Titel
England
(Anglia, nach den
Angelsachsen so genannt), der südliche Teil der
Insel
Großbritannien,
[* 2] umfaßt das eigentliche
England
nebst den Küsteninseln, darunter
Sheppey,
Wight und die
Scillyinseln.
Politisch gehört dazu noch das westlich davon gelegene
Fürstentum
Wales. Von
Frankreich wird England
durch die nur 22 km breite
Straße von
Dover
[* 3]
(Straits of
Dover,
Pas de Calais)
getrennt; im O. grenzt es an die
Nordsee, im
S. an den
Englischen
Kanal
[* 4]
(English channel,
la Manche), im
W. an den Atlantischen
Ozean und die
Irische
See. Der südlichste
Punkt ist die Lizardspitze (40° 58' nördl.
Br., 5° 11' westl.
L. v. Gr.); der nördlichste liegt bei
Berwick (55° 49' nördl.
Br., 2° 3' östl. L.); der östlichste ist
Lowestoft
Neß an der
Küste von
Suffolk (52° 29' nördl.
Br., 1° 45' östl. L.), der westlichste
Landsend (50° 4' nördl.
Br., 4° 38' westl.
L.).
S.
Karte
»Großbritannien«.
Übersicht des Inhalts: | S. |
---|---|
Areal und Bevölkerung | 629 |
Bodenbeschaffenheit | 630 |
Bewässerung | 631 |
Klima | 631 |
Pflanzen- und Tierwelt | 632 |
Bevölkerung (Zunahme etc.) | 632 |
Nationalität | 633 |
Religion | 633 |
Bildung | 635 |
Charakter u. Sinnesart | 635 |
Ackerbau | 636 |
Viehzucht | 637 |
Bergbau etc. | 638 |
Industrie | 639 |
Verkehr | 640 |
Armenwesen | 641 |
Rechtspflege | 641 |
Lokalverwaltung | 642 |
Areal und Bevölkerung
der
40
Grafschaften von England
und von
Wales zeigt die folgende
Tabelle:
Grafschaften | Areal QKil. | QMeil. | Bevölkerung 1881 | Bewohner auf 1 QKil. | Zu- oder Abnahme 1871-81 pro 1000 |
---|---|---|---|---|---|
Bedfordshire (Beds) | 1194 | 21.7 | 149473 | 126 | 22 |
Berkshire (Berks) | 1870 | 34.0 | 218363 | 117 | 112 |
Buckinghamshire | 1931 | 35.1 | 176323 | 91 | 2 |
Cambridgeshire | 2124 | 38.6 | 158594 | 75 | -8 |
Cheshire | 2659 | 48.3 | 644037 | 242 | 146 |
Cornwall | 3495 | 63.5 | 330686 | 95 | -91 |
Cumberland | 3926 | 71.3 | 250647 | 64 | 138 |
Derbyshire | 2665 | 48.4 | 461914 | 174 | 215 |
Devonshire | 6698 | 121.6 | 603595 | 90 | 5 |
Dorsetshire | 2538 | 46.1 | 191028 | 75 | -24 |
Durhamshire | 2642 | 48.0 | 867258 | 329 | 266 |
Essex | 3994 | 72.5 | 576434 | 144 | 235 |
Gloucestershire | 3171 | 57.6 | 572433 | 184 | 71 |
Hampshire (Hants) | 4199 | 76.3 | 593470 | 141 | 90 |
Herefordshire | 2157 | 39.1 | 121062 | 56 | -35 |
Hertfordshire (Herts) | 1640 | 29.8 | 203069 | 124 | 56 |
Huntingdonshire (Hunts) | 929 | 16.9 | 59491 | 64 | -64 |
Kent | 4028 | 73.1 | 977706 | 242 | 152 |
Lancashire | 4889 | 88.8 | 3454441 | 706 | 225 |
Leicestershire | 2071 | 37.6 | 321258 | 156 | 192 |
Lincolnshire | 7154 | 129.9 | 469919 | 66 | 76 |
Middlesex | 734 | 13.2 | 2920485 | 3979 | 149 |
Monmouthshire | 1499 | 27.2 | 211267 | 141 | 81 |
Norfolk | 5488 | 99.7 | 444749 | 81 | 14 |
Northamptonshire | 2549 | 46.3 | 272555 | 107 | 117 |
Northumberland | 5221 | 94.8 | 434086 | 83 | 123 |
Nottinghamshire (Notts) | 2136 | 38.8 | 391815 | 183 | 226 |
Oxfordshire | 1957 | 36.5 | 179559 | 92 | 9 |
Rutlandshire | 384 | 6.9 | 21434 | 56 | -29 |
Shropshire (Salop) | 3418 | 62.1 | 248014 | 72 | -1 |
Somersetshire | 4248 | 77.1 | 469109 | 110 | 12 |
Staffordshire | 3022 | 54.9 | 981013 | 324 | 143 |
Suffolk | 3820 | 69.4 | 356893 | 93 | 23 |
Surrey | 1963 | 35.6 | 1436899 | 742 | 315 |
Sussex | 3777 | 68.6 | 490505 | 130 | 175 |
Warwickshire | 2292 | 41.6 | 737339 | 322 | 162 |
Westmoreland | 2027 | 36.8 | 64191 | 32 | -13 |
Wiltshire (Wilts) | 3507 | 63.7 | 258965 | 74 | 7 |
Worcestershire | 1912 | 34.7 | 380283 | 199 | 122 |
Yorkshire East-Riding | 3038 | 55.1 | 315460 | 104 | 168 |
North-Riding | 5510 | 100.0 | 346260 | 67 | 180 |
West-Riding | 6164 | 111.9 | 2224844 | 361 | 166 |
England: | 131628 | 2390.5 | 24613926 | 187 | 145 |
Wales | 19069 | 346.3 | 1360513 | 71 | 117 |
England u. Wales: | 150697 | 2736.8 | 25974439 | 172 | 144 |
¶
mehr
Bodenbeschaffenheit.
Der größte Teil Englands
hat eine leicht wellige Oberfläche, ein andrer ist völlig eben, im N. und SW. findet sich Gebirgsland.
Im allgemeinen ist der landschaftliche Charakter nicht großartig, aber lieblich und durch Abwechselung angenehm. Ebenen im
Schmuck des frischesten Grüns, von ansehnlichen, ruhig hinfließenden Strömen durchzogen, von bläulich
grünen Waldgruppen umsäumt und von zahlreichen Viehherden belebt, dehnen sich weit aus. Ohne große Wälder zu enthalten,
ist England
doch gut bewaldet; charakteristisch sind die Hecken und Baumreihen, welche die gartenähnlichen Felder umgeben und dem
Fußreisenden die Aussicht oft entziehen; ferner die zahlreichen und prächtigen Landsitze des Adels, gewöhnlich von
unübertrefflichen samtartigen Grasplätzen und Gruppen mächtiger alter Bäume umgeben, zwischen denen sich malerisch geordnetes
Buschwerk und Unterholz hinzieht.
Nicht selten stößt diese englische Landschaft mit ihrem milden und zugleich luxuriösen Charakter unmittelbar ans Meer. Im
S. wechseln häufig schon höhere Hügel mit Thälern; im N. und W. aber ragt eigentliches Gebirgsland
kahl über die umgebende grüne Landschaft hervor. Wohl in keinem andern Land läßt sich die Abhängigkeit der Terrainformen
von der geologischen Beschaffenheit des Bodens mit mehr Vorteil studieren als in England
, wo fast alle geologischen Bildungen, von
den ältesten bis zu den jüngsten, vertreten sind.
Von den Alluvialflächen an der Themsemündung in nordwestlicher Richtung fortschreitend, durchkreuzen
wir sie sämtlich der Reihe nach, bis wir von den kambrischen Felsen der Insel Anglesey herab auf das Irische Meer blicken. Von
Schottland wird England
durch die Cheviot Hills (s. Cheviots) getrennt, welche in ihrem Kulminationspunkt eine Höhe von 813 m erreichen.
Ihre Gipfel sind teilweise kegelförmig, felsig und kahl; die Abhänge, steil und durch tiefe Schluchten
und Thäler getrennt, bieten zahlreichen Herden eine fruchtbare Weide.
[* 6]
Eine Einsenkung, durch welche die Eisenbahn von Carlisle nach Newcastle
[* 7] läuft (136 m), trennt dieses Grenzgebirge von dem breitbuckligen
Zug
der der Kohlenformation angehörigen Penninischen Kette (s. d.). Dieses »Rückgrat« Nordenglands
erstreckt
sich 245 km weit bis nach Derbyshire hinein, wo es mit dem 351 m hohen Weaver Hill endet. Es bildet die Wasserscheide zwischen
der Nordsee und dem Irischen Meer. Sein höchster Punkt ist der Croß Fell (892 m). Nach O. fällt es sanft in die breite,
ergiebige Thalebene von York ab, westlich grenzt es steiler an die fruchtbare, vom Eden durchflossene Cumbrische Ebene und an
das Tiefland von Lancashire und Cheshire.
Das Penninische Gebirge mit seinen meist abgerundeten Formen und großen Strecken von Torfboden und Heideland macht auf den Beschauer einen höchst trostlosen Eindruck. Es wird aber durchzogen von malerischen Thälern, die im üppigsten Grün prangen, und sein Reichtum an Steinkohlen und Eisen [* 8] hat selbst in seinen Einöden Hauptsitze der Industrie erwachsen lassen. Durch den Sattel von Yap Fell, an den Quellen von Eden und Lune, steht die Penninische Kette mit dem Cumbrischen Gebirge in Verbindung, welches die Halbinsel von Cumberland erfüllt und im Sca Fell zu 984 m ansteigt.
Heiden kommen zwar auch hier vor, aber malerische Seen, saftige Wiesen und bewaldete Thäler sind tonangebend und haben diesen
»Lake District« zu einer der besuchtesten Touristengegenden werden lassen. Die Ebene von Cheshire trennt die Gebirge Nordenglands
von den Kambrischen Gebirgen in Wales (s. d.), welche im Snowdon bis 1074 m ansteigen. Als
Vorhügel dieses Gebirgslandes kann
man die Clee Hills (550 m) und die Malvern Hills (426 m) jenseit des Severn auffassen. Den Kanal von Bristol kreuzend, erreichen
wir die an malerischen Schönheiten so reiche Halbinsel Devon-Cornwall, wo der Dartmoor, eine wüste, sumpf-
und heidereiche Granitinsel, über eine üppig grüne Landschaft hervorragt und im Yeo Tor eine Höhe von 633 m erreicht. Andre
Höhenzüge sind hier der Exmoor im N., ein Schutz gegen Nordwinde, und die Cornischen Höhen (Cornish Heights) im äußersten
Westen (Brown Willy, 416 m).
Diese aus den ältern Gesteinen bestehenden Bergländer Englands
sind von Thälern oder niedern Tafelländern
begrenzt, durch die sie von den Hügellandschaften des südöstlichen England
getrennt werden. Im N. liegt die fruchtbare
Thalebene von York, die in ausgedehnten, an der Verbindung von Ouse und Trent gelegenen Marschen ihre Fortsetzung findet. Die
Mitte des Landes nimmt das ausgedehnte Tafelland von Birmingham
[* 9] ein, 100-200 m hoch, mit dem Wrekin (400 m) als isoliertem Gipfel
nahe seinem Westrand. Im O. geht dieses Tafelland in den Distrikt der Fens (s. d.) über, ein kleines »Holland« mit zahlreichen
Kanälen und saftigen Weiden, während es im W. mit den Tiefebenen von Lancashire und Cheshire in Verbindung
steht.
Letzteres läßt sich in südlicher Richtung längs des Severn (als Thalebene von Gloucester) verfolgen und setzt sich als Thalebene
von Taunton etc. jenseit des Kanals von Bristol bis zur Südküste Devons fort. In diesen weiten Gebieten herrschen Sandsteine,
Kalksteine, Thon und Mergel der Trias- und Liasbildungen vor, und wellenförmige Wiesen wechseln mit ergiebigen
Ackerfeldern und Obsthainen ab. Die Hügellandschaften des südöstlichen und östlichen England
gehören fast ausschließlich
zwei geologischen Formationen an, nämlich der Oolithenbildung und der Kreide.
[* 10]
Die oolithischen Kalksteinhügel erstrecken sich von der Küste Dorsets in nordnordöstlicher Richtung bis zum Humber und treten nördlich desselben nochmals in dem »Moor« von Yorkshire (457 m) auf. Nach W. fallen sie steil ab, nach O. haben sie eine sanfte Abdachung. Sie sind weidereich. Ihr wichtigstes Glied [* 11] sind die Cotswold Hills (346 m), welche das bereits erwähnte fruchtbare Thal [* 12] von Gloucester überschauen. Östlich von dieser Kalksteinregion betreten wir die Region der Kreide, welche sich von der Küste des Kanals bis an die Nordküste Norfolks erstreckt und jenseit der seichten Meeresbucht the Wash noch abgetrennt in den Wolds von Lincoln und Yorkshire auftritt. Am massenhaftesten entwickelt ist die Kreidebildung in der Ebene von Salisbury (180 m), von wo ein Hauptarm nach NO. ausläuft, während sich zwei Arme in östlicher Richtung abzweigen.
Zum erstern gehören die Marlborough Downs, die Chiltern Hills (275 m) und die Ostanglischen Höhen (East Anglian Heights). Die
östlichen Arme bilden die North Downs (Inkpen, 305 m), die in den Felsen von Dover enden, und die South Downs
(Butser Hill, 296 m), die im steilen Beachy Head ihr Ende finden. Diese Kreidehügel sind mit zartem Gras bewachsen und nähren
zahlreiche Schafherden. Sie umschließen sowohl die sogen. Becken von London
[* 13] und von Hampshire, wo Kreide von Thon, Sand und Kalksteinen
jüngern Alters überlagert ist, als den reizenden Bezirk des Wälderthons (s. Weald), an dessen Nordrand
Leith
[* 14] Hill (295 m), der höchste Punkt des südöstlichen England
, liegt.
Die Küsten haben eine Ausdehnung [* 15] von etwa 3060 km, und kein Punkt des Landes ist über 110 km von der Küste entfernt. Ihre Natur entspricht ¶
mehr
vollkommen der geologischen Bildung und den Höhenverhältnissen des Landes. Die Ostküste ist nur wenig gegliedert, und der Mangel an natürlichen Häfen wird nur unvollkommen durch die Flutmündungen einiger großer Flüsse [* 17] ersetzt, so daß man zu künstlichen Hafenbauten hat seine Zuflucht nehmen müssen. Die Flachküste, teilweise Marschland, herrscht vor, und wo Steilküsten vorkommen, sind dieselben aus Kreide, Sand oder Thon gebildet, die dem Anprall der Wellen [* 18] nur wenig Widerstand leisten.
Viel günstiger gestaltet ist die Südküste und namentlich die Westküste, wo steile Felsen aus härtestem Gestein dicht ans Meer herantreten und Buchten tief ins Land hineinschneiden. Aber auch hier, namentlich in Lancashire, kommen Flachküsten vor, und es ist bemerkenswert, daß gerade an einer solchen, an der Mündung des Mersey, der größte Handelshafen des Landes, Liverpool, [* 19] entstanden ist, während der prächtige, fjordartige Milfordhafen an der Küste von Wales nur wenig Anziehungskraft ausgeübt hat.
Bewässerung.
Wenn auch die Flüsse Englands
sich mit denen des Kontinents nicht messen können, so sind sie doch infolge
ihres Wasserreichtums und langsamen Laufs auf bedeutende Strecken schiffbar und leisten dem Verkehr wesentliche Dienste.
[* 20] Eine
Beschreibung der wichtigern Flüsse findet der Leser in besondern Artikeln, und wir beschränken uns daher hier auf die Namhaftmachung
der wichtigsten unter ihnen mit Angabe der Größe ihres Flußgebiets und der Länge ihres Laufs.
Flüsse | Länge Kilom. | Flußgebiet QKilom. | QMeil. |
---|---|---|---|
Ostküste Tyne | 117 | 2727 | 49.52 |
Wear | 105 | 1181 | 21.44 |
Tees | 127 | 1927 | 34.99 |
Humber (Ouse, Trent etc.) | 298 | 24068 | 437.09 |
Witham | 103 | 2795 | 50.75 |
Welland | 116 | 1968 | 357.47 |
Nen | 161 | 2732 | 47.63 |
Ouse (Great Ouse) | 230 | 7164 | 130.10 |
Yare und Waveney | 85 | 2291 | 41.39 |
Themse | 323 | 13600 | 247.17 |
Medway | 71 | 1761 | 31.98 |
Südküste Avon von Salisbury | 98 | 1745 | 31.65 |
Stour | 87 | 1189 | 21.50 |
Westküste Ex | 89 | 1512 | 27.47 |
Parret | 61 | 1453 | 26.40 |
Severn | 299 | 21027 | 381.78 |
Towy | 93 | 1330 | 24.08 |
Dee | 129 | 2105 | 38.14 |
Mersey | 90 | 4460 | 71.00 |
Ribble | 87 | 1515 | 27.52 |
Eden | 111 | 2370 | 42.94 |
Die Mehrzahl der englischen Seen befindet sich im Cumbrischen Gebirge, in dem sogen. Seebezirk (Lake District). Windermere, der
größte von ihnen, ist indes nur 15 km lang, kaum 1,5 km breit und bedeckt eine Fläche von nur 10 qkm.
Auch in Wales liegen einige kleine Seen, unter welchen der 6 km lange Bala Lake der bedeutendste ist. England
hat eine nicht unbedeutende
Anzahl von heißen Quellen und Mineralwässern. Zu erstern gehören diejenigen von Bath (47° C.) und Bristol (24° C.) im W.
Englands
, die von Buxton (27° C.), Matlock (20° C.) und Bakewell (16° C.) in Derbyshire und die St. Taafe's
Well bei Cardiff (26° C.) im südlichen Wales.
Sie treten sämtlich in der Steinkohlenformation auf. Von kalten Schwefelwässern sind zu erwähnen: das von Gilsland in Cumberland, Harrowgate in Yorkshire und Holbeck bei Leeds; [* 21]
von Laugenwässern: das von Malvern in Worcestershire;
von Eisenwässern: Cheltenham in Gloucestershire, Scarborough und Harrowgate in Yorkshire, Tunbridge Wells in Kent und Brighton in Sussex;
von Bittersalzwässern: Epsom in Surrey;
endlich von Kochsalzquellen: Leamington in Warwickshire, Landridnod in Radnorshire, namentlich aber Ashby de la Zouch und Droitwich in Cheshire.
Bemerkenswert sind noch die jod- und bromhaltigen Wässer von Purton Spa in Wiltshire und die alaunhaltigen Vitriolquellen von Sandrocks auf der Insel Wight.
Klima.
Das Klima Englands ist wesentlich durch die See bedingt, die von drei Seiten das Land umgibt, und namentlich dem Golfstrom verdankt es jene Milde, Gleichmäßigkeit und Feuchtigkeit, welche dem Wachstum von Menschen, Tieren und Pflanzen so ausnehmend günstig sind. Im Frühjahr, ehe noch die Strahlen der nach N. schreitenden Sonne [* 22] das Festland Europas erwärmt haben, herrschen kalte Winde [* 23] aus N. und O. vor. Im Sommer und Herbst sind kühle und feuchte Winde von entgegengesetzter Richtung, im Winter dagegen Nord- und Südwinde vorherrschend.
Die Nordostwinde streichen, ehe sie England erreichen, über eine ausgedehnte Meeresfläche und verlieren dadurch an Kälte, was bei reinen Ostwinden nicht der Fall ist. Diese Winde sind meistens trocken, werden aber zu gewissen Zeiten von Nebel (im N. auch von Schnee) [* 24] begleitet. Die West- und Südostwinde sind feucht und bringen Regen. Der Niederschlag an der Westküste ist bedeutender als im Innern des Landes und an der Ostküste, und während es in Liverpool jährlich an 228 Tagen regnet, ist dies in London nur an 190 Tagen der Fall. Den Einfluß, welchen Gebirge auf die herabfallende Regenmenge auszuüben vermögen, erkennt man recht deutlich an den meteorologischen Stationen der Cumbrischen Gebirge, wo am Westabhang Regenmengen herabstürzen, wie sie sonst nur innerhalb der Tropen wieder angetroffen werden; denn während für ganz England die jährliche Regenmenge 760 mm nicht überschreitet, fallen hier, am Styepaß, 5702 mm. Das Maximum der Niederschläge fällt im größten Teil Englands auf den Winter und nur an einem Teil der Ostküste auf den Sommer.
Schnee ist verhältnismäßig selten und bleibt nur in den Gebirgen längere Zeit liegen. Die Temperatur fällt nur selten unter den Gefrierpunkt, und der Unterschied zwischen dem höchsten und niedrigsten Stande des Thermometers im Jahresdurchschnitt ist für London 35,5° C., für den Südwesten Englands nur 27,7°. Die Schwankungen des Thermometers im Januar und Februar belaufen sich in London auf 13,8; im SW. auf 13,4,° im N. auf 18,9° und im April und Mai bez. auf 20,1,° 13,8° und 21,5° C. Das Klima [* 25] ist im Vergleich zu andern unter gleicher Breite [* 26] gelegenen Ländern ungemein mild, so daß man fast den ganzen Winter hindurch pflügen und säen kann, das Vieh immer auf den Weiden Nahrung findet und das ganze Jahr hindurch unter freiem Himmel [* 27] bleibt.
Seiner gemäßigten Seeluft verdankt England seine große Fruchtbarkeit und das herrliche Grün seiner Wiesen und Triften; aber eben infolge der gleichmäßigen Temperatur gedeihen gewisse Früchte nicht, welche einer hohen Sommertemperatur bedürfen, und wenn auch die Weintraube in einem großen Teil des Landes fast immer reift, so läßt sie doch an Saft und Süßigkeit viel zu wünschen übrig. In der folgenden Tabelle geben wir die Durchschnittstemperatur einer Anzahl von Orten in Celsiusgraden, den Niederschlag daselbst in Millimetern: ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Titel
England.
Die Bevölkerung [* 28] von England und Wales beträgt nach der Zählung vom (vorläufiges Ergebnis) 29,001,018 Seelen, wovon auf England 27,482,104, auf Wales 1,518,914 entfallen (s. Tabelle). Die Zunahme der Bevölkerung hatte im Zeitraum 1871-81: 14,36 Proz. betragen, und hätte sich letztere auch in der Periode 1881-91 in demselben Maßstab [* 29] vermehrt, so würde sie nicht um 3,026,579, sondern um 3,729,929 Seelen gewachsen sein. Die durch die Geburten herbeigeführte Steigerung der Seelenzahl ist nämlich im letzten Jahrzehnt geringer gewesen als in den Jahren 1871-81 (34,26 gegen 37,89 Proz.), und obgleich der Abgang durch Todesfall von 22,80 auf 20,28 Proz. sank, so verminderte sich doch der Überschuß der Geburten über die Todesfälle von 15,09 auf 13,98 Proz. der Bevölkerung.
Außerdem hat im verflossenen Jahrzehnt die Auswanderung die Einwanderung um 604,182 Köpfe überstiegen. Somit hat die jüngste Volkszählung das relativ ungünstigste Resultat seit 1801 ergeben, indem der Zuwachs in einem Jahrzehnt gewöhnlich mehr als 12 Proz. (1811 bis 1821 sogar über 18 Proz.) betrug und nur die Periode 1851-61 eine Zunahme um nur 11,93 Proz. zeigte. Wie unsre Tabelle zeigt, weisen die verhältnismäßig stärkste Zunahme die Grafschaften Essex, Glamorganshire, Surrey und Monmouthshire auf; jedoch dürfte man billigerweise Essex und Surrey ausscheiden, da zu ihnen Teile von London gehören, wo die Zunahme der Bevölkerung natürlich eine stärkere sein muß als in andern Gegenden des Königreichs.
Demnach ist in den beiden Grafschaften an der Nordseite des Kanals von Bristol die Bevölkerung verhältnismäßig am stärksten gewachsen. Sonst hat aber gerade in Wales die Bevölkerung am meisten abgenommen, denn von den 14 Grafschaften, in denen ein Sinken der Volkszahl konstatiert wurde, gehören 9 dem Fürstentum Wales an. Die Dichtigkeit der Bevölkerung ist von 172 auf 181 gestiegen und also doppelt so groß als im Deutschen Reich. Wenn man die Grafschaften nach ihrer geographischen Lage zu größern Gebieten zusammenfaßt, so ergibt sich, daß die Bevölkerung am engsten zusammenwohnt in den nordwestlichen Grafschaften Lancashire und Cheshire (617 auf 1 qkm), dann in Yorkshire (242: 1 qkm) und in Westengland (204: 1 qkm), dagegen am dünnsten im südwestlichen England (91: 1 qkm) und in Wales mit Monmouthshire (86: 1 qkm) ist.
Nach dem Geschlecht zählte man in England und Wales 14,050,620 männliche und 14,950,398 weibliche Personen, also auf 100 männliche 106,4 weibliche, während 1881 das Verhältnis wie 100:105,5 war; doch verschiebt sich dies Verhältnis sehr zu gunsten des männlichen Geschlechts, wenn man die in obigen Ziffern ausgeschlossene Armee und Marine hinzuzählt. Die Wohnverhältnisse haben sich im letzten Jahrzehnt gebessert, denn die Zahl der Wohngebäude ist von 4,831,519 auf 5,460,976 gestiegen, hat also um 13 Proz. zugenommen. Verhältnismäßig weniger ist die Zahl der Haushaltungen gestiegen, nämlich von 5,635,192 auf 6,146,901 (Zunahme 9,1 Proz.). Auf die 52 alten Grafschaften verteilt sich die Bevölkerung wie folgt:
Bevölkerung der 52 alten Grafschaften
Alte Grafschaften | Einwohner 1891 | seit 1881 Zunahme (- Abnahme) | Einwohner auf 1 QKilom. | ||
---|---|---|---|---|---|
Einwohner | in Proz. | 1891 | 1881 | ||
Bedfordshire | 160729 | 11162 | 7.5 | 135 | 126 |
Berkshire | 238446 | 20083 | 9.2 | 128 | 117 |
Buckinghamshire | 185190 | 9035 | 5.1 | 96 | 91 |
Cambridgeshire | 188862 | 3156 | 1.7 | 89 | 87 |
Cheshire | 730052 | 86012 | 13.4 | 270 | 242 |
Cornwall | 322589 | - 8097 | - 2.4 | 92 | 95 |
Cumberland | 266550 | 15903 | 6.3 | 68 | 64 |
Derbyshire | 527886 | 64140 | 14.3 | 198 | 173 |
Devonshire | 631767 | 28113 | 4.7 | 94 | 90 |
Dorsetshire | 194487 | 3518 | 1.8 | 76 | 75 |
Durham | 1016449 | 148873 | 17.2 | 389 | 331 |
Essex | 785399 | 208965 | 36.3 | 196 | 144 |
Gloucestershire | 599974 | 27633 | 4.8 | 189 | 181 |
Hampshire | 690086 | 86621 | 16.3 | 164 | 141 |
Herefordshire | 115986 | - 5263 | - 4.3 | 54 | 56 |
Hertfordshire | 220125 | 16985 | 8.4 | 134 | 124 |
Huntingdonshire | 57772 | - 1719 | - 2.9 | 62 | 64 |
Kent | 1142281 | 164575 | 16.8 | 283 | 243 |
Lancashire | 3926798 | 472360 | 13.7 | 803 | 707 |
Leicestershire | 373693 | 52263 | 16.3 | 180 | 155 |
Lincolnshire | 472778 | 2859 | 0.6 | 66 | 66 |
Middlesex | 3251703 | 331218 | 11.3 | 4430 | 3980 |
Monmouthshire | 252260 | 41088 | 19.5 | 168 | 141 |
Norfolk | 456474 | 11837 | 2.7 | 83 | 81 |
Northamptonshire | 302184 | 29626 | 10.9 | 118 | 107 |
Northumberland | 506096 | 72385 | 16.7 | 97 | 83 |
Nottinghamshire | 445599 | 53784 | 13.7 | 209 | 184 |
Oxfordshire | 185938 | 6379 | 3.6 | 95 | 92 |
Rutlandshire | 20659 | - 775 | - 3.6 | 54 | 56 |
Shropshire | 236324 | - 11698 | - 4.7 | 69 | 73 |
Somersetshire | 484326 | 15217 | 3.2 | 114 | 108 |
Staffordshire | 1083273 | 102264 | 10.4 | 358 | 324 |
Suffolk | 369351 | 12458 | 3.5 | 97 | 94 |
Surrey | 1730871 | 293972 | 20.5 | 882 | 732 |
Sussex | 550442 | 59937 | 12.2 | 146 | 129 |
Warwickshire | 805070 | 67731 | 9.2 | 351 | 322 |
Westmoreland | 66098 | 1907 | 3.0 | 33 | 32 |
Wiltshire | 264969 | 5999 | 2.3 | 76 | 74 |
Worcestershire | 413755 | 33473 | 8.3 | 216 | 199 |
Ostriding | 399412 | 34401 | 9.4 | 131 | 104 |
---|---|---|---|---|---|
Nordriding | 368237 | 21920 | 6.3 | 67 | 63 |
Westriding | 2441164 | 265871 | 12.2 | 341 | 310 |
England: | 27482104 | 2868170 | 11.6 | 209 | 187 |
Anglesey | 50079 | - 1337 | - 2.6 | 66 | 66 |
Brecknockshire | 57031 | - 715 | - 1.2 | 31 | 31 |
Cardiganshire | 62596 | - 7674 | - 10.9 | 35 | 40 |
Carmarthenshire | 130574 | 5710 | 4.6 | 54 | 52 |
Carnarvonshire | 118225 | - 1124 | - 0.9 | 79 | 79 |
Denbighshire | 117950 | 5993 | 5.4 | 70 | 65 |
Flintshire | 77189 | - 3252 | - 4.0 | 118 | 123 |
Glamorganshire | 687147 | 175714 | 34.4 | 329 | 245 |
Merionethshire | 49204 | - 2763 | - 5.3 | 32 | 33 |
Montgomeryshire | 58003 | - 7707 | - 11.7 | 29 | 33 |
Pembrokeshire | 89125 | - 2699 | - 2.9 | 56 | 58 |
Radnorshire | 21791 | - 1737 | - 7.4 | 19 | 21 |
Wales: | 1518914 | 158409 | 11.7 | 79 | 71 |
Zusammen: England und Wales | 29001018 | 3026579 | 11.6 | 181 | 172 |
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Von den alten Grafschaften Englands sind behufs der Verwaltung einige, wie Lincolnshire, Suffolk, Sussex und Yorkshire, geteilt worden, von Cambridgeshire ist die Isle of Ely, von Hampshire die benachbarte Isle of Wight und von Northamptonshire der Bezirk Peterborough abgetrennt worden. Auch hat in den Grenzbezirken bisweilen ein Austausch unter den Grafschaften stattgefunden. Die wichtigste administrative Veränderung brachte die Local Government Act von 1888, durch welche 63 Städte unter dem Titel: County Borough als besondere Verwaltungsbezirke von den Grafschaften ausgeschieden wurden. Bei 61 davon nahm man damals eine Bevölkerung von mehr als 50,000 Seelen als vorhanden an, doch ergab die jüngste Volkszählung für 10 von ihnen eine geringere Bevölkerung. Dagegen fehlen Newport in Monmouthshire und Warrington, die mehr als 50,000 Einw. besitzen (s. unten). Die nebenstehende Tabelle veranschaulicht die Stärke [* 31] der Bevölkerung in diesen politischen Bezirken.
Administrative Einteilung.
Die Bevölkerungsziffern für die einzelnen Gemeinden beziehen sich auf den Sanitary district, innerhalb dessen die von den Steuerzahlern gewählten Ortsbehörden (local boards) ihre Wirksamkeit haben. Als solcher hat London 4,211,056 Einw., als Verwaltungsbezirk (county) zählt es 4,231,431 Einw. (Zunahme seit 1881: 10,3 Proz.), wovon auf die City 37,694 Einw. entfallen. Der Polizeidistrikt der Hauptstadt umfaßt außerdem 130 Kirchspiele in den Grafschaften Middlesex, Surrey, Kent, Essex und Hertfordshire, so daß Groß-London eine Bevölkerung von 5,633,332 Einw. (Zunahme 18,2 Proz.) besitzt.
Außer London hatten 5 Städte eine Bevölkerung von mehr als 250,000 Seelen, 18 zwischen 100,000 und 250,000, 38 zwischen 50,000 und 100,000, 120 zwischen 20,000 und 50,000, 176 zwischen 10,000 und 20,000, 453 zwischen 3000 und 10,000 und 195 unter 3000. Die Bevölkerungszahlen für die einzelnen größern Städte ergeben sich aus der Tabelle; wir tragen noch nach: Newport in Monmouthshire mit 54,695 Einw. und Warrington mit 52,742 Einw., ferner 6 städtische Gemeinden, die nicht als Municipal corporation gelten, nämlich Istradyfodwg (88,350 Einw.), Tottenham (71,336), Aston Manor (68,639), Leyton (63,106), Willesden (61,266) und Merthyr Tydsil (58,080). Davon sind Tottenham, Leyton und Willesden Vorstädte von London, Aston Manor von Birmingham.
Die Bevölkerung der 1006 Gemeinden von England und Wales, welche ihrer Verwaltung nach als Städte anzusehen sind, umfaßt zusammen 20,802,770 Seelen oder 71,7 Proz. der Gesamtbevölkerung, während von letzterer nur 28,3 Proz. für die ländliche Bevölkerung verbleiben. Die Zunahme der Einwohnerzahl seit 1881 betrug in den städtischen Gemeinden 15,3 Proz., in den ländlichen hingegen nur 3,4. Städte mit weniger als 3000 Einw. haben nur um 2,6 Proz. an Seelenzahl zugenommen, Städte von 3000 - 10,000 um 9,6 Proz., von 10,000 bis 20,000 um 18,9 Proz., von 20,000 bis 50,000 um 22,5 Proz., von 50,000 bis 100,000 um 22,9 Proz., von 100,000 bis 250,000 um 19,1 Proz. und mit mehr als 250,000 Einw. um 9,1 Proz. ¶