Geist
,
ein sehr vieldeutiges
Wort, in den meisten
Sprachen s. v. w.
Hauch (lat. spiritus, griech. pneuma), weil die ein-
und ausgeatmete
Luft als überall verbreitetes Lebensprinzip galt, wird im metaphysischen, psychologischen
Sinn und als logisches Abstraktum gebraucht. In metaphysischer Beziehung bezeichnet ein wirkliches, intelligentes, immaterielles
Wesen mit oder ohne
Verbindung mit einem Leib. Im erstern
Fall heißt er reiner in dem besondern
Fall der
Verbindung mit einem
materiellen (irdischen), dem des
Menschen ähnlichen
Körper wird er als
Seele bezeichnet; zwischen beiden
steht die
Idee der
Verbindung eines immateriellen Geistes
mit einem gleichfalls immateriellen (nicht-irdischen)
Körper (Ätherleib),
die gleichfalls Geist
(im dämonologischen
Sinn als guter, böser Geist
,
Engel,
Teufel, abgeschiedener Geist
, Gespenst etc.) genannt
wird. Im psychologischen
Sinn wird nicht nur Geist
und geistiges
Leben als Gegenstand der innern von dem Leib
und leiblichen
Leben als solchem der äußern
Erfahrung, sondern in jenem selbst wieder Geist
im engern
Sinn und
Gemüt
(Kopf und
Herz) als vorstellendes einer- und fühlendes und strebendes
Leben anderseits unterschieden. Im engsten
Sinn aber wird
der
Ausdruck Geist
beschränkt auf das höhere, unter der Herrschaft logischer, ästhetischer und ethischer Normalgesetze
stehende, im
Gegensatz zu dem niedern, nach mechanischen
Naturgesetzen ablaufenden psychischen
Leben. In diesem
Sinn wird dem
Geist
verständiges
Denken, richtiges Beurteilen und grundsätzliches
Wollen und
Thun beigelegt, demselben
Erkenntnis,
Geschmack
und
Charakter zugeschrieben. So aufgefaßt, gilt der Geist
für die
Quelle
[* 2] der
Wissenschaft, der
Kunst und des
ganzen sittlichen
Lebens, welches, da die (logischen, ästhetischen und ethischen) Normalgesetze für alle dieselben sind,
durch die wachsende Herrschaft derselben allmählich in allen zu gleichen Ergebnissen (Übereinstimmung der
Erkenntnis, des
Geschmacks, der
Wollens- und Handlungsweise) führen muß.
Darin, daß der Geist
nach Normalgesetzen verfährt, liegen der Anspruch und die
Zuversicht desselben auf die Macht, die »früher
oder später den
Widerstand der stumpfen
Welt besiegt«
(Goethe). Die monistische (spinozistische, pantheistische)
Weltansicht
faßt diese
Identität der Normalgesetze für alle als substantielle
Identität
Eines Allgeistes
in allen auf, so daß
die Einzelnen nur als (vorübergehende)
Organe erscheinen, mittels deren und in denen der Eine Geist
denkt, urteilt und will.
Die monadistische (Leibnizsche, individualistische) Weltansicht dagegen sieht in dem »Allgeist«
nur ein logisches Abstraktum, das für sämtliche Einzelgeister
identische
Gesetz ihres
Denkens, Fühlens und
Wollens, das,
als solches nicht wirklich, durch die demselben gehorchenden Geister
unaufhörlich verwirklicht wird.
In diesem entgegengesetzten
Sinn reden beide
Ansichten von einem Geist der Menschheit, des
Volkes, der Zeit, in dem erstere darunter
einen wirklichen Geist, die substantielle
Einheit der
Menschen, der
Volks- oder Zeitgenossen, letztere dagegen die gemeinsamen,
leitenden
Ideen versteht, von welchen die
Menschen überhaupt oder die
Angehörigen desselben
Volkes und
derselben Zeit sich erfüllen lassen.
Vom Geist der Zeiten gilt übrigens meist Goethes Wort, daß er »der Herren eigner Geist sei, in dem die Zeiten sich bespiegeln«. Analog ist der Ausdruck Geist einer Gesellschaft, unter dem sowohl die unter den Mitgliedern derselben herrschende und sich allmählich aus dem Zusammenleben derselben erzeugende Gesinnung als auch Wesen und Zweck einer solchen Verbindung im Gegensatz zu der äußern Form, in der sie erscheint, verstanden wird. Überhaupt drückt Geist den Kern, das Wesentliche, Bedeutende im Gegensatz zum »Buchstaben«, der Schale, der unwesentlichen Form (Geist eines Buches, eines Gesetzes etc.) aus.
Endlich ist Geist (esprit) noch das leicht Bewegliche, alles Durchdringende, gegenüber der toten und trägen Materie. Was durch Lebendigkeit, Neuheit des Gedankens, eindringliche Kraft, [* 3] phantasievolle Frische uns überrascht, fesselt, fortreißt, davon sagen wir, es begeistere uns; kühne Ideen, sinnreiche Kombinationen, witzige Einfälle, treffende Vergleichungen, originelle, ja paradoxe Ansichten nennen wir geistreich, während Inhaltleeres, Lebloses, Gewöhnliches geistlos heißt (ein geistloses Buch, geistloses Gespräch).