Epikuros
,
griech. Philosoph, als der Sohn eines gewissen Neokles nach der gewöhnlichen Annahme 342 v. Chr. im attischen Flecken Gargettos geboren, lehrte von seinem 32. Jahr an Philosophie, erst zu Mytilene, dann zu Lampsakos, und gründete um 305 in Athen [* 2] in einem ihm gehörigen Landhaus und Garten, [* 3] die er seinen Freunden vererbte, eine Schule, die er bis zu seinem um 270 erfolgten Tod fortsetzte. Am 20. eines jeden Monats versammelten sich seine Schüler in dem Erbgarten zu einem heitern Fest, wozu er ihnen durch ein Legat die Mittel bestimmt hatte.
Die
Summe seiner
Philosophie brachte er in kurze
Auszüge, die im 10.
Buch des
Diogenes Laertios aufbewahrt sind.
Fragmente einer
Schrift über die
Natur wurden unter den Trümmern
Herculaneums aufgefunden (hrsg. von
Orelli, Leipz. 1818). Das
Lehrgedicht
»De
rerum natura« des
Römers T.
Lucretius hat seinen
Inhalt aus Epikuros'
größern Werken geschöpft.
Philosophie
ist dem Epikuros
diejenige
Wissenschaft, welche durch
Begriffe und
Beweise ein glückseliges
Leben bewirkt, daher auch von den drei
Teilen, in die er sie zerlegt:
Ethik,
Kanonik und
Physik, der erstere den Vorrang vor den übrigen hat.
Das Wesen der Glückseligkeit (eudaemonia) findet er in der Lust, nicht aber in der des Augenblicks, wie die Kyrenaiker, sondern in der dauernden Lustempfindung, zu der man durch die Tugend gelangt. An der Spitze aller Tugenden steht die vernünftige Einsicht, welche erkennt, was dem Leben Lust oder Schmerz bereitet. Die höchste Lust ist die völlige Abwesenheit alles Schmerzes, ein Zustand, welcher teils durch das ungestörte Gefühl körperlicher Gesundheit, hauptsächlich aber durch eine unerschütterliche Ruhe der Seele bedingt ist. Zu empfehlen sind daher Mäßigkeit und Genügsamkeit im sinnlichen Genuß, nicht allein, um sich vor den schmerzlichen Folgen des Gegenteils zu bewahren, sondern auch, um sich für derartige Genüsse um so empfänglicher zu erhalten.
Unrecht ist wegen des daraus erwachsenden Leides der Bestrafung zu vermeiden, Freundschaft dagegen zu suchen, da sie das Leben mannigfach ausschmückt und demselben seine notwendigen Bedürfnisse sichert. Wissenschaftliche Kenntnisse sind nur deshalb und nur so weit wünschenswert, als sie zur Entfernung aller Furcht dienen. Der Natur gegenüber soll die Physik dem Weisen alle abergläubische Furcht benehmen, die seinen Seelenfrieden stören könnte, und für diese soll wiederum als sichere Grundlage die Kanonik dienen, die Erkenntnis- oder Denklehre.
Die materialistische Naturanschauung des Epikuros
schließt sich der Hauptsache nach an die Atomenlehre des
Demokritos an.
Alle
Dinge und
Erscheinungen in der
Natur sind zufällige
Aggregate von
Atomen, durch deren verschiedenartige
Beschaffenheit und
Verbindung
ihre eigne Verschiedenheit bedingt wird; sie sind deshalb auch der Wiederauflösung in ihre
Atome unterworfen. Außer den
Atomen, ihren
Aggregaten und dem
Leeren läßt sich etwas
Reales nicht denken, sondern alles übrige ist
entweder
Attribut oder
Accidens von jenem.
Einer Einwirkung der Gottheit auf die Bildung und Regierung der Welt widerspricht das viele Unvollkommene und Böse in derselben; das Dasein derselben ist zwar nicht zu leugnen, ihr Aufenthalt aber ist von den Menschen entfernt und deren Bitten unzugänglich in den sogen. Intermundien, d. h. in den leeren Zwischenräumen der Weltkörper. Die Götter sind nichts als die reinsten Ideale der Glückseligkeit, von menschengleicher Gestalt, aus den feinsten Atomen gebildet, gleichwohl aber, im Widerspruch mit der Zerstörbarkeit der übrigen Atomenaggregate, von ewiger Dauer.
Die Furcht vor dem Tod wird durch die Betrachtung der Seele als eines rein körperlichen Wesens hinweggeräumt. Daß sie dies sein müsse, ergibt sich aus dem Grundsatz, daß nur Körperliches bewegen und bewegt werden könne; die Seele ist aber das bewegende Prinzip im Menschen. Sie besteht aus den feinsten und beweglichsten Atomen und ist aus Wärme, [* 4] Luft, Hauch und einem vierten nicht näher zu bezeichnenden Stoff, welcher die übrigen drei noch an Feinheit übertrifft und der eigentliche Sitz der Empfindung ist, zusammengesetzt.
Dieser vierte
Stoff hat seinen Sitz in der
Brust, während die übrigen drei durch den ganzen
Körper verbreitet sind. Hiernach
muß die
Seele nicht minder als der
Körper, mit welchem sie entsteht und altert, und wie jedes andre Atomenaggregat
der Zerstörung unterworfen sein. Der
Tod zerstreut sie in die
Lüfte, hebt also auch alles
Bewußtsein auf. Der Vorwurf der
Stoiker, der Epikureismus sei ein
Kultus des sinnlichen
Vergnügens, ist ungerechtfertigt; der Epikureische
Weise mußte im Gegenteil
nicht allein ein höchst mäßiger, sondern auch der pflichtgetreueste Mann sein, um durch keinen Vorwurf
des
Gewissens seine eigne
Ruhe zu stören; freilich dies alles, genau genommen, nur aus konsequentem
Egoismus. Epikuros'
Schule, die
auch unter den
Römern viele Anhänger fand, erhielt sich bis ins 3. und 4. Jahrh.
n. Chr., ohne jedoch das
System ihres
Stifters weiterzubilden.
Vgl. Warnekros,
Apologie und
Leben Epikuros'
(Greifsw. 1795);
Gizycki, Über das
Leben und die
Moralphilosophie
des Epikuros
(Halle
[* 5] 1879);
Kreibig, Epikuros
, seine Persönlichkeit und seine
Lehre
[* 6]
(Wien
[* 7] 1885).