Titel
Cholera
(nach einigen v. hebr. cholé-ra, »die böse Krankheit«, nach andern v. griech. cholé; »die Galle«),
ursprünglich und lange Zeit Bezeichnung sehr verschiedener
Krankheiten des
Darms, welche unter
stürmischen
Durchfällen und
Erbrechen verlaufen; allmählich sind einzelne bestimmte Krankheitsgruppen; z. B. die
Arsenikvergiftung, welche die gleichen
Erscheinungen hervorbringt, ausgeschieden worden, und man hat den
Namen Cholera
für zwei
Formen übrig behalten, deren eine als einheimische Cholera
(Cholera nostras), deren andre als asiatische
Cholera
bekannt ist. Ob die einheimische Cholera
wirklich als eine einheitliche
Krankheit anzusehen ist, erscheint
zweifelhaft,
da man ihre
Ursache noch nicht genügend kennt; von der asiatischen Cholera
dagegen steht es fest daß sie nach
Ursache,
epidemischer Verbreitung und Verlauf eine ganz einheitliche Infektionskrankheit ist.
Beide sind in ihren Krankheitserscheinungen ungemein ähnlich, bei beiden sind schnell aufeinander folgende reichliche, anfangs dünne, später geradezu wässerige Stühle das Hauptsymptom, bei beiden kommen Erbrechen, Wadenkrämpfe, starke Erschöpfung vor, und dennoch sind sie durchaus verschiedene Formen: die einheimische ist gutartig, sie tritt sporadisch auf, ist nicht ansteckend;
die asiatische dagegen ist eminent bösartig, tritt als verheerende
Seuche auf, welche
aufs leichteste übertragbar ist, und kommt niemals sporadisch vor, ohne daß eine
Übertragung des Cholera
keims stattgefunden
hätte.
Da es ungemein wichtig ist, trotz der Ähnlichkeit [* 2] in den Symptomen beide Krankheiten aufs bestimmteste voneinander zu unterscheiden, selbst wenn die Ansteckung nicht nachgewiesen werden kann, so werden wir späterhin gerade hierüber genaueste Angaben machen.
Die einheimische Cholera.
Die einheimische Cholera
(Brechdurchfall, Brechkolik,
Cholerine, Cholera
nostras s. europaea, sporadica) tritt in der
Regel in den heißen
Sommermonaten auf, nach Diätfehlern, besonders nach unvorsichtigem
Genuß rohen und unreifen
Obstes, schlechten
Biers, bei
Kindern nach
Genuß sauer gewordener
Milch und andrer
Speisen, welche die
Verdauung
stören. Es ist höchst
wahrscheinlich, daß in allen
Fällen abnorme
Gärungen oder
Zersetzungen des
Magen- und Darminhalts vorliegen, welche zuweilen
durch
Erkältungen des
Bauches mit starker Darmbewegung eingeleitet oder kompliziert werden; allein es ist sehr zweifelhaft,
ob die
Natur dieser
Zersetzungen allemal die gleiche ist.
Wahrscheinlich gibt es eine ganze Reihe säurebildender und andrer Bakterien und Sproßpilze, welche die Nahrung gerade im warmen Sommer befallen, und es ist sehr wohl möglich, daß solche abnorme Gärungen nur deshalb so heftige Krankheitserscheinungen bewirken, weil der Magen [* 3] und Darm [* 4] durch schwerverdauliche Speisen, unmäßiges Trinken von Wasser oder Bier und die erschlaffende Wirkung der Hitze auf den ganzen Körper besonders empfindlich geworden ist. Zuweilen gehen der Krankheit Vorboten voraus, die mehrere Tage anhalten können und in Unbehaglichkeit, Leibschneiden, Kollern im Leib, Appetitlosigkeit, leichten Diarrhöen und Übelkeit bestehen.
Häufig stellt sich die Krankheit plötzlich, oft während der Nacht ein, indem reichliche Stuhlausleerungen erfolgen, welche anfänglich aus den gewöhnlichen Kotmassen bestehen, später aber eine schleimige, gelbliche oder bräunliche Flüssigkeit darstellen. Seltener sind dieselben ganz ungefärbt, reiswasserähnlich. Diesen Diarrhöen geht zuweilen heftiges Erbrechen voraus, oder dieses tritt ein, nachdem schon einigemal Stuhlentleerungen erfolgt waren.
Das Erbrochene besteht anfänglich aus den genossenen Nahrungsmitteln, wird später schleimig-wässerig, grünlich gefärbt und von saurem Geschmack. Die Kranken fühlen sich dabei äußerst matt und hinfällig, klagen über brennenden Durst, eingenommenen Kopf, bittern Geschmack. Der Leib ist weich, dabei gegen Druck meist unempfindlich. Jedes Trinken erregt von neuem Erbrechen. Die Kranken sehen blaß aus, hohläugig, zusammengefallen, sind sehr unruhig; Füße und Hände sind kalt, oft durch schmerzhafte Krämpfe der Muskeln [* 5] der Waden etc. zusammengezogen.
Der
Puls ist sehr beschleunigt, fadenförmig klein, kaum fühlbar, der
Urin äußerst sparsam, oft fehlend, die
Zunge trocken;
kalter, klebriger
Schweiß bedeckt den ganzen
Körper.
Fast immer geht der Anfall vorüber, die
Haut
[* 6] wird wieder warm, ein leichter
Schweiß erscheint, die Urinabsonderung stellt sich wieder ein, die Entleerungen werden seltener, die
Kranken verfallen in einen ruhigen
Schlaf, aus dem sie mit besserm Aussehen und kräftiger erwachen. Doch bleibt in den meisten
Fällen noch eine Zeitlang ein mehr oder weniger hoher
Grad von Hinfälligkeit und
Empfindlichkeit der Verdauungsorgane zurück.
Die einheimische Cholera
verläuft in der
Regel in 8-24
Stunden und tötet nur geschwächte Individuen, namentlich
Kinder und
Greise.
In der Behandlung empfiehlt es sich anfangs, d. h. solange noch Speiseinhalt des Magens entleert wird, das Erbrechen durch warme Theeaufgüsse, etwa von Kamillen, zu unterstützen und erst dann, wenn die Ausleerungen gallig und flüssig werden, diese zu hemmen. Man gebe dem Kranken Eisstückchen in den Mund, kohlensäurehaltiges Wasser in kleinen Mengen zum Getränk oder Brausepulver in Wasser während des Aufbrausens zu trinken. Auf den Leib lege man warme Tücher oder warme Breiumschläge von Leinsamenmehlabkochungen. Innerlich dient als sicherstes Mittel das Opium (5-10 Tropfen der Tinktur). Droht der Kranke zu schwach zu werden, und verfällt derselbe sichtlich, so reiche man einige Eßlöffel voll Wein, am besten moussierenden, oder einige Tropfen Äther und reibe den Körper mit gewärmten Tüchern. ¶
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In der ersten Zeit nach dem Anfall muß noch strenge Diät eingehalten werden: der Kranke muß sich auf flüssige Nahrung,
Fleischbrühe mit Schleim, Milch etc., beschränken, sich sorgfältig vor Erkältung, besonders des Unterleibes, hüten und kann
erst allmählich zur frühern Lebensweise zurückkehren. - Auch die sogen. Cholera
der
Kinder (Cholera
infantum), welche im Sommer in großen Städten geradezu ungeheure Sterblichkeitsziffern erreicht,
ist auf abnorme Zersetzung der Nahrung zurückzuführen. Am häufigsten betrifft diese Krankheit Säuglinge jeden Alters, welche
künstlich aufgefüttert werden, sowie Kinder, welche schnell von der Mutterbrust entwöhnt worden sind.
Die Kinder erbrechen bei dieser Krankheit alles, was in ihren Magen kommt. Die etwa genossene Milch kommt nicht verkäst, wie bei gesunden Kindern, sondern ungeronnen wieder zum Vorschein. Gleichzeitig mit dem Erbrechen werden auch die Ausleerungen abnorm. Dieselben bestehen aus einer sauer riechenden, grünlichen oder gelblichen Masse, vermischt mit weißlichen Klumpen, später aus wässerigen Ausscheidungen. Die Kinder verfallen dabei sehr schnell, magern ab, das Gesicht [* 8] wird faltig und greisenhaft, Lippen und Hände sind bläulich und fühlen sich kühl an, es treten krampfhafte Zuckungen ein, und bald folgt der Tod durch Erschöpfung.
Der ganze Verlauf der Krankheit drängt sich oft auf wenige Stunden zusammen. Manchmal geht der cholera
ähnliche Anfall vorüber,
und es schließt sich eine leichtere Form des Darmkatarrhs an. Die Behandlung der Cholera der Kinder hat die
doppelte Aufgabe, 1) die einmal eingeleiteten sauren oder sonst schädlichen Gärungen zu hemmen und 2) der Wiederholung solcher
Zersetzungen vorzubeugen. Den ersten Zweck erreicht man zuweilen durch das Erbrechen und die Durchfälle an sich,
zuweilen empfiehlt sich die Entleerung mittels der Magenpumpe oder bei kräftigen Kindern durch Abführmittel.
Unterstützt wird das Verfahren durch Darreichung von Wein und Mitteln, welche die Zersetzung hemmen, Kreosotwasser, Kalomel etc. in vorsichtigen Gaben, die nur der Arzt bestimmen kann. Die Verhütung fernerer Zersetzungen verlangt sorgfältiges Überwachen der Nahrung; wenn keine Mutter- oder Ammenmilch gegeben werden kann, so muß die Kuhmilch, oder was sonst gegeben wird, jedesmal vor dem Genuß aufgekocht, Gläser, Pfropfen [* 9] etc. müssen aufs sauberste gereinigt werden. Selbstverständlich sucht man das Kind durch Baden, [* 10] gute Luft und aufmerksame Pflege möglichst zu kräftigen.
Die asiatische Cholera.
Die asiatische Cholera (Cholera morbus, Cholera orientalis, asiatica, indica, epidemica) hat ihre Heimat in Ostindien. [* 11] Hier ist sie, wie es scheint, von jeher sowohl in vereinzelten Fällen als auch in kurz dauernden und wenig verbreiteten Epidemien aufgetreten. Aber erst 1817 trat die Cholera in Indien in größerer, seuchenartiger Ausbreitung auf und fing an, sich auf die Nachbarländer auszudehnen. Am Schluß des Jahrs 1818 war schon die ganze ostindische Halbinsel von der Krankheit durchzogen und furchtbar verheert worden.
Die Seuche, deren eigentliche Ursache unbekannt war und blieb, begann fast an jedem Ort, wo sie sich zeigte, mit der äußersten Bösartigkeit, nahm dann an Heftigkeit ab und dauerte meist nur 2-3 Wochen; an einzelnen Orten freilich, z. B. in Kalkutta, [* 12] hatte sie einen jahrelangen Bestand. Schon damals bemerkte man, daß die Seuche sich vorzugsweise im Verlauf der großen Verkehrswege, der Flüsse [* 13] und Landstraßen, verbreitete. Von 1817 bis jetzt ist die Cholera in Indien nie mehr ganz erloschen; sie trat vielmehr bald an diesem, bald an jenem Punkt in großer Ausbreitung auf.
Von Indien aus ging die Cholera zunächst nach Hinterindien, [* 14] Sumatra, Mauritius (1819), dann nach ganz China, [* 15] den Philippinen, Java (1820-21); erst von 1821 an nahm sie ihren Lauf nach Westen und Norden [* 16] und überzog Persien [* 17] und Arabien. Bis 1823 hatte sie die Küsten des Kaspischen Meers, die Küsten von Syrien und somit das Mittelländische Meer erreicht. Hier machte sie einen Stillstand. Das nahe bedrohte Europa [* 18] blieb vorläufig noch verschont, während in Asien [* 19] teils die früher befallenen, teils neue Landstriche durchseucht wurden.
Erst 1829 brach die Krankheit wieder an den europäischen Grenzen, [* 20] nämlich in Orenburg, und 1830 von neuem in Astrachan am Kaspischen Meer aus. Nach Orenburg wurde sie wahrscheinlich von der Tatarei, nach Astrachan von Persien her eingeschleppt. Die weitere Verbreitung der Cholera nach Europa geschah von Astrachan aus. Sie drang im Thal [* 21] der Wolga aufwärts und erreichte binnen zwei Monaten Moskau [* 22] (1830). Ganz Rußland wurde im Lauf dieses Jahrs von der Cholera überzogen; auch drang sie, begünstigt durch den russisch-polnischen Krieg, 1831 nach Westen zu bis Polen vor.
In das Jahr 1831 fallen auch die ersten deutschen Epidemien, namentlich die von Berlin, [* 23] Wien [* 24] etc. Die Verbreitung der Krankheit in diesem Jahr war eine ungeheure: im Norden reichte sie bis Archangel, im Süden bis Ägypten, [* 25] über die Türkei [* 26] und einen Teil von Griechenland. [* 27] Im J. 1832 kam die Cholera zum erstenmal nach London [* 28] und über Calais [* 29] nach Paris, [* 30] auch erschien sie damals zuerst von England aus importiert in Amerika [* 31] (Quebec). Nun folgten sich in Europa bis 1838 viele bald mehr zerstreute, bald in offenbarem Zusammenhang stehende Epidemien von denen teils bisher verschonte Strecken (wie z. B. Spanien [* 32] 1833-34, Schweden [* 33] 1834, Oberitalien [* 34] 1836, München [* 35] 1836), bald schon früher durchseuchte Orte befallen wurden (wie z. B. Berlin 1832 und 1837). Vom Jahr 1838 an aber blieb Europa fast zehn Jahre lang frei von der Cholera. - Im J. 1846 begann ein neuer Zug der Cholera von Indien aus.
Noch in demselben Jahr ging sie über Persien und einen Teil der asiatischen Türkei bis Syrien und gleichzeitig in nordwestlicher Richtung über den Kaukasus nach Rußland vor. Die weitere Verbreitung geschah in großer Schnelligkeit nach Süden (Mekka 1847) und Nordwesten (Moskau im September 1847). Im J. 1848 fand eine rasche Verbreitung der Krankheit über ganz Ost-, Nord- und Mitteleuropa (Petersburg, [* 36] Berlin, Hamburg, [* 37] London) statt. Zu Ende jenes Jahrs erschien sie auch wieder in den großen Hafenstädten der Vereinigten Staaten [* 38] von Nordamerika [* 39] (New York, New Orleans). Im Frühling 1849 fand eine große Epidemie in Paris statt, worauf sich die Cholera über Frankreich und Belgien [* 40] ausbreitete.
Auch in Deutschland [* 41] gewann die Cholera in den Jahren 1849 und 1850 große Verbreitung. Das Jahr 1851 war für Deutschland cholerafrei; dagegen brach sie im folgenden Jahr von Polen her in den östlichen Teilen Deutschlands [* 42] aus, kam aber diesmal nicht über Berlin hinaus. Bis zum Jahr 1859 traten in den verschiedensten Ländern innerhalb und außerhalb Europas größere Seuchen auf. In diesem Jahr aber schien die Krankheit ihren zweiten großen Verheerungszug im wesentlichen beendigt zu haben. Ihren dritten großen Zug über den asiatischen und europäischen Kontinent trat sie 1865 an. Namentlich wurden 1866 viele Opfer durch die Cholera hinweggerafft, z. B. während des Kriegs in Böhmen, [* 43] in Leipzig, [* 44] Berlin, an den Küsten der Ostsee etc. Die Krankheit ist seitdem in ¶
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Europa, obschon sie sich entschieden milder zeigte als früher, nicht mehr ganz erloschen. Während des Kriegs 1870/71 blieb Deutschland frei; erst 1873 ist die Krankheit wieder von Galizien aus teils nach Wien, Prag, [* 46] München, Speier, [* 47] Würzburg [* 48] verschleppt worden, teils gelangte sie die Weichsel entlang in die Städte der preußischen Ostseeküste. Die letzte europäische Epidemie brach, von Indien eingeschleppt, 1884 in Toulon [* 49] aus, diesem sanitär so ungünstigen Hafen, welcher schon früher das Einfallsthor der Seuche gewesen war. Im August blieb sie auf Toulon, Marseille [* 50] und Umgegend beschränkt, im September traten einige Erkrankungsfälle in Paris auf, während eine ziemlich heftige Epidemie in Unteritalien, namentlich in Neapel, [* 51] wütete. Anfang 1885 wurde Spanien heimgesucht, im August 1885 abermals Marseille.
Die Geschichte der Cholera weist demnach in jeder neuen Epidemie wieder auf eine Einschleppung der Seuche von Indien her hin und lehrt aufs bestimmteste, daß die Krankheit in Europa nicht selbständig entsteht und immer wieder nach kürzerer oder längerer Dauer verschwindet. Einzelne Erkrankungsfälle können überall, auf Schiffen und am Land, vorkommen, wohin immer Cholerakranke oder Wäsche von solchen oder Gegenstände, welche mit dem Darminhalt verunreinigt waren, gelangen; zur Bildung eines ganzen Choleraherdes, von welchem aus sich eine Epidemie ausbreitet, gehören aber gewisse Vorbedingungen: Es ist seit langem bekannt, daß sumpfige, niedrig gelegene Ortschaften sehr stark heimgesucht wurden, daß dagegen andre (Lyon, [* 52] Versailles, [* 53] Salzburg), [* 54] namentlich Gebirgsplätze, nahezu verschont blieben, woraus sich ergibt, daß die Bodenverhältnisse bei der Verbreitung der Seuche eine wesentliche Rolle spielen.
Umfassende Untersuchungen Pettenkofers haben ergeben, daß eine ganz bestimmte Beschaffenheit des Bodens vorhanden sein muß, um der Aufnahme und Vermehrung des Ansteckungsstoffs aus den Darmausleerungen Cholerakranker Vorschub zu leisten: der Boden muß nämlich porös, für Wasser und Luft durchdringbar sein, und man muß in einer nicht zu beträchtlichen Tiefe (1,5-15 m) auf Grundwasser [* 55] stoßen. Wo diese Bodenbeschaffenheit nicht vorhanden ist, kommen Choleraepidemien erfahrungsmäßig nicht vor.
Denn in Orten, welche unmittelbar auf kompaktem Gestein oder auf Felsen liegen, welche von Wasser nicht durchdringbar sind, hat man höchstens vereinzelte dahin verschleppte Fälle, aber keine Epidemien von Cholera beobachtet. Das im Boden liegende begünstigende Moment für die epidemische Verbreitung der Cholera ist also nicht dessen geognostischer oder mineralogischer Aufbau, sondern ausschließlich seine physikalische Aggregation. Indessen erweist sich die Empfänglichkeit eines porösen Bodens für eine Choleraepidemie keineswegs zu allen Zeiten gleich groß; dieselbe schwankt vielmehr nach den Untersuchungen Pettenkofers je nach der Entfernung der Oberfläche des Bodens vom Niveau des Grundwassers und demnach auch nach dem jeweiligen Stand, nach den Schwankungen des letztern und ist außerdem abhängig von der Durchschwängerung des Bodens mit organischen Substanzen, namentlich mit solchen, welche von tierischen Ausleerungen herstammen.
Über den Stand des Grundwassers und seine Schwankungen an einem bestimmten Ort läßt sich von vornherein niemals etwas Bestimmtes aussagen, dies muß vielmehr für jeden einzelnen Ort durch direkte Beobachtungen festgestellt werden. Im allgemeinen aber darf man sagen, daß jeder Ort und jeder Ortsteil um so mehr von der Cholera leiden wird, je näher er dem Grundwasser liegt. Die Höhe des Grundwasserstandes und die Schwankungen desselben können also als Hilfsursache für die Ausbreitung der Cholera wirken; sie begünstigen die Entstehung eines Infektionsherdes um so mehr, je mehr der poröse Boden mit organischen Abfällen des menschlichen Haushalts, namentlich mit festen und flüssigen Exkrementen, geschwängert ist.
Die eigentliche Ursache der Cholera wurde schon lange in einem vermehrungsfähigen niedern Pilz [* 56] gesucht, jedoch standen der Erforschung einmal deswegen große Schwierigkeiten entgegen, weil die Kenntnis der krankheiterregenden Bakterien noch wenig vorgeschritten war, und ferner weil die Cholera auf keins der zu Experimenten verfügbaren Tiere zu übertragen ist. Es war der deutschen Expedition, welche unter Leitung ¶