Lōgik
(lat. Logica, v. griech. logos, »Vernunft, Vernunftschluß«),
Denklehre,
Lehre
[* 3] von den
Normal- (wie die
Psychologie von den
Natur-)
Gesetzen des
Denkens. Dieselbe wendet die
Denkgesetze auf die Naturprodukte des
Denkens, die thatsächlichen
Begriffe,
Urteile,
Schlüsse und Schlußketten, an und gestaltet sie, denselben entsprechend, zu
Kunstprodukten des
Denkens, d. h. zu logischen
Begriffen,
Urteilen,
Schlüssen und Schlußreihen, um. Je nachdem die Normalgesetze des
Denkens selbst verschiedener
(formaler: auf die Form, realer: auf den Ursprung des Denkprodukts bezüglicher) Art sind, nimmt auch die Logik
verschiedenen
(formalen oder realen)
Charakter an. Da jedes
Denken (s. d.) Zusammenfassen eines Mannigfaltigen und folglich jedes
Produkt
desselben Zusammenfassung (Synthese) eines solchen ist, so besteht die Verrichtung der Logik
darin,
die
Notwendigkeit, Erlaubtheit oder Unerlaubtheit letzterer zu prüfen, die notwendigen oder erlaubten zuzulassen, die unerlaubten
auszuschließen. Da ferner an jeder Verknüpfung die Form (das
Verhältnis des Verknüpften unter sich seinem
Inhalt nach)
von dem Ursprung (d. h. von der
Ursache derselben) zu unterscheiden ist, so kann das
Denkgesetz, welches
über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit derselben entscheidet, entweder deren Form (formales) oder deren
Ursache (reales
Denkgesetz) beteffen ^[richtig: betreffen].
Nach jenem, welches der formalen Logik
zu
Grunde liegt, sind diejenigen Synthesen notwendig, deren Manigfaltiges identisch oder
eins durch das oder die andern begründet ist
(Denkgesetz der
Identität und des zureichenden
Grundes),
diejenigen zulässig, deren Manigfaltiges einstimmig
(Denkgesetz der Einstimmigkeit oder Widerspruchslosigkeit), dagegen diejenigen
unzulässig, deren Mannigfaltiges unverträglich ist
(Denkgesetz des
Widerspruchs). Nach diesem, welches der realen Logik
zu
Grunde
liegt, sind alle Synthesen gültig, deren
Ursache eine reale (entweder in der
Vernunft: apriorische, oder in der
Erfahrung:
aposteriorische Synthesen, gelegene) ist.
Jene heißt reale
Vernunft-, diese reale Erfahrungslogik;
nach der erstern sind alle aposteriorischen
(Erfahrungs-)
Begriffe
(Urteile,
Schlüsse), nach der letztern alle apriorischen (reinen
Vernunft-)
Begriffe
(Urteile,
Schlüsse) ungültig. Bei dem gänzlich
verschiedenen
Charakter dieser drei
Arten von ist die Verrichtung derselben dem thatsächlichen
Denken gegenüber
eine gänzlich verschiedene. Die formale Logik
weist, um die
Notwendigkeit der Verknüpfung gewisser Merkmale
¶
mehr
zum Begriff (Begriffe zum Urteil, Urteile zum Schluß) darzuthun, nach, daß zwischen denselben das Verhältnis der Identität oder der Abfolge, um ihre Erlaubtheit darzuthun, daß jenes der Einstimmigkeit, um ihre Unerlaubtheit darzuthun, daß jenes des Widerspruchs zwischen ihnen herrsche; der Übergang vom Gleichen zum Gleichen, von dem Begründenden zum Begründeten gilt ihr als denknotwendig, die Vereinigung des Einstimmigen als denkmöglich, jene des Widersprechenden als undenkbar und folglich als ungültig.
Die reale Vernunftlogik
begnügt sich, den Ursprung einer thatsächlichen Synthese auf die Vernunft, die reale Erfahrungslogik
,
denselben auf die Erfahrung zurückzuführen, um sie dadurch (auch wenn sie formal undenkbar wäre) als
real gültig darzuthun. Vom Standpunkt der erstern ist jedes formell tadellose Denken (Begriff, Urteil, Schluß), es mag im übrigen
aus der Vernunft oder aus der Erfahrung stammen, vom Standpunkt der Vernunftlogik
nur das aus der Vernunft, von jenem der Erfahrungslogik
nur das aus der Erfahrung stammende Denken logisches Denken.
Jenes hat nur formale, dieses nur so weit materiale Wahrheit, als die Vernunft oder Erfahrung als Erkenntnisquelle
Anspruch auf solche besitzt. Wo der Ausspruch der Vernunft oder der Erfahrung mit den Anforderungen der formalen Logik
in Widerspruch
gerät, d. h. Synthesen als durch die Vernunft oder durch die Erfahrung gegeben gelten läßt, welche die
formale Logik
als undenkbar, also unerlaubt, erweist, da beginnt, im Gegensatz gegen die Extreme der reinen Vernunft- (Apriorismus)
und der reinen Erfahrungs- (Empirismus), die Aufgabe der echten (rational-empirischen) Philosophie, welche sowohl die »göttlich
rasende« Vernunft als die »blind gehorchende« Erfahrung »zu Verstand zu bringen« sich bemüht.
Thatsächlich wird unter Logik
die formale Logik verstanden, die durch Aristoteles im wesentlichen eingeführt,
der aber schon durch Platon, der das Kriterium der Wahrheit im »Schauen« der Ideen erblickte, eine Vernunft- sowie durch Epikuros,
der dasselbe in der sinnlichen Wahrnehmung fand, eine Erfahrungslogik
entgegengestellt worden ist. Jene erhielt durch den
Umstand, daß Platon den Vernunftbegriff (die Idee) zugleich für das wahrhaft Seiende erklärte, einen
ontologischen Charakter; dialogischen Synthesen (die thatsächlichen Vernunftbegriffe) fielen mit dem thatsächlich Seienden
als »Ideen«, die »Dialektik« fiel mit der Metaphysik als »Ideenlehre« zusammen.
Die formale Logik
sowie die Erfahrungslogik, die den Begriff nur als »Gedankending«, d. h.
als Zusammenfassung eines Mannigfaltigen im Denken, ansahen, behielten den Charakter einer »Denklehre« bei.
Im Mittelalter, wohin die Platonische Logik
durch die neuplatonisierenden Kirchenväter, die Aristotelische Logik
durch die Araber
verpflanzt wurde, bildete sich dieser Gegensatz zu dem zwischen realistischer und nominalistischer aus, deren erstere den
Begriff (das Allgemeine, universale) als »Sache« (res),
die letztere ihn aber nur als »Namen« (nomen) oder
»Zusammenfassung« (conceptus, daher Konzeptualismus) im Denken betrachtete. Aus der letztern ging nach dem Sieg des Nominalismus
aufs neue der Kampf zwischen formaler und realer, sowohl Vernunft- als Erfahrungslogik
hervor, in welchem die Cartesianische
Lehre von den angebornen Ideen der Vernunft die Vernunft-, die Lehre Bacons vom Sinn als ausschließlicher Erkenntnisquelle
die Erfahrungs-, Leibniz mit seiner die letztere einschränkenden Berufung auf den Intellekt (»nisi ipse intellectus«) die formale
Logik
vertrat.
Kant, indem er erklärte, die Logik habe seit Aristoteles keine nennenswerte Veränderung erfahren, hat durch seine Behauptung, daß nur die Materie, niemals aber die Form der Erfahrung gegeben sei, der Erfahrungslogik, welche sich gerade auf das Gegebensein ihrer Synthesen (dem Stoff und der Form nach) stützt, den Boden weggenommen, dagegen durch seine Behauptung, daß nicht nur die Vernunft-, sondern auch die Verstandes- und (reinen) Anschauungssynthesen apriorisch seien, die Vernunftlogik begünstigt.
Kants idealistische Nachfolger von Fichte [* 5] an sind dazu fortgeschritten, das gesamte Denken in die Vernunft zu verlegen und diese endlich (wie Platon) mit dem Seienden selbst (Hegels Panlogismus) für Eins zu erklären, wodurch die Logik abermals mit der Metaphysik zusammenfiel. Kants realistischer Nachfolger (Herbart) hat der Erfahrungslogik ihr berechtigtes Gebiet, die realen Erfahrungsbegriffe, zurückgestellt, dagegen den Anspruch erhoben, daß diese sich, wo sie Widersprüche aufweisen, also vom Standpunkt der formalen aus undenkbar erscheinen, einer Bearbeitung nach dem formalen Denkgesetz unterwerfen sollen. Die reinen Empiriker, welche diesem Anspruch der formalen Logik ebensowenig wie die reinen Vernunftphilosophen nachzugeben gewillt und in der reinen Erfahrung, ebenso wie diese in der reinen Vernunft, eine dem bloßen Verstand weit überlegene Autorität zu verehren geneigt sind, haben in J. St. ^[John Stuart] Mills »induktiver (s. unten) eine neue (eigentlich alte) Erfahrungslogik aufgestellt.
Von den zahlreichen Lehrbüchern der Logik heben wir hervor: Drobisch, Neue Darstellung der Logik nach ihren einfachsten Verhältnissen (Leipz. 1836, 5. Aufl. 1887);
Bolzano, Wissenschaftslehre (Sulzb. 1837, 4 Bde.);
Ulrici, System der Logik (Halle [* 6] 1852);
Derselbe, Kompendium der Logik (2. Aufl., das. 1872);
Trendelenburg, Logische Untersuchungen (Berl. 1840; 3. Aufl. 1870, 2 Bde.);
Überweg, System der Logik (Bonn [* 7] 1857, 5. Aufl. 1882);
Lotze, Logik (2. Aufl., Leipz. 1880);
Bergmann, Allgemeine Logik (Berl. 1879);
Wundt, eine Untersuchung der Prinzipien der Erkenntnis (Stuttg. 1879-83, 2 Bde.);
Harms, Logik (Leipz. 1886).
Die induktive Logik bearbeiteten: Herschel, Preliminary discourse on the study of natural philosophy (Lond. 1831; deutsch von Weinlig, Leipz. 1836);
J. St. ^[John Stuart] Mill, A system of logic rationative and inductive (Lond. 1843, 9. Aufl. 1875; deutsch von Schiel, 4. Aufl., Braunschw. 1877, und von Th. Gomperz, 2. Aufl., Leipz. 1886, 3 Bde.).
Vgl. Prantl, Geschichte der Logik im Abendland (Münch. 1855-61, 2 Bde.);
Harms, Geschichte der Logik (Heilbronn [* 8] 1880);
M. J. ^[Marcus Jacob] Monrad, Die Denkrichtungen der neuern Zeit (Bonn 1879).