III.
Gewinnung.
Die Silbergewinnung
[* 2] geschieht je nach Zusammensetzung der
Erze und der zu Gebote stehenden Hilfsmittel
auf trocknem Wege (Rösten und Schmelzen) oder auf nassem (Auflösen und Fällen).
Das wichtigste Erz für die Zugutemachung auf dem trocknen Wege ist der silberhaltige Bleiglanz. Sehr reine Bleiglanze werden direkt unter Zuschlag von Eisen [* 3] verschmolzen (Niederschlagsarbeit), wobei durch Umsetzung Schwefeleisen (Stein) und Blei [* 4] entsteht, das den größten Teil des im Erze enthaltenen S. in sich aufgenommen hat. Weniger reine Bleiglanze, namentlich solche, die viel fremde Schwefelmetalle, als Zinkblende, Kupferkies, Schwefelkies, führen, bedürfen vorher einer sorgfältigen Röstung.
Auf den königl. Hütten [* 5] zu Freiberg, [* 6] wo derartige bleiische silberhaltige Erze zur Verhüttung gelangen, gattiert man die verschiedenhaltigen, von den Gruben angelieferten Bleiglanzschliche, nach Feststellung des Gehaltes an S., Blei, Kupfer, [* 7] Zink, derart, daß das Gemenge ungefähr 35 Proz. Blei und 0,18 Proz. S. enthält, und röstet dieses Gemenge in sog. Fortschauflungsöfen, das sind Flammöfen, die einen sehr in die Länge gezogenen Herd haben. Das Erzgemenge wird auf den wenigst heißen Teil des Herdes gebracht, dort unter fortwährendem Rühren erwärmt, nach und nach auf heißere Teile des Herdes fort geschaufelt, bis es endlich aus dem heißesten Teil des Herdes an der Feuerbrücke angelangt ist, wo es, ebenfalls unter fortwährendem Durchrühren, bis zum beginnenden Schmelzen erhitzt wird.
Während des Röstens wird der größte Teil vom Schwefel, Arsen, Antimon, aber auch etwas Zink und Blei verflüchtigt; das aus dem Ofen gezogene halb geschmolzene Röstgut enthält neben wenigen unzersetzten Erzteilchen hauptsächlich Oxyde und Sulfate der in dem Erze enthaltenen Metalle und diese bis zu einem gewissen Grade entschwefelte Masse wird nun der Bleiarbeit unterworfen, d. h. sie kommt nach dem Mengen mit passenden Zuschlägen zum Verschmelzen auf Werkblei im Schachtofen, [* 8] wobei in der Schmelzhitze durch reduzierend wirkende Gase [* 9] aus Bleioxyd Blei entsteht, das den Silbergehalt des Erzes aufnimmt, und die Zuschläge derart wirken, daß der größte Teil der fremden Metalloxyde in einer leichtflüssigen Schlacke vereinigt wird, ein anderer Teil mit den aus dem Röstgute reduzierten fremden Metallen und dem Schwefel derselben unter Ausscheidung von Blei Schwefelmetalle, den sog. Bleistein, bildet.
Die Bleiarbeit wird nach mehrfacher Wandlung der Ofenform jetzt in Schachtöfen vorgenommen, die nach
Bergrat
Pilz
[* 10] in
Freiberg, der sie zuerst konstruierte, Pilzöfen genannt und wohl überall mit geringen
Abweichungen auf Bleihütten
angewendet werden. Aus
[* 1]
Fig. 1
u. 2 auf
Tafel: Silbergewinnung
ist die neueste
Freiberger Konstruktion des Pilzschen
Schachtofens
ersichtlich. Ein fast cylindrischer Ofenschacht A endet unten in einem gemauerten Sumpf
M, in dem sich
die geschmolzenen
Massen,
Werkblei,
Bleistein, Schlacken, ansammeln, wovon letztere während der Schmelzung durch die Schlackenrinne
K, erstere,
Blei und
Stein, sobald der Sumpf damit gefüllt ist, durch die Stichrinne L abgestochen werden.
Acht Düsen H vermitteln die Windzuführung;
die Röhren [* 11] F bilden die Windleitung, die sich durch den Schieber G regulieren läßt;
die Umfassung des Schmelzraums in der Düsenhöhe besteht aus acht zu einem Ringe zusammengefügten hohlen guß- oder schmiedeeisernen Kasten D, die vor dem Verbrennen durch einen Wasserstrom geschützt werden, der, durch die Wasserröhren E zugeleitet, in dem ringförmigen Hohlraum cirkuliert;
N ist der Füllcylinder, O das Abzugsrohr für die Ofengase.
Die neben Werkblei entstehenden Produkte, Bleistein, und bleihaltige Schlacken, werden noch einmal mit passenden Zuschlägen verschmolzen, um darin enthaltenes S. zu gewinnen; die Produkte sind die gleichen wie bei der Verarbeitung der Erze; das Werkblei von dieser Arbeit und von dem Erzschmelzen wird dann zusammen genommen und raffiniert, d. h. von darin außer Blei und S. befindlichen fremden Metallen befreit, was in Flammöfen geschieht. Das raffinierte silberhaltige Blei kommt, wenn es reich genug an S. ist, d. h. etwa 1,3 bis 1,5 Proz. S. enthält, zum Abtreiben, wenn nicht, zu Arbeiten, die den Zweck haben, das S. im Blei zu konzentrieren und treibwürdig zu machen oder aus dem Blei zu ¶
mehr
extrahie-975 ren. Die Konzentration des S. im Werkblei erfolgt entweder durch das Pattinsonieren (s. d.), wobei ein fast silberleeres Verkaufsblei und silberreicheres (1,5 Proz. S.) Werkblei (Reichblei) entsteht, oder durch den in neuerer Zeit mehr zur Geltung kommenden Zinkentsilberungsprozeß (Parkesieren, Parkprozeß), der auf der Eigenschaft des Zinks, sich leicht mit S., aber fast garnicht mit Blei zu legieren, beruht und bei dem man durch Zusammenschmelzen von Werkblei mit einer dem Silbergehalt entsprechenden Menge Zink eine sehr silberreiche Legierung von Zink und S. erhält, die beim Erkalten an der Oberfläche des noch flüssigen, fast völlig silberfreien Bleies als Schaum oder Kuchen abgehoben werden kann.
Das Zink wird dann vom S. durch Destillation [* 13] geschieden, oder man oxydiert das Zink mittels überhitzter Wasserdämpfe. Neuerdings wird das S. und Zink auf elektrolytischem Wege verarbeitet. Das Abtreiben des Werkbleies ist ein oxydierendes Schmelzen in Flammöfen. Die letztern, speciell Treibherde genannt [* 12] (Fig. 3 im Schnitt, [* 12] Fig. 5 in äußerer Ansicht), arbeiten mit Gebläseluft. In [* 12] Fig. 3 ist F die Feuerung;
der Herd A ist mit einer Haube B bedeckt, die durch einen Hebel [* 14] C abgehoben werden kann;
aa sind die Einmündungen für die Gebläseluft;
die Öffnung D dient zum Eintragen des Werkbleies und zum Schüren.
Das entstehende flüssige Bleioxyd (Bleiglätte) wird durch Ablaufenlassen vom Bleibade entfernt und die Glättebildung so lange fortgesetzt, bis alles Blei oxydiert und nur noch S. auf dem Herde ist. Das Verschwinden der letzten Bleispuren und das Erstarren des kurz vorher noch flüssigen S. wird das Blicken genannt und das mehr oder weniger noch unreine S. als Blicksilber bezeichnet. Dieses Blicksilber enthält neben etwa 90–95 Proz. S. Blei und Kupfer und bedarf, um zu Feinsilber zu werden, einer Raffination, das sog. Feinbrennen.
Dies geschieht, entsprechend der Feinprobe (s. d.), durch oxydierendes Schmelzen, wodurch die fremden Metalle verschlackt und von der porösen Herdmasse aufgesogen werden; das in dem schalenförmig vertieften Herde zurückbleibende Feinsilber wird mit eisernen Kellen in eiserne Schalen ausgegossen [* 12] (Fig. 6). Auf trocknem Wege wurde früher dem silberhaltigen Schwarzkupfer (s. Kupfer) das S. durch die Operation des Saigerns (s. d.) entzogen. Man schmolz Kupfer mit Blei zusammen und ließ das hierbei entstandene leicht schmelzbare silberhaltige Blei beim langsamen Erkalten der Schmelze von dem schneller erstarrenden bleihaltigen Kupfer ablaufen (absaigern).
Das Raffinieren des S. geschieht auch auf elektrolytischem Wege. Hängt man plattenförmiges S. als Anode in eine Lösung
von Salpetersäure, so wird es davon aufgenommen und schlägt sich auf der Kathode nieder, während Gold,
[* 15] Antimon
u.s.w. an der Anode in Beuteln aufgefangen werden. (S. auch Elektrometallurgie.)
[* 16] Unter den Prozessen der Silbergewinnung
auf
nassem Wege nahm früher die Amalgamation
[* 17] (s. d.) die erste Stelle ein. Dieselbe ist auch bei sehr silberarmen Erzen und Hüttenprodukten
(z. B. den Abbränden der Pyrite) anwendbar, sie gestattet ein sehr rasches Silberausbringen, verlangt
aber reine, geschwefelte, möglichst blei-, arsen- und antimonfreie Erze, wenn Silber- und Quecksilberverluste nicht zu hoch
werden sollen.
Zum Amalgamieren dient die Amalgamierpfanne [* 12] (Fig. 4). Sie besteht aus einer feststehenden Schüssel mit konischem Boden; über demselben dreht sich der ebenfalls konische sog. Läufer, der an seiner Unterseite Vorsprünge (sog. Schuhe) trägt, die das Amalgamiergut durcheinander reiben. Bei der Beschickung hebt man durch das obere Handrad den Läufer, läßt Wasser in die Pfanne und schüttet das Erzmehl hinein. Darauf läßt man Dampf [* 18] hinzutreten; dann wird der Läufer in Gang [* 19] gesetzt und allmählich nieder geschraubt, wodurch das Erzmehl zu einem feinen Brei zerrührt wird; alsdann wird das durch ein Tuch gepreßte fein zerteilte Quecksilber hinzugefügt.
[* 12] Fig. 7 zeigt einen Amalgamationshof in Mexiko [* 20] (s. Amalgamation). An Stelle des Amalgamationsprozesses ist in neuerer Zeit vielfach der sog. Extraktionsprozeß getreten, der darauf beruht, daß man S. in Lösung bringt und aus der Lösung wieder abscheidet. Hierauf gründet sich zunächst das Verfahren von Augustin, die sog. Kochsalzlaugerei. Danach wird der aus den Sulfiden des Kupfers, S. und Eisens bestehende Kupferstein (s. Kupfer) einer oxydierenden und chlorierenden Röstung unterworfen und das hierbei gebildete Chlorsilber mit einer konzentrierten Kochsalzlösung ausgelaugt.
Aus der Flüssigkeit scheidet man durch metallisches Kupfer das S. und aus der sich bildenden kupferhaltigen Lauge das Kupfer durch Eisen ab. Bei dem Verfahren von Ziervogel, der Wasserlaugerei, wird durch oxydierendes Rösten das S. des Kupfersteins oder der silberhaltigen Kiese in Silbersulfat umgewandelt und dieses dann durch angesäuertes heißes Wasser ausgelaugt. Die Lauge wird dann weiter in der oben angegebenen Weise verarbeitet. Bei der Laugerei mit unterschwefligsauren Salzen werden die mit Kochsalz gerösteten Gold- und Silbererze mit Calcium oder Natriumthiosulfat oder, wenn das S. an Arsen oder Antimon gebunden ist, mit Natriumkupferthiofulfat ausgelaugt und das gelöste S. mit Schwefelnatrium oder -Calcium als Schwefelsilber gefällt. Beim Cyanidverfahren oder Mac Arthur-Forrestprozeß können Gold und S. durch Behandlung ihrer Erze mit einer verdünnten Cyankaliumlösung in lösliches Cyanid übergeführt und durch Zink als Metalle ausgeschieden werden.
Geringe Spuren von S. (und Gold) lassen sich aus den bei der Darstellung von schwefliger Säure entstehenden Schwefelkiesabbränden
dadurch gewinnen, daß man diese nach einer vorhergegangenen chlorierenden Röstung mit Wasser auslaugt
und aus der erhaltenen Lösung das S. mit Jodzink niederschlägt (Claudets Verfahren). Gestützt auf die Beobachtung, daß
aus einer silberhaltigen Kupferlösung Schwefelwasserstoff zuerst den größten Teil des S. fällt, kann man aus dieser Lauge
statt durch Jodzink das S. auch durch eine teilweise Fällung mit Schwefelwasserstoff abscheiden (Gibbs
Verfahren). Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Extraktionsmethoden steht die Säurelaugerei, die zur Gewinnung
von
S. aus Kupferstein oder Schwarzkupfer angewendet wird. Kupfer geht dabei durch Schwefelsäure
[* 21] unter Mitwirkung von Luft in
Lösung, während das S. und Gold im Rückstand verbleibt. Derselbe wird mit bleihaltigen Zuschlägen auf
Reichblei verschmolzen.