Titel
Tauben
[* 2] (Columbidae, hierzu Tafel »Tauben«
),
Unterordnung der
Taubenvögel (s. d.). Die große
Holz-,
Kohl-,
Wald- oder Ringeltaube
(Columba Palumbus L.), taubenblau
,
Kopf u.
Brust rötlichblau,
Hals grünlich und purpurn schillernd,
an jeder Seite mit großem, weißem
Fleck,
Flügel graublau mit breitem, weißem
Streifen am
Bug, Unterrücken und
Steiß hellblau,
Schwanz mattschwarz, mit hellerer Querbinde und großem, weißem
Fleck, Unterseite hell graublau,
Hinterleib
weiß, ist 43
cm lang, findet sich in ganz
Europa
[* 3] und einem großen Teil
Asiens, nährt sich von
Getreide
[* 4] und Grassämereien,
Schnecken,
[* 5] Regenwürmern, vorzugsweise aber von Nadelholzsamen, auch
Eicheln und
Bucheln, im
Sommer von Heidelbeeren u. a. Sie
nistet in Nadelholzdickicht, niedrig oder hoch, auf allerlei
Bäumen.
Obwohl überaus scheu und vorsichtig, wohnt sie zuweilen doch inmitten volkreicher Städte auf den Bäumen der Anlagen, so in Stuttgart [* 6] und namentlich in Paris, [* 7] wo sie zutraulich und dreist von den Spaziergängern sich füttern läßt. Die kleine Holz- oder Hohltaube (C. Oenas L.), mohnblau, Kopf aschgraublau, Hals wie bei der vorigen schillernd, Oberrücken dunkler graublau, Schwingen schieferblau, nur mit reihenweise stehenden, schwarzen Flecken, kein Weiß im Flügel, Brust rötlichgrau, Unterleib schwach rötlich aschgrau, ist etwa 32,5 cm lang.
Verbreitung wie die vorige; sie nistet jedoch nur in Baumhöhlungen und wird, weil diese überall mangeln, immer seltener.
Zugvogel. Die Felsentaube
(C. livia
L., s. Tafel »Tauben«
,
Fig. 1), oberhalb aschgraublau, unterhalb mohnblau,
Kopf hell graublau,
Hals wie bei den vorigen metallisch schillernd,
Schwingen
aschgrau und
Flügel mit zwei schwarzen
Binden, Unterrücken rein weiß,
Schwanz dunkel graublau, mit schwarzem Endsaum, die
beiden äußersten
Federn mit weißem Endsaum,
Auge
[* 8] hellgelb,
Schnabel schwarz,
Füße rot, 34
cm lang, findet
sich in fast ganz
Europa,
Asien
[* 9] und Nordafrika, doch nur, wo es
Felsen gibt, in deren Höhlungen oder auch in den Löchern alten
Gemäuers sie nistet.
Man unterscheidet zwei
Varietäten mit weißem und blauem Unterrücken und nennt letztere auch Bergtaube (C. glauconotos
Br.).
Sie nährt sich vorzugsweise von
Getreide und
Samen
[* 10] der Vogelwicke und andern
Unkräutern. Sie soll die
Stammmutter aller Haustauben
rassen sein. Die
Turteltaube (C.
Turtur L.), oberhalb rötlich braungrau, schwarz und aschgrau
gefleckt,
Stirn weißlichgrau, Oberkopf und
Hals graublau, letzterer mit vier schwarzen, weiß gesäumten Querstreifen,
Flügel
schwärzlich aschgrau,
Kehle und Oberbrust weinrot, ganze Unterseite rötlich graublau,
Hinterleib gräulichweiß,
28,6
cm lang, findet sich in fast ganz
Europa und
Asien, besonders in
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Nadelholzwäldern, wandert, wie die vorige, südwärts. Sie nistet auf mittelhohem Gebüsch, nährt sich namentlich von Erbsen, Linsen, Wicken und wird vielfach in Käfigen gehalten. Die Lachtaube (C. risoria L.), blaß rötlich gelbweiß, mit halbmondförmigem, schwarzem Fleck am Hinterhals, unterseits heller, Schnabel schwarz, Augen hellrot, Füße karminrot, 31,2 cm lang, bewohnt Afrika, [* 12] Mittel- und Südasien. Außer dem Girren hat sie besondere Laute, welche menschlichem Lachen einigermaßen ähneln, daher der Name.
Die Wandertaube (C. migratoria L., Ectopistes migratorius L.), oberhalb schieferblau, unterhalb rötlichgrau, Hals violettrot
schillernd, Schwingen schwärzlich, weiß gesäumt, Schwanzfedern schwarz, an beiden Seiten hellgrau, weiß gespitzt, Bauch
[* 13] und Hinterleib weiß, Schnabel schwarz, Augen und Füße rot, 42,4 cm lang, bewohnt fast ganz Amerika,
[* 14] vorzugsweise
das östliche Nordamerika.
[* 15] Sie wandert im Herbst und Frühjahr in ungeheuern Schwärmen, welche in früherer Zeit in angebauten
Gegenden großen Schaden verursachten, gegenwärtig aber durch die unausgesetzten Verfolgungen sehr stark zusammengeschmolzen
sind. Audubon schätzte den wöchentlichen Bedarf eines Wandertaubenzugs
auf 1,712,000 Scheffel Sämereien
und seine Verbreitung auf einen Raum von 8-10 engl. Meilen, während seine Brutplätze bei einer Verbreitung von 4-5 engl.
Meilen sich 50 Meilen weit durch die Wälder ziehen sollten, so daß man auf manchen Bäumen 50-100 Nester fand. Von den fremdländischen
Tauben gelangen 70 Arten lebend in den Handel und werden zum Teil als Stubenvögel
[* 16] gehalten.
Haustauben.
(Vgl. beifolgende Tafel »Tauben«.)
Unsre Haustauben stammen wahrscheinlich von der Felsentaube ab, von welcher manche unsrer Feldflüchter kaum zu unterscheiden sind. Die Domestizierung derselben reicht ins graue Altertum zurück. Inder und Ägypter hatten bereits besondere Rassen. Auch in neuerer Zeit blüht die Taubenzucht im Orient. Eine völlig befriedigende Einteilung der Haustauben scheint noch nicht gefunden zu sein. Die neuern Taubenkundigen (»Peristerologen«) verteilen die gegen 10 Rassen mit etwa 80 Unterrassen oder Schlägen unter 4 oder 5 Hauptgruppen.
I. Feld- oder Farbentauben. Im Bau und in der Haltung der wilden Felsentaube ähnlich, ist Färbung des Gesamtgefieders oder einzelner Teile entscheidend. Sie neigen mehr oder weniger zum Felden. Von den etwa 25 Rassen nebst vielen Farbenschlägen sind die schönsten und beliebtesten: Eistaube, Porzellantaube, Lerchentaube, Starhals, Blässentaube, Pfaffentaube, Mäusertaube, Mönchtaube, Deckeltauben, Flügeltauben, Schwingentauben, Schnippentaube, Farben- (Mohren-) Köpfe, Elstertaube, Hyacinthtaube, Viktoriataube, Strasser u. a. Bei vielen der genannten Rassen gibt es Farbenschläge, d. h. die gefärbten Teile kommen in den vier Hauptfarben (Blau, Schwarz, Rot, Gelb) oder in verschiedenen Nebenfarben (Mischungen aus den Hauptfarben) vor; ebenso verschiedene Kopf- und Beinbefiederungsarten (Haube, Kuppe, Doppelkuppe, Latschen etc.).
Zur II. Gruppe, welche sich durch eigentümliche Stimme (Trommeln) auszeichnen, gehören die drei Rassen der Trommeltauben (Trompeter), die Altenburger [* 11] (Fig. 3), Russische [* 17] und Bucharische [* 11] (Fig. 2).
Die III. Gruppe enthält die durch besondere Federstruktur des Gesamtgefieders (Locken- [* 11] [Fig. 4] oder Strupptaube) oder einzelner Teile desselben (Mähnentaube, Perückentaube [* 11] [Fig. 10], Möwentaube) oder zugleich auch durch größere Anzahl der Schwanzfedern, Haltung derselben und des Halses (Pfautaube [* 11] [Fig. 14 u. 15]) gekennzeichneten. Unter den Lieblingen dieser Gruppe, den Möwentauben [* 11] (Fig. 11, 12 u. 13), sind die orientalischen (Sattinetten, Blondinetten, Turbitins) Muster der Züchtungskunst in Bezug auf Reinheit der Färbung und Zeichnung.
Die IV. Gruppe, die der Formtauben, begreift drei sehr voneinander verschiedene Unterabteilungen.
1) Die Huhntauben zeigen in Körperform und Haltung große Ähnlichkeit [* 18] mit den Hühnern: länglicher, spitz zulaufender Kopf, großer, huhnartig gebauter und getragener Rumpf und Schwanz, S-förmig gebogener Hals, kurze Flügel, starke, hohe, glatte Beine. Hauptrassen sind: die Malteser Tauben, die Florentiner, [* 19] die Monteneur, die Modeneser Tauben.
2) Die Kropftauben (Kröpfer) zeichnen sich durch kleinen Kopf, langen Hals, schmalen Rumpf, lange, schmale Flügel, langen Schwanz, langen, dünnen Schenkel und Lauf (glatt oder bis auf die Zehen herab befiedert) und durch den riesigen Kropf aus, den möglichst hervorzuheben der lange, schlanke Körperbau sehr geeignet ist. Man kennt gegen 15 nach den Züchtungsorten benannte Rassen und Unterrassen. Englische [* 20] (Fig. 16), Französische [* 11] (Fig. 17), Pommersche, Sächsische, Brünner [* 11] (Fig. 18), Prager etc.
3) Warzentauben (Schnabeltauben), Kennzeichen: kurzer dicker oder langer kegelförmiger oder stark nach unten gebogener Schnabel, mit kleinen bis walnußgroßen Warzen an der Basis des Oberkiefers und fleischigen Warzenringen um die Augen, welche bei einigen Rassen den Schädel überragen. Zehn Rassen mit 8-9 Unterrassen: Lang-, krumm- und kurzschnäbelige Bagdetten, Berbertauben, Römische [* 21] Tauben, Montaubantauben, Belgische Brieftauben. Die englische Bagdette (Karrier, [* 11] Fig. 19), mit großen, häßlichen Schnabel- und Augenwarzen, bei der vom Taubenkopf kaum noch etwas übrig ist, gilt in England als die Königin der Tauben, für »bezaubernd«. Andre Rassen sind der Englische Dragoner, die Französische Bagdette, die bogenschnäbelige Nürnberger [* 11] (Fig. 20), die kurzschnäbelige Türkische, die Berbertaube (Indianer, Cyprische Taube, [* 11] Fig. 21) und die Römische Taube [* 11] (Fig. 22).
V. Gruppe, Flugtauben, d. h. Tümmler und Purzler. Das gemeinsame Kennzeichen dieser beliebten und rassenreichsten ist bei übrigens verschiedener Kopf- und Schnabelform der eigentümliche Flug. Sie steigen hoch in die Luft und überschlagen sich (purzeln) beim Herabfliegen weniger oder öfter, zuweilen bis auf den Boden herab, manche Rassen auf dem Boden selber. Man teilt die Tümmler in flachstirnige Langschnäbel (8 Rassen mit 6-7 Unterrassen, meist deutscher Zucht), flach- und hochstirnige Mittelschnäbel (9 Rassen) und in hochstirnige Kurz- und Dickschnäbel (11-12 Rassen, meist englischer und deutscher Zucht). Unter den Englischen Tümmlern nehmen die Almonds- [* 11] (Fig. 8), Bart- [* 11] (Fig. 9) und Weißkopftümmler den ersten Rang ein und werden nebst den Kröpfern und Karriers zu hohen Preisen verhandelt. Auch unter den deutschen, österreichischen und dänischen Rassen (Berliner [* 22] [Fig. 6], Danziger, Stralsunder, Braunschweiger, Hannoveraner, Königsberger, Altstämmer, Wiener, Prager, Pester, Kopenhagener, Kalotten [* 11] [Fig. 5], Nönnchen [* 11] [Fig. 7], Elster [* 23] etc.) gibt es eine Menge sehr schöner und wertvoller Tauben.
Haltung und Zucht der Tauben. Die wirtschaftlichen Zwecken dienende Taubenzucht, für welche nur die Feld- oder Farbentauben zu empfehlen sind, ist eine sehr einfache. Der einfachste Taubenschlag, womöglich hoch gelegen, und jede gegen die Unbilden der ¶
1. Felsentaube. -
2. Bucharische Trommeltaube. -
3. Deutsche [* 25] Trommeltaube. -
4. Lockentaube. -
5. Kalotte. -
6. Berliner altstämmiger Tümmler. -
7. Nönnchen. -
8. Almond. -
9. Barttümmler. -
10. Perückentaube. -
11. Ägyptisches Möwchen. -
12. Chinesisches Möwchen. -
13. Deutsches Möwchen. -
14. 15. Pfauentaube. -
16. Englischer Kröpfer. -
17. Französischer Kröpfer. -
19. Karrier. -
20. Deutsche Bagdette. -
21. Cyprische Taube. -
23. Antwerpener Brieftaube. -
21. Lütticher Brieftaube.
mehr
Witterung einigermaßen schützende Einrichtung, Fütterung zur Zeit des Nahrungsmangels (Wicken, Gerste [* 27] und andre Sämereien), reines Trinkwasser und alter Kalkmörtel, allenfalls das Unschädlichmachen eines boshaften Taubers ist im allgemeinen alles, was das Gedeihen des Feldflüchters verlangt. Weit schwieriger ist Haltung und Züchtung der Rassetauben. Geräumige, für die verschiedenen Rassen geeignete, den Mäusen und Raubtieren unzugängliche, warme und reinlich gehaltene Schläge, passende Nester, reine Luft, gesunde Nahrung, oft erneuertes Trinkwasser sind unerläßliche Vorbedingungen. Sorge für Pfleger (Ammen) solcher Rassen, welche ihre Jungen nicht selber füttern können (Kurzschnabeltümmler, Berber, Kröpfervarietäten, Karriers). Stete Beaufsichtigung der brütenden und atzenden Paare etc.; richtige Paarung, eine nicht leicht zu erwerbende Kunst.
Die wichtigsten Krankheiten der Tauben sind: diphtherische Schleimhautentzündung (Geflügeltyphoid), Unverdaulichkeit oder Schwerverdaulichkeit, Darmkatarrh (Durchfall), der Katarrh der Nase [* 28] oder der Luftsäcke, durch Schimmelpilze hervorgerufene Lungenentzündung, Verstopfung des Kropfes, Rachitis, Vergiftungen durch Bleipräparate, Geflügelpocken (Gregarinen-Epithelium). Von den Hautleiden haben das Schmarotzertum der Vogelmilben und Flöhe sowie der Kopfgrind und das allgemeine Ausfallen der Federn das meiste Interesse.
Vgl. Prütz, Die Krankheiten der Haustauben (Hamb. 1886).
Die sogen. feinen Rassen sind viel häufiger Krankheiten ausgesetzt als die gewöhnlichen. Zur Vermeidung von Erkrankungen sorge man für gute Ventilation, vermeide Überfüllung, Zugluft, zu große Hitze und Kälte des Schlags, gebe nur bestes und reichliches, aber nicht überreichliches Futter, im Sommer täglich dreimal frisches, reines Wasser und halte auf peinlichste Reinlichkeit des Schlags, der Nester und aller Utensilien; im Sommer tägliche Reinigung des Schlags.
Man vermeidet durch diese Vorbeugemittel die ganze Reihe von meist gefährlichen Krankheiten der Atmungs- und Verdauungsorgane, der rheumatischen und andrer Übel. Auf Erkrankung darf man schließen, wenn die Flügel schlaff herabhängen, der Schnabel geöffnet, die Zunge und die Mundhöhle [* 29] trocken oder mißfarbig sind, ein Ausfluß [* 30] aus Schnabel und Nase vorhanden, die Augen entzündet, die Exkremente zu dünn, grünlich oder zu konsistent und selten sind oder gänzliche Verstopfung eingetreten ist. Die erkrankten Tiere sind sofort von den gesunden zu trennen und abgesondert und warm zu halten. Wenn es sich nicht um besonders wertvolle Tiere handelt, ist von meist lange dauernden und erfolglosen Kurversuchen lieber abzusehen; Käfige und sonstige infizierte Räumlichkeiten sind zu desinfizieren, die gestorbenen oder getöteten Kranken zu verbrennen oder tief zu vergraben.
Unter den geflügelten Feinden der Tauben sind Taubenfalke, Habicht und Sperber die gefährlichsten; gegen Katzen, [* 31] Marder, [* 32] Iltis, [* 33] Wiesel, [* 34] Ratten und Mäuse kann man die Schläge von vornherein schützen; gegen die parasitischen, zum Teil verderblichen Insekten [* 35] hilft sorgfältigste und oft wiederholte Reinigung der Schläge, Nester etc., tägliche Wegnahme des Mistes, Bestreuung des Bodens mit Asche, Tabaksstaub, des Gefieders mit persischem Insektenpulver, Einreiben mit verdünntem Anisöl.
Der Nutzen der wirtschaftlichen Taubenrassen wiegt den Schaden bedeutend auf. Junge und Alte liefern eine gesunde, leichtverdauliche Speise für Kranke und Genesende und bilden im Sommer oft die einzige Fleischkost auf dem Land oder einen einträglichen Marktartikel. Die Gewinnung des Düngers, dessen Wert für Garten- und Feldbau man höher schätzen gelernt hat, ist im Orient einziger Zweck der Taubenhaltung (rings um Ispahan zählt man über 3000 Taubentürme).
Franzosen und Italiener ziehen ihn zu gärtnerischen Zwecken dem Guano vor. Den angeblichen Schaden an Sämereien, gerade zur Saatzeit, hat man auf Grund genauester Untersuchungen (Snell hat jahrelang Körner und Vogelwickensamen in Kropf und Magen [* 36] gezählt [in einer jungen Taube 3582], die Tauben auf seine Äcker gelockt und die besten Getreideernten erhalten) als großen Vorteil erkannt. de Vitey und Befroy erachten die Zerstörung der gegen 50,000 Taubentürme in Frankreich durch die Revolution von 1789 als Nationalunglück. Der wirkliche Schade an Mehl- und Ölfrüchten zur Zeit der Ernte [* 37] kommt dagegen nicht in Betracht.
Brieftauben.
Als Stammeltern der Brieftaube gelten der Karrier und die von ihm zunächst gezüchtete Drachentaube, dann die Feldtaube, das Möwchen und der Tümmler. Man unterscheidet wohl 3 oder 4 mehr oder minder ausgeprägte Brieftaubenrassen, namentlich die Antwerpener [* 26] (Fig. 23), die Lütticher [* 26] (Fig. 24) und die Brüsseler, welche aber in neuester Zeit wieder weitergebildet wurden, so daß gegenwärtig eine große Mannigfaltigkeit vorhanden ist. Eine gute Brieftaube muß aufrechte Haltung, langen Hals, breite Brust, breite und lange Schwingen, große Muskelkraft in den Flügeln und blaue oder dunkle Farbe besitzen; ungeduldiges, stürmisches Benehmen gelten als besonders gute Zeichen. Zu ihrem Dienst muß die Brieftaube angelernt werden.
Während man durch die den Brieftauben gereichte Nahrung auf Erhöhung des Flugvermögens durch Stärkung der Muskeln [* 38] wirkt, Fettbildung aber unterdrückt, nimmt man mit den Tieren Flugübungen vor, die ihren Orientierungssinn und ihr Gedächtnis stählen und allmählich immer weiter ausgedehnt werden. Natürlich lernen die Tiere nur eine bestimmte, immer dieselbe bleibende Richtung mit Sicherheit durchfliegen, d. h. sie müssen im stande sein, den Weg nach ihrer Heimatsstation von einer Außenstation selbst bei Nacht und ungünstiger Witterung (Nebel, Regen) zurückzulegen; nicht aber kann man von ihnen das Fliegen [* 39] von mehreren Außenstationen aus verlangen oder gar, daß sie nach einer andern als der Heimatsstation fliegen, denn nur die Sehnsucht nach der Heimat, als ein diesen Tieren von der Natur gegebener Instinkt, macht sie für obige Zwecke geeignet.
Deshalb werden auch die Tauben verschiedener Flugrichtungen stets getrennt gehalten. Die Geschlechter sondert man voneinander nach der ersten, spätestens zweiten Brut, um eine neue Begattung der Tauben zu verhindern, welche die Täubin durch Entwickelung des Eies im Körper reiseuntüchtig machen würde, und ferner auch, um die Begierde zur Paarung und damit den Drang zu heben, der alten Heimat zuzufliegen. Im Schlag macht man durch Lattenverschlüsse Abteilungen, deren jede einzelne freie Bewegung nach dem Flugloch und Ausflugkasten gestattet, die untereinander aber nur durch verschließbare Schiebethüren und Lauflöcher am Boden in Verbindung stehen.
Das Einüben der Tauben für eine bestimmte Tour beginnt vom Mai ab, nach Beendigung des Brutgeschäfts, mit Entfernungen von 7-8 km und steigt allmählich bis zu 200 km, wobei aber die Tauben erst dann in weiterer Entfernung aufgelassen werden, wenn sie die Tour vom ersten Auflaßort in geradester Richtung und kürzester Frist zurücklegen. Die ¶
Im Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902
Tauben
(Kt. Bern, Amtsbez. Saanen). 2108 m. Begraster Kopf unmittelbar n. über dem Trütlisbergpass (2040 m), von wo aus er in wenigen Minuten bequem erreicht wird (3 Stunden von Lauenen oder der Lenk her).
Hier vereinigt sich der das Wistätthorn tragende Kamm mit dem Rücken Lauenenhorn-Gifferhorn, zwischen welch beiden das Turbachthal seinen Ursprung nimmt.