Braunkohle
,
die fossile Kohle der jüngern, sogen. tertiären Formationen. Hervorgegangen durch Vermoderung aus den Pflanzen der tertiären Periode, zeigt sie meist noch deutliche Spuren dieses ihres Ursprungs, insbesondere vielfach deutliche Holzstruktur, und bildet hierin wie in dem Grade der chemischen Umwandlung der ursprünglichen Pflanzensubstanz das verbindende Mittelglied zwischen den Schwarz- oder Steinkohlen früherer Zeit und dem Torf der Neuzeit.
Ihre braunen
Farben gehen einerseits ins Gelbliche, anderseits ins Pechschwarze über;
Härte
(Talk- bis unter Kalkspathärte)
und spez. Gew. (0,8 bis 1,5)
sind gering. In der chemischen
Zusammensetzung unterscheiden sich die Braunkohlen
von den ältern
Kohlen
im allgemeinen dadurch, daß der
Gehalt an
Kohlenstoff geringer, der
Gehalt an
Sauerstoff und
Stickstoff und in der
Regel auch
der Aschengehalt größer ist als bei den
Steinkohlen. Sie enthalten mehr flüchtiges
Bitumen, sind daher leichter entzündlich
und verbrennen mit rußender
Flamme
[* 3] und brenzligem
Geruch.
Das wässerige
Produkt der trocknen
Destillation
[* 4] reagiert sauer (bei
Steinkohle alkalisch). Braunkohle
npulver, mit
Kalilauge
erwärmt, färbt dieselbe braun, indem sich ulminsaures
Kali bildet, zur Unterscheidung von der
Steinkohle, welche heiße
Kalilauge
kaum oder nur unbedeutend färbt. Die Verschiedenheiten der
Zusammensetzung,
Farbe,
Struktur etc., sind
aber bei tertiären
Kohlen viel bedeutender als bei den
Steinkohlen, indem sich bei jenen alle verschiedenen Verkohlungszustände
vertreten finden, von wenig verändertem
Holz
[* 5] bis zur festen, harten, schwarzen, strukturlosen
Kohle, die von manchen
Steinkohlen
auch in ihren technischen
Eigenschaften durchaus nicht zu unterscheiden ist und auch in
Kalilauge sich
nicht löst. Im
Durchschnitt besteht Braunkohle
aus 50-77 (63)
Kohlenstoff, 3-5
Wasserstoff, 26-37 (32)
Sauerstoff, 0-2
Stickstoff.
Eocäne
Braunkohlen
enthalten im allgemeinen relativ mehr
Kohlenstoff als miocäne und pliocäne, diese dagegen mehr
Sauerstoff als
jene; bituminöse sind sehr wasserstoffreich, die stängeligen, koksartigen arm an
Wasserstoff.
Der Aschenrückstand beträgt bei guten Braunkohlen
nur 1-6 Proz., während
die kohlige
Substanz natürlich in allen Verhältnissen mit
Thon,
Sand,
Schiefer etc. gemengt auftritt. Von fremdartigen
Mineralien,
[* 6] die in der eigentlichen Braunkohle
vorkommen, ist namentlich
Schwefeleisen anzuführen (als
Schwefelkies und
Markasit),
[* 7] das unter der
reduzierenden Einwirkung der
Kohle aus eisenvitriolhaltigen Gewässern abgeschieden ist und seinerseits
wieder bei der
Oxydation zur
Bildung von
Gips,
[* 8]
Eisenalaun und
Schwefel Veranlassung gibt.
Von harzartigen
Mineralien finden sich außer
Oxalit, Mellit oder
Honigstein
[* 9] und
Retinit noch eine
Menge andrer, weniger verbreiteter
Verbindungen. Das Vorkommen von echtem
Bernstein
[* 10] in der Braunkohle
ist zweifelhaft. Als verschiedene
Varietäten von Braunkohle
unterscheidet
man bituminöses
Holz,
Bastkohle,
Nadelkohle,
Erdkohle,
Moorkohle,
Pechkohle,
blätterige oder
Papierkohle.
Am wenigsten verändert zeigt die vegetabilische
Substanz das bituminöse
Holz (holzartige Braunkohle
, fossiles bituminöses
Holz,
Lignit),
woran
Rinde,
Wurzel-,
Stamm- und Aststücke gut erhalten sind und man die
Jahresringe oft genau unterscheiden kann. Es ist gelblichbraun
bis pechschwarz, oft noch mit
Axt,
Säge
[* 11] und
Hobel zu bearbeiten, in andern
Fällen aber leicht zerreiblich.
Es stammt von ausgestorbenen
Laub-, häufiger von Nadelbäumen ab, die zum Teil in riesigen, insbesondere cypressenartigen,
Formen auftreten.
Die
Stämme liegen entweder einzeln oder zusammengehäuft in
Thon oder in erdigen und andern Braunkohlen
und sind meist zusammengedrückt.
Selten sind aufrechte
Stämme, welche, wie an der
Haardt bei
Bonn
[* 12] und bei
Bischofsheim und
Kaltennordheim an der
Rhön, die Überreste
eines alten
Waldes repräsentieren. In andern
Fällen sind die
Stämme und
Äste entrindet und tragen den
Charakter von Treibholz.
Das bituminöse
Holz liefert gutes Brennmaterial, da es nur wenig
Asche (0,5-2 Proz.) hinterläßt.
Die Bastkohle zeigt die faserige Struktur des Bastes und ist aus der Rinde von Bäumen entstanden, so in Kaltennordheim, zu Ossenheim in der Wetterau und an andern Orten. Die Nadelkohle schließt sich an das bituminöse Holz an; ihre elastisch biegsamen, zusammengehäuften, nadelförmigen Stücke bestehen aus den Gefäßbündeln verfaulter Palmenstämme. Man kennt sie von Lobsann im Elsaß, Rott im Siebengebirge und einigen andern Lokalitäten. Die Moorkohle ist eine derbe, meist zerborstene Masse, oft unvollkommen schieferig und zeigt nur an einzelnen Stücken Holzstruktur.
Sie zerspringt, der
Luft ausgesetzt, in trapezoidische
Stücke; im
Bruch ist sie eben, nur selten ins Muschelige
übergehend, schimmernd bis zum schwachen
Fettglanz. Die
Farbe ist schwärzlichbraun bis zum Pechschwarz. Sie trägt ganz den
Charakter einer aus
Torf entstandenen
Kohle, ist oft reich an Pflanzenresten und weit verbreitet. Die
Erdkohle (erdige Braunkohle
) ist
eine erdig zusammengebackene, dunkelbraune bis schwärzlichbraune
Kohle, nur wo sie staubartig zerfallen
ist, von lichterer
Farbe, glanzlos, etwas abfärbend.
Als
Formkohle läßt sie sich, mit
Wasser gemengt, kneten und formen.
Gewisse
Varietäten bilden die kölnische
Umbra. Sie findet
sich in der norddeutschen
Ebene, durch
Thüringen, am
Niederrhein, auch in
Algerien.
[* 13] Durch
Aufnahme fein zerteilten
Schwefelkieses
wird die
Erdkohle selbstentzündlich und liefert bei Thonerdegehalt das sogen.
Alaunerz oder
Alaunerde (s. d.). Die
Blätterkohle (blätterige Braunkohle
,
Papierkohle,
Stinkkohle,
Dysodil) läßt sich leicht in dünne
Blättchen spalten, ist holz- bis schwärzlichbraun, zuweilen in hellen
Polierschiefer übergehend.
Sie hinterläßt unter allen Kohlen die meiste Asche, die Orsberger bis 58 Proz., indem sie ihre schieferige Absonderung dem Zwischenlagern von kleinen, kolbigen Cypris-Schalen oder von kieselschaligen Diatomeen, auch von Süßwasserschnecken (Planorbis), wohl auch Blattabdrücken etc. verdankt. Einzelne Blätterkohlen sind nichts andres als mit Bitumen durchtränkte Polierschiefer. Sie ist reich an Pflanzen- und Tierresten, Blattabdrücken, Fischen und Amphibien. Ausgezeichnete Fundorte dieser Art sind: Orsberg bei Erpel, Geißlingerbusch bei Rott und Linz [* 14] im Gebiet des Siebengebirges, Sieblos in der Rhön unfern Gersfeld, Ménat in der Auvergne etc. Manche Stinkkohlen eignen sich vorzüglich zur Paraffin- und Photogenbereitung. Die Pechkohle (Gagat, Jett) zeigt nur äußerst selten noch Spuren vegetabilischer ¶
mehr
Struktur, ihr Bruch ist muschelig, der Glanz wachsartig, die Farbe samtschwarz (s. Gagat). Die Pechkohle nähert sich schon sehr gewissen Abänderungen der Steinkohle, namentlich der Kannelkohle. Am Westerwald, am Meißner, in Böhmen [* 16] und an andern Orten ist mehrfach die gewöhnliche unter der Einwirkung benachbarter Basaltdurchbrüche zu Glanz- oder Stangenkohle verändert. Wenn die tertiären Kohlen in großen Massen den Steinkohlen sehr ähnlich werden, so kann man sie füglich auch als tertiäre Steinkohlen bezeichnen. Die ausgedehnten Ablagerungen tertiärer Kohlen auf den ostindischen Inseln, namentlich auf Borneo und Sumatra, kommen den besten englischen Steinkohlen gleich.
Beispiele von der Zusammensetzung einiger Braunkohlen
zeigt die folgende Tabelle:
Art und Fundort | Kohlenstoff | Wasserstoff | Sauerstoff und Stickstoff | Schwefel | Asche |
---|---|---|---|---|---|
Heller Lignit vom Westerwald | 70.26 | 6.4 | 21.4 | - | 1.9 |
Dunkler Lignit vom Westerwald | 58.20 | 5.9 | 35.1 | - | 1.7 |
Schwarzbrauner Lignit von Thallern | 49.58 | 3.81 | 22.68 | 4.59 | 19.34 |
Stängelige Glanzkohle vom Meißner | 86.67 | 3.94 | 9.39 | - | - |
Erdkohle von Mertendorf | 49.5 | 5.1 | 22.8 | - | 21.5 |
Gelbweißliche Erdkohle von Gerstewitz | 67.1 | 10.2 | 10.0 | - | 12.6 |
Gemeine Braunkohle vom Siebengebirge | 77.1 | 2.54 | 19.35 | - | 1.0 |
Pechkohle vom Habichtswald | 57.26 | 4.52 | 26.16 | - | 1.33 |
Pechkohle aus Bayern | 73.84 | 3.91 | 12.25 | 1.6 | 8.32 |
Pechkohle aus Bayern | 68.36 | 4.53 | 23.66 | 1.1 | 5.36 |
Die braunkohle
nführenden Tertiärbildungen, die sogen. Braunkohle
nformation,
sind auf der Erde weit verbreitet. Die Flöze der Braunkohlen
, trotz ihrer Mächtigkeit an manchen Orten, die bis 38 m steigt,
bilden nur den kleinsten Anteil derselben, die Hauptglieder der Bildung sind vielmehr Thone, bald reine plastische Töpferthone,
wie die trefflichen feuerfesten Thone von Großalmerode in Hessen,
[* 17] die Thone von Koblenz
[* 18] und Köln,
[* 19] vom Westerwald,
von Bunzlau
[* 20] und vielen andern Orten, bald unreinere, oft sandige, sogen. Letten, von weißen, grauen, braunen, schwarzen, aber
auch bunten, wie roten und gelben, Farben.
Durch Beimengung von Kohle werden diese Thone zu dunkeln Kohlenletten umgestaltet; ist zugleich sein zerteilter Schwefelkies vorhanden, so entstehen Lager [* 21] von Alaunerde. Auch lichte und bituminöse Schieferthone kommen vor. Das zweite wichtigste Material sind feine und gröbere, lose Sande, die aber auch stellenweise zu Bänken und Konkretionen von Sandstein und Konglomerat verkittet sind. Das Bindemittel ist dann oft Kieselerde, wodurch sogen. Quarzfritte (Braunkohlensandstein) entsteht. Im Gebiet des alpinen Systems finden sich statt der losen Sande Sandsteine, Molassesandsteine, bald mit mergeligem Bindemittel, bald durch kohlensaure Salze (Kalk, Bittererde, Eisenoxydul), selbst durch Kieselerde verbunden, und statt reiner Thone herrschen die Mergel.
Untergeordnet sind Süßwasserkalke, oft durch Reichtum von Süßwasserschnecken ausgezeichnet, schieferige Muschelmergel, an andern Orten, wie in Böhmen, aber auch feste Kieselkalke. Hornsteine und Opale mit Kieselhölzern stehen häufig mit Polierschiefer in Verbindung (Siebengebirge, Bilin in Böhmen), der sich selbst mit der Blätterkohle lagenweise verbindet. Selten sind Gipsmergel mit Gips (Oberschlesien). Für die Agrikultur wichtig sind die mit dem Braunkohlengebirge verbundenen Lager von Phosphorit, wie in der Oberpfalz, Wetterau. Technisch wichtig sind die thonigen Sphärosiderite und Thoneisensteine, wie sie insbesondere in dem niederrheinischen Gebirge, aber auch in Böhmen in Thon und thonigen Sandsteinen austreten; in Niederhessen verkitten sie den Sand zu Eisensandstein.
Das dritte mächtige Glied [* 22] des Braunkohlengebirges, welches aber in weiten Distrikten fehlt, dagegen in großer Ausdehnung [* 23] im Siebengebirge, in Böhmen, Ungarn, [* 24] in der Auvergne, auf Japan [* 25] und an andern Orten auftritt, bilden die vulkanischen Tuffe und Konglomerate, stets in Verbindung mit den betreffenden Gesteinen, Basalt und Trachyt, vorkommend. Sie führen ebenfalls hier und da Sphärosiderit und Phosphorit oder sind mit Polierschiefer (Habichtswald) verbunden.
Diesen losen und festen Gesteinen, Thonen, Sanden und Tuffen sind die Braunkohlenflöze und -Stöcke eingelagert, oft durch Zwischenlagen von Thon und Sand in mehrere Abteilungen geteilt; bald finden wir nur ein einziges Flöz, bald zahlreiche, wie am Hohen Peißenberg in Oberbayern 17 Flöze. Oft bestehen die verschiedenen Flöze, selbst die Abteilungen eines Flözes aus verschiedenartigen Braunkohlenvarietäten. Die Lagerung des Braunkohlengebirges ist im allgemeinen ziemlich ungestört in flachen Mulden; in manchen Bezirken sind aber auch die Schichten und Flöze gehoben, verschoben und gefältelt, wie die Schichten der ältern Formationen. Derartige Störungen finden sich nicht nur in vulkanischen Gegenden und in den Vorbergen der Alpen, [* 26] sondern selbst in der Ebene Norddeutschlands, wo die gehobenen Braunkohlenschichten aber meistens zu einem Flachland erodiert und mit Diluvialmassen bedeckt sind.
Die bestimmbaren Pflanzenreste der verschiedenen Braunkohlenablagerungen zeigen im allgemeinen eine sehr auffallende Übereinstimmung. Nadelhölzer [* 27] sind vorherrschend; neben vielen ausgestorbenen Pinus-Arten finden sich cypressenartige Bäume und Sträucher (Glyptostrobus), Wellingtonien, virginische Cypressen (Taxodium distichum) und der Sandarachstrauch (Callitris); von Laubbäumen kommen neben Ahorn, Weide, [* 28] Erle, Hainbuche und Walnuß immergrüne Eichen, kaukasische Ulmen (Planera), zahlreiche immergrüne Lorbeeren, Zimt- und Kampferbäume (Daphnogene), Kreuzdorne (Rhamnus), Storaxbäume (Liquidambar) u. v. a. vor.
In der ersten Zeit dieser Ablagerungen herrschte der südlichere Typus vor und darunter die neuholländischen Formen der Proteaceen mit ihren Banksien, die Dattelpalmen, später die Zimt- und Kampferbäume und bis zuletzt noch Fächerpalmen, die selbst im Herzen von Deutschland [* 29] üppig vegetierten. Während in der ersten Zeit der indisch-australische Typus reich vertreten ist, nähert sich später die Flora mehr der der südlichen Vereinigten Staaten. [* 30] Ganz ähnliche Verhältnisse zeigten die Fische. [* 31] Außerdem finden sich Reste von Riesensalamandern, Schlangen, [* 32] Fröschen, Schildkröten, [* 33] Vögeln und zahlreichen Säugetieren. Diese ganze Tierwelt erinnert zuletzt noch durch Nashorn und Elefant [* 34] an wärmere Zonen, und auch die Pflanzenwelt zeigt nicht bloß immergrünen Nadel-, sondern auch immergrünen Laubwald unter einer geographischen Breite, [* 35] unter der er gegenwärtig nicht mehr existieren könnte.
Zu den ältesten Braunkohlen gehören die unbedeutenden Lignitlager des Beckens von Paris, [* 36] vom Monte Bolca am Gardasee und zu Häring in Tirol. [* 37] In Deutschland unterscheidet man das ältere Becken von Norddeutschland und Polen, dessen ¶
mehr
Umfang von den Grenzen [* 39] der Hügel- und Berglande Mittel- und Ostdeutschlands bis zu den Gestaden der Nord- und Ostküste, westwärts bis Sylt, ostwärts bis zu den Wasserscheiden zwischen Dnjepr und Don und zwischen Niemen und Düna, auf 4-5000 QM. geschätzt wird. In der Mark und Lausitz breitet sich die Braunkohlenformation auf einem Areal von 800 QM. aus. Mit ihm steht in unmittelbarem Zusammenhang das sächsisch-thüringische Becken von Halle, [* 40] welches sich nach der Goldenen Aue im W., Kamburg im S. und nach Zeitz [* 41] im O. ausbreitet, und zu dem sich noch andre kleinere thüringische Becken gesellen.
Hier ist der Braunkohlenbau am bedeutendsten in Deutschland. Über das ausgedehnte Braunkohlenlager Böhmens s. d., S. 135. Andre Becken sind das Niederhessens (mit dem Meißner, Habichtswald etc.) und dasjenige der Rhön (Kaltennordheim, Bischofsheim). Ausgedehnt ist auch das Braunkohlengebirge der Wetterau, Oberhessens, des Westerwaldes und des Niederrheins, welches sich vom Siebengebirge bis in die Gegend von Aachen [* 42] und Düsseldorf [* 43] verfolgen läßt. Auch in der bayrischen Oberpfalz, in Mähren und Oberschlesien gibt es Braunkohlen.
Das ungarische Becken setzt sich mit seinen Buchten in die östlichen Alpen nach Süd- und Mittelsteiermark bis Kärnten hinein fort. Mitten im Alpengebirge gibt es einzelne isolierte kleine Becken (Leoben, Judenburg, Wochein, das ältere von Häring). Von Oberösterreich bis Südfrankreich schlingt sich um die Alpen das breite Band [* 44] der braunkohlenführenden Molasse und setzt auch nordwärts tief nach Oberschwaben fort. Italien [* 45] (Catibona, Sinigaglia) und Dalmatien (Monte Promina) besitzen ebenfalls Braunkohlen. In Frankreich sind vor allem die Auvergne und das Mündungsland des Rhône (Aix) wichtig; auch jenseit des Mittelmeers, [* 46] in Algerien (Oran), finden wir Braunkohle. In England sind sie auf das kleine Becken von Bovey und den Südwesten des Landes beschränkt, während sie in den basaltischen Gegenden Ostirlands (Riesendamm) und auf den westschottischen Inseln (Mull) auftreten. Ausgedehnt ist auch ihr Vorkommen in Island [* 47] als sogen. Surtrbrandr zwischen basaltischen und palagonitischen Tuffen. Nordamerika [* 48] besitzt Braunkohlen im obern Missourigebiet und in Vancouver, und bis in diese Ferne ist der Florencharakter derselbe, ja es treten selbst noch europäische Arten, wie Acer trilobatum, auf. In Asien [* 49] kennt man sie von den hinterindischen Inseln und von Japan.
Braunkohle dient allgemein zum Heizen von Stubenöfen, Dampfkesseln, Ziegel- und Kalköfen, Puddel- und Schweißöfen etc. Die erdige Kohle wird zu dem Ende wie Thon in der Ziegelfabrikation aus freier Hand [* 50] oder auf Maschinen in parallelepipedische (Sachsen [* 51] und Brandenburg, [* 52] Braunkohlensteinziegel) oder in abgestumpft kegelförmige Stücke (Klütten, Rheinprovinz) [* 53] gebracht. Die Hertelschen Naßpressen liefern 35-40,000 Ziegel in zehn Arbeitsstunden. Sehr zweckmäßig wird die Braunkohle aus einem heißen Mundstück gepreßt und deshalb der Preßcylinder durch eine eigne kleine Feuerung geheizt.
Häufig werden aus erdiger Kohle nach gehöriger Zerkleinerung und Trocknung derselben mittels einer starken Pressung Preßsteine (Brikette, Preßkohle) gefertigt, welche nicht mehr abfärben, eine glänzende Oberfläche und dunklere Farbe haben als das ursprüngliche Material, eine große Heizkraft besitzen und wegen ihrer Festigkeit [* 54] zu weitem Transport sich eignen. Die backenden Kohlenvarietäten werden bisweilen für Hüttenwerke und chemische Fabriken verkokt.
Geringe Braunkohlensorten verwertet man zur Gasfeuerung. [* 55] Unweit Elbogen dienen bituminöse Pechkohlen (Spiegelkohlen) zur Rußgewinnung. Als Färbemittel benutzt man die kölnische Umbra. Der Gagat dient zu Schmuckgegenständen. Eine der wichtigsten Verwendungen der Braunkohle ist diejenige zur Darstellung von Mineralölen und Paraffin. [* 56] Es werden hierzu vorzugsweise die bituminösen, hellbraunen, pyropissithaltigen oder ganz aus Pyropissit bestehenden Braunkohlen gewählt, welche an dem Ausgehenden der Erdkohlenflöze von Weißenfels, [* 57] Zeitz, Deutschenthal etc. oder in der obern Partie der Flöze sich finden und pro Tonne (125-140 kg) 10-25 kg Teer liefern.
Die Rückstände vom Abschwelen dieser Kohlen bilden unter dem Namen Grude ein koksartiges Brennmaterial. Die Produktion an Braunkohle betrug im Deutschen Reich 1884: 14,840,575 Ton. im Wert von 39,2 Mill. Mk., wovon über 11 Mill. Ton. auf die preußische Provinz Sachsen und über 12 Mill. auf Preußen [* 58] überhaupt kommen.
Vgl. Zincken, Die und ihre Verwendung (Hannov. 1867; dazu Ergänzungen, Halle 1871 u. 1878);
Unger, Die Verwertung der Braunkohle als Feuerungsmaterial etc. (Weim. 1862);
Neumann, Die Vergasung erdiger Braunkohle zum Betrieb der Schmelz- und Brennöfen, Dampfkessel [* 59] etc. (Halle 1873).