Komödie
(griech.), s. v. w. komisches
Drama oder dramatische
Darstellung des
Komischen (s. d.), d. h. der
Thorheit und
ihrer (für den
Thoren unschädlichen)
Folgen
(Lustspiel). Die Komödie
steht durch den Umstand, daß das Dargestellte ein
Komisches, der
Tragödie (s. d.), durch den Umstand, daß die
Folgen der
Thorheit für den
Thoren nur unschädlich, keineswegs
positiv vorteilhaft sind, der
Posse (s. d.) gegenüber. Doch wird, weil der Vorteil in der
Regel erträumt, der
Gewinn des
Thoren
ein scheinbarer ist, auch die letztere meist als Komödie
bezeichnet.
Als Untergattung des
Dramas (s. d.) gilt von der Komödie
alles, was von diesem als solchem
gilt. Als komisches
Drama entlehnt die Komödie
ihre
Gesetze und
Einteilung vom
Komischen. Da nun die
Thorheit am stärksten wirkt,
wenn sie vorher als
Klugheit gegolten hat, so geht das vornehmste
Streben der Komödie
dahin, den
Thoren als klug,
den
Klugen als thöricht so lange erscheinen zu lassen, bis das Luftschloß der
Thorheit
in sich selbst zusammenbricht (»Der
entlarvte
Poltron«, »Die Komödie
der Irrungen«, »Der
eingebildete Kranke« etc.). Die
Einteilung der Komödie
erfolgt nach den
Gattungen des
Komischen in die niedere, welche das
Grob-,
und die höhere Komödie
, welche das Feinkomische darstellt.
Jene umfaßt die
Burleske (als deren
Repräsentant
Hanswurst oder
Arlecchino mit der züchtigenden
Pritsche) und die
Humoreske
(als deren
Repräsentant der sich selbst humoristisch bespiegelnde
Eulenspiegel erscheint), diese das satirische und humoristische
Lustspiel. Als
Drama betrachtet, läßt sich der Form nach die Charakterkomödie
, bei welcher die komischen
Charaktere, und die Intrigenkomödie
, bei welcher die komischen
Situationen die Hauptrolle spielen, dem
Stoff nach die ideale,
der Phantasiewelt, und die reale, der wirklichen
Welt, entweder der Vergangenheit (historische Komödie
) oder der Gegenwart
(Konversationsstück),
entlehnte Komödie
unterscheiden.
Die Anfänge der Komödie
fallen mit jenen des
Dramas zusammen.
Chinesen und
Inder haben Komödien
aufzuweisen;
letztere kennen ein höheres und niederes
Lustspiel. Das einzige uns erhaltene Originaldrama der peruanischen Einwohner aus
der Inkazeit schließt neben den ernsten auch komische
Szenen ein. Kunstgerechte Komödie
findet sich zuerst bei den Griechen. Bei
den Dionysosfesten waren fröhliche Umzüge (komoi) üblich, aus deren Liedern (odai)
Aristoteles
den
Ursprung der Komödie
herleitet.
Dieselbe entwickelte sich unter den
Doriern und in
Athen.
[* 2]
Ihrer derben und anzüglichen Späße wegen waren vor allen dorischen
Völkerschaften die Megarer bekannt. Durch Susarion und Mäson wurde die Komödie
aus
Megaris nach
Attika verpflanzt, wo sie sich
als attische Komödie
entwickelte. Gleichfalls von
Megara her eingeführt, entstand die sizilische als deren
Schöpfer
Epicharmos (540
v. Chr.) zu betrachten ist. In
Athen gewann die Komödie
erst eine Kunstgestalt, nachdem die
Tragödie ihre
Ausbildung erhalten hatte.
Nach Aristoteles galt als ihr Schöpfer Krates (um 460), der zuerst seine Sujets künstlerisch durchführte und einen eigentlichen Dialog zu stande brachte. Unter der Herrschaft der Demokratie übte daselbst die Komödie die »politische Zensur«. Kratinos, Aristophanes und Eupolis galten als deren vorzüglichste Dichter. Zwischen dem erstern und dem letztern hielt Aristophanes (444-388) die Mitte, indem er »die Herbe des Kratinos mit der Süßigkeit des Eupolis mischte«.
Dieser »ungezogene Liebling der Grazien«, in der Politik und Religion sich auf die konservative Seite stellend, überschüttete die Fortschrittsmänner und Aufklärer seiner Zeit mit wahrhaft vernichtender Salzlauge des Witzes. In dieser alten attischen Komödie sehen wir in der edlen Form der Tragödie den häßlichen, unsaubern Geist der Zeit sich bewegen. Noch bestanden die alten Formen, in denen das öffentliche Wesen während der Blütezeit von Hellas zur Erscheinung gekommen war; aber der Geist, der sie gebildet und gestaltet hatte, war gewichen, und so stellte sich die Komödie, indem sie äußerlich die Tragödie kopierte, charakteristisch als treues Spiegelbild der griechischen Wirklichkeit dar.
Die Metra des Dialogs, namentlich der iambische Trimeter, waren in der Komödie leichter gebaut; der anapästische Tetrameter, der sogen. Aristophanische Vers und der katalektische iambische Tetrameter gehörten ihr eigentümlich. Chorgesänge waren in der Komödie wie in der Tragödie üblich. Das bei jener gebräuchliche Kostüm [* 3] entsprach mehr der Tracht des gemeinen Lebens; doch zeichnete phantastische Kleidung den Chor aus, wenn er, wie bei Aristophanes, in der Rolle der Wolken, Wespen, Vögel [* 4] u. dgl. auftrat.
Der den hohen Kothurn der Tragödie vertretende niedrige Soccus und die komische Maske, die in der alten Komödie wirkliche Personen karikierte, später aber die Charakterrolle, gewöhnlich stark übertrieben, darstellte, waren Eigentümlichkeiten der Komödie. Als die hervorstechendste unter letztern erscheint die Parabase, eine Einschaltung in das Stück, mittels welcher, die Handlung unterbrechend, der Dichter durch den Chor zu den Zuschauern redete. Sie bestand aus melischen, vom Gesamtchor oder von Halbchören gesungenen, und monologischen, vom Chorführer (Choregos) gesprochenen, Teilen; während die Parabase vorgetragen wurde, pflegte der Chor einen von seinem gewöhnlichen Standort entfernten Platz einzunehmen.
Den Tanz des Chors durfte kein Athener nüchtern und unmaskiert tanzen, ohne sich in den Ruf der größten Frechheit zu bringen. Als die Demokratie nach der Übergabe Athens an Lysandros gestürzt wurde, trat eine strenge Zensur gegen die Komödiendichter ein, und nach Wiedereinführung der Volksherrschaft durch Thrasybulos war der Geist witzigen Übermuts bereits so zahm geworden, daß die vorige Keckheit sich nicht wieder einstellen wollte. (Vgl. Zielinski, Die Gliederung der altattischen Komödie, Leipz. 1885.) Die Komödie, die man von da an als die mittlere attische bezeichnet, verlor ihren politischen ¶
mehr
Charakter und übte nur noch Zensur in Bezug auf ästhetische und moralische Dinge, wobei die kunstvollern orchestrischen Chorgesänge und die Parabasen wegfielen. Koryphäen der neuen Gattung waren Antiphanes (seit 386) und Alexis (seit 384), von denen der letztgenannte nicht weniger als 245, der erstere gar 260 Stücke verfaßt haben soll. Ihnen boten Homer und die Tragiker den Hauptwitzstoff; der rationalistische Spott übte sich an den einst heilig gehaltenen Poesien.
Von der Schlacht bei Chäroneia (338) datiert die sogen. neue attische Komödie, welche Tragödie und Komödie zugleich ersetzen mußte. Nun gab an Stelle des Religiösen und Politischen das Familienleben den Stoff zur dramatischen Dichtung her. Die Formen blieben die der alten Tragödie und Komödie; nur daß statt des Chors in die Zwischenakte Gesänge und Lieder eingeschoben wurden, die zu dem Dargestellten in loser Beziehung standen. Als Meister der neuen Komödie wurden Menandros aus Athen (gest. 290) und Philemon aus Syrakus [* 6] gepriesen. Fast gleichzeitig entstand als besondere Abart der in Unteritalien (in dem dorischen Tarent) die Hilarotragödie oder Tragikomödie, in welcher die lustigen Personen der neuern in den ernsten Götter- und Heldenkreis eingeführt und damit die Mythen selbst travestiert erschienen. Während der alexandrinischen Zeit artete die neuere Komödie mehr u. mehr in die Posse aus.
Die Komödie der Römer [* 7] war Nachahmung der griechischen. In Rom [* 8] belustigte sich die Jugend bei öffentlichen Festen mit komischen Parodien der etruskischen Tänze, in ländlichem Kostüm, in zottigem Gewand, blumenbekränzt, mit struppigem Haupthaar. Als (um 240) durch Livius Andronicus das ernste griechische Drama nach Italien [* 9] verpflanzt war, wurden den Tragödien heitere Nachspiele (Exodien) angefügt, an deren Stelle die Atellane (s. d.), die oskische Posse, trat, eine Art von extemporiertem Maskenlustspiel, in welchem, wie in der heutigen italienischen Commedia dell' arte, die stereotypen komischen Personen in der Rolle der Väter und der Bedienten sich überall wiederholten. Da die Szenen regelmäßig auf das Land und in kleine Provinzialstädte verlegt wurden, so bildete diese Gattung den Gegensatz zur sogen. Fabula togata, die in Rom selbst spielte, und zur Fabula palliata, die hinsichtlich des Süjets, der Sitten und des Kostüms sowie in der Szene griechisch war. Am genialsten wurde die letztere behandelt von Plautus, der das burleske Charakterstück mit dem in Athen heimischen feinern Intrigenlustspiel zu einem originellen römischen Volksdrama zu verschmelzen verstand.
Dem Plautus in Bezug auf Formvollendung überlegen war Terentius. Seine Komödien sind Erzeugnisse einer wahrhaft kunstgerechten Poesie, in sprachlicher Beziehung der Ausdruck der vollendeten römischen Urbanität und dem Stoff nach sämtlich dem Kreis [* 10] des häuslichen Lebens entnommen. Die Auflösung der Handlung, gewöhnlich in einer Heirat bestehend, pflegt dem unordentlichen Leben eines Sohns das Ziel zu setzen und ihm den erbitterten Vater zu versöhnen; bisweilen wird der Knoten durch Wiedererkennungen zwischen Eltern, Kindern und Geschwistern gelöst.
Die Charaktere sind meist stereotype: strenge und sparsame oder allzu gelinde und schwache Väter;
herrschsüchtige oder liebevolle, zärtliche Mütter;
leichtsinnige, verschwenderische Söhne;
eitle, schlaue und habsüchtige Mädchen, entweder schon völlig verderbt oder edlern Gefühlen noch zugänglich;
rohe, aber verschmitzte Sklaven, welche dem jungen Herrn bei seinen Liebeshändeln behilflich sind, ihm Geld verschaffen und den Alten betrügen helfen;
der Schmeichler und Schmarotzer, der für eine gute Mahlzeit alles thut und sich alles gefallen läßt;
der bramarbasierende Soldat, der hinter prahlerischer Aufschneiderei seine Feigheit zu verbergen trachtet;
die Kupplerin und der Sklavenhändler, welche die Leidenschaften der jungen Leute schlau ausbeuten.
In der römische Stoffe und römische Sitten behandelnden Fabula togata galt Afranius als Meister, dessen Blütezeit um 100 v. Chr. fiel, von dem jedoch nur Fragmente und etwa 14 Titel von Stücken erhalten sind. Als die fortschreitende Bildung sich in Rom nicht mehr mit den derben Späßen der oskischen Masken [* 11] vertrug, schuf Laberius (gest. 43 v. Chr.) eine eigne, die letzte Gestalt des römischen Lustspiels, den Mimus, in welchem die frühere Fabula togata und die Atellane zusammenschmolzen, dramatische Genrebilder aus dem römischen und italischen Leben, die hauptsächlich durch treue Darstellung des wirklichen Lebens und seiner heitern Seiten, weniger dagegen durch kunstvolle Anlage und spannende Verwickelungen zu wirken suchten. Letztere erhielten sich nach dem Aussterben der klassischen Kultur durch das ganze Mittelalter hindurch und gingen in Italien in die Commedia dell' arte, die Stegreifkomödie mit stehenden Figuren, in den übrigen christlichen Ländern in die sogen. Mummereien und Fastnachtsschwänke über.
Eine regelmäßige Komödie begründete in Frankreich zuerst Molière, der »Vater der französischen als unübertroffener Meister des Charakterlustspiels, ja als der eigentliche Schöpfer dieser Gattung, während in Spanien [* 12] (durch Lope und dessen Nachfolger, unter denen Moreto der ausgezeichnetste ist) das Intrigenlustspiel ausgebildet wurde. Letzteres wurde durch Beaumarchais und seine Nachahmer, unter welchen Scribe, der Erfinder des historischen Lustspiels, der fruchtbarste war, in Frankreich, das Charakterlustspiel dagegen durch den »italienischen Molière«, Goldoni, in Italien eingebürgert.
Die einheimische Komödie, die Commedia dell' arte mit den Masken des Pantalone, Arlecchino, Scaramuzzo und der Colombina, wurde daselbst der sogen. Commedia erudita, in welcher sich unter andern Machiavelli hervorthat, entgegengesetzt und durch Carlo Gozzi als Märchenlustspiel erneuert. In England zeichnete sich Shakespeare vorzüglich im phantastischen, nach ihm vornehmlich Sheridan im Molière nachgeahmten Charakterlustspiel aus. In Dänemark [* 13] thaten sich Holberg und Öhlenschläger als Komödiendichter, ersterer namentlich im possenhaften Genre, hervor. In Deutschland, [* 14] wo die Komödie aus dem Fastnachtsspiel und Karnevalsschwank entsprang, stehen Hans Sachs und Andreas Gryphius in der Burleske obenan, während Lessing der Schöpfer und Kotzebue, der deutsche Scribe, der fruchtbarste Förderer des deutschen Lustspiels wurden.
Ersterer hat als Charakterkomödiendichter in H. v. Kleist, dieser als Meister der Intrigenkomödie und des Konversationsstücks in Bauernfeld, Benedix, Holtei, Schall, [* 15] Feldmann, Töpfer u. a. Nachfolger gefunden. Die phantastisch-satirische Märchenkomödie ist von Tieck, die Aristophanische Komödie von Platen, Prutz, Hamerling u. a. als Buchdrama gepflegt worden. Das moderne Sitten- und Standesbild haben besonders G. Freytag, A. Wilbrandt, E. Wichert, A. L'Arronge, H. Bürger (Lubliner), P. Lindau [* 16] u. a., das historische Lustspiel Gutzkow, H. Schaufert u. a. kultiviert. Über die Humoreske und possenhafte als deren geist- und gemütvollste Repräsentanten Raimunds hochpoetische Zauber- und Feen-, als deren populärste Nestroys ¶
mehr
und Kalisch' [* 18] Wiener und Berliner [* 19] Volkspossen anzusehen sind, s. Posse.
Vgl. Bohtz, Über das Komische und die Komödie (Götting. 1844);
Gottschall, Poetik (5. Aufl., Bresl. 1883), sowie die Werke über Ästhetik von Vischer, Carriere, Zimmermann u. a.