Speyer
2 Seiten, 1'020 Wörter, 7'217 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Speyer,
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Speyer,
[* 2] Otto, Schriftsteller, geb. zu Arolsen [* 4] in Waldeck, [* 5] studierte Theologie und Philologie zu Jena, [* 6] war 1842-46 Lehrer an der Lateinschule zu Arolsen, ging 1847 als Erzieher am gräflichen Hause Pandolfini nach Florenz, [* 7] wo er die interessanten Jahre 1847-53 verlebte. Er ward mit italienischen Verhältnissen vertraut und trat zu einer Reihe der hervorragendsten italienischen Patrioten (unter anderm zu Ricasoli, Gino Capponi) in Beziehung, bereiste auch mehrfach die ganze Halbinsel und Sizilien. [* 8] 1853-70 wirkte er als Lehrer am Realgymnasium seiner Vaterstadt, 1870-88 als Professor an der höhern Gewerbeschule zu Kassel, [* 9] wo er gegenwärtig privatisiert. Außer einer großen Reihe von Abhandlungen über hervorragende Persönlichkeiten Neuitaliens in »Unsere Zeit«, den »Preußischen Jahrbüchern« und »Grenzboten«, den Biographien Cavours und Torquato Tassos (in Gottschalls »Neuem Plutarch«, Bd. 2 u. 10),
schrieb er: »Bilder italienischen Landes und Lebens« (Berl. 1859);
»Über das Komische und seine Verwendung in der Poesie« (das. 1888);
»Italienische Vegetationsbilder« (Kassel 1889).
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Speyer.
[* 2]
1) Bezirksamt im bayr. Reg.-Bez. Pfalz, hat 157,69 qkm und (1895) 34 787 (16 925 männl., 17 862 weibl.)
E. in 10 Gemeinden mit 26 Ortschaften, darunter eine Stadt. - 2) S., auch Speier (lat. spira), Hauptstadt
des Reg.-Bez. Pfalz, ehemals Freie Reichsstadt im Gebiet des Bistums S., an der Mündung des Speyer
bachs in den Rhein, an der
Linie Schifferstadt - Lauterburg der Pfalz. Eisenbahnen und der Nebenlinie Heidelberg
[* 11] - S. (26,2 km) der Bad.
[* 12] Staatsbahnen,
[* 13] von denen letztere den Rhein auf einer Schiffbrücke überschreitet, ist Sitz der Kreisregierung, des
prot. Konsistoriums und eines kath. Bischofs, des Bezirksamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht Frankenthal),
[* 14] Oberpost-, Forst-,
Nebenzollamtes, Landbau-, Straßen- und Flußbauamtes und einer Reichsbanknebenstelle und hat
[* 2] ^[Abb.] ¶
(1895) 19 044 (9204 männl., 9840 weibl.) E., darunter 8355 Evangelische und 508 Israeliten, in Garnison die 1. bis 4. Compagnie des 2. bayr. Pionierbataillons, Post, Telegraph, [* 16] Bezirksgremium, drei kath. Kirchen, darunter der Dom (s. unten), drei evang. Kirchen, darunter die neue Gedächtniskirche der Protestation, eine Synagoge, ein ehemaliges Jesuitenkollegium, jetzt im Besitz des Domkapitels, einen alten Thorturm (das Altpörtel; s. Tafel: Thore I, [* 15] Fig. 6), ein altes unterirdisches Judenbad, Mauerreste eines alten Palastes (des sog. Retscher), schöne Anlagen um den Dom mit der Ruine des 1511 ausgeführten Ölbergs, dem einzigen Überrest des 1437-44 erbauten, Ende des 18. Jahrh. zerstörten Kreuzgangs, und Denkmäler des Physikers und Astronomen Schwerd und des Regierungspräsidenten von Stengel, [* 17] Schöpfers der Domanlagen, ein neues Konsistorialgebäude.
Ferner ein Gymnasium, eine Realschule mit dem hervorragenden Museum vaterländischer Altertümer, ein kath. Priesterseminar, eine königliche kath. Lehrerbildungsanstalt mit Präparandenschule, höhere Mädchen-, Frauenarbeitsschule, Erziehungsanstalt für jugendliche Sträflinge, großes Bürgerspital, Diakonissen- und Waisenhaus. Der Dom wurde von Konrad II. als Grabstätte für sich und seine Nachfolger erbaut und begonnen, am gleichen Tage wie die Benediktinerabtei Limburg [* 18] bei Dürkheim [* 19] (s. d.), von seinem Sohne Heinrich III. fortgesetzt und von dessen Sohne Heinrich IV. 1061 vollendet.
Sie ruhen alle im Königschor der Kirche, Heinrich IV., auf dem der Bannfluch Gregors noch ruhte, erst, nachdem sein Leichnam fünf Jahre in der von ihm 1064 angebauten Afrakapelle unbegraben gestanden hatte; ferner Heinrich V., Philipp von Schwaben, Rudolf von Habsburg, Adolf von Nassau, Albrecht I. von Österreich, [* 20] Gisela, die Gemahlin Konrads II., Bertha, die Gemahlin Heinrichs IV., Beatrix, die zweite Gemahlin Friedrich Barbarossas, nebst ihrer Tochter Agnes.
Der Dom brannte 1450 ab, wurde von den Franzosen verbrannt und nach seiner Wiederherstellung durch den Würzburger Baumeister J. F. Neumann dem Jüngern (1772-84) abermals von den Franzosen zerstört (Jan. 1794); dann diente er als Magazin. Erst 1822 konnte der Dom infolge der Unterstützung des Königs Maximilian Joseph dem Gottesdienst zurückgegeben werden; die innere Ausschmückung erfolgte 1845-53 im Auftrag Ludwigs I., der Bau der Westfaçade, der Türme und Kaiserhalle 1854-58 durch Hübsch.
Die Kirche ist eine gewölbte Pfeilerbasilika mit östl. Querschiff (Hauptchor) und einer westl. Vorhalle, zwei Kuppeln und vier Türmen, von denen die Westtürme 73 m hoch sind. Die Kirche ist 134 m, das Querschiff 56 m lang, das Mittelschiff 15 m breit und 33 m lang; die gesamte Grundfläche beträgt 4470 qm. Drei mächtige Portale führen in die Vorhalle (Kaiserhalle) mit den Sandsteinbildsäulen der im Dom unter dem Königschor ruhenden Kaiser; der Königschor liegt 12 Stufen höher als das Mittelschiff, der Hauptchor (Bischofschor) einige Stufen höher als der Königschor, in dem die Denkmäler Rudolfs von Habsburg in Tiroler Marmor von Schwanthaler und Adolfs von Nassau in Sandstein von Ohnmacht sich befinden.
Die Hauptzierde des Doms sind die Schraudolphschen Fresken (1845-53). Die Industrie umfaßt eine große Baumwollspinnerei, Fabriken für Tabak [* 21] und Cigarren, Maschinen, Schuhwaren, Stroh- und Pauspapier; ferner bestehen Eisen- und Messinggießereien, Brauereien, Ziegeleien, Handelsgärtnereien, Landwirtschaft, Wein- und Obstbau. S. ist Sitz der Land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für den Regierungsbezirk Pfalz. Der Freihafen am Rhein wird wenig benutzt.
Geschichte. S. ist das alte Noviomagus Nemetum der Römer. [* 22] Ein Bischof von S. wird schon um 348 erwähnt; dann scheint die christl. Gemeinde durch Einfälle heidn. Germanen zerstört worden zu sein, da erst um 610 wieder ein Bischof von S. genannt wird. Die deutschen Kaiser hatten hier eine Pfalz, hielten sich häufig daselbst auf und machten S. 1294 zur Freien Reichsstadt. Von 1527 an, einige Unterbrechungen abgerechnet, war S. bis 1689 Sitz des Reichskammergerichts, das hierauf nach Wetzlar [* 23] verlegt wurde.
Auch wurden in S. mehrere Reichstage gehalten, unter denen der von 1529 der wichtigste war. Bei der Verwüstung der Rheinpfalz durch die Franzosen wurde S. vom General Monclar niedergebrannt und die Festungswerke bis auf einen Turm [* 24] (das Altpörtel) zerstört. Nach 10 Jahren wurde die Stadt ärmlich wieder aufgebaut, hat sich aber nicht wieder zu ihrem einstigen Wohlstand zu erheben vermocht. Auch in den span., poln. und österr. Erbfolgekriegen, im Siebenjährigen Kriege und in den franz. Revolutionskriegen hatte S. viel von den Franzosen zu leiden. S. gehörte 1801-14 zum franz. Depart. Donnersberg.
Litteratur. Geissel, Der Kaiserdom zu S. (3 Bde., Mainz [* 25] 1826-28);
Zeuß, Die Freie Reichsstadt S. vor ihrer Zerstörung (Speyer
1843);
Remling, Geschichte der Bischöfe zu S. (2 Bde., Mainz 1852-54; dazu Urkundenbuch, 2 Bde., ebd. 1852-54);
Weiß, Geschichte der Stadt S. (Speyer
1876);
Hilgard, Urkunden zur Geschichte der Stadt S. (Straßb. 1885);
Meyer-Schwartau, Der Dom zu S. und verwandte Bauten (Berl. 1894).
Speyer,
[* 2] Johann und Wendelin von, s. Johann (von Speyer
).