2) JohannHeinrich, genannt Stilling, origineller deutscher Schriftsteller, geb. zu Im-Grund im Nassauischen als Sohn
armer Leute, wuchs in den Kreisen einer pietistischen Sekte auf, die seit dem Ende des 17. Jahrh. in stillen Gegenden Westdeutschlands
eine abgeschlossene Existenz führte, war zuerst Kohlenbrenner, dann Schneider, erwarb sich als Autodidakt
einige Bildung, ward Hauslehrer und studierte endlich noch Medizin in Straßburg,
[* 9] wo er auch mit Goethe in engern Verkehr trat.
Nachdem er hierauf zu Elberfeld
[* 10] als Arzt gewirkt und sich namentlich durch geschickte Staroperationen Ruf erworben hatte, erhielt
er 1778 eine Anstellung an der Kameralschule zu Lautern und siedelte später mit dieser Anstalt als Professor
der Landwirtschaft nach Heidelberg
[* 11] über. 1787 folgte er einem Ruf als Professor der Ökonomie und Kameralwissenschaften nach Marburg,
[* 12] kehrte aber 1804 als ordentlicher Professor der Staatswissenschaften nach Heidelberg zurück und verlebte die letzte Zeit seines
Lebens in Karlsruhe.
[* 13] Er starb als badischer Geheimrat. J. eröffnete seine litterarische Laufbahn
mit Romanen, welche die Welt- und Lebensanschauung der Pietisten vielfach wiedergaben, und in denen eine Reihe realer Erinnerungen
an das eigenartige Dasein der Sektierer niedergelegt war. Zu denselben gehören: »Florentin v. Fahlendorn« (Mannh.
1779);
»Geschichte des Herrn v. Morgenthau« (Berl. 1779);
Auch über Kameralwissenschaften schrieb J.
manches Verdienstvolle. Bekannter aber machten seinen Namen seine zahlreichen pietistisch-mystischen Schriften: »Das Heimweh«
(Marb. 1794-97, 4 Bde.; neue Ausg.,
Stuttg. 1876),
»Szenen aus dem Geisterreich« (Frankf. 1797-1801; 6. Aufl., Stuttg.
1875),
»Der graue Mann, eine Volksschrift« (Nürnb. 1795-1816),
»Theorie der Geisterkunde« (das. 1808) und »Apologie der Theorie der Geisterkunde« (das. 1809), Schriften, in denen
er denVerkehr abgeschiedener Geister mit dieser Welt als faktisch voraussetzt und in theologisch-mystischem Sinn erklärt. Die
zahllosen Angriffe auf diese Werke verbitterten seine letzten Lebensjahre. Seine letzten »Erzählungen«
(Frankf. 1814-15) sowie seine von Schwarz herausgegebenen »Gedichte« (das.
1821) sind unbedeutend. Eine liebevolle CharakteristikJungs gibt Goethe in »Wahrheit und
Dichtung« (Bd. 2). Eine neue Ausgabe
seiner »Sämtlichen Werke« erschien Stuttgart 1843-44 in 12 Bänden.
J. starb zu Königsberg i. Pr. Nach seinem Tod erschien noch: »Die Harfe von Discatherine, Bekenntnisse eines
Dichter-Philosophen«, ein Seitenstück zu »Rosmarin« (Leipz. 1885). J. gehört zu den Ausläufern der jungdeutschen Richtung,
welche die grundverschiedenen Aufgaben der Publizistik, Kritik und poetischen Darstellung miteinander vermischend, hauptsächlich
durch Reflexion
[* 20] und geistreiche Einfälle, die ihr Gedanken heißen, zu wirken suchte.
(Dschang), Sir Salar, ind. Staatsmann, geb. 1829, ein Araber von Abkunft,
dessen Vorfahren aus der Gegend von Damaskus in Ostindien
[* 21] eingewandert waren und bald den Posten eines Dewan oder Premierministers
von Haidarabad, dem von einem Nizam beherrschten britischen Schutzstaat in Dekhan, erlangt hatten, der in
ihrer Familie forterbte. J. erhielt eine vortreffliche Erziehung, erlernte die indische, arabische und englische Sprache und
ward von seinem Oheim, dem damaligen Dewan, in die Geheimnisse der Politik eingeweiht. Im J. 1853 kam er selbst an die Spitze derGeschäfte, die er vortrefflich leitete.
BeimAusbruch des indischen Aufstandes bewirkte er, daß die Abenteurer und Ehrgeizigen, welche den Anschluß an den Aufstand
verlangten, vom Hof
[* 22] des Nizam entfernt wurden und Haidarabad den Engländern treu blieb, da er einsah, daß nach dem Sturz der
Herrschaft derselben Indien in verderbliche Anarchie zurücksinken müsse. Ihm hatten die Engländer nicht
am wenigsten ihren Sieg zu danken, und sie überhäuften ihn dafür mit Ehrenbezeigungen; bei einem Besuch in England 1876 ward
er zum Doktor der UniversitätOxford
[* 23] ernannt. Doch erfüllten sie seinen Lieblingswunsch, die Rückgabe der 1839 an England
abgetretenen ProvinzBerar an Haidarabad, nicht. Die innere Verwaltung leitete J., der seit 1869 für den
minderjährigen Fürsten die Regentschaft führte, vortrefflich, hielt die Ordnung aufrecht und beobachtete eine verständige
Sparsamkeit. Er starb Ihm folgte als leitender Minister sein Sohn Laik Ali.
Nachdem er unter dem PseudonymMustafa viele Feuilletonartikel für die »VieParisienne« geschrieben und auch »Voyage autour
de ma tente, souvenirs militaires« (1873) veröffentlicht hatte, schrieb er mehrere
wissenschaftliche Werke: »La vérité sur le Masque de fer« (1873);
»L'Académie de guerre de Berlin. L'enseignement militaire supérieur en Europe, etc.« (1877);
»Bonaparte et son temps d'après des documents inédits« (1880-81,3
Bde.);
»Lucien Bonaparte et ses mémoires« (1882 bis 1883,3 Bde.);
»L'armée et la révolution; Dubois-Crancé« (1884,2 Bde.);
»La guerre et la société« (1889). - Die ehemalige GattinJungs, eine geborne v. Kaulla, wurde 1880 beschuldigt, ihr Verhältnis
zum Kriegsminister Cissey zu Spionendiensten mißbraucht zu haben.
2) Julius, Geschichtsforscher, geb. zu Imst in Tirol,
[* 28] studierte in Innsbruck,
[* 29] Göttingen
[* 30] und Berlin, habilitierte sich 1875 als
Dozent der Geschichte in Innsbruck und ward 1884 außerordentlicher, 1887 ordentlicher Professor an der deutschen Universität
zu Prag.
[* 31] Er schrieb außer einer Anzahl kleinerer Abhandlungen zur römischen Geschichte: »Römer
[* 32] und Romanen
in den Donauländern, historisch-ethnographische Studien« (Innsbr. 1877,2. Aufl.
1887);
Jak. Friedr. Alexander, kulturhistor. und philos. Schriftsteller, geb. zu Rastenburg in Ostpreußen,
studierte seit 1826 in Berlin und Königsberg Theologie und Philosophie und widmete sich dann vorzugsweise der litterar. Thätigkeit.
Er starb in Königsberg. Unter seinen Schriften sind hervorzuheben: «Briefe über die neueste Litteratur» (Hamb.
1837),
«Vorlesungen über die moderne Litteratur der Deutschen» (Danz. 1842),
«Vorlesungen über sociales Leben und höhere
Geselligkeit» (ebd. 1844),
«Goethes Wanderjahre und die wichtigsten Fragen des 19. Jahrh.»
(Mainz 1854),
«Briefe über Gutzkows Ritter vom Geiste» (Lpz. 1856),
«Das Geheimnis der Lebenskunst» (2 Bde., ebd. 1858),
«Panacee
und Theodicee. Illustrationen, Karikaturen der Gegenwart» (2 Bde.,
ebd. 1875). Unter seinen belletristischen Schriften, die bei geistiger Vertiefung doch zu wenig individuelles Leben zeigen,
sind die bedeutendsten: «Der Bettler von James Park» (Lpz. 1850),
Joach., oder Jungius, Gelehrter, geb. zu Lübeck, widmete sich anfangs der
Mathematik und wurde 1609 Professor derselben zu Gießen, legte aber 1614 seine Professur nieder, lebte mit Ratichius und
Helvich in Augsburg, begab sich 1615 nach Lübeck, dann nach Rostock, wo er bis 1618 blieb und Medizin studierte, und promovierte 1618 zu
Padua. 1619 kehrte er nach Rostock zurück, gründete hier 1622 eine gelehrte Gesellschaft und wurde 1625 Professor der
Mathematik an der Universität daselbst, 1628 Rektor des Johanneums in Hamburg. Er starb hier J. gilt als ein Vorgänger
Leibniz’ in dem Bestreben nach einer Reform der Philosophie. Die Botanik verdankt ihm die erste natürlichere
Gruppierung der Pflanzen nach Ideen, die erst nach seinem Tode und nach einer Abschrift seiner Diktate (denn er selbst hat nichts
drucken lassen) von Joh. Baget in «Joachim J. isagogephytoscopia etc.» (Hamb. 1678) bekannt und von Linné berücksichtigt
wurden. –
Vgl. Guhrauer, Joachim J. und sein Zeitalter (Stuttg. 1851);
Joh. Heinrich, Schriftsteller, s. Jung-Stilling. ^[= # Joach., oder ius, Gelehrter, geb. 22. Okt. 1587 zu Lübeck, widmete sich anfangs der Mathematik ...]