(im
MittelalterPonsRagnetrudis, franz.
Porrentruy), Stadt im schweizer. Kanton Bern,
[* 2] das
Haupt des von der
Alle (Allaine)
durchflossenen fruchtbaren, aber vermöge seiner
Lage ziemlich rauhen Elsgaues, an der
EisenbahnDelémont-Delle. Hauptgebäude
sind: das alteSchloß mit dem
Turm
[* 3] Refousse und die
Pfarrkirche St.
Stephan mit einem schönen Altarblatt.
Pruntrut ist Hauptort des gleichnamigen
Bezirks, der in 37
Gemeinden 24,287 fast ausschließlich kath. Einwohner französischer
Zunge
enthält; es hat eine Kantonalschule (ehemals Jesuitenkollegium), ein
Lehrerseminar und eine Uhrmacherschule und zählt (1880) 5676 Einw.
Es war 1527-1792 stehende
Residenz des
Bischofs von Basel.
[* 4]
französisch Porrentruy. Amtsbezirk des Kantons Bern.
Bildet neben dem Amt Laufen
den nördlichsten Abschnitt
des Kantons und liegt zum grössten Teil ausserhalb der natürlichen Grenzen der Schweiz, die hier durch die Kette des Lomont
gegeben wären. Die Landschaft Ajoie (Elsgau), die zum Teil mit dem Amt Pruntrut identisch ist, stellt also zusammen mit den
Gebieten der Kantone Genf
und Schaffhausen
sowie mit dem Sotto Ceneri einen der vier am weitesten vorgeschobenen Aussenwälle
der helvetischen «Burg der Freiheit» dar
und schiebt sich keilförmig zwischen das deutsche Reich im O. und Frankreich im
W. hinein. 31690 ha Fläche und 26578 Ew., also 84 Ew. auf einen km2.
Der Amtsbezirk grenzt im SW. und W. an das französische Département du Doubs, im N. an das französische Territorium Belfort
und an den Elsass (Deutschland), im O. an den deutschen Elsass und den bernischen Amtsbezirk Delsberg und im S. an
den Amtsbezirk Freibergen. Die einzige Bergkette des Amtes bildet der Lomont, der sich im s. Abschnitt auf eine Länge von 26 km
von W. nach O. zieht und nirgends mehr 1000 m Höhe erreicht: die Faux d'Enson bei Roche d'Or hat 930 m und der Montgremay 944 m
(das Signal des Rangiers mit 999 m liegt schon im Amt Delsberg).
Diese äusserste und letzte Jurakette, die auf Grund
der Benennung durch die französischen Ingenieur-Topographen aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts zuweilen noch Mont Terrible
geheissen wird, teilt das Amt in zwei ungleich grosse Abschnitte: das Doubsthal mit Saint Ursanne, Ocourt
und dem Clos du Doubs im S. und den Elsgau oder die Ajoie im N., welch' letztere wieder in 3 Einzellandschaften zerfällt, nämlich 1. die
HauteAjoie (Oberelsgau) mit den Gemeinden s. und w. der Stadt Pruntrut, 2. die Basse Ajoie (Unterelsgau) mit den Dörfern n.
Pruntrut und 3. die Baroche mit dem ö. Pruntrut gelegenen Quellgebiet der Allaine.
Die Ajoie (oder Elsgau) bildet eine stark gewellte Ebene, deren Bodenschwellen von S. gegen N. an Höhe und Ausdehnung abnehmen.
Bei Boncourt verschmelzen die letzten unbedeutenden Hügelrücken des Jura mit der französischelsässischen Ebene oder der
sog. Trouée de Belfort (dem Burgunderthor). Dem Lomont ist im N. eine im SO. des Amtes beginnende und
sw. Pruntrut ausstreichende Reihe von Höhen vorgelagert, die gegen N. sanft geböscht sind, nach S. dagegen steil und felsig
abbrechen.
Dieser Zug
besteht aus einer Anzahl von Einzelkämmen, die durch malerische Thälchen und tief eingeschnittene Tobel oderKlusen
voneinander getrennt werden, die durch je einen im Sommer oft trocken liegenden, zur Zeit der Schneeschmelze dagegen vielfach
wasserreichen Bergbach regelmässig nach N. entwässert werden. Solche Einzelkämme sind, von O. nach W. gezählt, SurChaumont
(659 m), der Mont Terri (807 m), der Moron (728 m), die Côte Chaitelat (748 m). Nördl. dieser Vorberge
finden wir eine zweite, noch weniger hohe und steile Serie von ebenfalls durch Thälchen und Miniaturklusen voneinander geschiedenen
isolierten Höhen, wie z. B. den Hermont (540 m), die Perche (530 m), den Banné (514 m) und den Montaigre (508 m), alle ö.,
s. und sw. von Pruntrut (Schwellenhöhe am Bahnhof 425 m). Nördl. und nw. Pruntrut verschwinden die
Bergfalten ganz, um einer von zahlreichen malerischen Thalfurchen, die sich alle nach O. zum Thal der Allaine öffnen, durchschnittenen
Thallandschaft Platz zu
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machen. Solche Plateauflächen sind u. a. die von Le Grand Fahy (582 m) und von Bure (617 m). Nö. Pruntrut liegt das Plateau
von Coeuve, dessen höchster Punkt, Sur le Mont geheissen, 548 m erreicht. Der O.-Abschnitt des Amtes oder die Baroche weist
nur einige wenig bedeutende Höhen auf, wie denMont deMiserez (657 m) und den Morimont (751 m), beide
n. Charmoille und auf der Grenze gegen den Elsass, sowie die Aidjolats (798 m) sö. vom Dorf Charmoille.
Eng verknüpft mit der orographischen Gestaltung des Amtes sind auch seine hydrographischen Verhältnisse. Mit Ausnahme
eines nur ganz kleinen Anteiles am Rheingebiet gehört das Amt zum Einzugsgebiet der Rhone. Hauptfluss
ist der Doubs, der mit zahlreichen Schlingen dem S.-Fuss des Lomont folgt, aus dieser Kette aber nur ganz unbedeutende Nebenadern
erhält. Nördl. vom Lomont konvergieren alle grösseren Wasseradern gegen Pruntrut zu, um sich hier mit der Allaine zu vereinigen,
die zwar in der Baroche um Charmoille entspringt, aber erst von Pruntrut an den Charakter eines eigentlichen
Flusses erhält.
Die nennenswerten dieser Nebenadern der von O. kommenden Allaine sind das aus SO. zufliessende Wildwasser von Asuel, der Bief
und der Bacavoine, beide aus S. kommend, sowie der im W. entspringende und die ganze HauteAjoie entwässernde
Creugenat, dessen hydrographische Verhältnisse lebhaft an den österreichischen Karst erinnern. Unterhalb Pruntrut vergrössert
sich die Allaine durch mehrere entweder in ihrem Bett selbst sprudelnde oder nahe ihren Ufern entspringende wasserreiche Quellen,
verlässt dann bei Boncourt (370 m) die Schweiz und erhält auf französischem Boden die Coeuvate mit der
Vendeline, die beide die nö. Ajoie entwässern. Alle diese Wasser gehen durch Doubs, Saône und Rhone zum Mittelmeer. Dem
Rheingebiet
gehören an die Wasser ö. vom WeilerLes Rangiers, des W.-Hanges des Thales der Lützel (Lucelle) von Scholis bis zum Weier und
endlich diejenigen des Gebietes von Le Largin ö. Bonfol. Die grössten Flächen stehenden Wassers bilden
die Weier von Bonfol mit einer Fläche von 32,46 ha.
Von oberhalb Roche d'Or oder vom Signal de Montgremay aus gesehen, erscheint die Ajoie als eine einzige grosse Parklandschaft,
in der schöne Buchen- und Nadelholzwaldungen, Wiesen, Aecker und Gärten anmutig mit einander abwechseln
und zahlreiche Dörfer ihre roten Dächer zwischen den Obstbäumen zur Hälfte verstecken. Das Ganze atmet Ruhe, Zufriedenheit
und Wohlstand. Dieses fruchtbare Gebiet ist zusammen mit dem s. Tessin
und mit den Umgebungen von Basel
und Genf
die am tiefsten gelegene Landschaft
der Schweiz (Boncourt 370 m). Sie bietet den W.-, N.- und O.-Winden freien Durchzug, während S.-Wind sich
nur selten bemerkbar macht.
Das Klima ist somit vielfachen Schwankungen unterworfen und zeigt sehr starke Extreme. Während die meteorologische Station
Pruntrut im Sommer Schattentemperaturen von 32° und 33° C. verzeichnet, kann hier im Winter das Thermometer bis auf -24°
C. sinken. Die Nächte sind stets frisch, auch während der sog. Hundstage. Der überhaupt selten auftretende Nebel pflegt
mit Sonnenaufgang zu verschwinden. Dagegen regnet es viel, d. h. bis zu 125 cm Regenhöhe pro Jahr. Da die Winter kalt sind,
fällt verhältnismässig wenig Schnee. Das vor kalten Luftströmungen geschützte und den warmen SW.-Winden
geöffnete Thal des Doubs zwischen Saint Ursanne und La Motte hat heisse Sommer, dafür aber auch häufige und dichte Nebel.
Trotz dieser durch ihre Lage vor dem N.-Ende der Jurakette bedingten ungünstigen klimatischen Verhältnisse ist die Ajoie¶
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eine durchaus agrikole Landschaft, die Futter, Hafer und die gewöhnlichen Gemüse im Ueberfluss erzeugt, dagegen aber Korn,
feine Gemüse und Obst einführen muss. Brenn- und Bauholz kann ebenfalls ausgeführt werden. Die Rebe gedeiht trotz der geringen
Höhenlage der Gegend wegen der strengen Winter, der Spätfröste im Mai und der Frühfröste gegen Ende
September nicht, gibt aber an Spalieren gezogen hie und da befriedigende Resultate. Die Lomontkette und der Clos du Doubs
haben schöne Waldungen und ausgezeichnete Sennberge, welch' letztere aber im Sommer zeitweise unter der Dürre zu leiden
haben.
Rindvieh-, Pferde- und Schweinezucht wird in grossem Massstab betrieben. Die Ajoie ist mit ihren Waldungen
und einsamen Tobeln und Thalfurchen noch ein an jagdbarem Wild reiches Land und hat noch manche Wildschweine und Rehe. Die
das ganze Jahr hindurch ihrer Leidenschaft fröhnenden Wilderer und die im Herbst zu zahlreichen Jäger knallen aber leider
alles nieder, was ihnen vor die Flinte kommt, und auch die meisterlos umherschweifenden Jagdhunde richten
unter dem Gewild und den Schafherden einen ungeheuren Schaden an. Der Doubs liefert in Menge Forellen und Aeschen und die Allaine
viele Lachsforellen, während die Krebse fast vollständig verschwunden sind. In den Weiern von Vendlincourt und Bonfol werden
mit gutem Erfolg Karpfen gezüchtet.
Der felsige Untergrund des Bezirkes enthält zwar Eisen, aber in so geringer Menge, dass an eine Ausbeute niemals gedacht
worden ist. Unter Cornol liegt ein Steinkohlenbecken, das aber blos durch Erstellen von etwa 2000 m tief hinabreichenden Schächten
abgebaut werden könnte. Gipslager finden sich am O.- und W.-Fuss des Mont Terri, ausgezeichnete Töpfererde
gewinnt man in Cornol und Bonfol (feuerfeste Tonwaren von Bonfol), Bausteine von vorzüglicher Güte liefert ein grosser Steinbruch
bei Saint Ursanne, und Bure hat einen Bruch auf weichen weissen Kalkstein, der mit der Säge bearbeitet wird. Mineralquellen sind
mit Ausnahme derjenigen von Bel Oiseau bei Saint Ursanne keine vorhanden. Die Bodenfläche verteilt sich
wie folgt:
Obstbäume finden sich auf einer Fläche von 17525 ha. Die Zählung von 1838 ergab 39647 Apfelbäume, 22978 Birnbäume, 29073 Kirschbäume, 33974 Zwetschgenbäume, 3788 Nussbäume, 5206 Spaliere
und Zwergobstbäume und 407 Quittenbäume, zusammen 135073 Obstbäume.
Die Viehstatistik ergibt folgende Resultate:
1886
1896
1901
Rindvieh
8894
10721
9953
Pferde
3467
3022
3397
Schweine
6654
10364
9563
Schafe
1918
1237
1017
Ziegen
1194
1869
1516
Bienenstöcke
1924
2571
2518
Haupterwerbsquellen der Bevölkerung sind Ackerbau und Viehzucht. Von
Industriezweigen ist am bedeutendsten die Uhrenmacherei,
die in allen Dörfern verbreitet ist. Grosse Sägen in Ocourt, Saint Ursanne und Pruntrut;
Pruntrut hat neben seinen Uhrenfabriken noch
eine Bierbrauerei und zwei Schuhfabriken. Das Elektrizitätswerk Bellefontaine am Doubs versorgt einen grossen Teil des Bezirkes
mit Kraft und Licht. Die Dörfer der Baroche stellen ausgezeichnetes Kirschwasser her in vielen Dörfern werden Holzschuhe
verfertigt; Töpferei in Bonfol. Die zahlreichen Käsereien liefern ein geschätztes Produkt. Viele Gemeinden haben Hochdruckwasserversorgung
mit Hydrantennetz und Hauswasserleitungen.
Pruntrut ist der Sitz der Kantonsschule für den französisch sprechenden Teil Berns, die ein humanistisches
und ein Realgymnasium, ein Lehrerseminar und eine Mädchensekundarschule mit pädagogischer Sektion umfasst. Sekundarschulen
ausserdem in Bonfol und Chevenez. Der Amtsbezirk unterhält in Pruntrut eine landwirtschaftliche und eine Uhrenmacherschule,
ein Kranken- und ein Waisenhaus. Privates Waisenhaus für Mädchen in Miserez und Altersasyl in Saint Ursanne. In Pruntrut
erscheinen drei politische Zeitungen und zwei Anzeigenblätter.
Für die Bedürfnisse des Verkehres ist durch Strassen und Eisenbahnen gut gesorgt. Südl. vom Lomont durchzieht das Doubsthal
von Saint Hippolyte bis Saint Ursanne die aus Frankreich kommende internationale Strasse, die sich in drei Aeste spaltet: einen
nach Les Malettes hinaufsteigenden und über Les Rangiers nach Delsberg führenden ersten, einen längs
dem Doubs weiterziehenden und bei Sceut nahe La Roche die Strasse über die Caquerelle nach Saignelégier erreichenden zweiten
und einen dritten, der den Clos du Doubs bedient.
Die im orographischen und hydrographischen Mittelpunkt der Ajoie gelegene Stadt Pruntrut ist natürlich auch der Knotenpunkt
aller Strassenzüge n. vom Lomont. Es sind dies in erster Linie die beiden grossen internationalen StrassenBesançon-Damvant-Pruntrut-Pfirt (Ferrette)-Basel und Paris-Belfort-Pruntrut-LesMalettes-Bern, die sich in Pruntrut unter einem
rechten Winkel schneiden, dann als weitere bedeutende Routen: Pruntrut-Chevenez-Fahy-Montbéliard, Pruntrut-Bern, Pruntrut-Coeuve-Pfetterhausen-Altkirch-Mülhausen,
Pruntrut-Lützel-Laufen, Pruntrut-La Croix-Saint Ursanne. Das Amt hat zwei Normalspurbahnen, nämlich die Linien Delsberg-Pruntrut-Delle-Paris
und Pruntrut-Bonfol, welch' letztere bald an das elsässische Schienennetz angeschlossen werden wird.
Der Bau einer Linie Besançon-Pruntrut-Lützel-Basel wird geplant.
Amtsbezirk des Kantons Bern.
Die Viehzählung von 1906 hat folgende Resultate ergeben:
1906
Rindvieh
12246
Pferde
3424
Schweine
8193
Schafe
1375
Ziegen
1556
Bienenstöcke
-
Im Bezirk nimmt die Produktion der Industrie ab, aber in der Stadt Pruntrut
hält sie sich auf einer respektabeln Höhe. So hat die
eidgenössischen Kontrollstelle im Jahre 1907 298000 silberne Uhrschalen gestempelt und 170000 im Jahre
1908, ohne die metallenen Uhren zu rechnen, deren Zahl ohne Zweifel ebenso gross ist.
Der Verkehr auf dem Bahnhof Pruntrut
weist für das Rechnungsjahr 1908 folgende Ziffern auf:
1908
Ausgegebene einfache Billets
15179
Ausgegebene Retourbillets
110790
Abonnements
54376
Spedierte lebende Tiere
40943
Transitwaren: Versand in Tonnen
267506
Transitwaren: Ankunft in Tonnen
266552
Dies stellt Pruntrut
in den dritten Rang der schweizerischen Bahnhöfe in Bezug auf den Transit, da Basel
an erster Stelle steht, Zürich
an 2.,
Genf
jedoch erst an 4. Stelle. Diese Bedeutung wird noch stärker, wenn einmal die Strecke Bonfol-Dannemarie
dem Verkehr übergeben ist.
Eine neue Industrie für Pruntrut
ist die Glockengiesserei. Das HausRobert, im Jahre 1510 in Nancy gegründet, hat im Jahre 1906 seine
Oefen nach Pruntrut
verlegt und liefert seine vorzüglichen Produkte nicht nur der Schweiz, sondern auch nach den angrenzenden Ländern
und sogar nach Amerika.