[* 3] (hierzu der Stadtplan), Hauptstadt der preuß.ProvinzPommern
[* 4] und des gleichnamigen Regierungsbezirks,
Stadtkreis, an der Oder,
Knotenpunkt der
LinienBerlin-Stargard,
Breslau-S. und S.-Mecklenburgische
Grenze, 7 m ü. M., besteht
aus der eigentlichen Stadt am linken Flußufer mit ausgedehnten neuen Stadtteilen und Vorstädten, welch letztere wegen der
bis 1873 vorhandenen
Befestigung der innern Stadt zum Teil in großer
Entfernung von derselben angelegt
sind, und aus der
Lastadie und den zugehörigen
Anlagen am rechten
Ufer.
Beide
Ufer der Oder sind für den allgemeinen
Verkehr durch drei
Brücken
[* 5] (Baumbrücke,
LangeBrücke
[* 6] und
NeueBrücke) verbunden;
für den Eisenbahnverkehr sind über die Oder und ihre
Nebenströme besondere Überbrückungen hergestellt. Die innere Stadt
enthält acht
Plätze: den Paradeplatz, den Königsplatz mit den
StatuenFriedrichs d. Gr. (von
Schadow)
und
FriedrichWilhelms III. (von
Drake), den Roßmarkt mit monumentaler
Fontäne, den Heumarkt und den
NeuenMarkt, zwischen denen
das alte
Rathaus steht, den Marktplatz und den Viktoriaplatz, durch das neue
Rathaus getrennt, und den mitAnlagen
gezierten Kirchplatz. S. hat 6 evang.
Kirchen, unter welchen die in ihrer jetzigen Gestalt spätgotische Petrikirche (1124
gegründet) als die erste
christliche Kirche in
Pommern und die Jakobikirche (aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrh.) wegen
ihrer
Größe etc. bemerkenswert sind; außerdem eine kath.
Kirche (im
Schloß), eine Baptistenkapelle, eine
Kirche der Altlutherischen, eine der apostolischen
Gemeinde und eine neue
Synagoge.
Andre hervorragende Gebäude sind: das königliche
Schloß (1575 erbaut), jetzt Sitz der
Regierung und des Oberlandesgerichts,
das Militärkasino, das Schauspielhaus, die
Börse, das
Vereins- und Konzerthaus, der
Zirkus, das neue großartige
Krankenhaus
[* 7] (auf einer Anhöhe
vor der Stadt, vgl. den
Plan bei Art.
»Krankenhaus«) etc. Bemerkenswert sind ferner zwei
von
FriedrichWilhelm I. erbaute monumentale Thorgebäude (Königsthor und
Berliner
[* 8]
Thor), welche, seit Abtragung der
Wälle freigelegt
und von der Stadt
Geschichte. S. ist schon im 11. Jahrh. gegründet worden, erscheint aber erst im 12. Jahrh.,
seit der Zerstörung von Jumne durch die Dänen, als der erste Seehandelsplatz an der Oder. Von HerzogBarnim I. erhielt es 1243 Stadtrecht. Seit 1107 war es Sitz eines pommerschen Fürstenhauses und blieb es, den Zeitraum von 1464 bis 1532 abgerechnet,
bis zum Aussterben der einheimischen Dynastie. 1360 trat es dem Hansabund bei und nahm 1522 die Reformation
an.
Hier wurde im Dezember 1570 ein Friede zwischen Schweden
[* 27] und Dänemark
[* 28] unter Vermittelung des Kaisers geschlossen. Am wurde
S. GustavAdolf eingeräumt, der große Verbesserungen an der Befestigung vornahm. Im WestfälischenFrieden nebst Vorpommern
an Schweden abgetreten, ward die Stadt von dem Kurfürsten von Brandenburg
[* 29] durch Kapitulation eingenommen,
aber schon 1679 an Schweden zurückgegeben.
W. H. Meyer, S. in alter und neuer Zeit (das. 1887).
Der Regierungsbezirk S. (s. Karte »Pommern«) umfaßt 12,074 qkm (219,29 QM.) mit (1885)
728,046 Einw. (darunter 709,671 Evangelische, 8871 Katholiken und 6832 Juden) und 13 Kreise:
[* 33]
1) Regierungsbezirk der preuß. ProvinzPommern, grenzt im N. an die Ostsee, im S. an die ProvinzBrandenburg,
im W. an Mecklenburg
[* 34] und im O. an den Reg.-Bez. Köslin,
[* 35] ist meist Flachland und steigt nur im SO.
an; er wird bewässert von zahlreichen Flüssen (Peene, Ücker, Oder, Ihna, Rega) und Seen (Madüe, Plöne, Dammscher See), hat
hauptsächlich Ackerbau, Viehzucht
[* 36] und Waldbestand. Der Regierungsbezirk hat 12 077,53 qkm und (1895) 785 229 (385 953 männl., 399 276 weibl.)
E., 36 Städte mit 1021,58 qkm und 343 068 (167 047 männl., 176 021 weibl.) E., 983 Landgemeinden
und 834 Gutsbezirke mit 11 055,95 qkm und 442 161 (218 906 männl., 223 255 weibl.) E. Dem Religionsbekenntnis
nach waren 760 615 Evangelische, 14 405 Katholiken, 3742 andere Christen und 6416 Israeliten.
Greifenberg-Cammin (von Normann, deutschkonservativ). - 2) Hauptstadt der ProvinzPommern und des Reg.-Bez. S. und Stadtkreis,
an der Oder, von der hier rechts die Parnitz und 1½ km unterhalb derselben der Dunzig zum Dammschen See abfließen, liegt
53° 22' 10'' nördl. Br. und 14° 42' 39'' östl. L. von Greenwich. (Hierzu ein Stadtplan
mit Verzeichnis der Straßen u. s. w.)
Anlage, Brücken. Die eigentliche Stadt besteht aus der hügeligen, engen Altstadt und der seit 1850 im S., W. und N. davon entstandenen
Neustadt
[* 38] auf dem linken Ufer der Oder und den Stadtteilen Lastadie und Silberwiese rechts von der Oder
zwischen Parnitz und Dunzig. Hierzu kommen die ausgedehnten Vorstädte auf dem linken Oderufer, die Unter- und Oberwiek, Pommerensdorfer
Anlage,
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FortPreußen, Torney, Grünhof und Westend (früher Friedrichshof), die seit Aufhebung der Festung (1873)
besonders nach der Stadt zu weiter ausgebaut sind. Über die Oder führen vier Brücken, darunter eine eiserne Eisenbahnbrücke,
über die Parnitz drei Brücken, darunter zwei eiserne Eisenbahnbrücken.
Bauten. Das Königs- (s. Tafel: Thore II,
[* 39]
Fig. 3) und das BerlinerThor, um 1730 aus Sandstein erbaut, sind
erhalten. Am Königsplatz steht eine Bronzenachbildung des 1793 von den pommerschen Ständen errichteten StandbildesFriedrichs
d. Gr. von Schadow, dessen Original aus Marmor sich im Landhause befindet; vor dem Theater das 1848 errichtete StandbildFriedrich
Wilhelms III. in Marmor von Drake, vor dem Königsthor das Denkmal des 1831 verstorbenen Oberpräsidenten
Sack und an der Kreuzung des Parade- und Königsplatzes das DenkmalKaiser Wilhelms I. in Bronze
[* 40] und Tiroler Marmor von Hilgers.
Die Stadt hat sieben evang. Kirchen, darunter die St. Peter- und Paulskirche, die älteste KirchePommerns, 1124 auf Veranlassung
des BischofsOtto von Bamberg
[* 41] für die zum Christentum bekehrten Wenden angelegt und mehrmals wieder aufgebaut,
mit Resten älterer Steinbildhauerei, und die große got. Jakobikirche, 1187 von dem Ritter Beringer aus Bamberg errichtet
und im 18. Jahrh. neu aufgebaut, eine neue kath. Kirche, altluth., Baptistenkapelle und schöne Synagoge (1873). Von weltlichen
Gebäuden sind zu nennen: das königl. Schloß, jetzt Sitz von Behörden, 1346 vom HerzogBarnim III. gegründet, 1575-77 in
ital. Stil neu erbaut und später erweitert, das alte Rathaus, 1245 vom HerzogBarnim I. erbaut, das neue Rathaus (1879), die
Börse (1832-34), Johanniskloster (Asyl), Waisenhaus, Konzert- und Vereinshaus (1884),Arsenal oder Artilleriezeughaus,
früher Kirche (1336) des ehemaligen St. Marien-Nonnenklosters und der Schweizer-, vormals Loytzenhof, mit Façade aus dem 16. Jahrh.
Bevölkerung.
[* 42] S. hatte 1867: 73 714, 1880: 91 756, 1885: 99 543, 1890: 116 228, 1895: 140 724 (67 982 männl., 72 742 weibl.)
E., d. i. eine Zunahme seit 1890 von 24 496 Personen oder 21,08 Proz., darunter 130 704 Evangelische, 5628 Katholiken, 1542 andere
Christen und 2850 Israeliten. Rechnet man zu der Einwohnerzahl von 1890 noch diejenige der umliegenden Ortschaften, welche
durch wirtschaftliche Interessen mit S. verbunden sind, nämlich Bredow (13 541 E.), Grabow (15 784), Züllchow (7017),
Nemitz (3194) und Frauendorf (3009), so ergiebt sich für Groß-Stettin eine Gesamteinwohnerzahl von rund 183 300 E. Die
Zahl der Geburten betrug 1896: 5122 (darunter 153 Totgeburten), der Eheschließungen 1254, der Sterbefälle 3600. In Garnison
liegen das Grenadierregiment König Friedrich Wilhelm IV. (1. pommersches) Nr. 2, Infanterieregiment Nr.
148, Stab,
[* 43] die 1. bis 3. Abteilung des 1. pommerschen Feldartillerieregiments Nr. 2 und das Pionierbataillon
Nr. 17.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Oberbürgermeister (Geh. Regierungsrat Haken, 18000 M.), einem Bürgermeister
(Giesebrecht, 10 450 M.), 20 Magistratsmitgliedern (9 besoldeten) und 63 Stadtverordneten. Ferner besteht eine königl.
Polizeidirektion, Berufsfeuerwehr von 100 Mann, darunter 25 Mann der Packhofsfeuerwehr, eine Gasanstalt,
ein Wasserwerk, Kanalisation und ein Schlacht- und Viehhof. Der Haushaltplan (1897/98) weist eine Einnahme und Ausgabe von
16 080 931 M.
nach; unter den Ausgaben sind 1 945 691 M. für Schulverwaltung und 777 157 M. für Armen- und Wohlthätigkeitspflege.
Die direkten Steuern betragen 34 Proz. der ordentlichen Einnahmen (114 Proz.
Zuschlag zur Einkommen- und 171 Proz. zur Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer). Es besteht eine städtische Sparkasse, mehrere
andere Spar- und Vorschußvereine, ein Leihhaus, 26 Orts-, 18 Betriebs- (Fabrik-), 3 Innungskrankenkassen und 30 Innungen;
für wohlthätige Zwecke eine Anstalt für Blödsinnige, ein Taubstummeninstitut, eine Blinden- und Hebammenanstalt,
ein städtisches und ein Privatkrankenhaus (Bethanien) u. a.
Unterrichts- und Bildungswesen. Die Stadt hat ein königl. Seminar für gelehrte Schulen, Marienstiftsgymnasium,
Stadtgymnasium, König Wilhelmsgymnasium, Realgymnasium (Friedrich-Wilhelmsschule), städtisches Schiller-Realgymnasium, eine
städtische höhere Mädchenschule (Kaiserin-Auguste-Victoria-Schule), private mittlere und höhere Mädchenschulen, 4 städtische
Mittel- und 25 Gemeindeschulen. Die 1824 gestiftete Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde
hat eine bedeutende Bibliothek und ein reichhaltiges Museum im Schloß; ebendaselbst befindet sich auch das Staatsarchiv;
das Pommersche Museum enthält natur- und kulturhistor. Sammlungen, das Stadtmuseum Gemälde, Kupferstiche und Skulpturen.
Das Stadttheater ist 1846 von der Kaufmannschaft erbaut und 1892 von der Stadt erworben worden.
Die Einfuhr zur See betrug 1896: 2 049 224 t, die Ausfuhr 676 461 t. Der Handel wird unterstützt durch eine Reichsbankhauptstelle,
die Vorsteher der Kaufmannschaft, welche die Stelle einer Handelskammer vertreten, zahlreiche Versicherungs-
und Dampfschiffahrtsgesellschaften, darunter die Lebensversicherungsgesellschaft «Germania»,
[* 49] die Preußische Nationalversicherungsgesellschaft,
die See- und Flußversicherungsgesellschaften " Pommerania», «Union», Stettiner und Norddeutsche Versicherungsgesellschaft,
Neue Dampfer-Compagnie, Pommersche Dampfschiffahrtsgesellschaft, die Dampfschiffahrtssellschaften «Kurland»,
[* 50] «Arnold», «Braeunlich»
u. a.
Verkehrswesen. Der Bau des einen der beiden projektierten Hafenkanäle von 1200 m Länge und 100 m Breite
[* 51] nebst vorliegendem Wendebassin von 230 m Breite hat (und zwar auf Kosten der Stadt, die zunächst 16, im ganzen 30 Mill. M.
für die neuen Hafenanlagen vorgesehen hat) begonnen und ist (1897) nahezu vollendet. Die anschließenden Wasserstraßen
im Bezirk von S. haben ebenfalls bedeutende Verbesserungen erfahren (s. Oder).
Die Reederei umfaßte an größern Seeschiffen 1895: 52 Segelschiffe mit 6941 und 90 Dampfschiffe mit 34 647 Registertons.
Die Stadt S. erhält auf den Mölnwiesen einen Freihafenbezirk. 1895 kamen im Seeverkehr an (gingen aus) 4159 (4163) Schiffe
mit 1 335 664 (1 339 262) Registertons, im Flußverkehr 12 041 (12 073) Kähne mit 1 574 057 (1 575 686)
t Laderaum. Regelmäßige Dampferverbindungen über Swinemünde bestehen mit Neuyork,
[* 52] Frankreich, Spanien,
[* 53] den Mittelmeerhäfen
und allen bedeutenden Plätzen der Nord- und Ostsee.
S. liegt an den EisenbahnlinienS.-Strasburg (60,2 km), S.-Stargard-Danzig (368 km), S.-Cüstrin-Breslau (352,5 km)
und Berlin-S. (134,7 km) der Preuß. Staatsbahnen
[* 54] und hat ein Postamt erster Klasse mit vier Zweigstellen, ein Telegraphenamt
erster Klasse mit Zweigstelle (Börse), drei Stadtpostanstalten, ein Postamt zweiter Klasse (Stettin-Neutorney) und ein Postamt
dritter Klasse (Stettin-Pommerensdorf), sämtlich mit Telegraph,
[* 55] ein Fernsprechamt und elektrische Straßenbahn in der Stadt
und nach Grabow.
Geschichte. S., lat. Stetinum, erst später auch Sedinum genannt, soll ehemals ein wend.
Fischerdorf gewesen sein und erst nach dem Niedergange der Stadt Julin (Wollin), etwa um 830, eine größere Bedeutung erlangt
haben. 1124 wurden die ersten Stettiner durch BischofOtto von Bamberg getauft, der hier zwei Kirchen erbaute. Ende
des 12. Jahrh. begann die Einwanderung von Deutschen, namentlich aus Niedersachsen. 1295 wurde S. der Sitz eines Zweiges des
pommerschen Fürstenhauses, in dem HerzogOtto
I. die stettinische Linie begründete, die 1464 ausstarb, worauf das Land wieder
vereinigt wurde. Im Dez. 1570 wurde in S. durch Vermittlung des Kaisers Maximilian II. ein Friede zwischen
Dänemark und Schweden geschlossen, der den Dreikronenkrieg (s. d.) beendigte.
Der HandelS.s entwickelte sich schon im Mittelalter, wo es Mitglied der Hansa wurde. Nach dem Aussterben der pommerschen Herzöge
mit Bogislaw XIV. (1637) fiel S. durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges im Westfälischen Frieden an Schweden,
statt vertragsmäßig an Brandenburg (s. Pommern, Geschichte). Der Große Kurfürst belagerte S. seit Juli 1677 und eroberte
die Stadt mußte sie aber 1679 wieder aufgeben. Im Nordischen Krieg wurde S. von den Russen unter Menschikow
erobert und 9. Okt. an Preußen überlassen; 1720 wurde es im Frieden von Stockholm definitiv an Preußen abgetreten.
Vom bis war es von den Franzosen besetzt. S. ist der Geburtsort der Kaiserin Katharina II. von Rußland.
Vgl. Berghaus, Geschichte der Stadt S. (2 Bde., Wriezen 1875-76);
Th. Schmidt, Zur Geschichte des Handels und der Schiffahrt S.s 1786-1846 (ebd. 1875);
W. H. Meyer, S. in
alter und neuer Zeit (Stett. 1887);