Glasmalerei
,
[* 3] die Kunst, farblose
Glastafeln zu bemalen
(Kabinettmalerei) oder ganze
Bilder aus
Stücken farbiger
Glastafeln
zusammenzusetzen
(Musivische Glasmalerei
). Ersteres geschieht, indem man durchsichtige
Farben nach Art eines Gemäldes
auf das
Glas
[* 4]
(Kathedralglas, Antikglas) aufträgt und durch
Einbrennen fixiert; letzteres, indem farbige Glasstücke, die möglichst
nach den
Umrissen der
Komposition zugeschnitten sind, durch Bleieinfassungen miteinander verbunden und die Schattierungen mit
Schmelzfarben (Schwarzlot, dazu seit dem 14. Jahrh. Silbergelb, später auch die übrigen
bei der
Kabinettmalerei verwendeten Schmelzfarben) hineingemalt werden. Statt der einfach bunten Glasstücke
kann auch «überfangenes»
Glas, d. h. solches, bei dem farbiges
Glas über andersfarbiges geschmolzen ist, verwendet werden;
die Schattierung und Abtönung wird dann durch Ausschleifen mit Schmirgel bewirkt. (Hierzu die
Tafeln: Glasmalerei
I und II.)
Die Glasmalerei
ist im
Altertum bisher nicht nachweisbar; im Mittelalter war sie ein bedeutender Kunstzweig. Vielleicht
ist man durch das Mosaik, dessen Herstellung im frühern Mittelalter fortwährend in
Übung blieb, auf sie gekommen. Die ältesten
Glasgemälde sind in der That reine
Glasmosaiken, d. h. farbige, durchsichtige
Gläser, welche durch Bleifassung aneinander
gefügt und nur mit Schwarzlot gemalt sind
(Grisaillen). Die ersten
Glasgemälde, welche erwähnt werden,
befanden sich in dem bayr.
Kloster
Tegernsee; sie stammten aus der letzten Zeit des 10. Jahrh. Im 11. Jahrh.
wird dort der Mönch Werinher als Glasmaler genannt.
Durch deutsche
Meister verbreitete sich diese Kunst in der Folge durch das ganze
Abendland; sie scheint
aber ihre
Wiege in
Frankreich zu haben. Aus dem 11. und 12. Jahrh., der Zeit des roman.
Stils, ist nur äußerst Weniges erhalten, z. B. mehrere Fenster des
Doms zu
Augsburg,
[* 5] welche überhaupt als die ältest erhaltenen
zu betrachten sind, des
Straßburger
Münsters, der Kunibertskirche in Köln,
[* 6] der bischöfl. Kapelle in
Tournai (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 2
u. 3). Dagegen hat die zweite Hälfte des 13. Jahrh. (s. Taf.
I,
[* 1]
Fig. 6) und
die erste Hälfte des folgenden, also die Zeit der höchsten
Blüte
[* 7] des got.
Baustils, zahlreiche
Denkmäler zurückgelassen,
z. B. die Kaiserbilder im
Straßburger
Münster,
[* 8] die Fenster der
Dome in Reims,
[* 9]
Amiens
[* 10] und Oppenheim, der
Elisabethkirche in
Marburg,
[* 11] der Kapelle du St. Sang in
Brügge (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 7) u. s. w.,
sowie die
Chorfenster des Kölner
[* 12]
Doms (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 1, 4, 8). Denn die
Gotik, welche die Mauermasse in Fenster auflöste,
gab dadurch der Glasmalerei
mehr Raum, als ihr die nur mäßig großen Rundbogenfenster des roman.
Stils gewährten.
Die meisten frühgot. Fenster stellen bunte Teppichmuster dar, vor denen unter Baldachinen Heilige, Propheten, Könige u. s. w. in ernster statuarischer Haltung stehen (s. Taf. I, [* 1] Fig. 8); streng schieden die hohen Fensterstäbe [* 1] Figur von [* 1] Figur. Nur in den untern Fenstern sind, meist von zierlichen Ornamenten eingefaßt, Scenen aus der Geschichte Christi und der Ortsheiligen dargestellt. Von den Farben ist besonders das dunkle Purpurrot durch seinen feurigen Glanz ausgezeichnet.
Mit dem Ende des 14. und im 15. Jahrh. werden die Glasmalerei
immer zahlreicher. Aus
dieser Zeit stammen die Fenster der
Kirche St.
Denis in
Lüttich
[* 13] (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 9) sowie der Frauenkirche
in Lübeck
[* 14] und die des
Doms zu
Florenz,
[* 15] letztere beide wahrscheinlich von demselben
Meister
Francesco Livi aus Gambassi. Die
Kirchen in
Nürnberg
[* 16] verdanken einen
Teil ihres Schmucks der dortigen Glasmalerfamilie der Hirschvogel (Tucherfenster, Volkamerfenster).
Auch die
Schweiz
[* 17] ist reich an
Glasgemälden jener Zeit, obwohl durch die Bilderstürmer und die spätere
Abneigung gegen lebhafte
Farben hier wie an den meisten Orten Unzähliges zerstört wurde.
Doch bildete die
Schweiz im 16. Jahrh. eine eigentümliche Art der Glasmalerei
aus, eine Miniaturmalerei
auf
Glas, indem es
Sitte wurde, die Fenster in Wohnhäusern und öffentlichen
Gebäuden mit kleinern
Glasgemälden
zu schmücken, auf welchen Familienwappen (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 5), figürliche
Scenen, Familienbilder
u. dgl. mit großer Feinheit dargestellt waren. Das glanzvollste Erzeugnis
der Glasmalerei
des Mittelalters sind die Fenster des nördl. Seitenschiffs im
Dom zu Köln von 1509. Diese zeigen am deutlichsten
die großen Fortschritte in der
Technik, wenn man sie mit den Fenstern des
Chors, die vor 1322 gearbeitet
wurden, vergleicht.
Auch sieht man, wie sich mit der übrigen Malerei auch in der ein Streben nach Darstellung der Wirklichkeit geltend macht, das sich nicht bloß in einer kräftigern Charakteristik der [* 1] Figuren ausspricht, sondern auch zu freier, bewegter Komposition fortschreitet und statt des Teppichgrundes einen reichen architektonischen oder landschaftlichen Hintergrund entfaltet. So wird der ein ihrem Wesen durchaus widersprechender Schein des Körperlichen gegeben, während man sie früher mehr als einen vor die Fenster gehängten Teppich behandelte.
Auf der Grenze zwischen dem mittelalterlichen
Stil und dem der Renaissance stehen die herrlichen
Glasgemälde
in den Chorkapellen des
Münsters zu Freiburg
[* 18] i.Br. und die 1870–71 durch
Brand vernichteten Glasmalerei
des
Doms zu Metz
[* 19] (um 1530) sowie diejenigen
mehrerer
Kirchen in
Paris
[* 20] und in England sowie die in der nördl. Kapelle der Gudulakirche in
Brüssel
[* 21] (1540–47).
Letztere, berühmt durch ihre architektonischen Hintergründe in reichem und edelm Renaissancegeschmack, bilden den Übergang
zur letzten Epoche der Glasmalerei.
Fortan versuchen nämlich die Glasmaler, sich möglichst der
Ölmalerei zu nähern und dieselbe
in
Komposition und
Farbe nachzuahmen. Dieser Epoche gehören schon die franz. Glasmaler Henriet und
Monier von
Blois
an; in den
Niederlanden die
Brüder Dirk und Wouter Crabeth, die Schöpfer der
Glasgemälde (12 Fenster, die übrigen 30 von
ihren Nachfolgern) in der St. Janskirche zu Gouda (1555–77), die Glasmaler der
¶
Glasschwämme 1. Euplectella aspergillum. 2. Hyalonema Thomsoni. 3. Lefroyella decora. 4. Aphrocallistes vastus. 5. Aphrocallistes ramosus. ¶
mehr
Florisschen Schule und Abraham van Diepenbeeck (s. d.), der Kompositionen seines Lehrers Rubens auf Glas übertrug. Von den Niederlanden
wurde die Glasmalerei
sowohl nach Spanien
[* 24] als nach England verpflanzt. In letzterm Lande kam die Technik, welche namentlich in kath.
Gegenden völlig in Vergessenheit geraten ist, nie ganz außer Übung. Mit dem Ende der Blütezeit der
niederländ. Kunst und dem Vorschreiten des den bunten Farben abholden Klassicismus ging die Glasmalerei
langsam zurück, bis sie im 18. Jahrh.
fast ganz aufhörte. Nur in England wurde sie, jedoch meist von ausländischen Künstlern, weiter geübt; unter Jakob I. stiftete
ein Niederländer, Bernh. von Linge, den man als den Vater der neuern Glasmalerei
ansehen kann, eine Schule, die
sich bis auf die Gegenwart erhielt. Namentlich zeichneten sich als Glasmaler aus Eginton zu Birmingham,
[* 25] Wolfgang Baumgärtner
aus Kufstein in Tirol
[* 26] (gest. 1761) und Jouffroy. In Deutschland
[* 27] erstand die Glasmalerei.
Erst im 19. Jahrh. durch die Bemühungen Mohns
in Dresden
[* 28] und Wien,
[* 29] Scheinerts in Meißen,
[* 30] Wilhelm Vörtels in Dresden und hauptsächlich Sigismund Franks (s. d.) aus Nürnberg
wieder, der die Glasschmelzmalerei emporzubringen versuchte.
Darauf entstand 1827 auf Veranlassung König Ludwigs I. zu München
[* 31] eine eigene Kunstanstalt für Glasmalerei
, an der Friedr. von Gärtner
(s. d.), Heinr. Maria von Heß (s. d.), Ainmiller (s. d.) und F. X. Eggert (s. d.)
wirkten. Diese blühte kräftig empor und vollendete bedeutende Aufgaben, so die neunzehn 16 m hohen Fenster für die Kirche
in der Vorstadt Au bei München, die vier großen Fenster, welche König Ludwig in den Kölner Dom stiftete, u. s. w. 1848 ging
sie in Ainmillers Privatbesitz über. Die Seitenkapellen des Münsters zu Freiburg
i. Br. schmückten die Brüder
Helmle mit kleinen Darstellungen aus Dürers Passion. Für das Schloß und die Schloßkirche zu Schwerin
[* 32] schuf Ernst Gillmeister
(gest. 1887) große Glasgemälde. In Österreich
[* 33] zeugen die zahlreichen neuen Glasfenster Geylings (s. d.) für
St. Stephan und die für die Votivkirche in Wien von einem erfreulichen Aufschwunge, wobei besonders der
Maler J. Klein (gest. 1883) im Stile Führichs als Zeichner Treffliches leistete. In Belgien
[* 34] erfreut sich Capronnier in Brüssel
eines namhaften Rufs. Für die Glasmalerei.
In Frankreich sind die Arbeiten der Anstalt zu Sèvres von Bedeutung; ihre künstlerische
Richtung ist die naturalistisch-malerische. Stilvoller sind die Glasmalerei
von Thevenot in
Paris; noch bedeutender die von Ch. L. Maréchal (gest.
1887) ausgeführten, in St. Vincent de Paul zu Paris, dessen Anstalt technisch und künstlerisch große Verdienste in der hat.
In neuester Zeit hat mit der Vorliebe für altertümliche Wohnungsausstattung die Glasmalerei sich
auch in der Profankunst wieder ein größeres Gebiet erobert, indem man mit Vorliebe nach der Manier der deutschen Meister
des 16. Jahrh. sowohl kleine Kabinettstücke als auch einzelne Scheiben für Fenster ausführt.
In der überwiegend großen Mehrzahl haben die modernen Glasmalerei aber zu sehr den Charakter des Bildartigen, wirken nicht, wie sie sollen, raumabschließend, sondern sie locken durch zu umfangreiche und anspruchsvolle Darstellungen das Auge [* 35] auf sich, als sei die Kirche nur ein Rahmen um die Bilder. Auch fehlt ihnen bei der größern Ausdehnung [* 36] einfarbiger Glasstücke der mosaikartige, harmonische Charakter, die Farbengebung ist vielfach greller als an den alten Glasmalerei. Heute haben die Werke der bessern Anstalten die ältern Arbeiten hinsichtlich der Technik, wenn auch noch nicht ganz an Tiefe und Leuchtkraft der Farben, erreicht.
Kunstvolle Glasmalerei liefern zur Zeit die königlich bayr. Hofglasmalereianstalten von C. de Bouché, F. T. Zettler (s. Taf. II, [* 23] Fig. 2), Mayer, Glasmalerei von Treeck in München, die Kunstanstalt der Familie Kellner in Nürnberg, die Tiroler Glasmalereianstalt in Innsbruck [* 37] (s. Taf. II, [* 23] Fig. 1), die Kunstgewerbliche Anstalt von Schell zu Offenburg [* 38] in Baden, [* 39] die Kunstanstalt von H. Oidtmann zu Linnich im Rheinland. In Berlin-Charlottenburg besteht seit 1843 eine staatliche Anstalt für Glasmalerei; außerdem das Institut für Glasmalerei von P. Glasmalerei Heinersdorff.
Litteratur. Hermann, Die Glas-, Porzellan- u. s. w. -Malerei (Wien 1882);
Gessert, Die Kunst auf Glas zu malen (Stuttg. 1842);
De Lasteyrie, Histoire de la peinture sur verre d'après ses monuments en France (mit 110 Tafeln, Par. 1838–58);
Wackernagel, Die deutsche Glasmalerei (Lpz. 1855);
Warrington, The history of stained glass (Lond. 1848);
Magne, L'Œuvre des peintre verriers (Par. 1885);
Lévy, Histoire de la peinture sur verre en Europe (Brüss. 1854–60);
Kolb, Glasmalerei. Des Mittelalters und der Renaissance (60 Tafeln, Stuttg. 1884–89);
Strele, Handbuch der Porzellan- und Glasmalerei (4. Aufl., Weim. 1883);
Schäfer und Roßteuscher, Ornamentale Glasmalerei des Mittelalters und der Renaissance (Berl. 1885–88);
Gruz, Kompositionen für Glasmaler, Glasätzer und Dekorationsmaler (ebd. 1886);
Hülcker, Vorlagen für Glasmalerei (ebd. 1886);
Jessel, Glasmalerei und Kunstverglasung (ebd. 1886);
H. Lehnert, Anleitung zur Kabinettglasmalerei (2. Aufl., ebd. 1887);
Jaennicke, Handbuch der Glasmalerei (Stuttg. 1890);
K. Elis, Handbuch der Mosaik- und Glasmalerei (Lpz. 1891);
Oidtmann, Die Glasmalerei (Köln 1892);
Meisterwerke schweizerischer Glasmalerei, hg. vom Historisch-Antiquarischen Verein in Winterthur (60 Tafeln in Lichtdruck, Berl. 1888 fg.).