Diablerets
(Les) (Kt. Waadt,
Bez. Aigle
und Kt. Wallis,
Bez. Conthey).
Gebirgsgruppe, hinter dem obern Ende des
Thales von
Ormonts; die
Wasser (oder Lawinen)
der
Walliser Abdachung der Diablerets
gehen zum
Sanetschpass,
Lac de Derborence und Thal der
Lizerne oder
zu den Alpweiden von
Anzeindaz, diejenigen der Waadtländer Abdachung zu den Thälern der
Grande Eau und der
Gryonne. Die Gruppe
der Diablerets
wird begrenzt: im NW. vom Thal der
Gryonne und dem
Col de la Croix, im S. von der Alpweide
von
Anzeindaz u. dem
Pas de Cheville, im SO. vom obern Abschnitt des
Thales der
Lizerne, im O. vom
Sanetschpass, im NO. von
Gsteig
und im N. vom
Col du Pillon. Zentraler Hauptgipfel der Gruppe ist der Diableret, auch
Sommet des
Ormonts geheissen, ein mächtiger
Eisdom von 3246 m
Höhe, von dem nach verschiedenen Richtungen hin sich Ketten und
Kämme abzweigen.
1. Nach WSW. geht vom Diableret ein schmaler Kamm ab, der sich zunächst zum Sommet d'Anzeindaz (3213 m) hebt, dann zum Col du Refuge (2941 m; so benannt nach einer 1871 vom Führer Cherix unter einem nach NW. gerichteten Felsen eingerichteten, heute aber nicht mehr beziehbaren Zufluchtsstätte) senkt und weiterhin noch folgende Gipfel trägt: Tête Ronde oder Pointe de la Houille (3043 m), Tête d'Enfer (2769 m; von den Ormonts aus nicht sichtbar, sehr scharf dagegen von Anzeindaz aus markiert), Signal du Culand (2798 m), die Pointes de Châtillon (2377 und 2164 m), Le Coin (2238 m) und La Chaux Ronde (2022 m);
bei den Bewohnern von Gryon heisst der zwischen den Pointes de Châtillon und der Chaux Ronde nach ihrer Seite zu abfallende Felshang die Rochers du Van.
Der Gipfel der Tête Ronde besteht aus über Urgonschichten aufgeschobenem Neocom; unmittelbar darunter liegen in sich selbst zurückgefaltete Nummulitenbildungen, an deren Basis einst nach Anthrazit (Steinkohle) gegraben worden ist (woher der auf der Seite gegen Anzeindaz übliche Name Pointe de la Houille für diesen Gipfel). Hier sind im Hangenden von Süsswasserablagerungen die bekannten reichen Fundstätten von eocänen Fossilien (Leitfossil: Cerithium diaboli) entdeckt worden, die eine Ausbeute von mehr als 150 Arten von Mollusken, Polypen etc. geliefert haben. Tête d'Enfer und Signal du Culand bestehen aus normal gelagerten, die Pointes de Châtillon dagegen aus wahrscheinlich überkippten Neocomschichten. Die von hier aus nach WSW. streichenden sog. Rochers du Van gehören ganz dem eocänen Taveyannaz-Sandstein an.
2. Nach NO. geht vom Diableret eine lange Kette aus, die zunächst die Rochers de la Halte u. den Dôme (3026 m) trägt, dann sich zum weiten Plateau des Col de Zanfleuron (2866 m) senkt, mit der Pyramide des Oldenhorns (3124 m) sich wieder mächtig hebt und über das Nägelihorn (2497 m) am linken Rande des Oldenthales absteigt. Ein vom Col de Zanfleuron nach NW. abzweigender Seitenkamm beginnt am Col de Prapioz (2825 m), trägt den Sex Rouge (2977 m) und das Plateau oder die Rochers de la Marchande und endigt mit dem Signal du Lécherez; nach SO. fliesst vom Col de Zanfleuron der grosse Zanfleurongletscher ab, der von den Firngebieten am Dôme bis zu den Alpweiden von Sanetsch und Miet reicht.
Der rechtsseitige Uferrand des Gletschers trägt die Tour Saint Martin (2913 m) oder, wie sie von den Wallisern geheissen wird, die Quille du Diable, die mit einem 40 m hohen Felsturm gipfelt und als letztbezwungene Spitze der Gebirgsgruppe erst 1884 von Béraneck Vater erstiegen worden ist. Einen weitern Seitenkamm, nach O., sendet das Oldenhorn aus. In diesen ist zunächst die breite Oeffnung des Oldenpasses (Col d'Audon; 2766 m) eingeschnitten, von dem der kleine Oldengletscher (Glacier d'Audon) ins obere Oldenthal (Vallon d'Audon) absteigt; dann folgt der Taillent ¶
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(2771 m), wo sich der Kamm nach NO. umzubiegen beginnt, um allmählich in eine rein n. Richtung überzugehen und das Sanetschhorn oder den Mont Brun (2946 m) und die Dent de Scie (ca. 2750 m; auf der Siegfriedkarte unbenannt) zu tragen, sich zum Col des Dents de Scie (einem nur von Gemsjägern begangenen Uebergang vom Vallon de la Ley ins Oldenthal) zu senken und über das Gstellihorn oder die Dent Blanche (2807 m; sein nö. Vorberg ist der Gros Mouton mit 2573 m) mit dem Schlauchhorn (2587 m) hinter dem Berner Dorfe Gsteig zu endigen.
Ausser dem eben genannten Zanfleurongletscher zählt die Gruppe der Diablerets
noch neun andere, weit
weniger bedeutende Eisfelder: den Glacier de Culand (zwischen dem Culand und der Tête Ronde), Glacier de Pierredar oder de Creux de Champ
(zwischen Col du Refuge u. Plateau de Pierredar), den in zwei Teile getrennten Mauvais Glacier (NW.-Hang der Gruppe), Glacier de Prapioz
(entspringt am Dôme und steigt bis zum Trümmerfeld von Prapioz ab), Glacier du Sex Rouge mit einem als Glacier du Dard besonders
unterschiedenen Arm (dem der Wildbach Le Dard entströmt; 1900 wollte man hier Eis zum Export brechen, musste aber davon der
vielen Schwierigkeiten wegen bald wieder abstehen), Oldengletscher oder Glacier d'Audon und endlich Glacier des Diablerets
mit seinem Anhängsel, dem Glacier de la Tschiffaz. Das weitaus grösste aller dieser Eisfelder, der Zanfleurongletscher, umfasst
eine Fläche von ungefähr 9 km2.
Während Gottlieb Studer den Culand schon 1825 bestiegen hatte, gelang ihm, in Begleitung von Melchior Ulrich und der Führer Madutz und Enserme, die Bezwingung der höchsten Spitze der Gruppe, des Diableret, erst 1850 (über den Culand, den Pierredargletscher und den Col du Refuge). Heute bietet diese Tour keine eigentlichen Schwierigkeiten mehr und wird oft unternommen; sie erfordert von Anzeindaz oder vom Hotel Sanetsch aus je 4, von Le Plan des Isles aus 6-7 und von der Oldenalp aus 5 Stunden. Der weit schwierigere Weg über den Culand wird heute nur noch selten gewählt. Die Rundsicht ist eine der ausgedehntesten und lehrreichsten der ganzen Schweiz; sehr gutes Panorama, von Pfarrer Lador aufgenommen und in Phototypie, 3 m lang, veröffentlicht.
Die Gruppe der Diablerets
besteht beinahe ausschliesslich aus Neocomschiefern und -kalken, zu denen sich am Fuss der S.-Wände
zu Tage anstehende Gewölbeschenkel aus Jura und Trias, auf dem Rücken des Hauptkammes und am N.-Hang dagegen mehrere stark
nach NW. überliegende Muldenschenkel aus Urgon und Nummulitenbildungen gesellen. An zahlreichen Stellen
reiche Fundorte von Fossilien.
Der Name der Diablerets
ist wohl wahrscheinlich Walliser Ursprungs und bezieht sich auf den von manchen Walliser Sennen noch
strenge festgehaltenen Glauben, dass dieses Gebirge der Tummelplatz böser Geister sei, die einander verfolgen und bekämpfen
oder wohl auch in aller Eintracht zusammen auf dem Zanfleurongletscher Kegel schieben. Dann werfen sie
mit grossen Felsblöcken nach der Quille du Diable, und die das Ziel verfehlenden Geschosse stürzen mit mächtigem Getöse
von Terrasse zu Terrasse bis zum Lac de Derborence oder bis Anzeindaz herunter. In Wirklichkeit sind diese Geschosse nichts
Anderes als vom Hängegletscher von Diablerets
abgebrochene und oft mit donnerartigem Gepolter gegen
Derborence zu in die Tiefe gehende Eismassen.
Zeitweise lösen sich von den Gehängen aber auch eigentliche Felsstürze, deren zwei berühmteste, die von 1714 und 1749, von den Wänden über der Walliser Seite des Pas de Cheville herabkamen und den ganzen obern Abschnitt des Thales der Lizerne verwüsteten. Schon mehrere Tage vor Eintritt der ersten dieser beiden Katastrophen machte anhaltendes unterirdisches Getöse die Leute darauf aufmerksam, dass ein Ereignis bevorstehe, wie sie solche in vergangenen Jahren zu beobachten oft Gelegenheit gehabt hatten. Am Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr, stürzte ein Teil der Felswand auf die ihren Fuss säumenden Alpweiden ab und hüllte Alles in eine mächtige Wolke von Rauch und Staub. 14 Menschen, ungefähr ¶
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100 Kühe und eine Menge von Kleinvieh wurden getötet und 150 Alphütten vernichtet. ^[Note:] In einer der verschütteten Hütten, an die sich ein grosser Felsblock schützend derart angelegt hatte, dass sie dem Druck des Schuttes zu widerstehen vermochte, blieb ein Hirt mehrere Monate lang eingeschlossen. Als Nahrung dienten ihm Wasser u. Käse. Als es dem längst Totgeglaubten gelungen war, sich durch den Schutt Bahn zu machen, hielten ihn seine Verwandten in seinem Heimatsort Aven zuerst für einen Geist u. liessen ihn durch den Pfarrer beschwören.
Der Sturz von 1749 häufte neue Trümmer auf die schon vorhandenen, tötete 5 Menschen und zerstörte mehr als 40 Hütten. Die meisten der durch das Getöse im Berge gewarnten Walliser Aelpler der Gegend hatten sich mit ihren Herden rechtzeitig geflüchtet, nachdem sie noch das Gebirge hatten beschwören lassen. Damals bildete sich durch Stauung des Wildbaches Chevelentze der Lac de Derborence, der somit (wie dies übrigens schon Dekan Bridel in seinem Conservateur suisse erkannte) einer der jüngsten Seen der Schweiz ist.
Im Thal der Ormonts hiess die Gebirgsgruppe ursprünglich Sex de Champ, und Dellient nennt sie in seiner 1809 veröffentlichten
Histoire du Pays de Vaud Rochers de Champ. Diese beiden endgiltig durch die originellere Bezeichnung der
Diablerets
verdrängten Namen leiteten sich von einer am Fusse des Felsenzirkus von Creux de Champ gelegenen Alpweide (Campus;
vergl. den Art. Champ, Creux de) ab. Vergl. Renevier, E. Monographie des Hautes Alpes vaudoises in Matériaux pour la carte
géologique de la Suisse. 16 livr. Berne 1890.