Titel
Giesebrecht
,
1) Ludwig, Dichter, geb. zu Mirow in Mecklenburg-Strelitz, Sohn eines Pfarrers, studierte zu Berlin [* 2] und Greifswald, [* 3] nahm im mecklenburgischen Husarenregiment 1813-15 teil an den Freiheitskriegen und war seit 1816 als Professor am Gymnasium zu Stettin [* 4] thätig. Im J. 1848 vertrat er Stettin in der Frankfurter Nationalversammlung;
er starb in Jasenitz bei Stettin. hat sich als Dichter und Schulmann einen geachteten Namen erworben. Er veröffentlichte: »Zur Ottenfeier«, ein Gedicht (Greifsw. 1824);
»Epische Dichtungen« (Stettin 1827);
»Wendische Geschichten« (Berl. 1843, 3 Bde.);
die Zeitschrift »Damaris« (Stett: 1860-65, 5 Bde.) u. a. Eine Sammlung seiner »Gedichte«, worin auch viele dialektische, erschien zu Leipzig [* 5] 1836 (2. Ausg., Stett. 1867, 2 Bde.),
eine Auswahl zu Stettin 1885.
Vgl.
Kern,
Ludwig Giesebrecht
als Dichter,
Gelehrter und Schulmann
(Stett. 1875),
welches
Buch auch Giesebrechts
Schrift
»Ferdinand
Calos
Leben« enthält.
2)
Friedrich
Wilhelm
Benjamin von, namhafter
Historiker der Gegenwart,
Neffe des vorigen, geb. zu
Berlin, besuchte daselbst
das
Joachimsthaler
Gymnasium und widmete sich anfangs philologischen, sodann, durch
Leopold
Rankes geschichtliche
Vorträge
bewogen, historischen
Studien. Er schloß sich der
Historischen
Gesellschaft
Rankes an und lieferte zu den von derselben unter
Rankes Leitung herausgegebenen
»Jahrbüchern der Geschichte
Deutschlands
[* 6] unter den sächsischen
Kaisern« die ausgezeichnete »Geschichte
Ottos II.« Als erste selbständige
Arbeit von ihm erschien die Wiederherstellung der verlornen, aber in einer großen Anzahl
Stellen der übrigen mittelalterlichen Geschichtschreiber bruchstückweise vorhandenen
»Jahrbücher des
Klosters Altaich« (»Annales
Altahenses«). Die Wiederauffindung der
Annalen 1870 in dem
Nachlaß Aventins durch
Freiherrn E. v. Öfele
(»Mon.
Germ., Script.«,
XX, 772 ff.; übersetzt von Weiland, Berl. 1871) bestätigte
Giesebrechts
Rekonstruktion. Inzwischen war er zum Oberlehrer des
Joachimsthaler
Gymnasiums ernannt worden.
Als
Früchte eines längern Aufenthalts in
Italien
[* 7] erschienen die Abhandlung
»De litterarum studio apud Italos medii aevi« (Berl.
1845) und mehrere gründliche
Aufsätze über die Echtheit und Glaubwürdigkeit der mittelalterlichen
Lebensbeschreibungen
der
Päpste.
Eine sehr gelungene Übersetzung der fränkischen Geschichte des
Bischofs
Gregor von Tours lieferte er 1851. Nach mehr
als 20jährigen Vorarbeiten schritt er hierauf an die Ausarbeitung seines Hauptwerkes, der »Geschichte
der deutschen Kaiserzeit« (Braunschw. 1855 ff.),
die mit dem 1880 erschienenen 5.
Band
[* 8] bis zum Jahr 1164 gelangt ist, während die zwei ersten
Bände bereits die 5.
Auflage
erlebt haben. Namentlich der erste, 1855 erschienene
Band fand durch patriotischen Schwung und glänzende
Darstellung wie durch gründliche Forschung allgemeinen Beifall; der letztere Vorzug ist in hohem
Maß auch den spätern
Bänden
geblieben, in denen jedoch die
Darstellung sich mitunter zu sehr ins Einzelne vertieft und der Mangel einer scharfen politischen
Auffassung durch breite
Erörterungen über die prinzipiellen Streitfragen, welche die
Erzählung oft unterbrechen,
sich kundgibt. Giesebrecht
ward 1857 als ordentlicher
Professor der Geschichte nach
Königsberg
[* 9] berufen und erhielt den zur Jubelfeier
des
Verduner
Vertrags gestifteten
Preis. 1862 folgte er nach
Sybels
Abgang einem
Ruf als
Professor der Geschichte nach
München
[* 10] und
wurde dort zum beständigen
Sekretär
[* 11] der
Historischen Kommission ernannt und durch
Verleihung des
Ordens
der bayrischen
Krone 1865 in den Adelstand versetzt. Eine Sammlung akademischer Festreden erschien unter dem
Titel: »Deutsche
[* 12] Reden« (Leipz. 1871);
auch veröffentlichte er seinen wertvollen Vortrag über »Arnold von Brescia« (das. 1873).
1874 übernahm er die Leitung der früher von Heeren und Ukert begonnenen »Europäischen Staatengeschichte« für den Verlag von F. A. Perthes in Gotha. [* 13]