlande [* 36] und am Rhein aufwärts zog er in die Schweiz, wo er sich im Juni am Genfersee bei dem Ehepaar Shelley (s. d.) niederließ. Der Beschreibung dieser Reise und Italiens [* 37] sind die beiden letzten Gesänge des «Childe Harold» gewidmet. Er lebte seitdem, unausgesetzt dichterisch thätig, am Genfersee und in verschiedenen Städten Oberitaliens. In Venedig (1819) und Ravenna (1820) trat er zur schönen Gräfin Teresa Guiccioli in ein vertrautes Verhältnis (vgl. Rabbe, Les maitresses authentiques de Lord Byron, 1890). Als deren Vater und Brüder, die Grafen Gamba, als Carbonari aus Ravenna verbannt wurden, nahm Byron die Familie in seinen Schutz und ging mit ihr nach Pisa (1821), wohin ihm die Gräfin, die sich von ihrem Gemahl getrennt hatte, folgte.
Als die Gamba auch hier nicht geduldet wurden, führte sie Byron nach Genua, wo sie lebten, bis ihn (Juli 1823) der Freiheitskampf in Griechenland fortzog. Nach längerm Aufenthalt in Kephallonia kam er im Jan. 1824 in Mesolongion (Missolunghi) an, bildete auf eigene Kosten eine Brigade von 500 Sulioten und traf Anstalten zu einer Unternehmung gegen Lepanto. Noch schwach von einem epileptischen Anfall, zog er sich durch einen Ritt bei Regenwetter ein Fieber zu und starb in Mesolongion, wo man ihm ein Mausoleum weihte. Ganz Griechenland trauerte um ihn 21 Tage. Graf Pietro Gamba, der Byron nach Griechenland gefolgt war, führte die Leiche nach England, wo sie, da das Begräbnis in der Westminsterabtei verweigert ward, in der Dorfkirche von Hucknall bei Newstead-Abbey beigesetzt wurde. Eine Bronzestatue B.s steht seit 1879 am östl. Eingange zum Hyde Park in London.
Nach B.s zweiter Abreise aus England erschienen die beiden letzten Gesänge des «Childe Harold» (1816‒18; das ganze Gedicht hg. und erklärt von Aug. Mommsen, Berl. 1885),
«The prisoner of Chillon» (1816),
das dramat. Gedicht «Manfred» (1817; vgl. Rötscher, Über B.s Manfred, Berl. 1844; Anton, B.s Manfred, Erfurt [* 38] 1875),
«The Lament of Tasso» (1817),
die venet. Novelle «Beppo» (1818),
die Erzählung «Mazeppa» (1819),
die dramat. Dichtungen «Marino Faliero» (deutsch bearbeitet von Fitger, Oldenb. 1886),
«The two Foscari», «Cain», «Sardanapalus», «Heaven and Earth», «The deformed transformed» und «Werner» (1820‒22),
«Don Juan» (1821‒23),
«The Island» (1823) und kleinere Gedichte. Auch unternahm er 1822 mit Leigh Hunt und Shelley die Herausgabe einer periodischen Schrift «The Liberal», die dem Verleger in England eine Anklage zuzog.
Über B.s Rang als Dichter ist, besonders in England, um so mehr gestritten worden, je verschiedener man ihn als Menschen beurteilte. Unleugbar war sein Einfluß auf die moderne Dichtung von welthistor. Bedeutung. Zu einer Zeit, wo sich in ganz Europa die Litteratur der Romantik des Mittelalters zuneigte, trat er als Vertreter der Unzufriedenheit mit dem Bestehenden auf und gab allen Klängen des Spotts und des Hasses, des Zweifels und der Verzweiflung, jedem Zwiespalt von Leben und Natur so erschütternd Ausdruck, wie keiner vor ihm. So weckte er in dem heranwachsenden Geschlechte jene ideale Gärung, die als Weltschmerz lange fortdauert, und deren Wirkung fast alle hochherzigen Charaktere der Zeit kennzeichnet. Als wesentlich bleiben seiner Dichtung der Sturm und Drang, der Freiheitsdurst und die Weltverachtung ¶
mehr
des Individuums aufgedrückt, das sich vom alten Zustande der Dinge losreißt, ohne zur Gestaltung eines neuen Ideals zu gelangen. Er steht damit im Banne derselben Bewegung, die ein halbes Jahrhundert früher die westeurop. Bildungswelt aufgerüttelt hatte (vgl. O. Schmidt, Rousseau und Byron, Oppeln [* 40] 1890). Gewaltig im lyrischen Ausdruck des Lebensüberdrusses und des Menschenhasses, der glühenden Begeisterung für die Herrlichkeit der Vorwelt und eines gigantischen Trotzes auf eigene Kraft, war in der Schilderung von Charakteren weniger glücklich.
Seine Helden sind fast alle nach einem Schnitt. Mit der Gesellschaft zerfallen, bewegen sie sich meist auf der Grenze von Sitte und Willkür. Er stellt sie vorwiegend durch Beschreibung und Reflexion [* 41] dar, läßt sie zu wenig handeln und mischt seine Gefühle und seinen Glauben in ihr Leben und handeln wie in ihre Reden. Wie bei ihm selbst wechselt bei ihnen Fausts und Don Juans Wesen ab. Auch B.s Meisterwerk, das unvollendete großartige epische Gedicht «Don Juan» (vgl. Colton, The tendencies of Don Juan, 1826) macht hierin keine Ausnahme.
Andererseits entfaltet sich B.s reichbegabte Natur in keinem andern Werk in so glänzender Mannigfaltigkeit, keins offenbart in gleicher Weise seine erstaunliche Leichtigkeit des Schaffens und Sprachgewalt. «Don Juan» ist das Epos der modernen Gesellschaft, zugleich das Werk, das in lyrischem Erguß wie in dramatisch lebendiger Darstellung von Welt und Menschen den vollständigsten Eindruck von B.s Persönlichkeit hinterläßt (vgl. Hel. Druskowitz, B.s Don Juan, 1879). Seine Heldinnen sind im ganzen noch schwächer, haltloser und, trotz breiter romantischer Schilderungen, einförmiger als seine Helden. B.s Stil ist glänzend, obschon ihm mitunter Malerei und Deklamation mehr Dienste [* 42] leisten, als die echte Poesie erheischt. Oft aber drückt er in schlagender Kürze Gedanken und Gefühle aus. Manche seiner Lieder gehören zu den schwungvollsten und innigsten der engl. Poesie. Seine Dramen (vgl. von Westenholz, Über B.s histor. Dramen, Stuttg. 1890) sind allzu reichlich mit Beschreibungen und Betrachtungen ausgeschmückt, weshalb sie sich, obgleich gelegentlich aufgeführt, nie auf den Bühnen behaupteten.
Eine höchst wertvolle Bereicherung der Kenntnis von B.s Charakter bietet der von seinem Freunde Th. Moore in die Darstellung von B.s Leben verwobene Briefwechsel desselben («Letters and journals of Lord Byron with notices of his life», 2 Bde., Lond. 1830; neueste Ausg. 1875; deutsch, 4 Bde., Braunschw. 1831‒33),
der ihn als gewandten, geistreichen Prosaisten zeigt. B.s «Poetical works» erschienen in zahlreichen Ausgaben (zuerst 6 Bde., Lond. 1815; Ausg. von Murray 1828; vollständiger als «Life and Works of Byron», 1832‒35; zuletzt in Routledges «Popular Library», 1890, und bei Griffith Farran u. Co., Lond. 1891) und wurden in fast alle lebenden Sprachen übersetzt, deutsch von Böttger (Lpz. 1840; in 8 Bdn., 6. Aufl., ebd. 1864) und am vorzüglichsten von O. Gildemeister (6 Bde., Berl. 1864; 4. Aufl. 1888); die «Erzählenden Dichtungen» übersetzte Strodtmann (Hildburgh. 1862),
die «Dramen und epischen Dichtungen» Schröter (4 Bde., Stuttg. 1885‒86).
Vgl. die bibliogr. Übersicht Flaischlens, in Deutschland [* 43] im «Centralblatt für Bibliothekswesen», Ⅶ. Die Memoiren B.s wurden durch den Erben dieser Papiere, Moore, aus Rücksicht auf die Familie vernichtet.
Aus damaliger Zeit sind zu erwähnen: Lady Blessington, Conversations with Lord Byron (1832 u. 1834); Galt, Life of Lord Byron (1831); von den vielen neuern biogr. Beiträgen: Eberty, Lord Byron, eine Biographie (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1879);
Elze, Lord Byron (3. Aufl., Berl. 1886; ins Englische [* 44] übers. 1872);
Gräfin Guiccioli, Lord Byron jugé par les témoins de sa vie (2 Bde., Par. 1868);
Engel, Lord Byron. Eine Autobiographie nach Tagebüchern und Briefen (3. Aufl., Mind. 1884);
Gottschall, Lord Byron, im «Neuen Plutarch», Bd. 4 (Lpz. 1876);
J. C. Jeaffreson, The real Lord Byron (Lond. 1883), der den Verdächtigungen gegenüber mit Erfolg eine Ehrenrettung auf Grund zuverlässigen und teilweise neuen Materials anstrebt; Weddigen, Lord B.s Einfluß auf die europ. Litteraturen der Neuzeit (1884);
J. Schmidt, Byron im Lichte unserer Zeit (Hamb. 1888);
R. Byron W. Noel, Life of Lord Byron (ebd. 1890);
Durdik, über B.s Poesie und Charakter (czechisch, 2. Aufl., Prag [* 45] 1890);
Dallois, Études morales et littéraires à propos de Lord Byron (Par. 1891).
Seine Gattin, Anna Isabella Milbanke, Lady Byron, einzige Tochter und Erbin Sir Ralph Milbankes und Lady Judith Noels, geb. in London, ward durch ihre Mutter, Schwester Thomas Noels, Viscounts Wentworth, Erbin von Wentworth. Sie besaß vielseitige, sorgfältig entwickelte Talente und eine ungewöhnliche Entschiedenheit und war äußerlich graziös und angenehm. Mit Lord Byron wurde sie während der Saison von 1813 bekannt bei ihrer Tante Lady Melbourne, [* 46] seiner Gönnerin, die seine Ehe mit ihr wünschte.
Ihr einfach edles Wesen schildert Lord Byron später in einem der anziehendsten Frauencharaktere des «Don Juan», Aurora Raby. Auch sie faßte eine tiefe Neigung für ihn, wies jedoch, an der Möglichkeit eines Ausgleichs der großen Verschiedenheiten ihrer Naturen zweifelnd, seinen Heiratsantrag Nov. 1813 zurück. Einen zweiten, nach einem längern Briefwechsel im Sept. 1814 gestellten nahm sie an und die Vermählung wurde vollzogen. Das Eheband widerstrebte seinem unsteten Sinne, und eine Frau von vorwiegend praktischem Wesen, strengen Grundsätzen und Selbstbewußtsein wie Lady Byron konnte trotz der reinsten Absichten das leidenschaftliche, cholerisch-melancholische Temperament eines Dichters vom Schlage B.s nicht verstehen oder gar leiten. Dazu entsprangen seiner verschwenderischen Lebensweise häusliche Verlegenheiten; so lag eine stürmische Zeit hinter dem Paare, als die Tochter Augusta Ada geboren wurde. Am verließ Lady Byron London und begab sich mit ihrer Tochter nach Kirkby-Mallory in Leicestershire, dem Landsitze ihres Vaters.
Sie schrieb noch mehrere heitere, freundliche Briefe an Lord Byron; ihre Mutter lud sogar ein, sodaß dieser höchst überrascht war, als ihm kurz darauf (2. Febr.) sein Schwiegervater den Entschluß der Lady Byron ankündete, sich auf immer von ihm zu trennen. Diese Kunde rief das größte Aufsehen hervor. Man nahm fast allgemein für Lady Byron Partei, und ein plötzlicher Sturm des öffentlichen Unwillens trieb Lord in die Fremde. Als jedoch Moores Biographie Lord B.s erschien, war schon ein entschiedener Rückschlag eingetreten. Sein heldenhafter Tod in Griechenland hatte diesen verstärkt; Moore änderte das Urteil zu seinen Gunsten. Lady Byron brachte den Rest ihres langen Lebens mit Werken der Wohlthätigkeit, ¶