Titel
Danzig
[* 1] (poln. Gdansk; hierzu der Stadtplan), Hauptstadt des preuß.
Regierungsbezirks Danzig
(s. S. 541),
Festung
[* 2] ersten
Ranges, einst eine mächtige Hansestadt und noch jetzt
als Handelsplatz wichtig, liegt anmutig am linken
Ufer des westlichsten (jetzt toten)
Arms der
Weichsel,
ca. 6 km von der
Ostsee
und an den Eisenbahnlinien
Dirschau-Danzig-Neufahrwasser und
Berlin-Stettin-Danzig. Im W. schließen beträchtliche
Höhen
(Bischofs-,
Hagelsberg etc.) die Stadt ein; auf den übrigen Seiten ist sie von üppigen
Wiesen und fruchtbaren
Niederungen umgeben.
Sie wird in mehreren
Armen von der
Mottlau durchflossen, die, früher von nur 2,5 m Tiefe, jetzt durch Baggerung bis zu 4,5
m vertieft ist, so daß die größten
Handelsschiffe bis in die Mitte der Stadt und zur Speicherinsel gelangen
können, welch letztere, von zwei
Armen der
Mottlau umgeben, hauptsächlich mit großen
Niederlagen für
Getreide
[* 3] bebaut ist.
Im J. 1885 wurden
Speicher und Lagerhöfe durch eine
Eisenbahn mit dem Güterbahnhof Danzig
-Legethor verbunden. An der Westseite
fließt die
Radaune.
Beide
Flüsse
[* 4] vereinigt münden unterhalb Danzig
in die
Weichsel. Die eigentliche Stadt besteht aus fünf Teilen:
der
Altstadt, der Rechtstadt, der Vorstadt und der Niederstadt, südlich von der Speicherinsel, wo sich längs eines Mottlauarms
große Holzniederlagen befinden, und dem Langgarten. Die alten, aus dem 16. Jahrh. stammenden
Thore: das Jakobsthor, das Neugarter, Petershager und
Olivaer
Thor, sind, um dem steigenden
Verkehr zu genügen,
abgebrochen und durch eiserne
Thore ersetzt worden;
das
Hohe
Thor, eins der bedeutendsten monumentalen Bauwerke des 16. Jahrh.,
nach Art der römischen
Triumphbogen, von welchem die Langgasse, die schönste
Straße Danzigs
, auf den
Langen
Markt führt,
wurde mit der Prinkammer freigelegt und restauriert.
Neun Vorstädte umlagern den westlichen
Halbkreis
der Stadt, unter denen einige ziemlich entfernt liegen: St.
Albrecht (4 km südlich), Altschottland, Schidlitz, Langfuhr,
die schönste Vorstadt (4 km im
NW.), wohin eine prachtvolle doppelte Lindenallee führt,
Neuschottland und
Neufahrwasser, der
Hafen von Danzig.
Mit Ausnahme
Nürnbergs und einiger rheinischer
Städte hat Danzig
unter allen deutschen
Städten die
am schärfsten ausgeprägte
Physiognomie, und nirgends vergegenwärtigen die Gebäude so verständlich die Geschichte und
den
Geschmack ihrer Zeit. Zu den Eigentümlichkeiten der
Häuser gehörten früher besonders die sogen. Beischläge, die seit
dem letzten Jahrzehnt wegen der dadurch veranlaßten Beschränkung der
Kommunikation aus allen Hauptstraßen entfernt wurden.
Die
Häuser Danzigs
stehen fast alle mit der schmalen Giebelseite nach der
Straße zu und dehnen sich ganz
unverhältnismäßig nach hinten aus. Oft steht die schmale Hinterfronte an der parallel laufenden Hintergasse, oder es befindet
sich zwischen Vorder- und Hintergebäude ein kleiner
Hof,
[* 5] auf dem ein Seitengebäude die beiden Hauptteile verbindet. Wo aber
Grund und
Boden aufs äußerste beschränkt war, da baute
man in die freie
Luft.
Daher sind viele
Häuser Danzigs
sehr
hoch und
turm- und laternenartig luftig.
Sehr hohe und eng nebeneinander gestellte
Fenster von kristallklarem Spiegelglas geben den
Fassaden etwas
Glasartiges,
Durchbrochenes
und Glänzendes. Die Dachspitzen streben meist in zierlichen
Formen arabeskenartig in die
Höhe und sind
gewöhnlich von einer
Fahne oder irgend einer
[* 1]
Figur eingenommen. In der ganzen
Architektur Danzigs
spricht sich derselbe
Geist
abgeschlossenen, selbstbewußten, kräftigen Bürgertums aus, der die Stadt einst so groß gemacht.
Die stattlichsten Teile derselben sind die Langgasse und der Lange Markt bis südlich zur Mottlau, die mit den prächtigsten alten Bauten prangen, von denen auch einzelne Häusern in Portugal [* 6] und Italien [* 7] nachgeahmt sind. Auch die öffentlichen Gebäude sind meist großartig. Unter den 23 Kirchen der turmreichen Stadt, von denen 8 katholisch sind, ist die 1343-1502 erbaute Oberpfarrkirche zu St. Marien die bedeutendste und zugleich eine der größten evangelischen Kirchen, die es gibt.
Sie mißt 104 m in der Länge, 34,8 m in der Breite [* 8] und über 23,3 m in der Höhe, hat drei gleich hohe und lange Schiffe [* 9] mit 37 großen Fenstern, einen 76 m hohen Turm [* 10] nebst 10 kleinern Türmen. Eine Eigentümlichkeit dieser Kirche sind die nach innen hineingezogenen, überwölbten und zu Kapellen benutzten Strebepfeiler, wodurch die Kirche eigentlich fünfschiffig wird. Sie enthält zwei Kunstschätze: ein Jüngstes Gericht aus dem J. 1467, vermutlich von Memling, und einen kunstvoll in Holz [* 11] geschnitzten Hochaltar (von M. Schwartz, 1511-17), der erst in neuerer Zeit seine Vollendung erhalten hat.
Vor wenigen
Jahren sind auch in
Schränken der
Sakristei kostbare
Paramente von hohem Kunstwert gefunden worden. Der Dichter
M.
Opitz ruht in dieser
Kirche. Die älteste
Kirche ist die Katharinenkirche (1326-30) mit einem schönen
Glockenspiel. Außerdem
besitzt Danzig
zwei
Synagogen und ein mennonitisches
Bethaus. Die hervorragendsten weltlichen Gebäude sind
das großartige gotische
Rathaus in der Rechtstadt, in seinem Hauptkern aus dem 15. Jahrh., mit einem zierlichen, 82 m
hohen
Turm und einem ehernen
Springbrunnen daneben, und das altstädtische
Rathaus, ein Renaissancebau (1587 vollendet).
Auch das Kranthor und das Zeughaus sind altertümliche Gebäude. Auf dem Langen Markt steht der Artus- oder Junkerhof (die großen Kaufleute hießen im Mittelalter hier »Junker«),
dessen Inneres eine einzige große, viereckige, von vier Granitsäulen getragene und in der eigentümlichsten Weise mit Gemälden und Schnitzwerk aus der Sagenwelt verzierte Halle [* 12] bildet, welche ehedem zu Gelagen bestimmt war und jetzt als Börse dient. Endlich ist noch die berühmte alte Mühle von 18 Gängen an der Radaune zu erwähnen, die ehemals der Stadt in jeder Stunde einen Dukaten abgeworfen haben soll, der sogen. Stockturm und das spätgotische, 1871 restaurierte Franziskanerkloster (das einzige noch vorhandene Klostergebäude), dessen oberes und unteres Geschoß [* 13] die städtische Gemäldegalerie und Altertümersammlung einnimmt, während das mittlere zum Lokal des Realgymnasiums bestimmt ist. Von neuern Gebäuden sind hervorzuheben: das Oberpostdirektionsgebäude, Postamtsgebäude, das Landeshaus und das Dikasterialgebäude (Sitz des Oberpräsidiums), beide auf Neugarten, die Viktoriaschule und die Artilleriekaserne.
Die Befestigungen der Stadt bestehen aus einem Hauptwall mit 20 Bastionen. Sämtliche Gräben vor dem Hauptwall sind mit Wasser angefüllt, und die Umfassung ist zu zwei Dritteln durch die
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 14] von Danzig.]
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Weichsel und durch Überschwemmungen gedeckt, die mittels der Steinschleuse am Legethor bewirkt werden können. Der Hauptwall hat daher nur vor drei Fronten kleine Ravelins und Lünetten als Außenwerke vor sich, aber nach den überschwemmbaren Seiten im N., O. und W. hin einen bedeckten Weg mit Glacis. Auf der nordwestlichen Seite ist der Thalrand der sehr nahen Radaune bedeutend höher als der Wall, weshalb nach dieser Seite sieben Bastionen mit Kavalieren angelegt sind.
Zugleich hat man die nahe an die Stadt hintretenden Höhen als zweite Verteidigungslinie mit selbständigen Werken besetzt, welche die Stadt von außen decken. Das stärkste liegt auf dem Hagelsberg (russisches Grab genannt), bestehend aus vier Bastionen und mehreren Seitenwerken; weiter südlich ist der befestigte Bischofsberg mit zwei halben und einer ganzen Bastion nebst Ravelins. Der Hagelsberg ist durch eine bedeckte Kaponniere [* 16] mit der Stadt verbunden. Neun Defensivkasernen in den Werken verstärken die Verteidigungsfähigkeit des Platzes.
Auch mehrere einzelne Außenwerke sind an wichtigen Punkten vorgeschoben. Namentlich zieht sich von der Nordseite der Stadt eine Reihe von Werken längs der Weichsel bis an ihre Mündung, wo sie mit den Batterien am Kanal [* 17] Neufahrwasser oder Hafenkanal endigen. An diesem Kanal, der 970 m lang und 26 m breit ist und wegen Versandung der alten Weichselmündung angelegt wurde, ist bei Neufahrwasser der Hafen von Danzig, mit einer großen Steinmole und zwei Leuchttürmen versehen und durch Dampfschiffahrt (wie durch Eisenbahn) mit der Stadt verbunden; der Bau eines neuen Hafenbassins an der westlichen Seite des Hafenkanals wurde 1871 begonnen.
Gegenüber an der rechten Seite der Weichselmündung liegt die Festung Weichselmünde, ein bastioniertes Viereck; [* 18] welches mit der Westerschanze und mehreren Forts den Flecken und Kanal Neufahrwasser und die Reede deckt. Durch den Holm, eine befestigte große Insel der Weichsel, und mehrere Forts wird die Verbindung zwischen Danzig und dem 4 km entfernten Weichselmünde bewerkstelligt. Zwischen dem Meer und Neufahrwasser liegt der in einen schattigen Park verwandelte Küstenstrich Westerplatte. Der frühere Ausfluß [* 19] der Weichsel ist, seit dem der Strom die Sanddüne bei dem Dorf Neufähr durchwühlte und sich eine neue Mündung machte, ganz geschlossen, so daß die Seeschiffe nur durch den Hafenkanal von der Reede in die Weichsel gelangen. Der Weichseldurchbruch ist an der Mündung zu sehr versandet und darum für Schiffe nicht zu benutzen, dennoch aber durch ein Fort geschützt.
Nach dem Zensus von 1871 hatte Danzig 88,974, 1875: 97,931 und 1880: 108,551 Einw., worunter 74,833 Protestanten, 30,455 Katholiken und 2736 Juden. Die Garnison zählt 6568 Mann. Unter den industriellen Anstalten sind namentlich hervorzuheben: die Schiffswerften, darunter die große kaiserliche Werfte mit Trockendock und 1580 Arbeitern, die königliche Artilleriewerkstatt und die Gewehrfabrik mit zusammen 823 Arbeitern, 14 Brauereien, darunter eine großartige Aktienbrauerei in dem nahen Kleinhammer, ferner 2 Spritfabriken (Danziger Goldwasser), welche bedeutend für den Export arbeiten, 6 Bernsteinwarenfabriken, 3 Tabaksfabriken, 6 große Mahlmühlen (Export zur See 1884: 6 Mill. kg), 8 Dampfschneidemühlen, eine große Eisengießerei [* 20] und Maschinenbauanstalt, Schiffs- und Kesselschmieden, Fabriken für Drahtseile und Tauwerk, ätherische Öle, [* 21] Farben, Lack, Firnis, Dachpappe, Zündwaren, Öfen, [* 22] Seife und Lichte; Papier, Glas [* 23] u. a. Der Handel Danzigs, genährt durch Eisenbahnen, Fluß- und Seeschiffahrt, ist sehr bedeutend; sein schnelleres Wachsen wird indes beeinträchtigt durch das russische Zollsystem und das dadurch begünstigte Emporblühen russischer Ostseehäfen sowie auch durch die Konkurrenz des günstiger gelegenen Stettin. [* 24]
Die Messe (Dominikmarkt), welche, 5. Aug. beginnend, alljährlich in Danzig abgehalten wird, hat neuerdings an geschäftlicher Bedeutung sehr abgenommen. Auf den Seeverkehr entfällt etwa die Hälfte des Eingangs und ein Drittel des Ausgangs. Der Wert des Handels seewärts allein bezifferte sich 1884 bei der Einfuhr auf 58,2 Mill. Mk. (namentlich Heringe, Baumwolle, [* 25] Roheisen, Droguen, Steinkohlen, Kaffee, Häute und Felle), bei der Ausfuhr, die durch den Rückgang des Getreide- und Holzexports bedeutend abnahm, auf 64,6 Mill. Mk. (auf 11,9 Mill. für Weizen, 24 Mill. Zucker, [* 26] 11 Mill. Holz, ferner Spiritus, [* 27] Roggen, Gerste, [* 28] Mehl). [* 29]
Auf den Weichselverkehr entfielen im Eingang 311,185 Ton. (namentlich Weizen, Roggen, Holz, Zucker), auf den Ausgang 205,100 T. (Steinkohlen, Eisen, [* 30] Salz); [* 31] die Eisenbahnen führten fort 254,804 T. (Steinkohlen, Eisen, Holz, Salz, Baumwolle, Heringe, Getreide, Zucker). Die Reederei Danzigs ist in beständigem Rückgang, sie bestand Ende 1871 aus 118 Schiffen von 147,925 cbm, worunter allerdings nur 3 Dampfer von 2485 cbm, Ende 1884 aus 62 Segelschiffen von 89,367 cbm und 18 Schraubendampfern von 24,926 cbm, zusammen 80 Schiffen von 114,293 cbm, war also um 33,632 cbm gesunken.
Der Schiffsverkehr zeigt gleichfalls eine Abnahme, seewärts liefen 1884 ein: 1790 Schiffe von 791,334 T. (906 Dampfer von 590,851 T.), aus: 1805 Schiffe von 796,065 T. (909 Dampfer von 592,096 T.). Auf der Weichsel verkehrten 19,523 Schiffe (darunter 10,299 Dampfer) und 575 Holztraften. Dabei ist aber die beträchtliche Zahl der in Ballast gehenden Fahrzeuge inbegriffen. Den Geldverkehr vermitteln die Reichsbankhauptstelle (1884 mit einem Umsatz von 618,6 Mill. Mk.), die Danziger Privataktienbank, der Sparkassenaktienverein, die Westpreußische landschaftliche Darlehnskasse, der Danziger Hypothekenverein u. a. Die Stadt besitzt Gas- und Wasserleitung [* 32] (letztere 1884 bis Neufahrwasser ausgedehnt), Kanalisation und eine 3,3 km lange Pferdebahn nach Ohra.
Von den sieben in Danzig erscheinenden Zeitungen (davon ein Wochenblatt) ist die »Danziger Zeitung« die bedeutendste. Von Bildungs- und Wohlthätigkeitsanstalten finden sich 2 Gymnasien, 2 Realgymnasien, eine städtische und 7 private höhere Töchterschulen;
ferner eine Handelsschule, Navigationsschule, Provinzialgewerbeschule, Fortbildungsschule, Taubstummenschule;
dazu ein Hebammeninstitut, mehrere gelehrte Gesellschaften, 2 Sternwarten, [* 33] eine Bibliothek mit 100,000 Bänden und einigen Manuskripten, eine Gemälde- und Antiquitätensammlung (s. oben), ein Theater, [* 34] Stadtmuseum, Provinzial-Kunstgewerbemuseum, Kunstschule;
ferner gute Armenanstalten, 2 Waisen- und 2 Krankenhäuser (Marienkrankenhaus und Diakonissenanstalt), ein Lazarett unter städtischer Verwaltung und ca. 130 milde Stiftungen, darunter einige sehr bedeutende, wie das Heilige Leichnams-Hospital, das Elisabethhospital, das Gertrudenhospital u. a. Danzig ist auch Zentralsitz der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (1865 gegründet) und des Deutschen nautischen Vereins sowie mehrerer gewerblicher Bildungs- u. Unterstützungsvereine. Es ist der Sitz des Oberpräsidenten, der Regierung, des Landesdirektoriums, der westpreußischen Landschaftsdirektion, des Landratsamtes, Landgerichts (für die ¶
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neun Amtsgerichte zu Berent, Danzig, Dirschau, [* 36] Karthaus, Neustadt, [* 37] Putzig, Schöneck, Preuß.-Stargard und Zoppot), Lotsenamtes, Hauptzollamtes, einer Provinzialsteuerdirektion, von 3 Superintendenturen, einer Oberpostdirektion, von zwei Eisenbahnbetriebsämtern, mehrerer Konsuln etc. Die Garnison umfaßt die Stäbe der 2. Division, der 3. und 4. Infanterie- und 2. Kavallerie-Brigade, die Inf.-Reg. Nr. 4, 5 und 128, 3 Eskadrons Husaren Nr. 1, ein Feld- und ein Fußartillerie-Reg., ein Pionier-Bataillon, ein Landwehr-Bezirkskommando (Nr. 45). Danzig ist der Geburtsort von Hevel, Fahrenheit, Chodowiecki, Archenholz, Koppe, Johannes Falk, Johanna Schopenhauer, H. Döring u. a. In der Umgegend sind außer den schon erwähnten Punkten noch die Badeorte Brösen (2 km westlich von Neufahrwasser) und Zoppot (s. d.) und der Flecken Oliva (s. d.) mit dem Karlsberg zu nennen.
[Geschichte.]
Die Stadt Danzig, über deren Gründung Dunkel herrscht, stand schon zu Ende des 10. Jahrh. in Blüte [* 38] und Ansehen und wurde damals die Hauptstadt von Oberpommern (Pommerellen). Adalbert, Bischof von Prag, [* 39] predigte hier 997 das Christentum. Herzog Subislaw umgab Danzig, damals Gidanie (ein Name, der auf die Goten zurückgeführt wird) genannt, 1185 mit Mauern. 1221 eroberte es König Waldemar II. von Dänemark, [* 40] verlor es aber schon 1225 an Swantopolk III. von Pommern. [* 41]
Derselbe rief gegen die herandringenden Preußen, [* 42] die Danzig 1225 erstürmten, die Hilfe der Deutschen Ordensritter an, die aber aus Helfern bald Unterdrücker wurden. Ähnlich erging es sodann seinem Sohn Mestwin II. mit den gegen seinen Bruder zu Hilfe gerufenen Brandenburgern, von denen er 1271 seine Hauptstadt zurückerobern mußte. Als derselbe 1295 ohne männliche Erben starb, fiel an Przemyslaw II. von Polen, nach dessen Tod (1296) sein Erbe Wladislaw Lokietek abermals den Deutschen Orden [* 43] gegen Brandenburg [* 44] zu Hilfe rief.
Der Markgraf von Brandenburg wurde nun zwar geschlagen; der Deutsche [* 45] Orden besetzte aber die Stadt und behielt sie, da die versprochene Entschädigung nicht aufzutreiben war, als Eigentum (1310); ja, der Polenkönig Kasimir III. mußte sie im Vertrag von Kalisch [* 46] 1343 dem Hochmeister Ludolf förmlich zugestehen. Trotz aller dieser Kämpfe hatte an Wohlstand ungemein zugenommen und trat um 1350 dem Bunde der Hansa bei. Aus jener Zeit stammen viele bedeutende Bauten, namentlich die Anlage der Rechtstadt (1340), der Jungstadt (1380) und der Vorstadt (1393). Unter dem Hochmeister Konrad von Jungingen (1393-1407) erscheint Danzig zuerst kriegerisch thätig, indem es für den Schwedenkönig Albrecht Stockholm [* 47] besetzte und durch seinen Kampf mit den seeräuberischen Vitalienbrüdern auch mit Margarete von Dänemark in einen Krieg verwickelt wurde.
Als infolge der Niederlage Ulrichs von Jungingen bei Tannenberg (1410) die Macht des Deutschen Ordens sank, benutzte Danzig diesen Umstand, um sich vom Orden loszumachen; nach mannigfachen Streitigkeiten erfolgte die gänzliche Lossagung Danzigs von dem Orden und die Erwählung des Königs Kasimir IV. von Polen zum Schutzherrn (1454). Danzig wurde dadurch zu einem kleinen Freistaat; es durfte in Gemäßheit des ihm erteilten Privilegium Casimirianum seine Ämter selbst besetzen, erhielt die vollständige Gerichtsbarkeit (nach eignem Gesetzbuch, Danziger Willkür genannt), Befreiung von allen Zöllen und Abgaben und von der Rechnungslegung über seine Einkünfte, das Münzrecht, das Recht, eigne Besatzung zu halten, und völlig freie Entscheidung über Krieg, Bündnisse und Frieden.
Die Oberhoheit des Königs von Polen repräsentierte ein Glied [* 48] des Stadtrats, der Burggraf; die Stadt hielt in Warschau [* 49] ihren Sekretär [* 50] und stimmte auf Reichstagen und bei Königswahlen mit. Die vier Stadtteile wurden nun zu einem Ganzen vereinigt und dem rechtstädtischen Rat untergeordnet. Streitigkeiten mit dem König wegen Besetzung des Bistums Ermeland führten zu dem achtjährigen Pfaffenkrieg (1472-80), in welchem sich zwar Danzigs Macht, aber auch die polnische Antipathie gegen diese Stadt bewährte.
Schon 1523 nahm Danzig die Reformation an, die jedoch nicht ohne heftige innere Kämpfe festen Fuß fassen konnte. Am verderblichsten für die Zukunft der Stadt war die Durchstechung der Großen Kampe, einer Flußinsel vor der Spaltung der Weichsel (in Weichsel und Nogat), seitens der Elbinger und Marienburger, wodurch die Tiefe des Fahrwassers im Verlauf eines Jahrs um die Hälfte vermindert wurde. Als 1575 Stephan Báthori zum König von Polen gewählt wurde, wollte ihn Danzig nicht anerkennen und erklärte sich für Kaiser Maximilian II., welcher der Stadt bedeutende Handelsvorteile zusichern ließ.
Selbst nach des letztern Tod (1576) wollte Danzig dem König Stephan die Huldigung nur gegen bedeutende Zugeständnisse leisten. Danzig wurde daher belagert, verteidigte sich aber 1577 so entschlossen, daß der König mit einer Abbitte und der Zahlung von 200,000 Gulden sich begnügte. 1656 belagerten die Schweden [* 51] die Stadt zu Wasser und zu Lande, wurden aber durch Hilfstruppen des Königs Johann Kasimir und durch eine holländische Flotte vertrieben, worauf die Holländer mit dem Großen Kurfürsten den Elbinger Vertrag 10. Sept. über die Neutralität Danzigs vereinbarten, den Schweden allerdings nicht anerkannte. 1734 wurde Danzig, weil es den König Stanislaus Leszczynski aufgenommen hatte, von den Russen und Sachsen [* 52] unter Münnich belagert und trotz tapferer Gegenwehr nach mehrmonatlicher Einschließung durch ein Bombardement 9. Juli zur Kapitulation genötigt. Bald darauf entstanden zwischen Magistrat und Bürgerschaft Streitigkeiten, die erst 1752 eine neue Gesetzgebung beilegte. Bei der ersten Teilung Polens 1772 behielt die Stadt zwar ihre Freiheit; aber da sie von preußischem Gebiet umschlossen, von starken Zöllen hart bedrückt war, so nahmen Handel, Kunstfleiß und Bevölkerung [* 53] immer mehr ab.
Bei der zweiten Teilung Polens 1793 kam die Stadt an Preußen. Ihr tief gesunkener Wohlstand begann seitdem schnell wieder aufzublühen. Das Jahr 1806 wurde aber für Danzig wieder sehr verderblich. Schon vor der Kriegserklärung wurde der Hafen von den Schweden blockiert und von England auf die preußischen Schiffe Embargo gelegt. Nach den Schlachten [* 54] bei Jena [* 55] und Auerstädt [* 56] wurden in Danzig die Rüstungen [* 57] zum Widerstand mit Eifer betrieben, die 21,700 Mann starke Besatzung genügend verproviantiert, die Niederung unter Wasser gesetzt und die Vorstädte zum Teil demoliert.
Schon Anfang März rückten die Franzosen unter Marschall Lefebvre vor die Stadt; trotz tapferer Verteidigung durch den Gouverneur Kalckreuth setzten sich die Belagerer 1. April auf dem Zigankaberg fest und nahmen in der Nacht vom 12. auf den 13. April auch die Kalkschanze an der Weichsel. Sie wurde ihnen zwar wieder entrissen, aber die Danziger sahen sich genötigt, dieses höchst wichtige Werk selbst zu zerstören. In der Nacht vom 23. auf den 24. begann das Bombardement der Stadt, das, nachdem Lefebvre am 25. vergeblich zur Übergabe ¶