die wissenschaftliche Behandlung der religiösen
Ideen und die Untersuchung der historisch gegebenen
Religionen bezüglich ihres philosophischen
Gehalts. Dieser doppelten Aufgabe zufolge versucht die Religionsphilosophie entweder die religiösen
Ideen zu einem wissenschaftlich geordneten
System und einem rationell begründeten Ganzen zusammenzustellen, indem sie
eine wissenschaftliche Religionslehre aus der
Idee der
Religion selbst ableitet ohne Rücksicht auf das, was eine positiv gegebene
Religion darüber lehrt, oder sie verhält sich zu einer historisch gegebenen Religionslehre kritisch und korrektiv.
Im erstern
Sinn behandelten die alten griechischen
Philosophen die religiösen
Ideen von verschiedenen Standpunkten aus, und
in gleicher
Weise hat die neuere
Philosophie, sobald sie sich von der Herrschaft der Kirchenlehre emanzipiert
hatte, selbständige Religionssysteme aufgestellt, wogegen die
Scholastiker des
Mittelalters sowie die meisten philosophierenden
Theologen darauf ausgingen, ein kirchliches Glaubenssystem zu rechtfertigen, zu rektifizieren oder (wie D.
Strauß)
[* 2] zu stürzen.
Das wichtigste
Objekt der religionsphilosophischen Untersuchung ist die
Idee der
Gottheit (s. Gott), deren
ganze wissenschaftliche
Entwickelung ihr zufällt, da die historischen
Religionen diese
Idee ohne Ausnahme als gegebene und
in ihrer
Realität zweifellose voraussetzen. Nächstdem gehören die
Fragen über moralische
Freiheit und
Unsterblichkeit als
Hauptprobleme der an. S. Litteratur bei
Religion.
die wissenschaftliche Erkenntnis des allgemeinen Wesens der Religion, ihrer
psychol. Gesetze und ihrer geschichtlichen Erscheinungsformen. Eine Religionsphilosophie giebt es strenggenommen erst
dann, wenn die Erkenntnis gereift ist, daß die Religion mehr sei als ein System von übernatürlich mitgeteilten und mit äußerm
Autoritätsglauben aufzunehmenden Glaubenssätzen; daß das Auftreten solcher Glaubenssätze nur eine von den Erscheinungsformen
des religiösen Lebens sei, die im engsten Zusammenhang mit allen übrigen aus dem Wesen der Religion und ihrer geschichtlichen
Entwicklung verstanden werden müsse.
Hiermit ist die Anerkennung eines Ewigen, Allgemeinen und Göttlichen, das sich in dem Wechsel religiöser Anschauungen und Kultusformen
geltend macht, so wenig ausgeschlossen, daß man vielmehr die geschichtlichen Gestalten des religiösen
Lebens nur durch Zurückgehen auf die in der Geschichte waltenden und in ihr sich offenbarenden göttlichen Ordnungen richtig
zu würdigen vermag. Wie das religiöse Leben selbst ein wesentliches Moment im geistigen Leben der Menschheit überhaupt,
so bildet die Religionsphilosophie einen wesentlichen Bestandteil der Geistesphilosophie.
Von der dogmatischen Theologie unterscheidet sie sich nicht sowohl durch ihren Gegenstand als durch ihr
rein philos. Interesse, sofern in ihr nicht sowohl, wie in jener, das christl.-religiöse Bewußtsein über sich selbst, als
vielmehr der wissenschaftliche Geist über die Eigentümlichkeit des religiösen Bewußtseins klar zu werden sucht; dabei wird
freilich religiöse Selbsterfahrung unentbehrlich sein, wie auch die theol. Arbeit ohne philos. Bildung
nicht zu vollziehen ist. Zur allgemeinen Religionsgeschichte endlich verhält sich die Religionsphilosophie wie deren
principieller Teil zur empirischen Ausführung.
Im Unterschied von der Religionsphilosophie als einer Frucht erst der neuern Philosophie hat man die frühere Art, ihre Gegenstände zu behandeln,
nur als «religiöses Philosophieren» zu bezeichnen; so die philosophisch
angeregten Spekulationen der Gnostiker und der jüd. und christl. Alexandriner, trotz der Abhängigkeit derselben von Platonischer
Philosophie. Ebenso waren die mittelalterliche Scholastik, die nur die objektive Wahrheit des kirchlichen Dogmas durch
scharfsinnige Reflexionen erweisen wollte, und die der Scholastik sehr verwandte altprot.
Dogmatik noch nicht im stande, sich auf den religionsphilos. Standpunkt zu erheben. Der erste wirkliche Versuch einer Religionsphilosophie ist
die Kantsche «Religion innerhalb der Grenzen
[* 3] der bloßen Vernunft» (Königsb. 1793). Dieselbe hat es freilich mehr mit einer
Zurückführung der christl. Glaubenslehre auf die Grundideen eines religiösen Moralismus als mit einer
wirklichen Erörterung des Wesens der Religion und ihrer geschichtlichen Erscheinungen zu thun. Eine spekulative Entwicklung
der religiösen Idee hat in großartiger WeiseHegel in seinen «Vorlesungen über die Philosophie der Religion» (2. Aufl., 2 Bde.;
Bd. 11 u. 12 der «Werke», Berl. 1840) gegeben, doch
behandelte er die Religion zu einseitig als eine unvollkommene Form metaphysischen Erkennens, um dem wirklichen
Gesamtumfange ihres Wesens wie ihrer Erscheinungsformen gerecht werden zu können, was besonders in der Umdeutung des Christentums
in seiner, der Hegelschen, Philosophie hervortrat. Den Grund zu einer echt psychol. und histor. Behandlung der Religionsphilosophie hat Schleiermacher
(s. d.) gelegt, der namentlich den Unterschied des religiösen
Denkens vom philos. Erkennen zuerst festgestellt hat. (S. Religion.) Nach ihm und neben ihm hat auch die Herbartsche und Friessche
Schule sich um die Religionsphilosophie verdient gemacht. -
Vgl. Pfleiderer, Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlage (Berl. 1878; 3. Aufl.
u. d. T.: Geschichte der Religionsphilosophie von Spinoza bis auf die Gegenwart, ebd. 1893);