Mann mit der eisernen Maske
8 Wörter, 47 Zeichen
Mann
Maske (Mann
mit der eisernen
Maske), unter der Regierung Ludwigs XIV. ein französischer Staatsgefangener, welcher
stets eine eiserne Maske
getragen haben soll, in Wahrheit nur eine Samtmaske
trug und, nachdem er bis 1698 in
Pignerol und auf der Insel Ste.-Marguerite gefangen gesessen, 1703, vom Kerkermeister Saint-Mars auf das sorgfältigste bewacht,
in der Bastille starb. Seine Lebensumstände wurden als das tiefste Staatsgeheimnis bewahrt; in den Registern wurde er unter
dem Namen Marchioli aufgeführt.
Holländische
[* 3] Schriftsteller jener Zeit behaupteten, die eiserne Maske
sei ein junger fremder Edelmann, Kammerherr
und Günstling der Königin Anna und der wahre Vater Ludwigs XIV. gewesen. Der Jesuit Griffet, der neun Jahre lang Beichtvater
in der Bastille war, neigt sich in seinem »Traité des différentes sortes des preuves qui servent à établir
la vérité dans l'histoire« (Lüttich
[* 4] 1769) der Ansicht der »Mémoires secrets« zu, welche 1745-46 zu Amsterdam
[* 5] erschienen und
behaupteten, der Gefangene sei ein natürlicher Sohn Ludwigs XIV. und der Lavallière gewesen, ein Herzog von Vermandois, der
dem Dauphin eine Ohrfeige gegeben habe und daher auf Lebenszeit gefangen gesetzt worden sei. In einem
Zusatz zu dem Artikel »Anna« des »Dictionnaire philosophique« gibt angeblich der Herausgeber des Werkes, in Wirklichkeit Voltaire,
die Nachricht, die eiserne Maske
sei ein älterer Bruder Ludwigs XIV., ein Sohn Annas von Österreich
[* 6] und (nach Linguet in der »Bastille
dévoilée«) des Herzogs von Buckingham; danach geschah die Einsperrung auf Ludwigs XIV.
Befehl. Eine Schrift von Saint-Mihiel (1790) brachte das Schicksal des Unglücklichen mit einer geheimen Vermählung der Königin
Anna mit Mazarin in Verbindung, während Bouché (»Essai sur l'histoire de la Provence«, 1785) die ganze Geschichte von der Eisernen Maske
für eine Erfindung Voltaires erklärt und Soulavie, der Herausgeber der Memoiren Richelieus, 1790 behauptete,
daß die eiserne Maske
ein Zwillingsbruder Ludwigs XIV. gewesen, den Ludwig
XIII. im geheimen habe erziehen und Ludwig XIV. einsperren
lassen, eine Ansicht, die lange allgemein geglaubt wurde; Zschokke folgte ihr in seinem Trauerspiel »Der Mann
mit der eisernen
Maske«.
Nach der Zerstörung der Bastille (1789) suchte man auch nach Zeugnissen über die eiserne Maske
, fand aber in
den Hausregistern das Blatt
[* 7] über diesen Gefangenen ausgerissen. Eine Ansicht, die vielen glaubwürdig erschien, ist die, daß
die eiserne Maske
Mattioli, Minister des Herzogs Karl Ferdinand von Mantua,
[* 8] gewesen sei. Aus italienischen und französischen Aktenstücken
erwiesen dies Senac de Meilhan (»Œuvres philosophiques et littéraires«, Hamb. 1795),
Roux-Fazillac (»Recherches historiques et critiques sur l'homme au masque de fer«, Par. 1800),
ferner Delort (»Histoire de l'homme au masque de fer«, das. 1825),
und ihnen folgten mehrere deutsche Gelehrte sowie noch neuerdings Camille Rousset (»Histoire de Louvois«, Bd. 3, 6. Aufl.,
das. 1879) und M. Topin (»L'homme au masque de fer«, das.
1869). Mattioli hatte nämlich 1678 Ludwig XIV. versprochen, die Festung
[* 9] Casale an Frankreich zu verraten, hatte dafür von Ludwig
außer kostbaren Geschenken 100,000 Scudi empfangen, verriet aber das Geheimnis an Savoyen, Spanien
[* 10] und Österreich. Deshalb soll
ihn der französische König auf die französische Grenze haben locken und in diese Art Gefangenschaft
bringen lassen. B. Jakob (»L'homme au masque de fer«, Par. 1840)
erklärt die eiserne Maske
für den Finanzintendanten Fouquet, eine allerdings völlig unwahrscheinliche Ansicht. Neuerdings stellte
Th. Jung in »La vérité sur le masque de fer« (Par.
1873; deutsch bearbeitet von Riese, Greifsw. 1876) noch eine andre Behauptung auf.
Die eiserne Maske
war hiernach der lothringische Ritter v. Harmoises, welcher an der Spitze einer Verschwörung stand, die sich in den
spanischen Niederlanden gegen das Leben Ludwigs XIV. gebildet hatte. Er wurde auf der Reise nach Paris
[* 11] bei
Péronne verhaftet und in der Bastille und in den Staatsgefängnissen zu Pignerol, Ste.-Marguerite und Exiles darum im tiefsten
Geheimnis gefangen gehalten, weil er vornehme Personen, wie den Grafen von Beauvais, den Prinzen von Condé u. a., zu Mitwissern
seiner Pläne gehabt hatte.