Iron
78 Wörter, 518 Zeichen
Iron,
ein zum indogerman. Stamm (und zwar zur iranischen Gruppe desselben) gehörendes Volk im Kaukasus, bewohnt (1873: 110,914 Köpfe stark) verschiedene Thalschluchten und Bergwände nördlich und südlich von der Zentralkette des Gebirges, da, wo der Paß [* 3] von Dariel als einzige natürliche Straße dasselbe spaltet, im N. vorzugsweise im Thal [* 4] des Terek, im S. bis zu den Quellen des Rion sich ausdehnend. Westlich von Wladikawkas bewohnen sie eine Ebene, welche von der Kabarda durch eine Reihe von Bergen [* 5] getrennt wird.
Sie selbst nennen sich Iron (gleichbedeutend mit Iran); der Name Osseten stammt vom georgischen Ossethi, womit das von den Os oder Osen bewohnte Land bezeichnet wird. Über ihren Ursprung und ihre Verwandtschaft mit andern Stämmen sind viele Theorien aufgestellt worden. Nach einigen hängen sie mit den Osiliern des Ptolemäos zusammen, welche an der Mündung des Tanais (Don) ihre Sitze hatten, nach andern (Klaproth, Kohl, Koch) mit den Alanen, nach Vivien Saint-Martin mit den Asen, die nach Skandinavien auswanderten; nach noch andern sollen sie die reinsten Repräsentanten der Arier und nächste Verwandte der Germanen oder auch der Perser sein, wogegen Pfaff behauptet, daß sie mit Semiten vermischt seien.
Daß vielfache Mischungen stattgefunden haben, zeigt das Auftreten brauner und schwarzer Augen und Haare [* 6] unter der meist blondhaarigen und blauäugigen Bevölkerung. [* 7] Doch stehen die Osseten ihrem Äußern nach weit hinter andern Völkern des Kaukasus zurück; namentlich sind die Frauen, auf denen alle Last der häuslichen Arbeiten ruht, meist klein und von grobem und stumpfem Gesichtsausdruck. Die Kleidung besteht in einem kurzen Hemd, mitunter Beinkleider und einem tscherkessischen Überrock von grobem Tuch.
Als Fußbekleidung dienen Schuhe, die aus Bindfaden und Riemen geflochten sind, im Winter Filzstiefel; den Kopf bedeckt eine einfache Filzmütze. Sie bereiten aus Gerste [* 8] ein bierähnliches Getränk, das sie aus Steinkrügen trinken. Ihre Wohnungen sind entweder aus Holz [* 9] gebaut, deren Dächer mit. Steinen beschwert sind, oder in den Hochthälern steinerne Türme. Die höchsten geschätzten Bauten sind die alten 4-5 m hohen achteckigen Gräber, Sappads, die zuweilen förmliche Nekropolen bilden.
Ihre Religion, die sie je nach den Verhältnissen wechselten, ist ein seltsames Gemisch von Mohammedanismus, Christentum, zu dem sie sich früher bekannten, und heidnischen Gebrauchen. Tempel [* 10] und öffentlichen Gottesdienst haben sie nicht. Die Sprache [* 11] der Osseten zeichnet sich durch altertümliche Anlage aus, indem sie sich an das Persische und andre iranische Sprachen anschließt, und zerfällt in mehrere Mundarten, von denen die von Südossetien (Dsauscher Dialekt) durch v. Rosen (Lemgo 1846) und die beiden wichtigsten von Nordossetien, die tagaurische und digorische Mundart, von Sjögren (Petersb. 1844) grammatisch behandelt worden sind.
Vgl. auch Hübschmann, Etymologie und Lautlehre der ossetischen Sprache (Straßb. 1886).
Die Osseten waren in älterer Zeit ein mächtiges Volk, welches unter Einem Oberhaupt einen großen Teil des Kaukasus und die ebenen Steppengegenden bis zum Don und zur Wolga innehatte. Batuchan trieb im 13. Jahrh. die Osseten aus den Ebenen der jetzigen Kabarda in das hohe Gebirge des Kaukasus, wo sie sich in den Felsenthälern anbauten. Timur besiegte die Osseten und setzte einen Emir über sie. Später wurden sie noch mehr aus den niedrigen Gebirgen verdrängt, besonders durch die Tscherkessen, die sich an ihrer Statt in den beiden Kabardas niederließen. Den erobernden Russen haben sie niemals irgend welchen Widerstand entgegengesetzt, obwohl sie im Besitz der wichtigsten Paßübergänge über den Kaukasus waren. Früher liebten sie es, als Söldner in den Dienst der Byzantiner, Georgier und Perser zu treten.