Titel
Gryphius
,
1) (Greyff)
Sebastian,
Buchdrucker, geb. 1493 zu
Reutlingen
[* 2] als Sohn des dasigen
Buchdruckers
Martin Greyff (nach andern in einem Dorf in der
Nähe von
Augsburg),
[* 3] ließ sich 1528 in
Lyon
[* 4] nieder und starb daselbst.
Gryphius
war sowohl wegen der
Schönheit als auch wegen der außerordentlichen Korrektheit seiner
Drucke berühmt, die er mit einem
Gebetbuch in hebräischer, griechischer und lateinischer
Sprache
[* 5] begonnen hatte, und als deren berühmteste
seine lateinische
Bibel
[* 6] von 1550, die in
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den größten bis dahin für Bibeldruck gebrauchten Typen ausgeführt wurde, und sein »Thesaurus linguae sanctae« von Sanctès Pagnin (1529) gelten.
Von Gryphius
datiert in Lyon das Wiederaufleben der daselbst sehr in Verfall geratenen Buchdruckerkunst. Sein
Sohn Antoine setzte anfänglich das Geschäft des Vaters in einer dessen würdigen Weise fort, vernachlässigte
es aber später. - Sebastians Bruder Franz erwarb sich in Paris
[* 8] einen Namen als tüchtiger Meister in seinem Beruf. Ein »Lexicon
graeco-latinum« in Quart
[* 9] gilt als einer seiner hervorragendsten und zugleich als sein einziger griechischer Druck. Er soll
um 1540 seine Thätigkeit als Drucker eingestellt haben.
2) (Gryph, eigentlich Greif) [* 10] Andreas, deutscher Dichter, geb. zu Großglogau in Schlesien, [* 11] erhielt seine erste Bildung auf den Schulen zu Görlitz, [* 12] Glogau [* 13] und Fraustadt [* 14] und besuchte seit 1634 das Gymnasium zu Danzig. [* 15] Im J. 1636 erhielt er eine Hauslehrerstelle bei dem kaiserlichen Pfalzgrafen Georg von Schönborn, der ihn 1637 zum Dichter krönte und ihm ein Adelsdiplom verlieh, von welchem er jedoch nie Gebrauch machte. Der Tod seines Mäcens und einige freie Äußerungen nötigten ihn, 1638 seine Heimat zu verlassen. Er ging zuerst nach Amsterdam [* 16] und von da nach Leiden, [* 17] wo er erst Vorlesungen hörte und später selbst solche hielt, bereiste sodann die Niederlande, [* 18] Frankreich und Italien [* 19] und ließ sich nach seiner Rückkehr ins Vaterland 1647 zu Fraustadt nieder. 1650 ward er, nachdem er einen Ruf als Professor nach Frankfurt [* 20] und einen andern nach Upsala [* 21] abgelehnt, zum Landsyndikus des Fürstentums Glogau ernannt. Er starb, vom Schlage getroffen, in der Sitzung der Stände zu Glogau Als Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (seit 1662) hieß er der »Unsterbliche«. hat von früher Jugend an viel mit widrigen Schicksalen zu kämpfen gehabt, und die dadurch erzeugte bittere Stimmung wurde noch gesteigert durch den schmerzlichen Anteil, den er an den zerrütteten und verwilderten Verhältnissen des deutschen Vaterlandes nahm.
Die Schwermut und Bitterkeit, die sein Gemüt erfüllten, spiegeln sich auch in seinen Dichtungen wider; doch zeichnen sich dieselben fast sämtlich durch Schwung und Ernst der Gesinnung vor allen Erzeugnissen des Jahrhunderts aus. Das Sonett scheint seinem sinnigen Gemüt besonders zugesagt zu haben. In seinen Epigrammen geißelte er mutig die Schwächen und Thorheiten seiner Zeit, doch entbehren dieselben oft des satirischen Stachels; dagegen wird er in seinen geistlichen Oden wieder von wenigen seiner Zeitgenossen erreicht.
Sein Dichterruhm gründet sich indes hauptsächlich auf seine dramatischen Leistungen, die ihn zum »Vater des neuern deutschen Dramas« machen. Seine Tragödien: »Leo Arminius« (1646),
»Katharina von Georgien« (1647),
»Cardenio und Celinde« (1647),
»Die ermordete Majestät oder Carolus Stuardus« (1649),
»Papinianus« (1659) sind zwar teilweise Nachahmungen Senecas und des Niederländers Vondel und mit Abenteuerlichkeiten überladen, aber nichtsdestoweniger Dichtungen voll Phantasie und Schwung der Sprache und von einem wahrhaft tragischen Element beseelt. Sein »Carolus Stuardus« ist ein beachtenswerter Versuch, ein noch frisches historisches Faktum zu dramatisieren. Durch glückliche Satire und echt komische Laune ausgezeichnet sind seine Lustspiele: »Peter Squenz«, das eine Episode aus Shakespeares »Sommernachtstraum« behandelt, und »Horribilicribrifax«, beide, was höhere Anlage der Fabel, treffende Charakteristik der Personen und gewandte Sprache betrifft, zu den ausgezeichneten Dichtungen jener Zeit gehörend.
Unbedeutender sind seine Singspiele: »Majuma« und »Das verliebte Gespenst« (mit dem eingelegten,
im schlesischen Dialekt geschriebenen Scherzspiel »Die geliebte Dornrose«) sowie seine
Bearbeitungen holländischer, italienischer und französischer Stücke. Seinen Zeitgenossen galt Gryphius
als ein Wunder der Gelehrsamkeit,
denn er verstand elf Sprachen, hielt über Logik, Anatomie, Geographie, Geschichte, Mathematik, Astronomie
[* 22] und
römische Altertümer Vorlesungen und beschäftigte sich auch mit Chiromantik.
Die besten und relativ vollständigsten Ausgaben seiner Werke sind die zu Breslau [* 23] 1657 und 1663 erschienenen und die von seinem Sohn besorgte (Bresl. u. Leipz. 1698, 2 Tle.). In den »Publikationen des Litterarischen Vereins in Stuttgart« [* 24] erschienen die »Lustspiele« (Bd. 138, 1879),
die »Trauerspiele« (Bd. 162, 1883) und die »Lyrischen Gedichte« (Bd. 171, 1885),
herausgegeben von Palm, der auch eine Auswahl der dramatischen Dichtungen nebst Gedichten (in »Kürschners Deutscher Nationallitteratur«, Bd. 29, Stuttg. 1883) veröffentlichte; Tittmann gab eine Auswahl aus den dramatischen Dichtungen (Leipz. 1870) und die »Lyrischen Gedichte« (das. 1880) heraus.
Vgl. Herrmann, Über A. Gryphius
(Leipz. 1851);
Klopp, A. Gryphius
als Dramatiker (Osnabr. 1852).
3) Christian, deutscher Dichter und Schriftsteller, Sohn des vorigen, geb. zu Fraustadt, ward 1686 Rektor, 1699 zugleich Bibliothekar am Magdalenengymnasium zu Breslau, wo er starb. Er ist als lyrischer Dichter nicht ohne Verdienst, steht aber seinem Vater weit nach. Seine dichterischen Arbeiten erschienen unter dem Titel: »Poetische Wälder« (Frankf. 1698; 3. Aufl., Bresl. u. Leipz. 1718). Er schrieb auch: »Kurze Beschreibung der geistlichen und weltlichen Ritterorden« (Leipz. 1697, Bresl. 1709) u. a.