Dordrecht
[* 2]
(Dortrecht, in
Holland gewöhnlich abgekürzt
Dort), Stadt in der niederländ.
Provinz
Südholland,
an der Merwede, welche sich hier in die
Alte
Maas und den
Noord verzweigt, und an der
Eisenbahn
Rotterdam-Roozendaal-Antwerpen
(schöne
Eisenbahnbrücke über die
Maas), ein altertümlich gebauter
Ort, hat eine schöne gotische
Kathedrale (1363 erbaut,
mit einem
Monument für den 1828 gestorbenen Seemaler
Schotel), ein prächtiges
Rathaus (von 1339), eine
mit
Glas
[* 3] überdeckte
Börse und verschiedene
Hospitäler, ein
Gymnasium, eine
höhere Bürgerschule und (1885) 29,214 Einw. Dordrecht
ist
die älteste und war im
Mittelalter auch die mächtigste Handelsstadt
Hollands.
Noch heute ist der
Handel Dordrechts
bedeutend, besonders mit
Holz,
[* 4]
Rhein- und
Moselweinen,
Traß,
Steinkohlen,
Mühlsteinen,
Kalk,
Ölsaat,
Korn,
Stockfisch etc. 1883 liefen insgesamt 331
Schiffe
[* 5] von 258,000
cbm
Tonnengehalt ein, 81
Schiffe
von 47,000
cbm
Gehalt mit
Ladung aus. Ein schmaler
Arm der
Maas, das Dortsche
Kil (die
Verbindung mit dem
Holländischen Diep), ist
immer von
Dampf- und Segelschiffen belebt. Der
Hafen ist so geräumig, daß die
Ostindienfahrer bis zur
Stadt gelangen können; auch die großen Rheinflöße werden gewöhnlich hier auseinander genommen und zerschnitten. In der
nächsten Umgegend zählt man 26 Sägewindmühlen, 16
Ölmühlen, ferner
Korn-,
Traß- und Graupenmühlen,
[* 6] Zuckerraffinerien,
Schiffswerften, eine
Eisen- und
Metallgießerei und eine Dampfmaschinenfabrik. Dordrecht
ist Sitz eines deutschen
Konsulats. Es ist
Geburtsort der
Brüder
Johan und
Cornelius
de Witt und des Malers Ary
Scheffer, dem 1862 auf dem Marktplatz
eine
Bildsäule errichtet wurde. - Dordrecht
wurde 1013 von dem holländischen
Grafen
Dietrich
(Dirk) III. gegründet.
Der
Kaiser
Heinrich IV. schenkte aber die Gegend dem
Bischof von
Utrecht,
[* 7] und so wurde verschiedene Jahre hindurch ein
heftiger Streit um den
Besitz von Dordrecht
geführt, worein sich auch die
Herzöge von
Brabant mischten, bis es den
Grafen von
Holland
verblieb. Im J. 1231 erhielt die Stadt
Mauern und wurde bald der wichtigste
Ort der
Grafschaft. Nach Briel war Dordrecht
die erste
holländische Stadt, welche 1572 die
Spanier vertrieb; im nämlichen Jahr hielten die
Staaten von
Holland
hier ihre erste freie Versammlung und legten den
Grund zur
Republik. 1574 und 1618-19 wurden hier die Dordrechter
Synoden gehalten,
wodurch die Stadt für die
Entwickelung und Feststellung der reformierten
Kirche in
Holland große Bedeutung erhielt.
Die erste (1574) war eine Provinzialversammlung der holländischen und zeeländischen Prediger zur Beratung über Kirchendisziplin und Verwandtes, doch erhielten die gefaßten Beschlüsse die obrigkeitliche Bestätigung nicht. Die zweite, die »große Synode der reformierten Kirche«, ward auf Betrieb des Statthalters Prinzen Moritz von Oranien zur Unterdrückung der Arminianer oder Remonstranten und zur Aufrechthaltung des streng Calvinischen Dogmas, namentlich der Prädestinationslehre, vom bis abgehalten.
Die Lehre [* 8] der Remonstranten ward verworfen, sie selbst wurden aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen und die gegen ihre Lehre gefaßten dogmatischen Beschlüsse öffentlich in der Kirche verlesen. Das Dogma von der absoluten Prädestination ward von neuem als kirchlicher Lehrbegriff anerkannt, und im Gegensatz gegen die fünf remonstrantischen Thesen und ihre arminianische Deutung wurden fünf streng orthodoxe Lehrsätze festgestellt. Für die holländischen Reformierten wurden die Confessio Belgica und der Heidelberger Katechismus als symbolische Schriften bestätigt.
Die
Niederlande,
[* 9] die meisten Schweizerkantone und die
Rheinpfalz, die französischen
Kirchen sowie die
Puritaner
in
England nahmen die Dordrechter
Beschlüsse an; die englische
bischöfliche Kirche aber verwarf sie mit Entschiedenheit,
ebenso erlangten sie in den deutschen reformierten
Staaten außer der
Pfalz kein symbolisches Ansehen.
Vgl. M. Graf, Beiträge zur Geschichte der Synode zu D. (Bas. 1825);
Schweizer, Die protestantischen Zentralorgane in ihrer Entwickelung innerhalb der reformierten Kirche, Bd. 2 (Zürich [* 10] 1856).