Kristallis
ation
(Kristallbildung).
Kristalle
[* 2] bilden sich, wenn
Dämpfe kristallis
ierbarer
Körper abkühlen, wie bei
Sublimationen, wenn geschmolzene kristallis
ierbare
Körper erstarren, wenn
Lösungen solcher
Körper verdampfen
oder abkühlen, und wenn zwei
Lösungen, die sich gegenseitig zersetzen und einen neuen kristallis
ierbaren
Körper bilden,
langsam, z. B. durch Vermittelung einer porösen Scheidewand, zu einander treten. Man beobachtet
dabei stets zuerst einzelne isolierte
Kristalle, bald aber setzen sich an diese neue
Kristalle an, und so entstehen
allmählich
Aggregate, welche aus dicht miteinander verbundenen
Kristallen bestehen, die sich gegenseitig in der
Ausbildung
gehindert haben.
Solche Massen nennt man kristallinisch. Ihr kristallinisches Gefüge tritt besonders auf dem Bruch deutlich hervor. Die Ausbildung der Kristalle erfolgt nur an denjenigen Teilen vollkommen regelmäßig, welche frei in eine Flüssigkeit oder in Dampf [* 3] hineinragen, während die Teile, mit welchen sie aus festen Körpern (andern Kristallen, Gefäßwandungen etc.) aufsitzen, stets die Gestalt dieser Unterlage zeigen. Im allgemeinen werden Kristalle um so schöner und größer, je langsamer sie sich bilden.
Man muß deshalb die Abkühlung der
Dämpfe, welche bei ihrer
Verdichtung
Kristalle liefern, der geschmolzenen
Körper und der heißen
Lösungen solcher
Körper, die bei niederer
Temperatur schwerer löslich sind als bei höherer, möglichst
langsam und gleichmäßig erfolgen lassen. Deshalb werden, besonders bei schwerer kristallis
ierbaren
Körpern, und wenn es
sich um möglichst vollkommene
Ausbildung der
Kristalle handelt, die Kristallis
ationsgefäße aus schlechten Wärmeleitern
(Holz
[* 4] etc.) hergestellt, metallene
Gefäße mit schlechten Wärmeleitern umgeben (mit
Blech ausgekleidete
Holzgefäße, Strohumhüllungen, Bedecken der
Gefäße mit wollenen Tüchern), Porzellanschalen auf Strohkränze gestellt,
Sublimationsgefäße mit trocknem
Sand beschüttet etc.
Die Größe der Kristalle ist aber auch von der Natur der betreffenden Körper wesentlich abhängig, manche Körper bilden leicht und stets sehr große Kristalle, andre erhält man immer nur in kleinen Kristallen. Ein und derselbe Körper aber liefert unter sonst gleichen Verhältnissen größere Kristalle, wenn man mit bedeutenden Massen arbeitet, als bei Operationen im kleinen. Ausgebildete Kristalle können in gesättigten Lösungen derselben Substanz fortwachsen, sich regelmäßig vergrößern, wenn man die langsame Verdunstung der Lösung, in welcher sich die Kristalle befinden, begünstigt.
Hierauf beruht auch die
Erscheinung, daß ein Haufwerk sehr kleiner
Kristalle
(Kristallmehl), wenn es längere Zeit von der
Lösung, aus der es entstanden ist, oder überhaupt von
Flüssigkeit durchtränkt liegen bleibt, allmählich grobkörnig wird,
indem die größern
Kristalle durch Substanzanlagerung aus der sie umgebenden
Lösung wachsen, während
die kleinern nach und nach vollständig in
Lösung gehen. Stört man die Kristallbildung in einer heiß gesättigten abkühlenden
Lösung durch Umrühren (gestörte Kristallis
ation),
Erschütterungen oder durch schnelle Abkühlung, so erhält man
Kristallmehle.
Begünstigt wird die Kristallbildung durch rauhe
Flächen, durch Reiben der Innenwand der
Gefäße mit
einem Glasstab unter dem
Spiegel
[* 5] der
Lösung (besonders bei
Glas- und Porzellangefäßen), auch durch
Erschütterungen. Man spannt
deshalb in Kristallis
ationsgefäßen
Fäden oder Strohhalme aus oder legt Bandeisen so über die
Gefäße, daß es die Oberfläche
der
Lösung berührt (Sodafabrikation), und so erhält man an diesen rauhen
Körpern die größten und
schönsten
Kristalle. Am kräftigsten wird die Kristallisation
einer
Lösung angeregt, wenn man einen
Kristall derselben
Substanz
hineinlegt.
Da die Kristallform für jeden
Körper etwas Wesentliches ist, so repräsentiert jeder
Kristall die
Substanz, aus welcher er
besteht, im Zustand großer Reinheit. Befinden sich zwei oder mehr verschiedene
Körper in einer und derselben
Lösung, so kristallisiert jeder für sich (nur isomorphe
Körper kristallisieren zusammen). Die
Kristalle des einen sind
frei von
dem andern
Körper, und man kann beide auf diese
Weise voneinander trennen. Hierauf beruht wesentlich die Anwendung der Kristallisation
in der
Technik. Nicht immer gelingt indes die
Reinigung durch einmalige Kristallisation.
Größere
Kristalle
schließen nämlich oft mechanisch kleine Teile der
Lösung ein und werden
¶
mehr
dadurch verunreinigt. Wenn man dieselben aber von neuem in möglichst wenig Wasser löst und die Lösung abermals zur Kristallisation
bringt (Umkristallisieren), so erhält man in der Regel ganz reine Kristalle. Vorteilhaft sucht man durch Störung der Kristallisation
Kristallmehl darzustellen (weil die kleinen Kristalle keine Lösung einschließen) und wäscht dies, bis
die abfließende Flüssigkeit von dem verunreinigenden Körper frei ist.
Bei Sublimationen sucht man entweder eine kompakte kristallinische Masse (Salmiak, Kalomel, Quecksilberchlorid) oder isolierte
Kristalle zu erhalten (Jod, Benzoesäure) und leitet dem entsprechend die Sublimation. Will man aus geschmolzenen Körpern Kristalle
gewinnen, so läßt man langsam und gleichmäßig abkühlen, bis sich auf der Oberfläche eine Kruste
gebildet hat, durchsticht diese mit einem heißen Stab
[* 7] und gießt das noch nicht Erstarrte ab. Man findet dann die Wandungen
des Gefäßes mit Kristall ausgekleidet. Von der Zerlegung geschmolzener Mischungen durch Kristallisation
macht man besonders
bei der Silbergewinnung
[* 8] Gebrauch (s. Silber).
Am häufigsten werden wässerige Lösungen zur Kristallisation
gebracht. Das Lösungsmittel vermag stets
nur eine bestimmte Menge eines löslichen Körpers aufzunehmen, und in der Regel lösen sich die Körper bei hoher Temperatur
leichter als bei niederer. Da nun die Kristallbildung in Lösungen davon abhängig ist, daß dem gelösten Körper sein Lösungsmittel
entzogen wird, so muß man die Lösung bis zur Sättigung abdampfen und dann langsam abkühlen lassen.
Die Sättigung macht sich häufig durch Bildung einer Kristallhaut (Salzhaut) auf der Oberfläche der Lösung bemerkbar; wo
diese aber nicht auftritt, muß man vorsichtig denjenigen Konzentrationsgrad zu treffen suchen, bei welchem man am reichlichsten
schöne Kristalle erhält. Bei zu starker Verdampfung erstarrt fast die ganze Lösung kristallinisch, und
der Zweck der Kristallisation
, die Abscheidung von Verunreinigungen, wird verfehlt.
In Alkohol unlösliche Körper, deren wässerige Lösung sich beim Verdampfen zersetzt, kann man kristallisiert erhalten, wenn man die konzentrierte Lösung vorsichtig mit starkem Alkohol übergießt, so daß keine Mischung stattfindet, und längere Zeit ruhig stehen läßt. Der Alkohol entzieht dann der Lösung allmählich Wasser, und es bilden sich oft sehr große Kristalle. Will man nur Kristallmehl darstellen, so mischt man den Alkohol mit der wässerigen Lösung, wobei die Ausscheidung des Salzes als kristallinisches Pulver sofort erfolgt.
Enthält eine Lösung mehrere kristallisierbare Körper gelöst, so hängt es von dem Mengenverhältnis
und der Löslichkeit der Körper ab, welcher von ihnen bei der Kristallisation
sich zuerst ausscheidet. Beim Verdampfen der
Lösung wird dieselbe bei einem bestimmten Punkt mit einem der gelösten Körper gesättigt sein, und wenn man sie dann abkühlt,
so erhält man Kristalle dieses Körpers. Gießt man die übriggebliebene Lösung, aus welcher sich die
Kristalle abgeschieden haben (die Mutterlauge), von letztern ab, so ist dieselbe für die herrschende Temperatur mit dem kristallisierten
Salz
[* 9] gesättigt.
Beim Abdampfen in höherer Temperatur kann sie aber noch weiter konzentriert werden, und bei der Abkühlung liefert sie dann vielleicht zum zweitenmal Kristalle desselben Körpers. Dampft man die wieder abgegossene Mutterlauge noch weiter ab, so erreicht sie vielleicht auch für den zweiten in ihr gelösten Körper die Sättigung, und nun erhält man ein Gemisch aus Kristallen beider Körper, in welchem aber der eine oder der andre vorwalten wird. Derartige Gemische werden wiederholt umkristallisiert, um die Bestandteile voneinander zu trennen.
In der letzten Mutterlauge sammeln sich die am leichtesten löslichen Körper und diejenigen, von welchen die ursprüngliche
Lösung am wenigsten enthielt. Bisweilen gelingt die Abscheidung der einzelnen Bestandteile gemischter Lösungen durch Kristallisation
ziemlich vollständig, in andern Fällen aber wird ein großer Teil des Hauptbestandteils der Lösung durch
die Gegenwart gummi- oder schleimartiger oder ähnlicher organischer Körper oder auch durch gewisse Salze an der Kristallisation
gehindert. Dies ist z. B. bei der Melasse der Zuckerfabriken der Fall, welche sehr viel Zucker
[* 10] enthält, der indes wegen der
vorhandenen organischen Substanzen und Alkalisalze schwer oder gar nicht zur Kristallisation gebracht
werden kann.
Viele Kristalle sind wasserfrei oder schließen nur mechanisch geringe Mengen Mutterlauge ein, infolgedessen sie beim Erhitzen durch Dampfbildung zersprengt werden (Dekrepitationswasser). Andre Kristalle enthalten dagegen oft sehr bedeutende Mengen Wasser als wesentlichen Bestandteil (Kristallwasser, Kristallisationswasser), und namentlich die Salze kristallisieren oft mit Wassergehalt und nicht selten je nach den Verhältnissen mit verschiedenen Mengen, so daß ein und derselbe Körper Kristalle mit mehr oder weniger Molekülen Kristallwasser bilden kann.
Viele wasserhaltige Kristalle sind so unbeständig, daß sie schon beim Liegen Wasser an der Luft verlieren (verwittern) und dabei meist zu Pulver zerfallen. Oft wird nicht alles Kristallwasser gleich leicht abgegeben, von 7 Molekülen wird z. B. eins bisweilen sehr hartnäckig zurückgehalten, so daß es erst beim Erhitzen entweicht. Viele wasserhaltige Kristalle schmelzen beim Erwärmen im Kristallwasser, es entsteht gleichsam eine Lösung des wasserfreien Körpers im Wasser, und wenn man letzteres verdampft, so bleibt jener zurück und kann beim weitern Erhitzen zum zweitenmal schmelzen (wässeriger und feuriger Fluß).
Bisweilen spielt auch Alkohol die Rolle des Kristallwassers. Nicht immer ist alles Wasser, welches Kristalle enthält, als Kristallwasser zu betrachten. Bisweilen gehört nämlich ein Teil des Wassers zur Konstitution des Körpers, welcher sich vollständig zersetzt, wenn ihm dies Wasser entzogen wird. Blaues Kupfersulfat kristallisiert mit 5 Molekülen Kristallwasser, die es durch Verwitterung verlieren kann. Es bleibt dann farbloses, wasserfreies Kupfersulfat zurück, welches sich in Wasser löst und ohne weiteres wieder blaue Kristalle mit 5 Molekülen Wasser liefert.
Phosphorsaures Natron kristallisiert mit 12 Molekülen Wasser, verliert diese durch Verwitterung und hinterläßt das Salz H2Na4P2O8 . Wird dies hinreichend stark erhitzt, so zersetzt es sich unter Verlust von Wasser H2O , und es entsteht pyrophosphorsaures Natron Na4P2O7 , welches beim Lösen nicht wieder das vorige Salz liefert, sondern mit 10 Molekülen Wasser kristallisiert.