das Übergehen eines
Körpers oder eines materiellen
Punktes aus einer räumlichen
Lage in eine andre. Die
Orte, welche ein in Bewegung begriffener
Punkt nacheinander einnimmt, bilden in ihrer stetigen Aufeinanderfolge eine gerade oder
krumme Linie, den Weg oder die
Bahn des
Punktes; danach heißt die Bewegung entweder gerad- oder krummlinig. Wir
nennen eine Bewegung gleichförmig, wenn der sich bewegende
Punkt in gleichen Zeitabschnitten
von beliebig kleiner Dauer stets gleiche
Strecken seiner
Bahn durchläuft; ungleichförmig dagegen, wenn er in gleichen
Zeiten ungleiche
Strecken zurücklegt.
Die Bewegung einesPunktes ist vollkommen bekannt, wenn für jeden
Augenblick seine räumliche
Lage, ferner die
Richtung und endlich die
Stärke
[* 2] seiner Bewegung, d. h. seine
Geschwindigkeit, bekannt ist. Die
Geschwindigkeit eines gleichförmig
bewegten
Körpers oder
Punktes wird ausgedrückt durch die Wegstrecke, welche derselbe in jeder
Zeiteinheit
(Sekunde) zurücklegt,
oder, was dasselbe ist, durch das
Verhältnis des in einem beliebigen Zeitabschnitt zurückgelegten Wegs
zur
Größe dieses Zeitabschnittes.
Bei gleichförmiger Bewegung bleibt die
Geschwindigkeit immerdar unverändert oder konstant; diejenige der ungleichförmigen Bewegung dagegen
ändert sich mit jedem
Augenblick, oder sie ist veränderlich (variabel). Wenn wir bei einer ungleichförmigen Bewegung das obige
Verhältnis für einen beliebigen Zeitabschnitt bilden, so erhalten wir ihre mittlere
Geschwindigkeit innerhalb
ebendieses Zeitabschnittes. Um die wirkliche
Geschwindigkeit für irgend einen Zeitpunkt anzugeben, muß man das
Verhältnis
ermitteln zwischen einer verschwindend kleinen Wegstrecke, welche der ungleichförmig bewegte
Punkt von jenem Zeitpunkt an
durchläuft, und zwischen der verschwindend kleinen Zeit, welche zur Durchlaufung dieser Wegstrecke erforderlich
ist. Die so bestimmte
Geschwindigkeit gibt alsdann die Wegstrecke an, welche der bewegte
Punkt in einer
Zeiteinheit
(Sekunde)
zurücklegen würde, wenn von dem betrachteten Zeitpunkt an seine
Geschwindigkeit sich nicht mehr veränderte. Die Änderung
der
Geschwindigkeit, in ähnlicher
Weise auf die
Zeiteinheit bezogen, wird
Beschleunigung (s. d.) oder
Acceleration genannt.
Jede Bewegung kann in zwei oder mehrere Teilbewegungen zerlegt und umgekehrt wieder aus diesen Teilbewegungen zusammengesetzt
gedacht werden. Wenn z. B. ein Bahnzug auf einer geneigten
Bahn nach Nordwesten hin ansteigt, so ist seine Bewegung vollkommen gekennzeichnet,
wenn die
Richtung der
Bahn und die ganze
Geschwindigkeit des
Zugs gegeben sind. Wir können den Vorgang aber
auch so auffassen, daß der Zug
sich gleichzeitig nach
Norden,
[* 3] nach
Westen und nach
oben bewegt, und uns demnach seine ganze Bewegung aus
diesen drei Teilbewegungen zusammengesetzt vorstellen.
Diese Zerlegung ist deswegen von großem Nutzen, weil die Teilbewegungen häufig leichter studiert werden können als die
aus ihnen zusammengesetzte Gesamtbewegung. So werden wir z. B. die
Gesetze der Bewegung eines horizontal geworfenen
Körpers leichter
überblicken, wenn wir uns diese Bewegung aus einer horizontalen, gleichförmigen und aus einer
vertikal abwärts gerichteten Fallbewegung zusammengesetzt denken (s.
Wurfbewegung).
[* 5]
Werden zwei
Punkte eines
Körpers festgehalten,
so bleibt diesem nur noch die Möglichkeit, um die durch jene zwei
Punkte gehende
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mehr
gerade Linie als Achse sich zu drehen oder zu rotieren (Rotationsbewegung), wobei jeder seiner Punkte in einer zur Drehungsachse
senkrechten Ebene einen Kreis
[* 7] (Parallelkreis) beschreibt. Denken wir uns nur einen Punkt eines Körpers festgehalten, so ist dieser
zwar gehindert, im Raum fortzuschreiten; der Körper vermag sich dagegen um jede beliebige durch den festen
Punkt gehende Achse zu drehen. Geben wir auch diesen einen Punkt noch frei, so ist die Bewegung des Körpers eine vollkommen freie,
indem nunmehr ein Fortschreiten nach jeder beliebigen Richtung und eine Drehung um jede beliebige Achse stattfinden kann.
Wir beurteilen die Bewegung eines Körpers nach der Änderung seiner Lage gegen Körper oder Punkte seiner Umgebung,
von welchen wir annehmen, daß sie sich in Ruhe befinden. Betrachten wir z. B. die Bewegung eines Bahnzugs, der nach Norden fährt,
so beziehen wir dieselbe auf die als ruhend gedachte Erdoberfläche;
die Erde ist aber nicht in wirklicher oder absoluter
Ruhe, sondern wir betrachten sie nur in Beziehung auf die an ihrer Oberfläche bewegten Körper als relativ
ruhend;
die Bewegung des Bahnzugs, welche wir beobachten, ist daher ebenfalls nur eine relative;
um seine absolute Bewegung zu ermitteln,
müßten wir bedenken, daß derselbe durch den Umschwung der Erde um ihre Achse gleichzeitig noch von Westen
nach Osten geführt wird, daß er ferner mit der Erde in ihrer Bahn um die Sonne
[* 8] sich bewegt, daß endlich die Sonne samt ihrem
ganzen Planetensystem
[* 9] in Bezug auf die Fixsterne
[* 10] im Weltenraum fortschreitet.
Aber auch dann würden wir noch nicht bis zur
Kenntnis der absoluten Bewegung des Bahnzugs vorgedrungen sein, da wahrscheinlich auch die Fixsterne, auf welche
wir die Bewegung der Sonne beziehen, mit uns unbekannten Geschwindigkeiten und Richtungen im Raum fortschreiten. So sind alle Bewegungen,
welche wir beobachten, nur relative. Um die relativen Bewegungen einer beliebigen Anzahl von Punkten in Bezug auf einen derselben
kennen zu lernen, brauchen wir nur der Geschwindigkeit eines jeden eine Geschwindigkeit hinzuzufügen,
die der Geschwindigkeit dieses einen gleich und entgegengesetzt ist; dadurch wird dieser Punkt zur Ruhe gebracht, und die Bewegungen
der übrigen Punkte in Beziehung auf ihn sind dieselben wie vorher.
Diese Operation vollziehen wir z. B. unbewußt, wenn uns infolge einer
unwiderstehlichen Täuschung die Erde mit den auf ihrer Oberfläche befindlichen Gegenständen stillzustehen, dagegen das
Himmelsgewölbe mit den Gestirnen sich von Osten nach Westen um die Erde zu drehen scheint, während wir doch wissen, daß die
Erde sich in entgegengesetzter Richtung, von Westen nach Osten, um ihre Achse dreht. Überhaupt ist die scheinbare
Bewegung der Himmelskörper, wie wir sie beobachten, nichts andres als ihre relative in Beziehung auf die ruhend gedachte
Erde. - Die bis hierher erläuterten Eigenschaften der Bewegung lassen sich ganz unabhängig von physikalischen Begriffen, wie Kraft,
[* 11] Masse etc., betrachten; ihre Erörterung bildet den Inhalt der mathematischen Bewegungslehre oder Kinematik
(Phoronomie).
Der physischen Bewegungslehre oder der Dynamik dienen die von Newton formulierten Grundgesetze der Bewegung (axiomata s. leges motus)
zur festen Grundlage. Das erste derselben, das Gesetz der Trägheit oder des Beharrungsvermögens, lautet: »Jeder Körper verharrt
in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen in geradliniger Bahn, solange er nicht durch einwirkende
Kräfte gezwungen wird, diesen Zustand zu ändern«. Dieser Satz
sagt aus, daß eine Änderung in dem Zustand eines Körpers,
sei dieser Zustand derjenige der Ruhe oder der geradlinigen, gleichförmigen ohne entsprechende Ursache nicht eintreten kann,
und ebendiese Ursache einer Zustandsänderung bezeichnen wir als Kraft.
Eine Kanonenkugel würde hiernach mit der Richtung und mit der Geschwindigkeit, mit welcher sie das Geschützrohr verläßt,
in alle Ewigkeit in den unendlichen Raum hinausfliegen, wenn nicht der Widerstand der Luft ihre Geschwindigkeit allmählich verminderte
und die Schwerkraft sie endlich zur Erde herabzöge. Da wir solche »einwirkende Kräfte« bei unsern Versuchen
niemals zu beseitigen vermögen, so läßt sich jenes Gesetz, soweit es den Zustand der Bewegung betrifft, allerdings nicht direkt
experimentell erweisen; da jedoch alle aus ihm gezogenen Folgerungen mit der Erfahrung übereinstimmen, die gegenteilige Annahme
aber zu Widersprüchen mit den Thatsachen führt, so dürfen wir jenen Satz als durch die Erfahrung indirekt
bestätigt ansehen. In welcher Weise die Größe und Richtung der Kraft mit der von ihr hervorgebrachten Bewegungsänderung im
Zusammenhang stehen, erfahren wir durch das zweite NewtonscheGrundgesetz: »Die Änderung der Bewegung ist der einwirkenden Kraft
proportional und findet in der Richtung der Geraden statt, in welcher die Kraft einwirkt«.
Soll einem Körper von doppelt so großer Masse (d. h. der doppelten QuantitätMaterie) in derselben Zeit die nämliche Beschleunigung
erteilt werden, so ist eine doppelt so große Kraft nötig. Erteilt z. B. eine Lokomotive
[* 12] einem Bahnzug innerhalb einer Minute
eine gewisse Beschleunigung, so sind zwei Lokomotiven erforderlich, um einem doppelt so langen Zug
innerhalb derselben Zeit die
nämliche Beschleunigung zu erteilen. Eine Kraft ist demnach nicht nur der von ihr hervorgebrachten Beschleunigung, sondern
auch der Masse des bewegten Körpers proportional und kann demnach durch das Produkt dieser beiden Größen
gemessen werden.
Kräfte also, welche, auf verschiedene Körper wirkend, gleiche Beschleunigungen erzeugen, müssen sich zu einander verhalten
wie die Massen der bewegten Körper. Da wir z. B. wahrnehmen, daß alle Körper, indem sie frei herabfallen, die nämliche Beschleunigung
erfahren, so schließen wir daraus, daß das Gewicht eines Körpers, d. h. die Kraft, mit welcher die Erde
ihn anzieht, seiner Masse proportional und daß demnach umgekehrt seine Masse dem Gewicht proportional ist und durch letzteres
gemessen werden kann. - Wenn die der bewegenden Kraft äquivalente Änderung der Bewegung durch das Produkt aus Masse und Geschwindigkeitsänderung
(Beschleunigung) ausgedrückt werden kann, so muß die Größe oder Quantität der Bewegung (Bewegungsgröße)
selbst notwendig sich als das Produkt aus Masse und
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mehr
Geschwindigkeit darstellen. Hiernach würde z. B. eine Masse von 30 g mit 300 m Geschwindigkeit dieselbe Bewegungsgröße besitzen
wie eine Masse von 3000 g mit einer Geschwindigkeit von 3 m. -
Das dritte NewtonscheGrundgesetz der Bewegung lautet: »Bei jeder Wirkung ist immer eine gleiche und entgegengesetzte Gegenwirkung
vorhanden, oder die Wirkungen, welche irgend zwei Körper aufeinander ausüben, sind immer gleich und entgegengesetzt
gerichtet«. Ein Stein z. B., der auf einem Tisch liegt und auf denselben einen Druck ausübt, erleidet von seiten des Tisches
einen ebenso großen Gegendruck. Ein Magnet, der ein StückEisen
[* 14] anzieht, wird von dem Eisen in entgegengesetzter Richtung ebenso
stark angezogen.
Mit derselben Kraft, mit welcher die Erde den Mond
[* 15] anzieht, wird sie wieder von dem Mond angezogen. Beim Abschießen eines Gewehrs
ist die Bewegungsgröße der Kugel gleich der Bewegungsgröße des gegen die Schulter des Schützen zurückprallenden Gewehrs.
Indem eine Kraft einen Körper beschleunigt, hat sie unausgesetzt einen ihr genau gleichen, aus der Trägheit
des Körpers entspringenden Widerstand zu überwinden und leistet demnach eine Arbeit, deren Ergebnis die dem bewegten Körper
mitgeteilte Bewegungsenergie oder »lebendige Kraft« ist; diese wird ausgedrückt durch das halbe Produkt aus der Masse und dem
Quadrat der Geschwindigkeit.
Vermöge der erlangten Bewegungsenergie besitzt aber der Körper die Fähigkeit, in Überwindung eines
äußern Widerstandes dieselbe Arbeit wieder zu leisten, welche auf ihn verwendet worden war, um ihn in Bewegung zu setzen; er vermag
z. B., indem er an einen andern Körper stößt und dadurch zur Ruhe kommt, diesem dieselbe Energie der Bewegung zu erteilen, welche
er vorher besaß. Das »Prinzip der Erhaltung derEnergie«, welches uns in diesem Beispiel entgegentritt,
wurde erst in neuerer Zeit in seiner vollen Tragweite erkannt.
Soweit es sich, wie hier, nur auf die Energie sinnlich wahrnehmbarer Bewegung bezieht, erscheint es als notwendige Konsequenz der
drei NewtonschenGrundgesetze. Diese Gesetze sind notwendig, aber auch vollkommen hinreichend zum Verständnis
selbst der verwickeltsten Bewegungsvorgänge. Sie bilden die Grundpfeiler der analytischen Mechanik, welche aus ihnen, indem
sie sich des mächtigen Hilfsmittels der mathematischen Zeichensprache bedient, die Erklärung der einzelnen Bewegungserscheinungen
entwickelt. Litteratur s. Mechanik.
in der Physiologie und Psychologie eine durch Muskelbeugung oder -Streckung hervorgerufene Lageveränderung
am menschlichen Körper. Sie wird dem Menschen unmittelbar bewußt durch die sogen. Bewegungsempfindungen, deren sehr zusammengesetzte
Natur bisher der Zergliederung große Schwierigkeiten geboten hat. Am deutlichsten ausgebildet sind
die Bewegungsempfindungen, die sich auf Umfang und Energie der Bewegung beziehen, und zwar unterscheiden wir in dem einfachsten Falle
eines zu hebenden Gewichts die Kraftempfindung, welche dem Gewicht entspricht, und die Kontraktionsempfindung, welche der Hubhöhe
entspricht.
Bei jeder Bewegung, sei sie (aktiv) durch Innervation von Muskeln
[* 16] oder (passiv) durch äußere Mächte hervorgerufen,
haben wir
eine Vorstellung von Kraft, Umfang, Richtung und Geschwindigkeit der betreffenden Bewegung, wodurch dieselbe zu einem raum-zeitlichen
Geschehnis wird. Für die Einteilung der Bewegungen muß wohl beachtet werden, daß jeder, auch der scheinbar rein mechanischen
Bewegung, eine durch einen Reiz veranlaßte Empfindung zu Grunde liegt; man darf daher nicht zwischen automatischen
und reflektorischen Bewegungen einerseits, den übrigen Bewegungen anderseits in dem Sinne scheiden, als ob jene physischer,
diese psychophysischer Natur seien. Keine ohne Empfindung, ebenso wie keine Empfindung ohne Bewegung, denn jeder innere Vorgang äußert
sich in freilich oft unbemerkten Bewegungen. Die Bewegung als Mittel des psychophysischen Lebewesens, um auf
die Reize der Außenwelt zu reagieren und sein Selbstgefühl zu bethätigen, steht in der Reflexerscheinung (s. d., Bd.
13) auf der niedrigsten Stufe.
Und zwar trennt man zwischen physischen Reflexen (z. B. Lidschluß bei Berührung des Augapfels) und psychischen Reflexen (z. B.
Lidschluß bei Annäherung eines Fingers gegen das Auge).
[* 17] Den letztern stehen die Nachahmungsbewegungen
nahe, welche ganz unwillkürlich beim Anblick einer oder bei Erinnerung an frühere eigne Bewegungen ausgeführt werden, und
die mehr pathologischen Fortsetzungsbewegungen, welche in der Wiederholung einer psychischen Reflexbewegung zu bestehen scheinen.
Einen gleichfalls unwillkürlichen Charakter tragen die zahllosen automatischen Bewegungen, die wir beim
Gehen, Schreiben etc., ohne Kenntnis von ihnen zu haben, ausführen, und die wir, insoweit
sie ehemals eingeübt worden sind, als gewohnheitsmäßige Bewegungen bezeichnen. An sie schließen sich die Instinktbewegungen,
welche zwar ganz die zweckmäßige Beschaffenheit willkürlicher Bewegungen besitzen, aber thatsächlich doch ohne Überlegung
ausgeführt werden; sie sind entweder selber ererbt oder stammen aus ererbten Dispositionen.
Mit ihnen sind die Triebbewegungen verwandt, die sich schon beim Neugebornen in dem impulsiven Zappeln äußern, einen Gefühlston
mit sich führen und teils mit Lust verbunden zur Nahrungsaufnahme (Begattung), teils mit Unlust verbunden zu Schutz oder Abwehr
dienen. Sie werden durch Erinnerungsbilder vertieft, durch individuelle Erfahrung verinnerlicht. Ihnen
stehen nahe die bei gewissen Gemütszuständen auftretenden Ausdrucksbewegungen. Starke Hirnerregungen haben Muskelkontraktionen
oder Thätigkeiten der Absonderungsorgane (z. B. der Thränendrüsen) zur Folge; lebhafte Sinnesempfindungen erzeugen Bewegungen,
die sich später mit den Empfindungen ähnlicher Stimmungen associieren, wie beispielsweise das Gefühl des Unangenehmen (etwa
eines Anerbietens) dieselben Mundverziehungen auslöst, welche ursprünglich beim Schmecken eines bittern
Stoffes auftraten. Deshalb spricht man sehr richtig von »süßem« Lächeln,
»saurer« Miene etc. (vgl. Mimik,
[* 18] Bd. 11).
Auf einem andern Brett stehen die Willkürbewegungen, welche von dem Gefühl der Freiheit, d. h. dem Bewußtsein des Anderskönnens
(gleichgültig ob dieses Gefühl objektiv berechtigt ist oder nicht), begleitet sind. Wie die Zergliederung
des Bewußtseins (s. d.) und der Vorstellung (s. d.) zeigt, sind in jedem Augenblick des normalen wachen Lebens ungezählte psychische
Momente thätig, ohne direkt dem im Vordergrund befindlichen Vorstellungsablauf anzugehören. Sie bilden, psychologisch ausgedrückt,
den zentralen Zusammenhang des Seelenlebens, physiologisch gesprochen, die regulierende
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mehr
Erregung des Gehirns. Dieser regulative Zusammenhang macht sich nun den auftauchenden Effektbildern von Bewegungen gegenüber
öfters geltend und zwar entweder im hemmenden Sinne (dann wird eine Bewegung mit Willen unterlassen oder unterbrochen) oder im fördernden
Sinne (dann entsteht eine Willkürbewegung). Wenn nämlich eine Bewegungsvorstellung erst durch den Einfluß einer Summe
von unbewußten Vorstellungen über die Bedeutung, die Beschaffenheit und die Folgen der betreffenden Bewegung die zur Ausführung
nötige Stärke erhält, dann sprechen wir von dem Willen zu dieser Bewegung Willkürliche Bewegungen werden demgemäß unmöglich,
einmal, sobald die nötige Vorstellung, d. h. das Effektbild, nicht reproduziert werden kann, wie in der Agraphie
und Aphasie (s. d., Bd.
1), sodann, wenn die halbbewußten psychischen Inhalte nicht in die vollbewußte Synthese eingreifen, wie im Schlaf. Spielt
das erwähnte Ineinandergreifen in einer Bewußtseinssphäre sich ab, werden also ganz bewußt vor der Ausführung einer Bewegung widerstreitende
Vorstellungen an ihrer Beziehung zum Lebenszweck angemessen, so resultiert eine Überlegungsbewegung
oder Wahlhandlung.
der Zustand der stetigen Ortsveränderung eines Körpers im Raume. Ob ein Körper in Ruhe
oder ob er in Bewegung ist, darüber können wir nur dann urteilen, wenn wir seine Lage mit derjenigen anderer Körper vergleichen,
die wir als ruhend betrachten; unser Urteil über die Bewegung eines Körpers ist deshalb auch stets ein relatives. Das
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Haus steht fest, es ist in Ruhe im Vergleich zu dem umgebenden Boden, zu den benachbarten Bäumen, Felsen, Bergen
[* 21] u. s. w. Aber
das Haus ist nicht in absoluter Ruhe, denn es teilt mit der ganzen Erdoberfläche die tägliche Umdrehung um die Erdachse
und durchläuft mit der Erde die Bahn, die dieselbe um die Sonne beschreibt; und auch diese steht nicht
still, wie überhaupt im ganzen Weltall kein Körper zu finden ist, von dem man behaupten könnte, daß er in absoluter Ruhe
wäre. (Vgl.L. Lange, Die geschichtliche Entwicklung des Bewegungsbegriffes, Lpz. 1887.) - Es ist nun die Aufgabe der Mechanik
(s. d.), die mannigfaltigen Bewegung der Körper zu
untersuchen und die Beziehungen festzustellen, die zwischen diesen Bewegung selbst und ihren Ursachen, den wirkenden Kräften, bestehen.
Die Bewegung der Körper ist aber im allgemeinen eine sehr verwickelte, da gewöhnlich jeder Punkt eines bewegten
Körpers eine besondere und besonders gestaltete Bahn beschreibt, wie dies schon der einfache Fall einer
rollenden Kugel zeigt. Die Mechanik geht daher, um sich ihre Aufgabe zu erleichtern, von dem Studium der Bewegung eines einzigen Punktes
aus. Denselben denkt man sich, um ihn der Wirkung von Kräften zugänglich zu machen, mit Körpermaterie oder Masse begabt
und findet als Grundbeziehung zwischen einer auf die Masse in dieses sog. materiellen Punktes wirkenden
Kraft P und der erzeugten Beschleunigung (s. d.), deren Größe φ sei, das einfache Gesetz: P = m·φ; in Worten: Kraft gleich
Masse mal Beschleunigung. Dieses Gesetz, welches auch das Gesetz vom Beharrungsvermögen (s. d.) enthält, ist der Ausgangspunkt
für alle weitern rechnerischen Untersuchungen. - Die Bewegung des materiellen Punktes ist geradlinig,
wenn die wirkende Kraft ihre Richtung beibehält, krummlinig, wenn sich dieselbe ändert, z. B. wenn weitere anders
gerichtete Kräfte auf ihn zu wirken beginnen.
Eine geradlinige Bewegung wird gleichförmig, sobald die Kraft aufhört zu wirken, denn alsdann hört nach obiger
Gleichung auch die Beschleunigung auf, die Geschwindigkeit (s. d.) wird konstant. Wirkt eine konstante Kraft
(wie z. B. die Schwerkraft), so ist auch die Beschleunigung konstant, die Bewegung heißt dann gleichmäßig beschleunigt, wie bei
einem freifallenden Körper; wirkt eine solche konstante Kraft der ursprünglichen Bewegungsrichtung entgegen, wie z. B.
die Schwerkraft bei einem senkrecht nach oben geworfenen Körper, so heißt die Bewegung gleichmäßig
verzögert. Im allgemeinen ist die Bewegung eines Punktes bekannt, wenn man erstens die Gestalt seiner Bahn kennt und zweitens weiß,
welche Geschwindigkeit er in jedem Punkte dieser Bahn besitzt. Wird der materielle Punkt durch nichts gehindert, der Wirkung
der Kräfte zu folgen, so heißt seine Bewegung. Eine freie, schreibt man ihm jedoch eine bestimmte
Bahn vor, so ist seine Bewegung eine unfreie oder gezwungene. Frei bewegen sich alle Himmelskörper, unfrei ein Eisenbahnzug, die
Teile einer Maschine
[* 22] u. s. w.
Geht man nun zur freien Bewegung eines festen Körpers, d. h. eines ganzen Systems von starr miteinander verbundenen
materiellen Punkten über, so erkennt man, daß sich die einzelnen Massenteilchen, da sie fest miteinander verknüpft sind,
in ihrer Bewegung Gegenseitig beeinflussen; ferner beobachtet man an freibewegten Körpern sowohl fortschreitende
als drehende Bewegung oder Rotation (s. d.), wie bei fast allen Himmelskörpern.
Diese verwickelten Verhältnisse werden mit Hilfe des D'Alembertschen Princips
(s. d.)
in höchst eleganter Weise geklärt, indem man zu folgendem wichtigen Satze gelangt: Die freie Bewegung. Eines starren Körpers geschieht
so, als ob seine ganze Masse in dem Schwerpunkt
[* 23] (s. d.) vereinigt sei und dieser sich als materieller
Punkt unter dem Einfluß der wirkenden Kräfte frei bewege. Jede dabei vorkommende drehende Bewegung des
Körpers geht so vor sich, daß in jedem Augenblick die Drehachse, mag sie fest oder veränderlich sein, durch den Schwerpunkt
geht. - Bei der gezwungenen Bewegung, bei der dem Körper die Bahn vorgeschrieben wird, ist zu bemerken, daß er auf diese Bahn einen
Druck, Bahndruck, ausübt, der um so größer ist, je mehr die vorgeschriebene Bahn von derjenigen abweicht,
die der Körper einschlagen würde, wenn er ungehindert der Wirkung der Kräfte Folge leisten könnte. - Über die Bewegung bei
flüssigen und gasförmigen Körpern, bei denen die einzelnen Teilchen nicht fest miteinander verbunden sind, s.
Hydraulik und Aerodynamik. - Besonders zu betrachtende Bewegung sind die Kreiselbewegung
[* 24] (s. d.),
Pendelbewegung (s. Pendel),
[* 25] Wellenbewegung
[* 26] (s. d.),
Centralbewegung
[* 27] (s. d.).
Die Gesetze der in der Natur vorkommenden Bewegung waren den Alten unbekannt, deren mechan.
Kenntnisse sich auf die wenigen von Archimedes erkannten und bewiesenen Sätze der Statik (Hebel,
[* 28] Schwerpunkt und Gewichtsverlust
von in Flüssigkeiten untergetauchten Körpern) beschränkten. Eine wissenschaftliche Übersicht der
Bewegungsgesetze giebt Maxwell, Substanz und Bewegung (2. Aufl., Braunschw. 1881).
Weitere Litteratur s. Mechanik.
Die Bewegung lebender Organismen ist ein Akt der das Wesen des Lebens ausmachenden Selbstthätigkeit (oder Selbstregierung) und
als solche eine Haupteigenschaft des Lebens, und zwar insbesondere des tierischen. Bei denTieren gilt
sie zugleich als das wesentliche Kriterium des Lebens, indem man alle Körper, bei welcher sie nicht konstatiert werden kann,
als tot ansieht. An und für sich ist freilich keine bestimmte Grenze zwischen der Molekularbewegung infolge der Zersetzung
des toten Körpers und der Molekularbewegung der Ernährung zu ziehen, sowie diese wieder, bei Beteiligung
größerer Gruppen von Elementarteilen, in sichtbare Bewegung übergeht.
Übrigens ist diese letztere eine Eigenschaft der organischen Substanz selbst, des Zelleninhalts, und existiert als solche
auch bei den niedrigsten Organismen, wo, soweit wir wissen, keine Spur von Scheidung von Organen vorhanden ist. Die formlose
Substanz der niedersten Organismen (Protisten) und der Zelleninhalt der höhern, Pflanzen wie Tiere, ist ursprünglich kontraktil.
Aber bei den höhern Tieren, wo die Arbeitsteilung der Organteile weiter vorgeschritten ist, erfolgt die organische Bewegung, sowohl
die ortsverändernde des ganzen Körpers und einzelner Glieder,
[* 29] als die innere, den Umlauf der Ernährungs- und
Bildungssäfte u. s.w. bedingende Bewegung, z. B. des Herzens und der Gedärme, größtenteils durch Zusammenziehungen gewisser kontraktiler
Fasern, welche Muskelfasern (s. Muskeln) genannt werden. Nur die weißen Blutkörperchen
[* 30] und die Samentierchen zeigen bei den
höhern Tieren nebst den Flimmerepithelien selbständige Bewegung. Bei niedern Tieren (namentlich bei Seeschwämmen) ist dieselbe
häufiger und treten sog. Wanderzellen oder amöboide Zellen im Körpergewebe
auf.
Den Anstoß zu der Bewegung giebt in dem lebenden höhern tierischen Organismus das Nervensystem,
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welches zu diesem Behufe nach allen der Zusammenziehung fähigen Gebilden (Muskeln) des Körpers hin feine Fasern, die Bewegungs-
oder motorischen Nerven,
[* 32] von dem centralen Nervensysteme aussendet und vermittelst der sog. Nervenerregungen, welche wahrscheinlich
im Wesen mit der elektrischen Reizung zusammenfallen, die Verkürzung der Muskelzellen auslöst. Durch diese Auslösung wird
auch die Bewegung für den Physiologen das Maß der Empfindung. Sogar in dem frisch getöteten Tiere erfolgt
durch Reizung dieser Nervenfäden (z. B. mittels Stoß, Quetschung, Hitze, chem. Substanzen, Elektricität) eine Zusammenziehung
der Muskeln, in welche jene Fäden endigen.
Man unterscheidet gewöhnlich zwischen willkürlichen Bewegung, welche durch einen vom Centralorgan ausgehenden, direkten
Reiz, eine Willensäußerung, ausgelöst werden, und Reflexbewegungen (s. d.),
welche auch ohne Bewußtsein, infolge von Reizungen der sensiblen Nerven ausgeführt werden, also eine direkte Übertragung
des Reizes auf die Bewegungsnerven darstellen. Diese Übertragung geschieht in den Centralorganen, und am leichtesten, wenn
das Sensorium in seiner Thätigkeit gehemmt oder entfernt ist, also z. B.
bei schlafenden oder geköpften Tieren.
Eine wesentliche Rolle spielen weiter diejenigen Bewegung, welche, wie die Herz- und Darmbewegungen, gänzlich dem direkten Einflusse
des Willens entzogen sind und wo die Quelle
[* 33] der Reizung, welche die Bewegung veranlaßt, nur teilweise in dem Centralorgan, teilweise
aber auch in den zerstreuten Nervencentren (Ganglien) des sympathischen Nervs liegen. Bei den niedern Tieren,
besonders bei den Infusorien, teilweise bei Polypen, Quallen, Würmern, sowie bei den Eiern und Embryonen vieler, auch höherer
Tiere, wird die Ortsbewegung
[* 34] und vielleicht auch gleichzeitig der mechan. Stoffwechsel durch die Zusammenziehung des die weiche
Leibesmasse dieser Organismen bildenden sog. tierischen Protoplasma bedingt,
sowie durch feine haarförmige Fortsätze aus Protoplasmasubstanz (die sog. Wimpern oder Cilien),
welche sich auf der äußern Leibesoberfläche befinden und entweder stets oder zeitweise in schwingender, teilweise sichtlich
unter dem Einflusse des Willens stehender Bewegung begriffen sind.