Reichsgericht
,
der gemeinsame oberste
Gerichtshof für das
Deutsche Reich,
[* 2] welcher nach dem
Reichsgesetz vom seinen
Sitz in
Leipzig
[* 3] hat und an die
Stelle des frühern
Reichsoberhandelsgerichts getreten ist. Das Reichsgericht
, bei welchem
sechs
Zivil- und vier
Strafsenate bestehen, die in der jeweiligen Besetzung von sieben
Richtern entscheiden, erkennt über das
Rechtsmittel der
Revision gegen zweitinstanzliche
Endurteile der
Oberlandesgerichte in Zivilsachen und über die
Revision gegen
Strafurteile der
Landgerichte und der
Schwurgerichte, nur daß in
Bayern
[* 4] die
Verhandlung und
Entscheidung von
Revisionen und
Beschwerden in Zivilsachen an ein
oberstes Landesgericht verwiesen ist, jedoch nur in solchen
Rechtsfällen, in welchen lediglich
Landes-, nicht Reichsrecht in
Frage kommt. In
Strafsachen geht in landesrechtlichen
Sachen die
Revision an die
Strafsenate der
Oberlandesgerichte.
Eine
Entscheidung der vereinigten
Zivilsenate des Reichsgerichts
ist erforderlich, wenn ein
Zivilsenat in einer
Rechtsfrage von einer frühern
Entscheidung eines andern
Zivilsenats oder der vereinigten
Zivilsenate abweichen will. Ebenso
ist eine
Strafsache an die vereinigten
Strafsenate zur Plenarentscheidung zu verweisen, wenn ein
Strafsenat von einer frühern
Entscheidung eines andern
Strafsenats oder der vereinigten
Strafsenate abweichen will. Außerdem entscheidet das Reichsgericht
, bei welchem
die staatsanwaltschaftlichen
Funktionen durch einen
Oberreichsanwalt und durch mehrere
Reichsanwalte wahrgenommen
werden, in erster und letzter
Instanz über die gegen
Kaiser und
Reich gerichteten
Verbrechen des
Hochverrats und des
Landesverrats,
wobei der
Verweisungsbeschluß durch den ersten
Strafsenat erfolgt, das
Hauptverfahren aber vor dem vereinigten zweiten und
dritten
Strafsenat des Reichsgerichts
stattfindet.
Der
Präsident und fünf Mitglieder fungieren ferner als Disziplinargerichtshof, auch gehören der
Präsident
und drei Mitglieder des Reichsgerichts
dem Ehrengerichtshof für
Rechtsanwalte an.
Präsident, Senatspräsidenten und
Räte
des Reichsgerichts
werden, ebenso wie der
Oberreichsanwalt und
die
Reichsanwalte, vom
Kaiser auf
Vorschlag des
Bundesrats ernannt.
Nur wer die Fähigkeit zum Richteramt in einem
Bundesstaat erlangt und das 35. Lebensjahr vollendet hat,
ist dazu befähigt.
Die
Versetzung in den
Ruhestand kann gegen den
Willen des betreffenden Mitglieds des Reichsgerichts
nur durch Plenarbeschluß
des Reichsgerichts
erfolgen. Ebenso ist ein solcher erforderlich, wenn die Enthebung eines Mitglieds von seinen
Funktionen
wegen strafbarer
Handlungen eintreten soll. Die
Entscheidungen des Reichsgerichts
in Zivilsachen wie in
Strafsachen werden von den Mitgliedern herausgegeben (Leipz. 1880 ff.),
außerdem von der Reichsanwaltschaft die »Rechtsprechung des Reichsgerichts
in
Strafsachen«
(Münch. 1880 ff.). - Im frühern
Deutschen
Reich fungierten als Reichsgerichte
das
Reichskammergericht (s. d.) und
der
Reichshofrat (s. d.). In
Österreich
[* 5] ist Reichsgericht
die Bezeichnung für einen zur
Entscheidung von
Kompetenzkonflikten
in streitigen Angelegenheiten des öffentlichen
Rechts berufenen
Gerichtshof.